Buch

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass ein gestörter Insulinhaushalt zum großen Teil für Übergewicht und gesundheitliche Probleme wie zum Beispiel Diabetes, Herzerkrankungen, Demenz und Krebs verantwortlich ist. Dr. Mark Hyman untersucht in seinem neuen Buch die Volksseuche »Diapositas«, angefangen bei Insulinrestistenz bis hin zu Diabetes Typ 1 und 2. Er entwickelt einen Sechswochenplan zur aktiven Blutzuckerregulierung, Gewichtsabnahme und gesünderen Lebensweise. Seine Botschaft: Diabetes ist heilbar, und mit der richtigen Lebensweise kann man zahlreichen anderen Krankheiten sowie Übergewicht entgegensteuern.

Autor

Dr. Mark Hyman ist Vorsitzender des Instituts für Funktionelle Medizin und Gründer sowie medizinischer Leiter des UltraWellness Centers. Er ist Autor verschiedener New York Times Bestseller. Bei Goldmann sind bereits seine Bücher »Die Megabolic-Diät«, »Die Megabolic-Diät – Das Kochbuch« sowie »Die Megabolic-Diät – 100 neue Rezepte« erschienen.

Außerdem von Dr. Mark Hyman im Programm:

Die Megabolic-Diät (16944)
Die Megabolic-Diät. 100 neue Rezepte (17177)

Mark Hyman

Hoher Blutzucker – übergewichtig
und mangelernährt

Gesund und schlank. Mit 6-Wochen-Programm

Aus dem Amerikanischen
von Imke Brodersen

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe September 2013

Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe

Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © 2012 Hyman Enterprises, LLC

Originaltitel: The Blood Sugar Solution

Originalverlag: Little, Brown and Company

Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: © FinePic, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

BK · Herstellung: IH

ISBN 978-3-641-10190-9

www.goldmann-verlag.de

Für die ersten Kinder der Geschichte, die kränker leben und früher sterben werden als ihre Eltern.

Um ihretwillen und um unserer selbst willen sollten wir alle zusammen ein gesünderes Leben anstreben.

Willkommen an Bord

Es kann zahlreiche Gründe geben, weshalb Sie zu diesem Buch gegriffen haben.

Vielleicht wollen Sie besser begreifen, welches Ausmaß die aktuelle weltweite Verbreitung von Adipositas und Typ-2-Diabetes mittlerweile erreicht hat und warum man in diesem Zusammenhang getrost von »Diapositas« sprechen kann.

Möglicherweise interessieren Sie sich auch für die sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Faktoren und für die Frage, was wir dagegen tun können. Vielleicht suchen Sie gar nach Lösungsansätzen, die Ihnen im Bereich der Politik, im Gesundheitswesen, im Bildungssektor oder an anderen Stellen weiterhelfen können.

Manch einer möchte als Krankenversicherer oder Angehöriger der Gesundheitsberufe mehr über die biologischen Aspekte von Übergewicht und Diabetes erfahren und herausfinden, weshalb es trotz der Fortschritte der modernen Medizin so schwierig ist, für diese Probleme effektive Lösungen zu finden.

Womöglich möchten Sie eine Selbsthilfegruppe ins Leben rufen, ihr beitreten oder sich mit Andersdenkenden vernetzen, um die Ausbreitung dieser Volksseuche zu stoppen.

Oder Sie suchen einfach nur nach einer praktischen Lösung, mit deren Hilfe Sie Gewicht verlieren und Ihren Typ-2-Diabetes oder Prädiabetes in den Griff bekommen.

In jedem Fall habe ich dieses Buch für Sie geschrieben!

Wir stehen vor einem Problem, das mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet ist. Es ist kein Geheimnis, dass die Fälle von Übergewicht und Typ-2-Diabetes explosionsartig ansteigen.

Als Arzt und Wissenschaftler, aber auch als Aufklärer und Bürger habe ich lange um einen umfassenden Lösungsansatz gerungen. Das Ergebnis hat mich veranlasst, das vorliegende Buch zu schreiben.

Hoher Blutzucker befasst sich keineswegs nur mit der Blutzuckerregulierung, sondern soll das Problem an der Wurzel packen und eine Lösung anbieten, die biologische, persönliche, soziale und wirtschaftliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.

