Autorenvita

 

© Thienemann Verlag GmbH

 

Christine Lehmann, 1958 in Genf geboren, wollte bereits mit 14 Jahren Schriftstellerin werden. Nach dem Abitur studierte sie Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin arbeitet als Nachrichten-Redakteurin beim SWR. Darüber hinaus schreibt sie seit fast 20 Jahren Krimis und Liebesromane (Knaur, z.B. »Der Bernsteinfischer«, verfilmt mit Heiner Lauterbach, oder »Die Liebesdiebin«), Essays, Kurzgeschichten für Anthologien und Kriminalhörspiele fürs Radio. Unter ihrem Pseudonym Madeleine Harstall erscheinen ihre historischen Romane. Christine Lehmann lebt mit ihrem Mann in Stuttgart.

www.lehmann-christine.de

 

Buchinfo

 

Als Lena für ein Jahr zum Work & Travel nach Australien kommt, ist sie voller großer Erwartungen. Doch statt die plötzliche Freiheit zu genießen und die pulsierenden Metropolen zu erkunden, landet sie auf der Walker Farm im hintersten Winkel von Queensland. Hier erwartet sie nichts als unberührte Wildnis und harte Arbeit.

Der einzige Lichtblick ist der Buschpilot Bran, der Sohn ihrer Arbeitgeber. Verschwiegen, distanziert, aber ungemein attraktiv. Nach und nach erfährt Lena, dass Bran einen Großteil seiner Kindheit bei einem Aboriginal-Stamm verbracht hat, und spürt, dass es ein dunkles Geheimnis in seiner Vergangenheit gibt. Dennoch besteht eine seltsame Verbundenheit zwischen ihnen, denn beiden gemeinsam ist der große Traum vom Fliegen. Langsam öffnet sich Bran und führt Lena in die geheimnisvolle Kultur der Aboriginals ein. Dabei muss sie erkennen, dass die australische Gesellschaft die Ureinwohner nach wie vor nicht respektiert und noch immer von ihrem angestammten Land verdrängt. Zusammen mit Bran gerät sie zwischen die Fronten, als es darum geht, die Rechte der Ureinwohner zu verteidigen. Dadurch wird ihre Liebe immer stärker. Eine Liebe, die nicht sein kann, denn Lenas Tage in Australien sind gezählt. Und auch Brans dunkles Familiengeheimnis birgt eine große Gefahr …

– 1 –

 

Ich habe es geschafft, ich bin raus aus meinem Kaff, aus Oktoberregen und Enge. Es herrschen zweiunddreißig Grad im Schatten, der Himmel ist blau. Es riecht nach Eukalyptus. Und schon im Flughafen von Brisbane stehen Palmen.

Das Gepäckband musste nur noch meinen Rucksack bringen, dann konnte es losgehen, zusammen mit Hanna. Sie war schon seit einem Monat hier und würde mich abholen. Wir würden an irgendeinen Strand fahren und ohne Ende Party machen. Ich würde einen netten Jungen kennenlernen, natürlich stinkreich, der in der Stadt lebte. Das war mein eigentliches Ziel. Nicht dieser Tierpark im Outback, wo ich mich für drei Monate Arbeit angemeldet hatte. Das war genau dort, wo ich nicht hinwollte, mitten im staubigen und glühend heißen Nichts von Queensland. Gleich nachher wollte ich dort anrufen und absagen. Mir sei was dazwischengekommen.

Das war der Plan, aber er ging schief. Denn Hanna war nicht da. Sie wartete nicht hinter der Schranke auf mich, wo andere anderen in die Arme fielen. Ich stand doof da und tickerte hektisch auf meinem Handy herum. Es wollte die PIN nicht akzeptieren. Für Australien bestellte man sich extra SIM-Karten. Die schickten sie einem sogar nach Hause. Ich dachte, ich hätte mir die Entsperr-PIN gemerkt, hatte ich aber offenbar nicht. Wenn ich sie ein drittes Mal falsch eingab, war es ganz aus. Hoffentlich hatte ich die Unterlagen eingesteckt, PIN und PUK und Telefonnummer. Rucksack runter, ich musste suchen.

Das Ehepaar, neben dem ich im Flieger gesessen hatte, zog mit seinen Koffern ab. Sie winkten mir noch zu und riefen: »Viel Spaß!« Sie besuchten Freunde in Brisbane und waren nicht zum ersten Mal in Australien. Während des Flugs hatten sie mir alle Sehenswürdigkeiten aufgezählt, die ich unbedingt besuchen musste: den Uluru natürlich, den heiligen Berg der Aborigines mitten im Outback, die Nationalparks und das Northern Territory, wo noch wilde Stämme lebten, die kein Englisch sprachen. »Da dürfen Sie keinen Alkohol mit hinnehmen. Es stehen Schilder am Straßenrand.« Ein bisschen hatte es so geklungen, als besichtige man die Ureinwohner wie Tiere auf einer Safari oder im Zoo. »Bitte nicht füttern!« Manche durfte man streicheln, andere waren wild und bissig. So die Art.

»Ich will erst ein bisschen Geld verdienen«, hatte ich ihnen erklärt, »und wenn ich genug beisammenhabe, dann nehme ich Flugstunden. Ich will Pilotin werden.«

Das hatten sie interessant gefunden. »Ist das nicht sehr schwierig? Muss man da nicht sehr viel lernen?« Sie erzählten von einem Enkel oder Neffen, der entsetzlich geackert hatte. »Und ein junges Mädchen wie Sie?« Sie hatten mich lieb angelächelt. Aber sie hatten mir geglaubt, dass dies ernsthaft mein Ziel war. Für einen Moment hatte ich es selbst geglaubt und mich stark gefühlt. Was, wenn ich es wirklich tat? Die Farm, bei der ich mich angemeldet hatte, lag fünfzig Kilometer von Longreach entfernt. Dort gab es nicht nur einen Flugplatz, sondern auch eine Flugschule. Das hatte mir das Internet verraten. Dabei war in mir mein alter Traum wieder wach geworden: Fliegen lernen! Das wär’s. In Australien war es bestimmt weniger kompliziert und nicht so teuer wie in Deutschland. In Australien war alles leichter. Doch dann hatten Hanna und ich ausgemacht, dass sie mich in Brisbane abholen und wir die Ostküste hinauffahren würden: Strand, Party und easy going. Allerdings hätte sie dann jetzt eben auch hier sein oder mein Handy hätte wenigstens funktionieren müssen.

Wie ich mich bückte und im Rucksack kramte, bekam ich von hinten einen Stoß. Beinahe wäre ich hingeflogen. Ich fuhr hoch und drehte mich um. »He!«

Ein Typ drehte sich ebenfalls um. Er hatte sich gerade eine Reisetasche auf die Schultern geschwungen und sah aus, als wollte er von hier direkt in den Busch, um dort zu überleben. Aber er sah gut aus. Extrem gut. Er trug Cargoshorts, ein verwaschenes und zerschlissenes erdfarbenes T-Shirt und an den Füßen die typisch australischen Redback-Boots, vermutlich mit Stahlkappe.

»Sorry«, sagte er. Dabei schaute er mit krass blauen Augen etwas arrogant an mir herab.

