Mandamos Verlag
© 2017 Irene Pietsch
Umschlag und Illustrationen zu „Jabo Noi“ und „Jabo Noi plus®“: Irene Pietsch.
Verlag:
Mandamos Verlag UG (haftungsbeschränkt),
Alte Rabenstraße 6, 20148 Hamburg
Herstellung und Auslieferung:
Tradition GmbH,
Grindelallee 188, 20144 Hamburg
ISBN
Paperback | 978-3-946267-30-0 |
Hardcover | 978-3-946267-31-7 |
e-Book | 978-3-946267-32-4 |
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Der Bürger war noch nie so mündig wie jetzt. Er müsste darob vor Selbstvertrauen und Kraft kaum gehen können, was erstaunlicherweise nicht durchweg eintritt. Immer noch meint mehr als der eine oder andere, seine geduldige Mündigkeit würde nicht genügend mit bedeutsamen Vorteilen honoriert und hält es mit dem Sänger, der beim Zahnarzt nur den Mund aufmacht, wenn er dafür bezahlt wird. Die Wahl auf amtlich vorgestanzten Z e t t e l n (sic!) von Handbuchformat, das einem multifunktionalen Küchenmaschinenfabrikat alle Ehre machen würde, wird zur Anamnese vor Aufnahme in…
Ja, in was? Ein Spital oder eine Wohnanlage mit Swimmingpool?
Wichtig sind Vorerkrankungen der Urgroßeltern, Großeltern, Eltern und Verwandten in direkter Linie sowie Kinderkrankheiten und Impfungen mit Auffrischungen. Alle Unterlagen bitte am Wahltag mit Ausweis bereit halten und ohne spezielle Aufforderung vorzeigen.
„Sie können sich schon mal in Kabine 3 ausziehen. Wir kommen gleich und holen Sie ab.“
„Meine Unterhose kann ich anlassen?“
„Darf ich mal...“
Ein Griff ins Bündchen...
„Das geht. Bleistift finden sie links neben der Ablage.“
Der Bleistift hängt rechts an einem Bindfaden. Fehlt nur noch das Klopapier daneben.
Ach, wenn doch erst wieder Wahltag wäre...
Der Bürger lechzt nach Benotung durch Selbstportraitierung, spätestens, nachdem er seine Stimme turnusmäßig an der Urne abgegeben hat, wo hinein sie von Helfern versenkt wird. Nie ist er fotogener als bei der ersten zuverlässigen Hochrechnung, die einen Sieg verheißt, auf den er gesetzt hat.
Wählen ist nicht nur wichtig, wählen macht Spaß, wenn man es nur richtig angeht. Nicht jeder mag sich zu so viel zivilem Ungehorsam hingezogen fühlen. Zu tief sitzt die Lektion, dass Ruhe die erste Bürgerpflicht ist, weswegen am Sonntag gewählt wird. Erst die Kirche, dann...
Wählen ist die erste Bürgerpflicht!
Hier müsste eine Video eingespielt werden, das einen Austernfischer im Revier eines Walfängers zeigt. Aus Ermangelung an flankierenden Maßnahmen wird eine markante Szene aus dem Kurzfilm schriftlich nachgestellt:
Das Bühnenbild:
Eine städtische Rasenfläche kurz vorm Absaufen. Im Hintergrund ein Findling. Seine güldene Inschrift:
„Op ewig ungedelt.“
Es gießt in Strömen.
Hauptdarsteller:
Ein junger Austernfischer auf Wurm- und Madenjagd.
Ein Walfänger im besten Mannesalter mit Beute (Karpfen).
Ein Riesenwels in der Zwickmühle.
Ein Filmteam, bestehend aus Regisseur und Filmerin.
Walfänger zu Filmerin (stehen sich vis-à-vis gegenüber):
„Können Sie nicht mal Ihren Schirm über mich halten?“
Filmerin:
„Von hinten oder von vorne?“
Walfänger (über ihren Schirm hinweg):
„Der Fisch muss trocken bleiben.“
Filmerin (hält den Schirm so hoch, dass sie Blickkontakt mit dem Walfänger aufnehmen kann):
„Der muss trocken bleiben?“ ( zieht die Augenbrauen belustigt hoch und zeigt auf das ansehnliche Karpfenexemplar).
„Das Drama, ihn trocken zu halten, habe ich einmal miterlebt, seitdem ist mir das Karpfenverhalten in Gefangenschaft dubios.“
Walfänger:
„Nur Mut. Er beißt nicht mehr!“
Filmerin (hält den Schirm jetzt direkt über ihren Kopf, wie um sich vor einem Befreiungsakt des Karpfens schützen zu wollen):
„Wer garantiert mir das?“
Walfänger:
„Was wollten Sie denn wohl machen, wenn ein Blauwal mit dem Boot flirtet (lacht einmal heiser auf)?
Los! (greift einen Eimer).
Ich muss schöpfen. Wenn Sie jetzt nicht halten, ist das Boot gleich ganz voll (hält den Fisch Filmerin unter die Nase).
Da – ganz frisch. Nehmen Sie ihn endlich.“
Filmerin (streckt eine Hand unter dem Schirm her und tätschelt ein wenig die Schuppen des Karpfens):
„Der ist ja ganz glitschig. Den kann ich nicht halten.“
Walfänger:
„Mann! Es geht um meinen Jahresbonus. Da hinten der Austernfischer mit den kreglen Augen wartet doch nur, ihn mir streitig zu machen.“
Austernfischer tippelt geschwind herbei, hackt gezielt in den tropfnassen Rasen und zieht einen Wurm nach dem anderen heraus, schlägt einen Haken und wagt einen Ausbruch nach links, als er des Walfängers ansichtig wird.