In diesem Buch geht es in erster Linie um Übergewicht und Typ-2-Diabetes, doch die Anregungen für eine gesunde Lebensweise mit stabilem Blutzucker sind auch für Typ-1-Diabetiker geeignet. Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der infolge einer Schädigung der Bauchspeicheldrüse ein Insulinmangel auftritt. Typ-2-Diabetes ist ebenfalls eine entzündliche Erkrankung, bei der jedoch zu viel Insulin produziert wird, bis die Zellen auf das körpereigene Insulin schließlich nicht mehr reagieren. Dieser Zustand wird als Insulinresistenz bezeichnet und geht dem Endstadium, Typ-2-Diabetes, meist um Jahre oder Jahrzehnte voraus. Hoher Blutzucker befasst sich mit Typ-2-Diabetes, und wann immer in diesem Buch von »Diabetes« die Rede ist, spreche ich vom Typ-2-Diabetes.

Das Buch beginnt mit einer einfachen Checkliste, mit deren Hilfe Sie feststellen können, ob Sie von »Diapositas« betroffen sind. Da mittlerweile die Hälfte aller erwachsenen Deutschen zumindest übergewichtig ist, lautet die Antwort vermutlich »Ja«.

In Kapitel 1 von Teil I, Die Kehrseite des Wohlstands, geht es um die Tragweite des Problems, das keineswegs nur den reichen Westen betrifft, sondern längst in allen Teilen unserer Welt angelangt ist. In Kapitel 2 untersuchen wir die tatsächlichen biologischen Ursachen der Erkrankung – Insulinresistenz – und warum die gegenwärtigen Behandlungsansätze nicht greifen.

In Kapitel 3 räume ich mit beliebten medizinischen Mythen auf, die uns davon abhalten, die Erkrankung ursächlich zu behandeln – zum Beispiel, dass Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes genetisch bedingt sind, dass Typ-2-Diabetes irreversibel ist oder dass Medikamente Diabetes und damit verbundenen Erkrankungen wirksam vorbeugen oder diese behandeln können.

In Kapitel 4 stelle ich neue Forschungsergebnisse zu den biologischen Abläufen der Esssucht vor – unter anderem, weshalb die Gier nach bestimmten Nahrungsmitteln und Überessen nicht Ihre Schuld sind. In diesem Zusammenhang werden auch gängige Werbestrategien und deren Einfluss auf Kinder und Übergewicht bei Kindern hinterfragt.

Danach geht es in Kapitel 5 um die Frage, inwiefern industrielle Produktionsmethoden in Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung sowie die Pharmakonzerne der weltweiten Verbreitung von Übergewicht, Diabetes und chronischen Erkrankungen Vorschub leisten, indem sie eine »adipogene« Umgebung erschaffen. Ich erkläre aber auch, was wir alle dagegen tun können.

Die Ultra-Wellness-Checkliste: Die wahren Ursachen von Gewichtszunahme und Diabetes

Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, die wahren Ursachen für Gewichtsprobleme, Diabetes und die meisten chronischen Gesundheitsprobleme zu verstehen und zu behandeln. Zu diesem Zweck enthält das Buch diverse Fragenkataloge, die zusammen die Ultra-Wellness-Checkliste ergeben. Sie sind der Schlüssel zu Ursache und Heilung zahlreicher gesundheitlicher Probleme, und mit ihrer Hilfe findet sich ein klar erkennbarer, persönlicher Weg zu mehr Gesundheit. Die Fragen beruhen auf den Erkenntnissen der funktionellen oder ganzheitlichen Medizin und können gemeinsam dazu verhelfen, den wahren Grund für Ihre angeschlagene Gesundheit zu erkennen.

Das gewissenhafte Ausfüllen ist Ihr erster Schritt auf dem Weg zu lebenslanger Vitalität und Gesundheit.