Wie sagte man »macht fast gar nichts« auf Australisch? Ich war blockiert und brachte kein Wort heraus. Er hatte kurzes blondes Strubbelhaar, er war nicht zu groß, nicht zu klein, schlank und ziemlich muskulös. Und er hatte etwas an sich, das mich total irritierte. Was genau das war, konnte ich nicht sagen. Sein Blick war für einen Moment scharf und prüfend, im nächsten Augenblick aber schon wieder reserviert und gleichgültig. Natürlich erkannte er sofort, dass ich eine Touristin aus Europa war. Viel zu warm angezogen für die zweiunddreißig Grad draußen. Ich hatte sogar noch ein Unterhemd an. In Flugzeugen ist es kalt.

Gleichzeitig hörte ich meinen Namen durch die Halle dröhnen, oder zumindest etwas, das ich als meinen Namen identifizierte: »Lena Lang, please proceed to …« Wohin sollte ich gehen? Ich raffte meinen Rucksack.

»Lena?«, sprach mich da eine junge Frau an. »Bist du das, Lenni?« Sie stand neben dem jungen Mann mit den Cargoshorts und sah aus, als sei auch sie eben angekommen. Aber in meinem Flieger hatte sie nicht gesessen, denn sie war sommerlich gekleidet, mit superkurzem Rock, einem hauchdünnen Nichts von Shirt, unter dem man den BH sah, und Zehenteilerschlappen, die man hier Thongs nannte.

»Yes«, antwortete ich. »Ich bin Lena.«

»Und ich bin Jolie.«

Wir schauten den Mann an, aber er sagte nichts.

Jolie lachte. »Das ist Bran.«

»Hayegoin«, nuschelte er den australischen Gruß, den ich erst später entschlüsseln lernte. Er war eine Kurzform von »how are you going«, und auch das war eine Frage, die ich aus dem Englischunterricht nicht kannte. Wir hatten nur »how do you do?« gelernt. Und das als Frage, auf die man ebenso formelhaft mit »I’m fine« antwortete. Aber selbst das fiel mir jetzt nicht ein. Ich glaube, ich starrte ihn einfach nur an.

»We give you a lift«, sagte er. Dabei ging mir sein Blick direkt in die Augen und mir lief – urplötzlich – ein Schauer den Rücken runter.

»Was?« Einen Lift, einen Fahrstuhl? Nein, brauchte ich nicht. »Thank you.«

Bei mir daheim verstand man ein kurzes Danke als Nein. Hier offenbar nicht. Die junge Frau redete freundlich auf mich ein, aber ich verstand kein Wort. Was auch immer die Australier sprachen, mit dem Englisch, das ich in der Schule gelernt hatte, hatte es nur wenig zu tun.

Erneut schepperte die Durchsage mit meinem Namen durch die Halle. »Ich muss …« Wie erklärte ich das? Vielleicht war es ja Hanna, die mich ausrufen ließ. »Someone asks for me.« Ich deutete zu den Lautsprechern.

»Das war ich«, erklärte Jolie. »Ich habe dich ausrufen lassen. Du hast meiner Mutter geschrieben, dass du mit diesem Flug kommst.«

Das hatte ich nicht! Oder hatte ich doch? Ich war viel zu verwirrt.

»Und weil ich sowieso auch gerade angekommen bin, dachten wir, wir könnten dich gleich mitnehmen. Dann musst du nicht mit dem Bus oder dem Zug fahren. Da bist du zwanzig Stunden unterwegs.«

Endlich dämmerte es mir. »Ach so, ihr seid von der Walker Station? Ich wusste nicht, dass ich abgeholt werde. Das …« Das hätte man mir sagen müssen, fand ich, konnte es aber gerade nicht so ausdrücken, dass es nicht wie ein Vorwurf klang.

»Es hat nur gerade gut gepasst«, erklärte Jolie noch einmal. »Wenn Bran schon die Strecke fahren muss, da dachten wir, wir warten noch die eine Stunde, bis dein Flugzeug landet, und nehmen dich auch mit. Und jetzt wäre ich beinahe selber zu spät gekommen.« Sie lachte.

Bran wandte sich dem Ausgang zu. Jolie lächelte mir aufmunternd zu. »Komm!«

»Aber ich warte auf jemanden. Auf meine Freundin Hanna. Sie wollte mich abholen, aber sie ist nicht hier. Und ich kann sie nicht anrufen, weil ich mein Handy nicht zum Laufen kriege.«

»No worries!«, sagte Jolie. Auch das war so ein Spruch, den ich erst später als generelle Beruhigungsformel kennenlernte. »Mach dir keine Gedanken! Kein Stress. Das wird schon alles irgendwie klappen.«

»Vielleicht wartet sie bei uns auf dich«, fügte Jolie lächelnd hinzu. »Und sie hat dir eine SMS geschickt.«

Dann soll es wohl so sein, dachte ich. Denn ich wusste momentan nicht, wie ich das Missverständnis auflösen sollte. Ich konnte den beiden freundlichen Menschen doch jetzt nicht gut erklären, dass ich überhaupt nicht mehr vorgehabt hatte, auf ihrer Farm zu arbeiten und sie umsonst auf mich gewartet hatten. Zumal, falls Hanna gar nicht kam, wo hätte ich sonst hinsollen?

»Okay«, sagte ich.

Vor den Türen stand die Hitze wie eine Wand. Uff.

– 2 –

 

Brisbane lag zwischen Bergen und Meer. Ich hatte es von oben gesehen, als wir landeten. Der Fluss zog sich in Schleifen durchs Zentrum. An seinen Ufern standen Hochhäuser. Stahlbrücken, auf denen sich Autos stauten, überquerten ihn. Man fuhr links. Das wusste ich zwar, aber es war trotzdem total irritierend. Ich verlor sofort den Überblick, als wir vom Parkplatz am Flughafen in die Airport-Drive einbogen.

Ein riesiger blauer Himmel spannte sich über uns. Von der Zweimillionenstadt Brisbane sah ich nichts außer Hecken, Tankstellen, Leitplanken, Ampeln und gelegentlich mal ein Straßenlokal mit zwei Stühlen davor und Schildern, auf denen Seafood oder Coffee stand. Kurz fuhren wir an dem milchgrünen Brisbane River entlang. Danach dauerte es eine gute Stunde, bis wir die Stadt hinter uns gelassen hatten und in dem gekühlten, sehr neuen japanischen Geländewagen auf dem Highway A2 gen Nordwesten rollten, meistens schnurgerade. Der Highway hatte mit unserer Autobahn nicht viel gemein außer den zwei Spuren in jede Richtung. Es gab aber weder Seitenbefestigungen noch Leitplanken. Der Asphalt franste einfach seitlich aus. Es fuhren kaum Autos.

Das Land war saftig grün und mit Blüten übersät. Frühling. Ein bisschen wie im Allgäu. Nur dass die Bäume anders aussahen: Palmen, Akazien mit gelben Blüten zwischen lanzettförmigen Blättern und die etwas lasch wirkenden Eukalyptusbäume mit ihren weiß gefleckten Stämmen.

