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©Paul Riedel, München 2016

Printed in Germany

Erste Auflage 2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2016 Paul Riedel

Umschlag: © Paul Riedel, München 2016

Lektorat: Michael von Sehlen

Herstellung und Verlag

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7534-5594-5

Paul Riedel

Geboren am 27. Mai 1960 in der brasilianischen Stadt Sao Paulo als Paulo Sergio Riedel, nutzt er als Künstlernamen den Namen seines Urgroßvaters.

Er beendete 2010 eine erfolgreiche Karriere in der IT- und Datenbanken-Branche und widmet sich seitdem seiner darstellenden Kunst und Literatur.

Zwischen 2007 und 2011 absolvierte er eine Ausbildung als Psychotherapeut nach dem Heilpraktikergesetz, was seine Kenntnisse von der menschlichen Psyche vertieft hat.

Seine Muttersprache Portugiesisch prägt seine Romane durch ihren reichen Wortschatz, genau wie sein Interesse für die Antike mit ihrem Reichtum an literarischen Formen seinen Stil beeinflusst.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Was die Augen nicht sehen, kann das Herz nicht fühlen. Dieser Aphorismus ist uns allen bekannt. In diversen Quellen finden wir in verschiedenen Kulturen, wie bei den antiken Griechen, Römern und Arabern, Referenzen zu diesen oder ähnlichen Sprüchen. Doch obwohl wir einiges mit unseren Augen sehen, weigern wir uns, ihnen zu glauben, sogar dann, wenn uns die Logik keine andere Wahl lässt. Wenn das, was wir an einer Person oder Situation erkennen, unsere Vorstellungen an oder gar über ihre Grenzen führt, schließen sich unsere Augen, um eine Meinung, der wir nicht zustimmen, nicht wahrhaben zu wollen.

Wir verlangen nach optischer Schönheit und unsere Anforderungen steigen mit der uns vorgesetzten Mode und Werbung, die uns in allen Medien präsentiert, vorgesetzt werden.

Da stellt sich die Frage, ob wir selbst diese Vorstellungen in unserer Natur haben oder ob die Medien uns manipulieren, damit wir besser den Anforderungen der Konzerne entsprechen.

Jeder für sich hat seine innere Lebenswelt, in die sich seine Fantasien einfügen. Darin behalten wir Religion, Glauben und unsere Interpretation der Realität.

In schwierigeren Lebenssituationen geben wir Teile dieser Anforderungen ab, weil unsere Gefühle es so verlangen.

Aber was wir dann alles dabei übersehen, übertrifft zuweilen jegliche Vorstellung.

Agneta

Die Wände waren hellgrün, kahle, glatte und glänzende hellgrüne Wände. Sie waren höher als drei Meter und wirkten weit höher, als sie wirklich waren. Ein roter Streifen, zwanzig Zentimeter von der Decke entfernt, sollte ein Randdekor darstellen, aber es war nur schwer vorstellbar, dass jemand Gefallen an diesen grotesken Kontrasten haben konnte. Kein Dekor auf diesen Wänden, bis auf den Schatten eines vor langer Zeit abgehängten Kruzifixes über dem einzigen Bett im Raum. Trotz der laufenden Heizung reichte die Wärme nicht aus, um sich dort wohler zu fühlen. Ein ausgeschalteter Flachbildschirm sammelte etwas Staub auf seiner Rückseite. Diese Wände gehörten zu einem alten Krankenhaus, das vor langer Zeit einmal ein edles Etablissement gewesen war.

Das Zimmer roch nach kaltem Schweiß und Reinigungsmittel. Eine feine Nase würde noch etwas von der frisch aufgetragenen Desinfektionsflüssigkeit wahrnehmen.

In diesem Raum lag eine stark abgemagerte Frau seit acht Jahren allein auf einem alten Krankenbett. Der metallene Rahmen des Bettes wurde lange nicht gestrichen und die Laken waren frisch bezogen. Geräte um sie herum gaben zu verstehen, dass sie sich vor einer Schwelle befand, von der es keine Rückkehr mehr gab.

Agneta Behrens hatte, bevor sie dieses Krankenhaus betrat, als Anwältin in München-Bogenhausen Karriere gemacht. Ihr verstorbener Mann, so erzählte man in seinem Freundeskreis, hatte Agneta nur aufgrund der unerwarteten Schwangerschaft geheiratet. Böse Zungen behaupteten, dass Agneta trotz ihrer Frigidität mit jedem einflussreichen Mann aus der Schickeria ins Bett gestiegen und versucht hatte, von ihm schwanger zu werden. Doch diese Gerüchte kamen meistens von Nebenbuhlerinnen, daher konnte man am Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen Zweifel hegen. Liebe war zwischen Agneta und ihrem Mann kein Thema.

Agneta hatte viele Liebhaber im Leben gehabt. Das war allgemein bei Freunden und Feinden bekannt und ihrem Mann schien das Arrangement so besser zu gefallen, als wenn Agneta ihn körperlich zu sehr beansprucht hätte.

Eine Liebhaberin hatte er angeblich nicht gehabt. Viele seiner Bekannten meinten aber, dass er eine intime Freundschaft mit einem altem Freund pflegte. Ihre Bisexualität hielten beide Männer zwar geheim, aber viele wussten darüber Bescheid. Die Beziehung zwischen Agneta und ihrem Mann glich mehr einer Interessengemeinschaft, da Agneta durch ihn Zugriff auf eine gute Klientel und er durch sie eine meistens kostenfreie anwaltliche Unterstützung hatte.

Agneta hatte es am Anfang ihrer Karriere nicht leicht. Männer genossen damals als Anwälte mehr Akzeptanz. Doch sie hatte einen großen Fall gehabt, der sie zu einer begehrten Anwältin in München kürte. Die Besonderheit dieses Falls, in dem Agneta als Verteidigerin auftrat, war die Tatsache, dass die Klientin eine Apothekerin war, die beschuldigt wurde, einen Mord begangen zu haben. Ein fast klassischer Fall, in dem eine Frau als Giftmischerin beschuldigt wurde. Bei so vielen Klischees und falschen Annahmen hatte der Staatsanwalt seine Vorbereitung eventuell nicht sorgfältig genug gestaltet.

Agneta erkannte die Chance für gute Presse und so machte sie aus einem leicht lösbaren Fall einen langen Marathon der Gerechtigkeit, in dem sie als Verteidigerin des Frauenrechts die Hauptrolle spielte.

An der Wand ihres Büros hatte sie noch die Todesanzeige der Opfer neben Agnetas Zeitungsinterview eingerahmt. Ein nach Agnetas Ansicht nicht vorteilhaft aussehender Mann, der auf dieser Todesanzeige zu sehen war, besaß ein Weingut in Italien und verkaufte Wein in der Münchener Schickeria, wo Agneta sehr bekannt war. Laut Anklage war das Opfer angeblich mit Strychnin getötet worden, aber sie rechneten nicht mit einer jungen, auf Karriere bedachten Anwältin, die alles sehr gründlich untersuchte und viel überzeugender auftreten konnte als der damalige Staatsanwalt.