In Kapitel 6 stelle ich schließlich ein neues, wissenschaftlich fundiertes Modell für ganzheitliche Medizin vor, die funktionelle Medizin, die im 21. Jahrhundert chronische Erkrankungen heilen kann, indem sie die individuellen biologischen Ursachen für Übergewicht und Diabetes behandelt. Dieser Ansatz kombiniert Fortschritte der personalisierten Medizin, der Genetik und der systemischen Biologie zu einer praktischen Anleitung für die Diagnose, Behandlung und Behebung von Krankheiten. Es handelt sich um eine Medizin, die sich auf Ursache und Wirkung konzentriert, nicht auf die betroffene Körperstelle und das Symptom. Wir behandeln nicht die Symptome, sondern den ganzen Körper, so wie wir nicht die Pflanze behandeln, sondern die Erde, in der sie wächst. Bei Übergewicht und Typ-2-Diabetes hat sich dieser Ansatz als ausgesprochen wirkungsvoll erwiesen.

In Teil II, In sieben Schritten zum Sieg über Diapositas, erläutere ich die aktuellsten Erkenntnisse zu den biologischen Grundlagen von Übergewicht und Diabetes und deren Zusammenhänge. Übergewicht und Diabetes beruhen auf diversen Ursachen und entstehen insbesondere, wenn Ernährung, Hormone, Immunsystem, Entzündungsneigung oder Verdauung aus dem Gleichgewicht geraten, aber auch infolge von Umweltbelastung, Stoffwechselstörungen und Stress. Im Einzelfall können bestimmte Faktoren, aber auch alle zusammen, entscheidend zum persönlichen Diapositasstatus beitragen. Mit den Checklistenfragen aus Teil II können Sie herausfinden, welche Probleme bei Ihnen im Vordergrund stehen.

In Teil III, Das brauchen Sie, zeige ich Ihnen, wie Sie Ihre Denkweise, den Körper und Ihre Küche auf das Sechs-Wochen-Programm vorbereiten. Außerdem geht es darum, eine unterstützende Selbsthilfegruppe zu finden oder ins Leben zu rufen, und schließlich um Messwerte und Labortests, anhand derer Sie die Ursache und das Ausmaß Ihrer Diapositas ermitteln.

Teil IV, Der Sechs-Wochen-Aktionsplan, ist ein praxistaugliches Programm in sechs Schritten, das Sie auf eigene Faust oder in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Ihrem Arzt durchführen können. Auch hier gehe ich darauf ein, wo Sie weitere Unterstützung finden können, denn gemeinsam macht das ganze Programm mehr Spaß, ist aber auch wirkungsvoller und nachhaltiger.

Der Sechs-Wochen-Aktionsplan behandelt
Themen wie:

Warnhinweis: Eine Ernährung entsprechend den Kriterien des Sechs-Wochen-Aktionsplans kann den Blutzucker radikal senken und bei entsprechender Medikation zu Unterzuckerungen führen. Falls Sie gegenwärtig Medikamente einnehmen, dem Plan aber eine Chance geben wollen, müssen Sie Ihren Blutzucker sehr genau im Blick behalten und zuvor mit Ihrem Arzt Rücksprache halten. Sie werden möglicherweise weniger Medikamente benötigen, doch die Anpassung sollte stets nur unter ärztlicher Anleitung und Aufsicht stattfinden.

Teil V ist ein Aufruf, ein Manifest, mit dem ich jeden Einzelnen, aber auch Familien, Gemeinden, Schulen und Firmen dazu aufrufe, sich die eigene Gesundheit aktiv zurückzuerobern. Der einzige Weg, die Seuche Diapositas einzudämmen, führt über eine breit angelegte soziale Bewegung. Nur so können wir nicht nur uns selbst, sondern auch unseren Kindern und Enkeln helfen. In Anlehnung an meine Freundin Hillary Clinton bedeutet das: Man braucht ein ganzes Dorf, um gesund zu werden.

Haben Sie Diapositas?

An dieser Stelle sollten Sie überprüfen, ob Sie zu Diapositas neigen oder bereits davon betroffen sind.

Falls die Antwort auf eine der folgenden Fragen »Ja« lautet, leiden Sie möglicherweise bereits an Diapositas oder sind auf dem besten Wege dahin. Vielleicht können Sie momentan noch nicht alle Fragen beantworten, doch in Teil III folgen ausführlichere Fragen und Testanweisungen, anhand derer Sie das Ausmaß Ihrer Diapositas einschätzen können.