Bran saß am Lenker auf der falschen Seite, also rechts, Jolie hatte sich auf dem Beifahrersitz zu mir umgedreht. Sie erzählte, dass sie in Sydney Biologie studierte und wegen einer Familienfeier für eine Woche nach Hause fuhr. Ihre Mutter wurde fünfzig. Ich schätzte Jolie auf Anfang zwanzig. Sie war zierlich, schlank und lebhaft, ihre dunklen Augen blitzten. Sie redete viel. Das meiste verstand ich nur so ungefähr. Australisch bestand aus langen Vokalen und vernuschelten Konsonanten. Das englische Wort »time« sprach Jolie nicht »teim« aus, wie ich es gelernt hatte, sondern »tom«. Deshalb kann es auch sein, dass sie mir erzählte, sie fahre heim, um zu heiraten oder weil ihre Schwester ein Kind bekam, keine Ahnung.

»Und du kommst direkt aus Deutschland?«, erkundigte sie sich.

»Ja, aus Tettnang. Das liegt in Süddeutschland am …« Was hieß Bodensee auf Englisch? Aber der Bodensee war hier vermutlich ohnehin gänzlich unbekannt.

»Und wie gefällt dir Australien?«

»Sehr gut. Hier ist alles so weit und offen.«

Sie lächelte. »Es kommen viele Deutsche hierher. Die Regierung möchte das. Deshalb hat man das Working Holiday-Visum geschaffen. Wir brauchen vor allem im Herbst Arbeitskräfte auf dem Land für die Ernte. Die Deutschen arbeiten allerdings am liebsten mit Tieren. Sie sind große Tierfreunde. Meine Mutter hat nie Probleme, Trainees für ihre Farm zu bekommen. Jeder möchte gern Koalabären streicheln und Kamelfohlen aufpäppeln.« Sie lachte und warf Bran einen kurzen Blick zu. Hatte er etwa was dagegen?

Aber er reagierte nicht. Ich sah von ihm sowieso nur die Schulter mit dem T-Shirt, dessen Schulternaht aufgeplatzt war, den Arm mit einer Uhr, den strohblonden Schopf, das Ohr. Er schaute kaum je zu Jolie herüber. Er schien keine Lust zu haben, sich am Gespräch zu beteiligen. Aber das störte nicht weiter. Anders als bei mir daheim. Wenn dort einer schwieg, fragte man sich, ob er was gegen einen hatte oder schlecht gelaunt war. Aber hier waren alle entspannter drauf und ließen die anderen sein, wie sie waren. Inzwischen hatte ich auch verstanden, dass er extra von der Walker-Station hergekommen war, dreizehnhundert Kilometer über den Highway, um Jolie vom Flughafen abzuholen. Vielleicht war er gar nicht ihr Freund, sondern ein Angestellter der Farm.

»Wir in Queensland«, fuhr Jolie fort, »haben ein unsentimentales Verhältnis zu Tieren. Wir züchten Rinder und Schafe, die werden verkauft und geschlachtet. Fertig. Dass jemand mutterlose Koalas einsammelt und einen Tierarzt bezahlt, damit er einem Waran eine Wunde zunäht, das hat die Leute hier anfangs befremdet. Aber inzwischen sehen sie ein, dass es Fremde in die Gegend lockt. Es ist nun mal so, dass Leute aus Europa ein romantischeres Verhältnis zu Tieren haben als wir. Sie fühlen sich gut, wenn sie Tieren helfen können.«

Darüber hatte ich so noch nicht nachgedacht. »Was ist denn schlecht daran, Tieren zu helfen? Sie sind auch Wesen. Sie empfinden auch Schmerzen.«

Jolie lachte freundlich. »Daran ist nichts schlecht. Meine Mutter macht eine tolle Arbeit, das wirst du sehen. Aber zur Tierfreundschaft gehört bei uns auch, dass man bestimmte Tiere erbarmungslos bekämpft. Das verstehst du erst, wenn du einmal in Brisbane nachts im Garten vor lauter Aga-Kröten nicht mehr auftreten kannst. Sie sind riesig, giftig und überall. Eine Plage. Bei uns sind sie noch nicht angekommen, aber das ist nur eine Frage von ein paar Jahren. Sie erobern Queensland von Osten her. Die Zuckerrohrfarmer haben sie in den Vierzigerjahren zur Schädlingsbekämpfung eingeführt. Und jetzt haben wir den Salat. Bei uns haben sie kaum natürliche Feinde. Sie vermehren sich explosionsartig. An der Uni arbeiten wir derzeit an einem biologischen Feind, einem Virus, der verhindert, dass sie geschlechtsreif werden. Aber er darf natürlich einheimische Amphibien nicht befallen. Das ist das Problem. Einstweilen kann man sie nur mit UV-Licht anlocken, einsammeln und töten.«

»Wie tötet man sie denn?«

»Mit Gas, oder man friert sie ein. Aber viele Australier hassen sie so, dass sie sie erschlagen, mit Golfschlägern, Latten. Oder sie fahren sie mit Rasenmähern oder Autos platt. Sie sind wirklich eine Plage. Du würdest sie auch hassen.«

Aber Kröten erschlagen würde ich trotzdem nicht. Das war total eklig.

So nett Jolie war und so freundlich ich mich aufgenommen fühlte, ich war doch froh, als sie sich endlich nach vorn umdrehte und in ihrer großen sackartigen Handtasche zu kramen und mithilfe des Rückspiegels ihr Make-up aufzufrischen begann. Denn ich verstand kaum noch etwas. Ich war total benommen vor Müdigkeit. Kein Wunder: Hinter mir lagen knapp dreißig Stunden Reise, immer wieder hatte man die Uhren in riesigen Sprüngen vorstellen müssen. Hier war es schon Mittag, meinem Körper aber fehlte noch die halbe Nacht. Würden wir jetzt etwa durchfahren?, fragte ich mich. Und warum hatte Jolie eigentlich nicht das Flugzeug von Brisbane nach Longreach genommen? Der Ort lag zwar mitten im Nirgendwo, aber er hatte einen Flugplatz.

Mir war der Flug nur zu teuer gewesen. Ich hatte den Sommer über bei Onkel Rudolf in der Kneipe auf seinem Hof gekellnert, nur um den einen Flug nach Australien bezahlen zu können. Er war Hopfenbauer und betrieb auf seinem Hof ein Hopfenmuseum. Die Besucher konnten bei der Ernte zuschauen und anschließend Bier trinken und dazu Maultaschen oder Schlachtplatte essen.

Als wir die Reise planten und ich mich fragte, wie ich zur Walker-Station kommen sollte, hatte Hanna vorgeschlagen, dass sie mich in Brisbane am Flughafen abholen könnte. Alles ganz easy. Wir würden zusammen den Highway nach Norden fahren. Da könnte ich Queensland gleich ein bisschen kennenlernen und mich eingewöhnen. Und als wir vor einer Woche telefonierten, hatte sie dann gemeint, dass ich erst einmal mit ihr an die Küste fahren sollte.

Ihre Eltern bezahlten ihr alles von vorn bis hinten. Das war der Unterschied. Ihr Vater war Chef einer Firma für Outdoorklamotten. Sie wohnten in einer Villa am Bodensee mit drei Autos in der Garage. Sie hatten zwei Pferde im Reitverein stehen, eine Jacht im Hafen von Langenargen und flogen im Urlaub nach Florida.

Ich dagegen war die Tochter einer alleinerziehenden Mutter. Mein Bruder war drei Jahre älter als ich und von einem anderen Vater. Meiner war Franzose und lebte längst wieder in Marseille. Er hatte geheiratet und weitere Kinder bekommen. Inzwischen erinnerte er sich nicht einmal mehr an meinen Geburtstagen an mich. Als ich zehn wurde, hatte ich ihn zum letzten Mal gesehen. Richtig für mich gezahlt hatte er auch nie.