Walfänger:
„Haben Sie das eben mitgekriegt?“
Filmerin:
„Ich finde ihn wonnig – so grazil, so behend.“
Walfänger:
„Dann halten Sie doch Ihren Schirm über ihn!“
Filmerin:
„Wie soll denn das funktionieren?“
Walfänger:
„Da haben Sie es!“
Filmerin:
„Was?“
Walfänger:
„Entweder Bruder Leichtfuß mit ungewissem Einkommen oder…“
Filmerin:
„Dazwischen gibt es nichts?“
Walfänger:
„Waren Sie schon mal bei Schietwetter hier? Der kommt n u r dann!“
Filmerin: (guckt in die Runde und entdeckt den Riesenwels in der Zwickmühle):
„Warum hilft ihm keiner?“
Walfänger:
„Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, dass selbst der Austernfischer ihn umgeht, wo er doch sonst keine noch so große Größe meidet, um zu seinem Vorteil aufzuspringen!“
Filmerin:
„Auch bei Nilpferden?“
Walfänger:
„Stehende Gewässer sind ihm lieber.“
Der Austernfischer keckert und rennt dreimal um das kniehoch mit Wasser gefüllte Boot des Walfängers. Filmerin hüpft mal ihm nach, mal ihm aus dem Wege, was eine komische Choreographie der Bewegungsabläufe inmitten der grünen Hochseestimmung ergibt und seinen Höhepunkt erfährt, als die Automatik des Schirms versagt und über dem Kopf der Filmerin zusammenklappt, was einen Hilfspolizisten auf den Plan ruft.
Hilfspolizist:
„Sie da! Können Sie nicht lesen?“
Filmerin hält erschrocken inne.
Er zeigt auf den Findling:
„Op ewig ungedelt.“
Schwenk über die Rasenfläche.
Herr Grotschy aus Wien ist von Natur aus tanzbegabt, ballerfahren und hat deshalb oder dennoch sämtliche Mitgliedschaften auf Lebenszeit in Fitness Studios, Sportgruppen und Gesangvereinen fristgerecht und unter Wahrung aller Formalien zum nächst möglichen Termin gekündigt, was rund zwei Jahre in Anspruch genommen hat.
Er ist nunmehr vertragsmäßig assoziierter Studio Partner, Sportbeirat für Auswärtsspiele von Bregenz bis Bergen und Gesangesbruder von gemischt geschlechtlichen Chorgemeinschaften, die zur Verstärkung von Unterbesetzungen im Bariton- und Bassfach antreten. All das ohne Gage, sondern mit Freiwilligenobolus in Höhe seines vorherigen Pflichtbeitrags.
Hier müsste erneut ein Videoclip eingespielt werden, der jetzt in bewährter Weise geschrieben eingefügt wird.
Das Bühnenbild:
Eine Fußgängerzone bei Wind und Wetter. Sie sieht unwirtlich aus, nur wenige Passanten kämpfen sich die Unlust am Stadtbummel durch tapferes Durchhalten im Freien vom Stimmungsbarometer.
Im Hintergrund: Jupiters Stammkneipe. Der Göttervater ist umwölkt. Er tritt als Stimme auf.
Sonstige Hauptdarsteller:
Eine Graugans, offensichtlich kapitolinischer Natur.
Eine Flugente vom olympischen Ruderzweier mit Steuermann.
Herr Grotschy in ungebrochen guter Verfassung.
Gans zu Flugente:
„Ich habe meine Antennen gerade ausgefahren. Die Starterlaubnis aus Brüssel müsste jeden Moment gegeben werden.“
Flugente:
„Dann will ich mein Fahrwerk schon mal kontrollieren (rudert heftig auf der Stelle).“
Gans (hält eine Schwanzfeder in die Luft):
„Brüssel hält die Landebahn gesperrt. Alle Flieger müssen über die Startbahn Chalkidiki.“
(ein Kastenwagen fährt vorbei, die Unbekannte jucht, Ente rudert stärker, um mit ihrem Bord eigenen Dynamo die Warnlichter in Gang zu setzen, Herr Grotschy nähert sich Gans).
Ente:
„Ich versuche mal ein Punktstehen.“ (Sie hält einen Flügel in die Windrichtung, den anderen entgegengesetzt).
Herr Grotschy:
„Wenn ich so frei sein darf – das sieht nicht besonders gefällig aus.“
Gans (senkt alle Schwanzfedern und dreht sich zu Herrn Grotschy um, ohne die gerade Hals-Kopf-Haltung aufzugeben, wobei sich ihr gesamtes Schwanzfederarsenal zu einem einzigen Leitruder entwickelt, spricht im Adagio):
„Recht so?“
Herr Grotschy:
„Für einen Großraumflieger wie Sie ideal. Wann darf ich Sie in der Luft erwarten?“
Gans:
„Zählen Sie langsam bis 1500 und gehen dann bei 1501 zur Aussichtsplattform.“
Die Kamera zeigt das Flugfeld im flirrenden Asphalt der Nässe, den Tower und eine Aussichtsplattform, die einem Kleingarten gleicht.