  • Sind oder waren Ihre Eltern, Großeltern oder Geschwister von Diabetes, Herzerkrankung oder starkem Übergewicht betroffen?
  • Ja
  • Nein
  • Stammen Ihre Vorfahren nicht aus Europa, sondern aus Afrika, Asien, Mittelamerika, Indien oder dem Mittleren Osten?
  • Ja
  • Nein
  • Sind Sie übergewichtig (BMI über 25)? Die Formel zur Berechnung des BMI finden Sie im Kapitel »Messen, Wiegen, Testen«
  • Ja
  • Nein
  • Befinden sich Ihre Fettreserven bevorzugt im Bauchraum (Apfeltyp)? Beträgt Ihr Taillenumfang mehr als 89 cm (Frauen) bzw. 101 cm (Männer)?
  • Ja
  • Nein
  • Haben Sie großen Appetit auf Zucker und schnell verfügbare Kohlenhydrate?
  • Ja
  • Nein
  • Nehmen Sie mit fettarmer Ernährung nur sehr langsam ab?
  • Ja
  • Nein
  • Hat Ihr Arzt Sie gewarnt, dass Ihr Nüchternblutzucker etwas hoch liegt (über 100 mg/dl), oder wurde bei Ihnen bereits Insulinresistenz, Prädiabetes oder Diabetes diagnostiziert?
  • Ja
  • Nein
  • Haben Sie hohe Triglyzeridwerte (über 100 mg/dl) oder niedrige Werte für das hilfreiche HDL-Cholesterin (unter 50 mg/dl)?
  • Ja
  • Nein
  • Sind Sie herzkrank?
  • Ja
  • Nein
  • Ist Ihr Blutdruck erhöht?
  • Ja
  • Nein
  • Haben Sie zu wenig Bewegung (empfehlenswert sind viermal pro Woche mindestens 30 Minuten Anstrengung)?
  • Ja
  • Nein
  • Wurden bei Ihnen Schwangerschaftsdiabetes oder polyzystische Ovarien diagnostiziert?
  • Ja
  • Nein
  • Leiden Sie unter Unfruchtbarkeit, geringem Sexualtrieb oder erektiler Dysfunktion?
  • Ja
  • Nein

Einleitung

Diapositas: Wer die Augen verschließt, könnte blind werden

Ob Insulinresistenz, metabolisches Syndrom (auch Syndrom X genannt), Fettleibigkeit, Adipositas, krankhaftes Übergewicht, Altersdiabetes oder Typ-2-Diabetes – letztlich beschreiben all diese Bezeichnungen dasselbe Problem. Der Schweregrad variiert, aber alle können lebensgefährliche Folgen haben. Diagnose und Behandlung der Grundursachen für diese Gesundheitsprobleme unterscheiden sich allerdings ebenfalls kaum voneinander.

Der Begriff Diapositas gilt letztlich für das gesamte Erscheinungsbild vom optimalen Blutzuckergleichgewicht über die Insulinresistenz bis hin zum Vollbild des Diabetes. Wenn Sie auch nur eine der Testfragen mit »Ja« beantwortet haben, könnten Sie bereits von Diapositas betroffen sein.

Praktisch alle Übergewichtigen (über 70 Prozent der erwachsenen Amerikaner und knapp 60 Prozent der Deutschen1) weisen bereits Anzeichen für Prädiabetes und damit ein signifikant erhöhtes Erkrankungs- und Sterberisiko auf. Sie wissen es nur nicht. Schlimmer noch – auch wenn der Begriff »Diapositas« den engen Zusammenhang zwischen »Diabetes« und »Adipositas« hervorhebt, können selbst Normalgewichtige davon betroffen sein. Es handelt sich dabei um den Personenkreis der »schlanken Dicken«, die zwar nicht übergewichtig sind, aber für ihr Gewicht zu wenig Muskelmasse und ein wenig zusätzliches Fett um die Körpermitte herum besitzen. Solche versteckten Risiken entdeckt der Hausarzt am leichtesten im Rahmen der regelmäßigen, von den Krankenkassen geförderten Vorsorgeuntersuchungen, dem Check-up 35, den gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren im zweijährigen Turnus wahrnehmen dürfen. Auf diese Weise kann bei Anzeichen für Prädiabetes und Diabetes frühzeitig und mit aktivem Krankheitsmanagement eingegriffen werden. Wenn solche Angebote nicht genutzt werden, wird die Erkrankung in vielen Fällen erst beim Auftreten von Folgeschäden oder beim Vollbild des Diabetes erkannt und behandelt. Auch aus diesem Grund zählen Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz und sogar Krebs zu den wichtigsten Gesundheitsproblemen des 21. Jahrhunderts. Die gute Nachricht aber lautet: Es gibt eine wissenschaftlich belegte Lösung.