Ich bewunderte meine Mutter dafür, dass sie uns zwei durchgebracht hatte. Echt jetzt. Ich bewunderte sie, auch wenn wir nicht immer derselben Meinung waren. Oder eigentlich fast nie. Immer hatte sie geschuftet, erst als Sekretärin bei einem Anwalt, dann als Verkäuferin. Seit ein paar Jahren hatte sie einen echt guten Job als Sekretärin im Rathaus. Mein Bruder studierte brav in Konstanz Bibliothekswissenschaften und Romanistik oder so was, was kein Mensch braucht. Leider war ich nicht brav. Das tat mir auch leid für meine Mutter, aber es war schließlich mein Leben. Auf jeden Fall hatte ich nicht vor zu studieren, jedenfalls nicht in Deutschland, wo alles kleinkariert und total geregelt ist. Ständig braucht man eine Prüfung, Noten, ein Papier, eine Genehmigung. Tja, und ich hatte nicht mal Abitur.

»Gaub ja nicht, dass sie eine wie dich in Australien mit Handkuss nehmen«, hatte meine Mutter gesagt. »Die nehmen nur Leute mit Schulabschluss und Lehre. Kellnerinnen brauchen die nicht.«

Das werden wir sehen, dachte ich insgeheim. Mein Working Holiday-Visum lief ein Jahr. So schnell wurden die Australier mich nicht wieder los. Ich würde mich unentbehrlich machen. Im Internet stand, dass die Walker-Station eine Art Tierpark war, wo bedrohte Tierarten wie Koalas, Dingos oder Tasmanische Teufel gezüchtet wurden. Im Gegensatz zu Menschen aus der Stadt wusste ich, dass die Hauptarbeit bei Viechern das Ausmisten und Füttern war. Darum würde ich besser sein als andere europäische Gäste. Mir musste man nicht erklären, wie man mit Kühen oder Schafen umging. Und mit dem australischen Viehzeug würde ich sicher auch klarkommen. »Und wenn ich auf dem Land arbeite, dann werden sie das Visum verlängern!«

»Und dann?«, fragte meine Mutter.

»Bis dahin habe ich einen Australier gefunden, den ich heirate.«

An das bittere Auflachen meiner Mutter werde ich mich ewig erinnern. »Aber erwarte nicht von mir, dass ich diesen Unsinn unterstütze.«

»Erwarte ich gar nicht!«, hatte ich geschrien. »Ich erwarte sowieso nichts von dir!«

Dabei wurmte es mich eigentlich. Mein Bruder bekam jeden Monat Geld in den Arsch geschoben dafür, dass er gemütlich in der Bibliothek saß, und ich bekam nichts. Das fand ich nicht fair. Na gut, ich hatte die Schule geschmissen, ein Jahr vor dem Abitur. Wozu brauchte ich das, wenn ich sowieso nicht studieren wollte? Ich wollte leben. Ich wollte mit Hanna nach Australien. Sie war, anders als ich, nicht in der Elften sitzen geblieben und hatte im Frühjahr ihr Abitur gemacht. Und wir hatten immer geplant, dass wir danach zusammen nach Australien gehen und am Great Barrier Reef tauchen, uns in einen süßen Australier verlieben, heiraten und riesige Farmen oder eine große Firma leiten – sie die Farm, ich die Firma.

Hanna hätte vielleicht das Jahr auf mich gewartet, aber ihre Eltern waren dagegen gewesen. Sie sollte schleunigst BWL studieren und nicht noch ein Jahr vertrödeln. Also musste ich mich entscheiden. Und ich hatte mich entschieden. Ich hatte es Hanna versprochen, auf mich war Verlass. Hanna war nicht die Mutigste. Alleine nach Australien, das hatte sie nicht gewollt.

Sie war ein behütetes Kind. Man hatte sie immer in die Schule gefahren, sie hatte immer mit ihren Eltern Urlaub gemacht, und wenn es ein Problem gab, hatte der Vater es gelöst. Hanna checkte meistens nicht, was abging. Einmal hatte ich sie regelrecht rausgehauen, als ein paar Prolls auf dem Bahnhof in Friedrichshafen ihr Uhr, Handy und Jacke abnehmen wollten. Ich beschützte sie wie eine kleine Schwester. Ich hatte dafür gesorgt, dass wir schon mit vierzehn in die Discos reinkamen, die erst ab achtzehn waren. Sie hatte den Eintritt bezahlt. Unseren Eltern hatten wir das natürlich nicht erzählt.

Übrigens irrte meine Mutter, wenn sie behauptete, dass es Hannas Idee gewesen war, heimlich zu einem Konzert von Tokio Hotel nach Köln zu fahren, als wir fünfzehn waren. Es war meine gewesen. Ich hatte den Plan gemacht, sie hatte mit der Kreditkarte ihrer Mutter online die Konzertkarten und die Zugfahrkarte bezahlt. Unseren Eltern hatten wir gesagt, wir würden bei der jeweils anderen übernachten. Meine Mutter wäre auch nie dahintergekommen, aber leider hatte Hanna Gewissensbisse bekommen, zu Hause angerufen und gestanden, dass wir in Köln waren. Das hatte daheim dann einen großen Bahnhof gegeben, aber keinen vergnüglichen. Mein braver Bruder hatte es genossen. Hannas Eltern hatten ihr die Dummheit verziehen, aber meine Mutter hatte darauf bestanden, dass ich denen alles zurückzahlte – die Konzertkarte, die Fahrkarte –, obwohl Hannas Mutter das nicht so wichtig gewesen war.

»Wir nehmen keine Almosen«, hatte meine Mutter festgestellt. »Deine Konzertkarten bezahle entweder ich oder du selbst.«

Seitdem war sie der Meinung, Hanna hätte einen schlechten Einfluss auf mich. Und jetzt natürlich erst recht, weil ich die Schule abgebrochen hatte, um ihr nach Australien zu folgen. Wäre sie nicht so knauserig gewesen, hätte ich mit Hanna zusammen fliegen können. Aber ich hatte einen billigeren Flug nehmen müssen, und je länger ich bei Onkel Rudolf arbeitete, desto mehr Startkapital würde ich haben. Denn meine Mutter blieb stur. Die letzten paar Wochen hatten wir nur noch das Nötigste geredet.

»Denk nur nicht, dass es in Australien anders wird«, sagte meine Mutter, wenn ich nach einem langen Wochenende bei Onkel Rudolf in der Kneipe stöhnte, weil mir Rücken und Füße wehtaten.

Doch, es wird anders werden! Davon war ich überzeugt. »In Australien kann ich fünfzehn Euro die Stunde verdienen!«

Meine Mutter hatte gelacht: »Ja, wenn du was kannst. Aber was kannst du denn? Die Sachen hinschmeißen, weil es dir zu anstrengend ist, das kannst du!«

Immerhin hatte ich den Führerschein. Den hatte mir Onkel Rudolf bezahlt. Das war eine alte Vereinbarung gewesen. Den meines Bruders hatte er auch finanziert.

