Doch hier bedarf es weiterer Schritte, durch die, was hier herausgestellt worden ist, erst den rechten Nutzen gewinnen kann. Was ist mit dem transzendentalen ego philosophisch anzufangen? Gewiß, sein Sein geht evidentermaßen - für mich, den Philosophierenden - erkenntnismäßig allem objektiven Sein vorher. In gewissem Sinne ist es wohl der Grund und Boden, auf dem sich alle objektive Erkenntnis, gute und schlechte, abspielt. Aber besagt darum dieses Vorhergehen und in aller objektiven Erkenntnis Vorausgesetztsein, daß es Erkenntnisgrund im gewöhnlichen Sinne ist für diese objektive Erkenntnis? Der Gedanke, die Versuchung liegt nahe, es ist eben die aller realistischen Theorie. Aber die Versuchung verschwindet, in der transzendentalen Subjektivität Prämissen zu suchen für die Existenzsetzung der subjektiven Welt, wenn wir daran denken, daß alle Schlüsse, die wir vollziehen rein gefaßt, selbst in der transzendentalen Subjektivität verlaufen und alle auf die Welt zu beziehenden Bewährungen an der Welt selbst, als wie sie in der Erfahrung sich selbst gebend und bewährend ist, ihr Maß haben. Nicht als ob wir den großen Cartesianischen Gedanken, die tiefste Begründung objektiver Wissenschaften und des Seins objektiver Welt selbst in der transzendentalen Subjektivität zu suchen, für falsch erklären wollten. Wir würden ja sonst seinen meditierenden Wegen, sei es auch unter Kritik, nicht nachfolgen. Aber vielleicht eröffnet sich mit der Cartesianischen Entdeckung des ego auch eine neue Idee von Begründung, nämlich transzendentaler Begründung.
In der Tat, anstatt das ego cogito als einen bloßen apodiktischen Satz zu verwerten und als absolut fundierende Prämisse, lenken wir unser Augenmerk darauf, daß die phänomenologische Epoché uns (oder mir, dem Philosophierenden) mit dem allerdings apodiktischen Ich bin eine neuartige unendliche Seinssphäre freigelegt hat, und zwar als eine Sphäre einer neuartigen, einer transzendentalen Erfahrung. Eben damit aber auch die Möglichkeit einer transzendentalen Erfahrungserkenntnis, ja einer transzendentalen Wissenschaft.
Hier tut sich ein höchst merkwürdiger Erkenntnishorizont auf. Die phänomenologische Epoché reduziert mich auf mein transzendentales reines Ich, und zunächst wenigstens bin ich also in gewissem Sinne solus ipse: nicht im gewöhnlichen, etwa in dem <eines> bei einem Zusammensturz aller Gestirne ührig gebliebenen Menschen in der noch immer seienden Welt. Habe ich die Welt als die aus mir und in mir Seinssinn empfangende aus meinem Urteilsfeld verbannt, so bin ich, das ihr vorangehende transzendentale Ich, das einzig urteilsmäßig Setzbare und Gesetzte. Und nun soll ich eine Wissenschaft gewinnen, eine unerhört eigenartige, da sie, ausschließlich von meiner und in meiner transzendentalen Subjektivität geschaffen, auch nur für sie - zunächst wenigstens - gelten soll, eine transzendental-solipsistische Wissenschaft. Also nicht das ego cogito, sondern eine Wissenschaft vom ego, eine reine Egologie müßte das unterste Fundament der Philosophie im Cartesianischen Sinne der universalen Wissenschaft sein und müßte mindestens das Grundstück für deren absolute Begründung leisten. In der Tat ist diese Wissenschaft schon da als die unterste transzendentale Phänomenologie; die unterste, also nicht die volle, zu der ja selbstverständlich der weitere Weg vom transzendentalen Solipsismus zur transzendentalen Intersubjektivität gehört.
Um dies alles verständlich zu machen, bedarf es zunächst der von Descartes versäumten Freilegung des unendlichen Feldes der transzendentalen Selbsterfahrung des ego. Die Selbsterfahrung, und sogar in der Bewertung als apodiktische, spielt bekanntlich bei ihm selbst eine Rolle, aber das ego in der ganzen Konkretion seines transzendentalen Daseins und Lebens zu erschließen und als ein systematisch in seine Unendlichkeiten zu verfolgendes Arbeitsfeld anzusehen, das lag ihm ferne. Für den Philosophen muß es als eine fundamentale Einsicht in den Mittelpunkt gestellt werden, daß er in der Einstellung transzendentaler Reduktion konsequent auf seine cogitationes und auf ihren rein phänomenologischen Gehalt reflektieren und dabei allseitig sein transzendentales Sein in seinem transzendental-zeitlichen Leben und in seinen Vermögen enthüllen kann. Es handelt sich hier offenbar um Parallelen zu dem, was der Psychologe in seiner Weltlichkeit innere oder Selbsterfahrung nennt.