Medizinische Leitlinien müssen auf der Basis neuer Erkenntnisse regelmäßig aktualisiert werden. 2008 haben 22 amerikanische Diabetesexperten alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten zu Prädiabetes und Diabetes gesichtet. Auf dieser Grundlage formulierten sie eine eindringliche Warnung, die jeden Einzelnen, das Gesundheitswesen und die Regierungen auf der ganzen Welt wachrütteln sollte.2 Ihre Schlussfolgerungen lauteten wie folgt:

  1. Die Grenzen zwischen Prädiabetes und Diabetes verlaufen fließend. Ein Nüchternblutzucker von über 100 mg/dl gilt als Prädiabetes, ein Nüchternzucker von über 126 mg/dl als Diabetes. Diese Einteilungen spiegeln jedoch keineswegs das gesamte Risikospektrum – einschließlich Herzinfarkt, Krebs, Demenz, Schlaganfall sowie Nieren- und Nervenschäden –, das bereits bei deutlich niedrigeren Werten beginnt, Werten, die vielfach noch als normal eingestuft werden.
  2. In der DECODE-Studie3 wurde bei 22000 Menschen das fortschreitende Risiko nicht anhand des Nüchternblutzuckers, sondern anhand der Blutzuckerwerte nach dem Genuss eines größeren zuckerhaltigen Getränks ermittelt (oraler Glukosetoleranztest, GTT; die beste Methode, dem Problem auf die Schliche zu kommen). Diese Studie ergab, dass schon bei einem »normalen« Blutzucker von 95 mg/dl ein stetes und signifikantes Risiko für Herzinfarkt und Komplikationen besteht, also weit unterhalb der gemeinhin als auffällig gewerteten Ergebnisse von über 140 mg/dl für Prädiabetes und lange vor der Diabetesgrenze (ab 200 mg/dl).

Fazit: Selbst bei absolut normalem Blutzucker können Sie bereits auf einer tickenden Zeitbombe namens Diapositas sitzen, die verhindert, dass Sie abnehmen und ein langes, gesundes Leben genießen können. Insulinresistenz ist in der modernen Gesellschaft die zentrale Erkrankungs- und Todesursache. Dieses Buch wird Ihnen helfen, diese gefährliche Situation ganz persönlich zu entlarven und zu entschärfen. Darüber hinaus gebe ich ganz konkrete Anregungen, wie man in größerem Rahmen aktiv werden kann, um individuell und kollektiv gesünder zu leben.

1 Max-Rubner-Institut. Bundesforschungsinstitut für Ernährung: Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 1. S. 158–159. Karlsruhe, 2008.

2 Garber AJ, et al. Diagnosis and management of prediabetes in the continuum of hyperglycemia: when do the risks of diabetes begin? A consensus statement from the American College of Endocrinology and the American Association of Clinical Endocrinologists. Endocr Pract. 2008, Oct; 14(7): 933–46.

3 DECODE Study Group, European Diabetes Epidemiology Group. Is the current definition for diabetes relevant to mortality risk from all causes and cardiovascular and noncardiovascular diseases? Diabetes Care. 2003 Mar; 26(3): 688–96.

Teil I – Die Kehrseite des Wohlstands

Um uns vor dieser Pest zu schützen, müssen wir daher so früh wie möglich automatisch und gewohnheitsmäßig so viele nützliche Handlungen durchführen, wie wir vermögen, und uns davor hüten, in Gewohnheiten zu verfallen, die sich vermutlich zu unserem Nachteil auswirken.

– William James, »The Laws of Habit«, The Popular Science Monthly (Februar 1887)

Problematisch sind nicht die Dinge, die man nicht weiß, sondern die Wahrheiten, bei denen wir einem Irrtum unterliegen.