Hanna war mit einem Rundum-sorglos-Paket für neunhundert Euro aufgebrochen: Abholung am Flughafen, Transport zum Hostel, Begleitung zur ersten Arbeitsstelle. Für so was hatte ich natürlich kein Geld. Deshalb hatte ich mir meine erste Arbeitsstation über ein Working Holiday-Portal im Internet gesucht. Auf Kinderhüten hatte ich keine Lust, aber auf einer Farm mit Tieren und Landwirtschaft zu arbeiten, das war okay. Von Landwirtschaft hatte ich jede Menge Ahnung. Rund um Tettnang herum war mehr als genug Landwirtschaft: Milchkühe, Pferde, Weide, Äcker, Obstbau. Mrs Belroy von der Walker-Station bot fünfzehn Australische Dollar pro Stunde und freie Unterkunft und Verpflegung, ausgenommen die Getränke. Das schien mir okay. Und außerdem gab es da in Longreach diesen Flugplatz mit Flugschule …

Als Kind hatte ich davon geträumt, Pilotin zu sein. Schon damals hatte ich Papierflugzeuge gebastelt und mich stundenlang damit beschäftigt, sie fliegen zu lassen. Ich hatte auch einmal ein Flugzeug aus Holz gesägt und so lange daran herumgefeilt, bis es segelte. Dann hatte ich verkündet, ich wolle Pilotin werden, Düsenjets fliegen, am liebsten die ganz schnellen der Bundeswehr. Ich muss damals elf oder zwölf Jahre alt gewesen sein. Das Gelächter, das ich damit bei einer Osterfeier auf dem Hof von Onkel Rudolf auslöste, werde ich nie vergessen. Wer das denn bezahlen solle? Und bei der Lufthansa nähmen sie nur die Besten. »Da musst du dich in der Schule schon etwas mehr anstrengen!« Und überhaupt: »Wie willst du das später mit Kindern und Familie vereinbaren? Wer weiß, was dein Mann dazu sagt.« Dass ich heiratete, war ausgemacht. Das war so bei uns. »Es ist mir egal, was mein Mann dazu sagen würde!«, hatte ich mich gewehrt. »Verlieb du dich erst mal! Mal sehen, was dann von deinen Träumen übrig bleibt«, lautete die Antwort, begleitet von diesem Gelächter, in das Erwachsene ausbrechen, wenn sie ans Ehebett denken. Nur meine Mutter fluchte auf die Männer, wenn sie den Blues bekam. Auf gleich zweie war sie hereingefallen. Damals hatte ich mir vorgenommen, mich niemals zu verlieben, es sei denn in einen Piloten. Die waren allerdings nicht so zahlreich in meinem Kaff. Aber bis heute hatte ich mich daran gehalten. Es war nie was Ernstes gewesen mit den Jungs, mit denen ich gegangen war.

Ich habe später nicht mehr darüber geredet. Ich träumte nur noch davon. Ich konnte stundenlang auf meinem Bett liegen, mit dem David Clark auf den Ohren – so hießen bei den Piloten die Headsets –, Musik hören und mir vorstellen, wie ich große Jets flog. Beispielsweise war der Pilot ohnmächtig geworden und ich, Lena Lang aus Tettnang, war die Einzige, die ein bisschen was von Fliegerei verstand, und musste einspringen und das Flugzeug landen. Oder wir stürzten im afrikanischen Busch ab, und ich baute zusammen mit einem attraktiven Jungen die Cessna wieder zusammen und rettete zehn Passagiere.

Davon erzählte ich nicht einmal Hanna. Das wäre mir peinlich gewesen. Für ihre Eltern wäre es kein Problem gewesen, ihr eine Pilotenausbildung zu bezahlen. Leider hatte Hanna kein Interesse am Fliegen. Sie ging in den Reitverein. Da ging ich ab und zu mit und konnte deshalb ein bisschen reiten. Aber ich war nie so eine von den Pferdeverrückten gewesen.

Das Auto bremste. Ich schreckte hoch. Offenbar hatte ich geschlafen. Schilder wiesen auf eine Mountain View Road hin. Ich sah aber nur eine lächerlich sanfte Anhöhe, auf die wir zuhielten. Wir fuhren durch etwas, das eine Ortschaft sein sollte, aber eigentlich nur aus Tankstellen bestand, über denen sich der weite blaue Himmel wölbte. Bran lenkte den Wagen in eine Tankstelle, die Freedom Fuel hieß, Freiheitsbenzin. Außerdem versprach ein Schild am Gebäude Fish & Chips.

Er ließ uns aussteigen und fuhr weiter, an eine Zapfsäule. Mit steifen Beinen folgte ich Jolie in den Imbiss. Sie bestellte Fisch und Pommes für uns drei. »True blue«, erklärte sie mir und lachte, weil ich sie vermutlich ziemlich blöd angeschaut hatte. »Kennst du den Ausdruck? True blue, das sagen wir, wenn etwas typisch australisch ist.«

»Wieso wahres Blau?«

Sie zuckte mit den Achseln. »Vielleicht wegen der Blue Mountains. Weißt du, warum man die so nennt?«

Wusste ich natürlich nicht.

»Weil sie von Eukalyptuswäldern bedeckt sind. Und wenn die ätherischen Öle von Eukalyptus in der Sonne verdampfen, dann entsteht ein blauer Nebel.«

Auch die Konversation im Laden war total true blue. Australier redeten immer miteinander, als seien sie seit Jahren die besten Freunde, und sie waren ganz groß im Zusammenziehen von Worten. »G’day, Mate!«, sagte Jolie. »Guten Tag, Kumpel.« – »Hayegoin?«, fragte der Junge hinter der Theke erfreut, »Wie geht es dir?«, worauf Jolie »Fantastic!« rief.

Der Fisch war paniert, die Pommes waren dicker, als ich sie kannte. Dazu gab es einen Klacks Remoulade. Es waren große Portionen in Plastikboxen zum Mitnehmen. Ohne mich zu fragen, orderte Jolie außerdem drei Stubbies, drei Flaschen Bier mit den vier großen X darauf. »Das Bier von Queensland«, erläuterte sie mir. »Ihr Deutschen trinkt doch gern Bier.« Die Australier tranken es noch viel lieber, wie ich bald merkte.

Ich versuchte, ihr zu erklären, dass ich aus einem der Hopfenanbaugebiete Deutschlands stammte. Ob sie es verstand, wusste ich nicht, denn mir fiel das Wort für Hopfen nicht ein. Ich stand zwar nicht so auf Bier – ich stand überhaupt nicht auf Alkohol –, aber es zischte schön kalt die Gurgel hinab. Wir bauten dann unsere Boxen auf einem Tisch im Schatten einer Veranda direkt an der Straße auf. Der Wind fegte rötlichen Sand über den Asphalt, und jedes Auto, das vorbeifuhr, wirbelte den Staub in die Höhe. Auf der anderen Seite glühten in der Sonne ebenfalls Imbissbuden mit Parkplätzen.

Ich hätte Jolie gern gefragt, ob Bran ihr Freund war. Die beiden verhielten sich nicht so turtelig wie Verliebte, aber irgendwie auch vertraut. Komischerweise geriet ich in Stress bei dem Gedanken, dass er gleich bei uns sein würde. Ich fürchtete mich vor dem Moment, da er mich anschauen würde mit diesem Blick, der kurz tief in meine Augen tauchte, um sich eine Sekunde später zurückzuziehen und abzuwenden, so als hätte er genug gesehen und als hätte ihn das außerdem nicht sonderlich begeistert.