Von größter, ja entscheidender Wichtigkeit ist dann zu beachten, daß man nicht flüchtig daran vorbeigehen kann - was gelegentlich auch Descartes bemerkt hat - daß z. B. die Epoché hinsichtlich des Weltlichen nichts daran ändert, daß die Erfahrung Erfahrung von ihm ist, und so das jeweilige Bewußtsein Bewußtsein von ihm ist. Der Titel ego cogito muß um ein Glied erweitert werden: jedes cogito hat in sich als Vermeintes sein cogitatum. Die Hauswahrnehmung, auch wenn ich mich der Betätigung des Wahrnehmungsglaubens enthalte, ist, genommen wie ich sie erlebe, eben Wahrnehmung von diesem und gerade diesem, so und so erscheinenden, sich mit gerade den Bestimmungen, von der Seite, in der Nähe oder Ferne zeigenden Haus. Ebenso die klare oder vage Erinnerung Erinnerung von dem vage oder klar vorstelligen Haus, das noch so falsche Urteil Urteilsmeinung von dem und dem vermeinten Sachverhalt usw. Die Grundeigenschaft der Bewußtseinsweisen, in denen ich als Ich lebe, ist die sogenannte Intentionalität, ist jeweiliges Bewußthaben von etwas. Zu diesem Was des Bewußtseins gehören auch die Seinsmodi wie daseiend, vermutlich seiend, nichtig seiend, aber auch die Modi des Schein-seiend, gut-, wert- seiend usw. Phänomenologische Erfahrung als Reflexion muß von allen konstruktiven Erfindungen ferngehalten und muß als echte genau so konkret, genau mit dem Sinnes- und Seinsgehalt genommen werden, in dem sie eben auftritt.
Es ist eine konstruktive Erfindung des Sensualismus, wenn man das Bewußtsein als Komplex von Sinnesdaten deutet und eventuell dann hinterher Gestaltqualitäten heranzieht und sie für die Ganzheit sorgen läßt. Das ist schon in der weltlich-psychologischen Einstellung grundfalsch und erst recht in der transzendentalen. Wenn phänomenologische Analyse in ihrem Fortgang unter dem Titel Empfindungsdaten auch etwas aufzuweisen hat, so ist es jedenfalls nicht ein Erstes in allen Fällen <äußerer Wahrnehmung>, sondern bei ehrlicher rein anschaulicher Beschreibung ist das erste, das cogito, etwa die Hauswahrnehmung als solche näher zu beschreiben nach gegenständlichem Sinn und nach Erscheinungsmodis. Und so für jede Bewußtseinsart.
Geradehin auf das Bewußtseinsobjekt gerichtet finde ich es als etwas, das mit den und den Bestimmungen erfahren oder gemeint ist, im Urteilen als Träger von Urteilsprädikaten, im Werten als Träger von Wertprädikaten. Nach der anderen Seite blickend finde ich die wechselnden Weisen des Bewußtseins, das Wahrnehmungsmäßige, Erinnerungsmäßige, alles was nicht Gegenstand und gegenständliche Bestimmung selbst, aber subjektiver Gegebenheitsmodus, subjektive Erscheinungsweise ist wie Perspektive oder Unterschiede der Vagheit und Deutlichkeit, der Aufmerksamkeit und Unaufmerksamkeit etc.
Sich als der meditierende Philosoph, der dabei selbst zum transzendentalen ego geworden ist, fortgehend über sich selbst besinnen, das heißt also, in die offen endlose transzendentale Erfahrung eintreten, sich nicht mit dem vagen ego cogito begnügen, sondern dem beständigen Fluß des cogitierenden Seins und Lebens nachgehen, es sich nach allem, was daran zu schauen ist, ansehen, explizierend eindringen, es beschreibend in Begriffe und Urteile fassen, und rein in solche, die aus diesen anschaulichen Bestanden ganz ursprünglich geschöpft sind.
Es ist dann sogar ein dreifacher Titel als Schema der Auslegungen und Beschreibungen leitend, wie schon gesagt: ego cogito cogitatum