– Mark Twain

1. – Volksseuche Diabetes

Das Spektrum der Gesundheitsprobleme, die mit Diapositas einhergehen, reicht von leichter Insulinresistenz und Übergewicht bis hin zu Fettleibigkeit und Diabetes. Dabei handelt es sich um die schlimmste Epidemie unserer Zeit. Diapositas senkt die Lebenserwartung, ist eine der Hauptursachen für Herzerkrankung, Demenz und Krebs und beruht dabei praktisch vollständig auf Umweltfaktoren und Lebensweise. Das bedeutet aber auch, dass die Erkrankung zu nahezu 100 Prozent vermeidbar und heilbar ist.

Weltweit sind über 1,7 Milliarden Menschen von Diapositas betroffen.

Fettleibigkeit (die fast immer mit Diapositas in Verbindung steht) ist eine der führenden Todesursachen auf der Welt. Schon eine Gewichtszunahme von fünf bis acht Kilo verdoppelt das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken; bei neun bis elf Kilo ist das Risiko dreimal so hoch. Dennoch sind landesweite Screeningprogramme für Prädiabetes selbst innerhalb der Ärztevereinigungen umstritten, so dass es »gegenwärtig keine wirksamen, nationalen Ansätze zur Primärprävention des Typ-2-Diabetes« gibt.4 So wird Diabetes immer mehr zur Volksseuche.

In Amerika hat sich die Anzahl der Typ-2-Diabetiker seit den 80er-Jahren verdreifacht. 2010 litten knapp 27 Millionen der Bevölkerung an Diabetes (ein Viertel davon unerkannt) und 67 Millionen an Prädiabetes (90 Prozent davon unerkannt). In Deutschland wurde laut aktuellen Zahlen bei 7,2 Prozent der Erwachsenen Diabetes diagnostiziert, und man geht von einer zusätzlichen Dunkelziffer von 0,7 bis 2,1 Prozent der Erwachsenen aus.5 Menschen mit afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Wurzeln leiden auffällig häufiger an Diapositas als solche europäischer Herkunft.6 Bis 2015 geht man weltweit von 2,3 Milliarden Übergewichtigen und 700 Millionen Fettleibigen aus. Die Anzahl der Diabetiker in hochentwickelten Gesellschaften dürfte bis Mitte des Jahrtausends von einem Zehntel auf ein Drittel der Bevölkerung hochschnellen.

Unsere fetten Kinder

Am verstörendsten ist womöglich, dass diese Entwicklung zunehmend auch unsere Kinder betrifft. Wir ziehen die erste Generation groß, die kränker lebt und früher sterben wird als ihre Eltern. Erstmals in der Geschichte der Menschheit ist die Lebenserwartung rückläufig.

Die Zahlen sind erschreckend:

Dicke auf der ganzen Welt

Auch in anderen Teilen der Erde ist Diabetes weit verbreitet. 2007 ging man von 240 Millionen Diabetikern weltweit aus. Prognosen zufolge soll diese Zahl bis 2030 auf 380 Millionen ansteigen – das sind zehnmal so viele Menschen, wie von HIV/AIDS betroffen sind.8 Dennoch ist auch dies eine grobe Unterschätzung. Schon 2011 wurde die Zahl der weltweit Betroffenen auf 350 Millionen korrigiert. Allein in China war Diabetes bis vor 25 Jahren praktisch unbekannt. 2007 hatte China 24 Millionen Diabetiker, eine Zahl, die bis 2030 auf 42 Millionen ansteigen würde. Schon 2010 mussten die Schätzungen auf 93 Millionen aktuelle Diabetiker und 148 Millionen Prädiabetiker korrigiert werden, die zuvor praktisch alle nicht diagnostiziert waren. Stellen Sie sich vor, wir hätten über Nacht in nur einem Land 148 Millionen neue HIV-Infektionen!