Man soll sich ja nicht selbst loben, aber ich muss auch nicht lügen. Ich war nämlich ziemlich hübsch mit meiner langen blonden Mähne, die ich am liebsten als Pferdeschwanz trug, aber sehr oft auch zum Zopf geflochten, der mir bis zum Po reichte. Ich hatte eine ordentliche Figur und bewegte mich gern. Und ich war nicht dumm, auch wenn ich blond war.

Das hatten mir sogar meine Lehrer immer versichert, meistens allerdings mit dem Zusatz: »Wenn Sie nur wollten!« oder: »Wenn Sie nicht so granatenfaul wären.« Daheim in der Clique hörten sie auf mich, schließlich war die Hälfte der Jungs in mich verknallt. Ich hatte das Zeug zum Leader, hatten mir die Lehrer auch immer wieder versichert. Ihnen hatte das nicht gefallen. Wenn irgendwo was abging, war ich die Erste. Was sollte ich machen? Ich hatte halt immer die besten Einfälle. Aber anscheinend war genau das in Deutschland verpönt.

Hannas Mutter hatte mir mal erklärt, wie ich mich anziehen musste, ohne billig zu wirken. Ich war nicht so unbedingt der mädchenhafte Typ, eher sportlich, aber ich konnte auch gut ein kurzes Kleid tragen. Ich passte nach Australien, wo alle irgendeinen Sport trieben. Deshalb gab es keinen Grund, dass Bran mich mit seinen blauen Augen derartig skeptisch anguckte. Andererseits … vielleicht war es besser so. Erstens war er mit Jolie liiert und zweitens konnte ich mich doch nicht gleich am ersten Tag in den Erstbesten verlieben! Das war bescheuert!

Noch war Bran mit dem Auto beschäftigt. Er hatte die Motorhaube geöffnet und beugte sich hinein.

»Warum bist du eigentlich nicht bis Longreach geflogen?«, fragte ich Jolie.

»So ist es billiger«, antwortete sie. »Und Bran musste sowieso das Auto abholen. Es ist neu. So sparen wir uns die Überführungskosten.« Sie folgte meinem Blick und lächelte. »Bran ist mein Halbbruder. Ich heiße Belroy mit Nachnamen, er Walker. Und eigentlich lautet sein Vorname Brandon. Aber wir sprechen hier niemanden mit seinem wirklichen Namen an. Ich heiße eigentlich Jolina.«

»Ah!«, gab ich von mir. Mir klopfte das Herz plötzlich unangenehm heftig.

»Brans Vater ist bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen«, fuhr sie fort. »Unsere Mutter hat wieder geheiratet, und dann kam auch schon ich.« Jolie kniff blitzkurz die Lippen zusammen, bevor sie wieder lächelte. »Mein Vater lebt auch nicht mehr. Er ist vor fünf Jahren an einem Schlangenbiss gestorben. Ich habe seitdem panische Angst vor Schlangen.« Sie grinste verlegen.

Ich spürte sofort, dass da etwas nicht in Ordnung war. »Und Bran steigt in kein Flugzeug mehr«, bemerkte ich.

»Oh, nein, ganz im Gegengeil. Er ist Pilot!«

»Was? Er ist …« Ich verschluckte mich fast.

Jolie lachte. Sie dachte wohl, ich hätte das Wort nicht verstanden. »Er fliegt Flugzeuge. Er ist Pilot beim Royal Flying Doctor Service.«

»Oh! Die fliegenden Ärzte. Davon habe ich alle Folgen auf DVD. Die gibt es wirklich?« Ich musste lachen. »Ich will übrigens Pilotin werden. Das wollte ich schon immer. Es ist mein Traum. Meine Mutter hatte nur nie das Geld dafür. Sie hat meinen Bruder und mich allein erzogen.«

»Nun, da kann Bran dir sicher weiterhelfen.«

Ich fasste es nicht. Dass ich auch mal Glück hatte! Mehr Glück als Verstand, musste ich zugeben, wenn ich bedachte, dass ich denen auf der Farm schon hatte absagen wollen. Wie gut, dass Hanna nicht am Flughafen gewesen war, wobei mir einfiel, dass ich endlich mein Handy in Betrieb nehmen und sie anrufen musste.

Bran hatte den Wagen inzwischen vollgetankt, in einer Parkbucht abgestellt und kam zu uns herüber. Er hatte eine leichte Art, sich zu bewegen, ganz anders als die Kerle, die ich bisher hier gesehen hatte: Männer in kurzen Hosen mit nackten Knien und schweren Stiefeln und so einer machomäßigen Lässigkeit: Bauch raus – meistens zu dick – und Hände in den Hüften oder Taschen, Hüte auf den Köpfen und immer irgendwas am Gürtel, meistens Handys. Wenn eine Frau an ihrer Seite ging, dann war sie krachbunt gestylt, so als ginge es gleich auf eine Party. Bran hatte nichts von dem Gehabe betonter Männlichkeit. Er betonte überhaupt nichts. Er war einfach da, und wenn er ging, demonstrierte er nicht Kraft oder Überlegenheit, sondern er ging eben. Dabei zweifelte man nicht daran, dass er, wenn es sein musste, auch ein Krokodil töten konnte oder so.

»Hey, Bran«, wandte sich Jolie an ihn, als er den Deckel von seiner Fischbox hob, »Lenni fliegt auch.«

Sein Blick traf mich. Und wieder lief mir ein Schauer den Rücken runter. So was hatte ich noch nie erlebt, wenn mich ein Junge anschaute. Ich musste meinen ganzen Verstand zusammennehmen.

»Nein«, stellte ich richtig. »Ich fliege nicht. Aber ich will es lernen. Das … das ist mein Traum. Seit meiner Kindheit.« Ich redete zu viel, aber ich konnte es nicht stoppen. »Aber es ist nicht so einfach in Deutschland.«

Brans Brauen zuckten. Sie waren kaum dunkler als die Haut seines Gesichts. »Wenn du ein Mal das Gefühl zu fliegen genossen hast, wirst du auf der Erde nur noch gehen mit den Augen zum Himmel erhoben, wo ihr gewesen seid und wieder zu sein euch sehnt.« Er lächelte, als müsste ich das kennen.

Aber ich hatte keine Ahnung. »Das klingt schön.«

»Es ist von Leonardo da Vinci. Du kennst Leonardo? Den italienischen Maler? Er hat vor fünfhundert Jahren die ersten Flugobjekte konstruiert. Auf dem Papier.«

Ich nickte, so als erzählte er mir Dinge, die ich wüsste.

»Geflogen ist Leonardo selbst nie. Es war ein Assistent von ihm, der sich ein Bein und ein paar Rippen brechen musste, weil Leonardos Fluggerät nicht richtig flog.«

Jolie lachte amüsiert.

»Leider«, lenkte ich von meinem Abgrund des Unwissens ab, »ist Flugunterricht in Deutschland sehr teuer. Es kostet …«, auch das wusste ich nicht so genau, denn ich hatte mich nie ernsthaft erkundigt, »… über zwanzigtausend Euro. Das sind ungefähr fünfundzwanzigtausend Australische Dollar. So viel hat meine Mutter nicht. Mein Bruder studiert ja auch noch.«

War es Erstaunen, was da in Brans Gesicht erschien? Was war daran erstaunlich, wenn jemand kein Geld hatte, um sich Träume zu erfüllen? Nein, es war kein Erstaunen, sondern irgendwas anderes. Wieso konnte ich in seinem Gesicht nicht lesen wie in allen anderen?

Statt seiner antwortete Jolie: »Kein Problem, Lenni. Du musst nicht alles auf einmal bezahlen. Nach drei Monaten auf der Farm meiner Mutter hast du genug für die Privatpilotenlizenz. Nicht wahr, Bran?«

Er nickte nur.

Ich fand, er hätte mir jetzt etwas anbieten müssen. Dass er sich meiner annahm, mir Flugstunden gab, so in der Art. »Und wie geht das hier?«

Wieder dieser verwunderte Blick. »Das geht hier wie überall auf der Welt. Du musst zunächst eine Theorieprüfung ablegen: Navigation, Wetterkunde, Funkverkehr und so weiter. Danach beginnt das Flugtraining, vierzig Stunden, fünf davon alleine, eine Stunde Instrumentenflug.«

»Ja, klar, das weiß ich.«

Das hätte ich in der Tat längst wissen können, hätte ich mir nur mal die Mühe gemacht, mich zu informieren. Vielleicht hatte ich es nie getan, weil ich im Grunde meines Herzens genau wusste, dass ich niemals den Nerv haben würde, Wetterkunde und Navigation und was nicht noch alles zu büffeln. Aber es hatte ja auch nie die Aussicht bestanden, dass ich wirklich fliegen lernen konnte.

Und nun nahm Bran mich nicht für voll. Ich sah es ihm an. Für ihn war ich eine Träumerin. Wahrscheinlich mochte man es da draußen, wo wir hinfuhren, auch nicht, wenn Frauen fliegen wollten. Auf einmal hatte ich keine Lust mehr, auf der Walker-Station zu arbeiten. Es war alles ein Irrtum. Die ließen mich womöglich am Flugplatz nur über den Zaun gucken und auf der Farm nur die Gehege sauber machen. Das brauchte ich echt nicht.

»Übrigens«, sagte ich, »muss ich dringend meine Freundin Hanna erreichen. Aber ich erinnere mich nicht an die PIN für mein Handy. Ich glaube, ich habe sie im Rucksack hinten im Auto.«

Bran schob mir schweigend den Autoschlüssel über den Tisch.

Als ich über den Parkplatz ging, spürte ich zum ersten Mal die Hitze zwischen den Gebäuden. Aus einem Baum flog ein Schwarm kleiner grauer Vögel mit gelben Hauben auf: Nymphensittiche. Ja, ich bin in Australien, sagte ich mir. Ich habe es geschafft. Aber Erleichterung und Glücksgefühl wollten sich nicht einstellen. Über dem Buschland hing ein eigenartiges Summen. Direkt unheimlich. Schon beim Essen hatten uns ständig Fliegen gestört, aufdringliche Brummer, die sich mir immer wieder mitten ins Gesicht gesetzt hatten. Fliegen wegwedeln, der australische Gruß. Das hatte ich in einem Film gesehen.

Im Rucksack fand ich gleich die Unterlagen der Telefongesellschaft, und es gelang mir, mein Handy in Betrieb zu nehmen. Ich durchsuchte meine Kontakte nach Hannas australischer Nummer und klickte sie an.

Wie erklärte ich ihr jetzt, dass ich auf dem Weg zu meiner Farm war? Womöglich saß sie am Flughafen und hatte schon meine Mutter wild gemacht, weil ich nicht dort war.

Es klingelte und klingelte. Ich wollte gerade auflegen, da endlich ging sie ran. Zuerst hörte ich Gelächter, es war ziemlich viel los um sie herum, dann ihre Stimme. »Yes«, sagte sie, »Lena, bist du’s?«

»Ja. Ich habe meine Handy nicht gleich zum Laufen gekriegt. Deshalb rufe ich erst jetzt an. Wo warst du denn?«

Hanna stutzte, dann rief sie: »Oh, bist du schon da? My God! Ich dachte, du kommst erst morgen. Was für einen Tag haben wir heute?«

»Sonntag.«

Sie lachte. Ich hörte, wie sie irgendwelchen anderen Leuten etwas auf Englisch zurief. »Oh, das ist jetzt aber peinlich. Dabei hatte ich schon alles organisiert, wirklich! Wir wollten morgen ganz früh aufbrechen, damit wir rechtzeitig am Flughafen sind.«

Wer ist wir?, fragte ich mich.

»My Goodness!«, stöhnte sie noch einmal ziemlich exaltiert. »Jetzt habe ich doch tatsächlich den Tag verwechselt. Ich dachte wirklich, du kommst erst morgen. Am Montag! Ich habe es mir dick im Kalender angestrichen. Oh Gott, was machen wir da jetzt? Wo bist du denn? Es sind achthundert Kilometer von hier nach Brisbane.«

»Macht fast gar nichts«, sagte ich. »Die von der Farm haben mich abgeholt. Das heißt, die Tochter ist sowieso auch gerade in Brisbane angekommen und da haben sie mich ausrufen lassen, weil sie wussten, wann mein Flugzeug landet. Ich bin schon auf dem Weg nach Longreach.«

»Ach so? Na, dann brauchst du mich also jetzt nicht mehr.« Es klang plötzlich verschnupft. Dabei hatte sie keinen Grund dazu, fand ich, schließlich hatte sie mich vergessen. »Dann kann ich die Tour jetzt ja wohl abblasen.«

»Ja, es sei denn, du willst nach Longreach kommen.«

Für einen Moment hörte ich nur das Strandgekreische im Hintergrund. Jemand lachte. »Ich komme bestimmt«, hörte ich sie dann wieder sagen. »Versprochen. Du bist ja jetzt erst mal eine ganze Weile dort. Lass uns morgen ausführlich telefonieren. Mein Akku ist gleich leer.«

»Okay.«

»Alles in Ordnung bei dir?«

»Alles bestens. Mach dir um mich keine Sorgen.«

»Du bist doch jetzt nicht sauer, Lena? Ich habe wirklich nur den Tag verwechselt. Du hast doch gesagt, du kämest Montag. Ich habe es mir doch extra aufgeschrieben.«

»Ist schon okay. Kann ja mal passieren.«

»Ich hatte alles so toll organisiert, wirklich! Ich habe jemanden gefunden, der mich gefahren hätte. Du, ich habe da einen ganz süßen Jungen kennengelernt.«

Wäre das der Fahrer gewesen?

»Ich ruf dich morgen an und erzähl dir alles ganz ausführlich. Aber jetzt muss ich los. Wir machen ein Barbie am Strand.«

»Was?«

Sie lachte aufgedreht. »Ein Barbie? So nennt man hier ein Barbecue. Sie machen ständig Barbies, weißt du? Sie sind alle total locker drauf.« Wieder war sie kurz abgelenkt. »Du, Lena, ich melde mich morgen. Ganz bestimmt. Es tut mir echt leid. Ich hatte mich so auf dich gefreut. Bist du mir böse?«

»Nein, natürlich nicht.«

Wir legten auf.