Fettleibigkeit und Diabetes bei Kindern und das Sechs-Wochen-Programm

Die globale Ausweitung von Fettleibigkeit und »Altersdiabetes« auf kleine Kinder ist eine wahre Tragödie. Wir kennen bereits Sechsjährige mit Typ-2-Diabetes, 15-Jährige mit Schlaganfällen und 25-Jährige, die einen Bypass benötigen. Das Sechs-Wochen-Programm in diesem Buch wurde zwar für Erwachsene entwickelt, hilft Kindern aber genauso gut. Am besten entschließt sich die ganze Familie, ihre Ernährung umzustellen. Das gesamte Umfeld muss »kindersicher« werden, ob zu Hause, in der Schule oder unterwegs.

Der Rezeptteil enthält viele Gerichte, die auch Kindern schmecken. Und auch bei den Ergänzungsmitteln gibt es für jeden etwas, selbst für sehr kleine Kinder. Grundsätzlich eignet sich das Sechs-Wochen-Programm für Kinder ab zwölf. Kinder unter zwölf oder solche, bei denen zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, sollten von einem erfahrenen Kinderarzt mit ganzheitlichem Ansatz betreut werden.

Achtung: Wenn Ihr Kind unter Typ-1-Diabetes leidet, stellen Sie Ernährungsplan und Medikation keinesfalls eigenmächtig um.

Da Asien der bevölkerungsreichste Kontinent ist, werden irgendwann 60 Prozent der Diabetiker in Asien leben. Die Anzahl der Menschen mit gestörter Glukosetoleranz oder Prädiabetes wird deutlich ansteigen, weil ihre Gene auf die schädlichen Einflüsse von Zucker und industriell gefertigten Lebensmitteln empfindlicher reagieren. Interessanterweise sind Menschen asiatischer Abstammung (die selbst ohne Fettleibigkeit verstärkt zu Diabetes neigen) eher betroffen, wenn sie eine westlich orientierte Ernährung bevorzugen. Außerdem besteht aufgrund laxerer Umweltschutzvorgaben vielfach eine höhere Toxinbelastung, die – wie wir später sehen werden – erheblichen Einfluss auf Diapositas hat.9

Von 1983 bis 2008 ist die Anzahl der Diabetiker auf der Welt um das Siebenfache gestiegen, von 35 auf 240 Millionen. In nur drei Jahren (von 2008 bis 2011) kamen 110 Millionen Diabetiker hinzu. Sollten wir uns da nicht lieber fragen: Warum ist das so?, anstatt: Welches neue Medikament hilft bei der Behandlung? Wir brauchen einen neuen, innovativen, allgemein gültigen Behandlungsansatz, der sich über alle Grenzen hinweg kostengünstig umsetzen lässt. Die Suche nach dem heilenden Medikament hat Milliarden verschlungen, dabei liegt die Lösung auf der Hand. Eine Krankheit, die auf Lebensweise und Umweltfaktoren beruht, lässt sich durch Medikamente nicht kurieren.

Diapositas als wichtigste Ursache
chronischer Erkrankungen und rückläufiger Lebenserwartung

Diapositas zählt im 21. Jahrhundert zu den führenden Ursachen chronischer Krankheiten wie Herzerkrankung, Schlaganfall, Demenz und Krebs.10

Hierzu einige Zahlen:

Eine bemerkenswerte, jüngere Studie aus dem New England Journal of Medicine prüfte 123 205 Todesfälle an 820 900 Menschen. Es stellte sich heraus, dass Diabetiker im Durchschnitt sechs Jahre kürzer lebten als Nichtdiabetiker. 40 Prozent von ihnen erlagen jedoch weder einem Herzleiden noch einer anderen typischen diabetischen Folgeerkrankung.16 Sie starben an anderen Komplikationen, die vordergründig nicht zwingend mit Diabetes zusammenhingen. Wenn man jedoch bedenkt, dass Diapositas den meisten chronischen Krankheiten den Boden bereitet, klingt diese Beobachtung absolut logisch.

Diapositas als Bedrohung
für die Weltwirtschaft

Die unmittelbaren Gesundheitsausgaben der USA für Diabetes und Prädiabetes werden in den nächsten zehn Jahren 3,4 Billionen Dollar betragen. Fettleibige Bürger kosten das Gesundheitssystem 40 Prozent mehr als Normalgewichtige. Eine deutsche Untersuchung von 2006, die KoDiM-Studie, ermittelte anhand einer Stichprobe von zehn Millionen Versicherten, dass die Behandlung von Diabetespatienten Zusatzkosten von ca. 2500 Euro pro Jahr und Patient verursacht. Hinzu kommen indirekte Kosten für Frühberentung und Arbeitsunfähigkeit in Höhe von circa 1300 Euro.17

Diapositas stellt also für die Gesellschaft einen erheblichen Kostenfaktor dar.