So also war das. Erst hatte sie nicht ohne mich abreisen wollen. Doch nach kaum vier Wochen hier an irgendeinem Strand unter neuen Freunden hatte sie mich schon nicht mehr auf dem Schirm. Ich glaubte ihr nämlich keine Sekunde lang, dass sie nur die Tage verwechselt hatte. Sie hatte es schlicht vergessen. Wer so viele erklärende Worte machte, der log und hatte ein kloakentief schlechtes Gewissen.

– 3 –

 

Stundenlang ging es fast nur geradeaus durch flaches Land, in dem hin und wieder Bäume standen. Längst war unser Highway zur Landstraße geworden. Und nichts mehr hatte Ähnlichkeit mit meinem grünen Allgäu. In blaugrünen Kissen wuchs in endloser Fläche der Spinifex, ein hartes Gras. Dazwischen schaute die rote Erde Australiens hervor. Kaum ein Baum stand hier noch, und wenn, war es eine Akazie. Ja, und ich sah meine ersten Kängurus. Ich starrte durchs Seitenfenster und biss mir auf die Lippe, um nicht laut zu jubeln, so wie ich mit Hanna gejubelt hätte: Kängurus! Es gibt sie also wirklich.

Immer wieder kamen uns gigantische Lastwagen entgegen. Sie hatten nicht nur einen Anhänger, sondern drei oder vier. Man nannte sie Road Trains. Wir fuhren auf der Hauptverbindung zwischen Brisbane – oder Brissie, wie Jolie sagte – und Darwin ganz oben im Nordwesten von Australien. Aber wirklich viel Verkehr herrschte nicht.

Manchmal standen an der Straße Pfähle mit Briefkästen, riesige Dinger aus umfunktionierten Milchkannen oder Öltonnen. Die dazugehörigen Häuser waren nicht zu sehen, bestenfalls eine unbefestigte Straße, die sich gen Horizont verlor.

Mit ungeheurem Farbgetöse ging links von uns die Sonne unter. Wir hielten noch mal in einem Tankstellendorf, um aufs Klo zu gehen und uns mit Meat Pies zu versorgen. Das waren mit Fleisch gefüllte Pasteten. Auf stockdunkler Straße wurde die Fahrerei dann gefährlicher, wie ich an der Anspannung der beiden vorne spürte. Zuweilen tauchte urplötzlich im Scheinwerferlicht irgendein Tier auf und Bran stieg in die Eisen. Dennoch schlief ich immer wieder ein.

Jolie und Bran unterhielten sich fortwährend miteinander. Es war wohl ihre Art, sich wachzuhalten. Ich verstand kein Wort. Nicht nur, weil ich müde war und das Motorengeräusch sie übertönte, sondern auch, weil ich dem Slang nicht folgen konnte. Man nannte ihn Strine. Das Wort selbst zeigte, was die Aussis machten: Es war eine Verkürzung des Wortes Australian.

Gegen drei Uhr nachts wachte ich auf, weil Bran bremste. Niedrige Häuser mit Säulenvorbauten säumten eine breite Straße. Ehe ich begriff, dass wir in Longreach angekommen waren, hatten wir das Städtchen auch schon wieder verlassen und rollten auf einer unbefestigten Piste in die Dunkelheit. Spinifexbüsche, Bäume oder Zaunpfähle huschten im Scheinwerferlicht vorbei. Aber es war ein Irrtum, wenn ich dachte, wir würden jetzt gleich ankommen. Es schien, als würden wir stundenlang in einer Blase gespenstischen Lichts durch welliges Gelände schaukeln.

Endlich passierten wir ein hölzernes Tor, das ohne dazugehörigen Zaun im Dunkel vor uns auftauchte. Das Schild »Welcome to Walker Station« leuchtete kurz im Scheinwerferlicht auf. Danach ging es noch ganz lange durch den Busch. Das Scheinwerferlicht streifte Felder, auf denen gerade etwas zu sprießen begann. Dann kamen Zäune, hinter denen Obstbäume blühten. Schließlich zeichneten sich niedrige Gebäude und höhere Bäume gegen den Himmel ab. Ich erkannte das Windrad, das ich später als so typisch für die Farmen im Outback kennenlernte. Es überragte ein flaches Gebäude von unübersichtlicher Ausdehnung. Ich erkannte die Veranda mit Treppe, als die Scheinwerfer vorbeischwenkten. Bran lenkte den Wagen auf einen Platz neben dem Haus, auf dem etliche Fahrzeuge standen, und stellte den Motor aus. Die Stille war enorm.

»Willkommen bei uns«, sagte Jolie. Sie war selbst freudig erregt und sprang aus dem Wagen. Ich öffnete benommen die Tür und setzte meine Füße auf den Boden. Er war sandig und kühl, wie ich durch meine Chucks hindurch fühlen konnte, richtig kalt sogar. Auch die Luft war eisig. Ich fror.

Bran holte Jolies Tasche aus dem Kofferraum und gab mir meinen Rucksack. Zwei Hunde kamen angelaufen, die ihn und seine Halbschwester begrüßten. Als wir um die Hausecke bogen, kam eine Frau die Treppe von der Veranda herab und auf uns zu. Im Licht einer Verandalampe sah ich, dass sie bereits wach gewesen sein musste. Sie trug Cargohosen und Stiefel und eine warme Jacke. Ich ahnte, dass man hier sehr früh aufstand. Das war eher nicht mein Ding.

Jolie lief zu ihr hin und umarmte sie. »Das, Lenni, ist meine Mutter, Ulla«, sagte sie dann.

»Ah, ihr habt sie tatsächlich mitgebracht«, bemerkte Ulla und wandte sich mir zu. »Herzlich willkommen. Ich hoffe, es wird dir bei uns gefallen. Gut, dass ihr da seid. Die Kamele sind ausgebrochen.«

Jolie grinste. »Immer das Gleiche, Mom. Entweder es sind die Kängurus oder die Kamele. Wir schwingen uns auf die Pferde und fangen sie wieder ein. Was würdest du ohne uns machen, Mom?«

Sie lachte.

»Du kannst doch reiten, Lenni?«, fragte Jolie.

»Ein bisschen.«

»Das ist gut. Dann kannst du gleich die Farm kennenlernen.«

»Lena ist sicher müde von der Reise«, sagte Bran.

Die Frauen schauten ihn an. Mir war in der Tat nach Dusche und Bett. Sogar ganz dringend. Aber ich hatte den Eindruck, dass es nicht gut ankommen würde, am wenigsten bei Bran, wenn ich Schwäche zeigte.

»Nicht mehr als Bran und Jolie«, versicherte ich. »Und ich habe auf der Fahrt geschlafen. Aber er ist die ganze Zeit gefahren.«

Brans Augen blitzten mich an. Das Licht von der Veranda fiel auf sein Gesicht. Zum ersten Mal sah ich ihn lächeln – falls das ein Lächeln war.

»Ich bin nicht müde«, erklärte er. »Aber ich habe Hunger. Ich muss erst etwas essen.«

»Aber selbstverständlich«, antwortete Ulla mit dem Ton, den Mütter für ihre Söhne anschlagen, aber niemals für ihre Töchter. »Ich hatte nur noch gar nicht mit euch gerechnet.«

Wir stiegen zur Veranda hinauf, die die ganze Breite des Hauses einnahm. An der Ecke erweiterte sie sich zu einem überdachten Anbau, wo Tische und Bänke standen. Ich erkannte einen fest installierten großen Grill mit Kühlschrank und Arbeitsflächen.

true blue.