Die Lösung: Es ist unser Leben

Es gibt eine praktikable Lösung, die messbare Erfolge bringt. Sie ist überall verfügbar und eignet sich zur kostengünstigen Vorbeugung, Behandlung und Heilung von Diapositas. Dieses Buch ist eine Anleitung für den Einzelnen, für Vertreter des Gesundheitssystems und für Politiker. Das neue Konzept erfordert erhebliche Veränderungen auf allen Ebenen, aber jeder von uns hat es in der Hand, das Problem anzugehen.

Neben der individuellen Heilung von Diapositas ist ein breites Umdenken erforderlich. Es geht um Eigenverantwortung, und in Teil V erkläre ich, wie aus einzelnen Impulsen eine breite Bewegung entstehen kann, die viele Menschen gesund macht. Jeder Einzelne kann damit beginnen, doch danach geht es in der Familie, in der Firma, in der Schule und im gesamten Umfeld weiter, bis auch Regierungsvertreter und große Konzerne überzeugt sind.

Im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns mit den wahren Ursachen von Diapositas und der Frage, warum die gegenwärtigen Behandlungsansätze nicht ausreichend greifen.

4 IGES Institut GmbH: Diabetes-Versorgung in Deutschland: Anspruch und Wirklichkeit im 21. Jahrhundert. Evidence-based Health Policy Review. Ergebnisbericht. S. 44; Berlin, Februar 2012 (Analyse im Auftrag der Novo Nordisk Pharma GmbH); veröffentlicht auf: http://novonordisk.de/media/Presse/IGES-Report_Diabetes-Versorgung_in_Deutschland.pdf (Zugriff 17.06.2012)

5 Kurth, B.-M. (Robert-Koch-Institut, Berlin): Erste Ergebnisse aus der »Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland« (DEGS). S. 4–5, Bundesgesundheitsbl. 2012, Springer Verlag 2012. Veröffentlicht auf www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Degs/DEGS_2012_BGBL.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff 17.06.2012)

6 www.who.int/mediacentre/news/releases/2007/pr61/en/index.html.

7 Alle deutschen Zahlen in diesem Abschnitt nach: Robert-Koch-Institut, Berlin: Erste Ergebnisse der KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. S. 29–30. Berlin, Dezember 2006.

8 Chan JC, et al. Diabetes in Asia: epidemiology, risk factors, and pathophysiology. JAMA. 2009 May 27; 301(20): 2129–40. Review.

9 http://apps.nccd.cdc.gov/DDTSTRS/FactSheet.aspx (National Diabetes Fact Sheet 2007).

10 www.cdc.gov/diabetes/statistics/cvd/fig5.htm.

11 Lakka HM, et al. The metabolic syndrome and total and cardiovascular disease mortality in middle-aged men. JAMA. 2002 Dec 4; 288(21): 2709–16.

12 Ott A, et al. Diabetes mellitus and the risk of dementia: The Rotterdam Study. Neurology. 1999 Dec 10; 53(9): 1937–42.

13 Key T, Reeves GK, Spencer EA. Symposium 1: Overnutrition: consequences and solutions for obesity and cancer risk. Proc Nutr Soc. 2009 Dec 3: 1–5.

14 Targher G, Day CP, Bonora E. Risk of cardiovascular disease in patients with nonalcoholic fatty liver disease. N Engl J Med. 2010 Sep 30; 363(14): 1341–50. Review.

15 Pan A, et al. Bidirectional association between depression and type 2 diabetes mellitus in women. Arch Intern Med. 2010 Nov 22; 170(21): 1884–91.

16 Emerging Risk Factors Collaboration et al. Diabetes mellitus, fasting glucose, and risk of cause-specific death. N Engl J Med. 2011 Mar 3; 364(9): 829–41.

17 Köster I, Hauner H, von Ferber L. Heterogenität der Kosten bei Patienten mit Diabetes mellitus: Die KoDiM-Studie. Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 804–810.