IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: kundenservice@cora.de |
Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
Produktion: | Jennifer Galka |
Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
© 2017 by Liz Fielding
Originaltitel: „Her Pregnancy Bombshell“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 092018 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Gudrun Bothe
Abbildungen: Harlequin Books S. A., leightrail, mikolajn, 54674a33_134, kateen2528 / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733710118
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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Sei ohne Angst! Die Insel ist reich an Lärm, Ton und süßen Liedern, die ergötzen und niemand Schaden tun …
William Shakespeare
„Miranda …“
Andie Marlowe nahm ihren Mantel vom Haken, atmete tief ein und setzte ein neutrales Lächeln auf, bevor sie sich Cleve Finch zuwandte, dem CEO von Goldfinch Air Services.
Fast ein Jahr war es her, dass seine Frau ums Leben gekommen war, als der kleine Sechs-Sitzer, den sie flog, in einen Vogelschwarm geraten und abgestürzt war. Seine Trauer war unverändert tief und für Andie nur schwer auszuhalten. Cleve hatte dramatisch an Gewicht verloren. Die Wangenknochen traten scharf hervor, und die fahle Blässe unter dem dunklen Teint ließ ihn elend aussehen.
„Cleve?“
„Du hast heute Nachmittag frei?“
„Ich bin schon letztes Wochenende für Kevin eingesprungen.“
„Das sollte nicht …“ Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte nur fragen, ob du heute ein paar Stunden für mich erübrigen könntest.“
Miranda rief ihr verräterisches Herz zur Ordnung, das bei der Vorstellung, Cleve könne sie brauchen, plötzlich wie verrückt schlug. Verdammt, er ist mein Chef und will mir wahrscheinlich nur einen Last-Minute-Job aufdrücken.
„Kein Problem. Das Bügeln kann warten.“
„Bügeln?“, echote er ungläubig. „Es ist Freitag. Solltest du dich da nicht für ein romantisches Date fertig machen?“, fragte er mit einem halben Lächeln, das sie erwiderte.
„Männer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Sie wollen kein Date, sondern dich gleich abschleppen.“
„Männer sind Idioten.“
„In dem Punkt werde ich dir nicht widersprechen.“ Sogar zu Internet-Dates hatte sie sich hinreißen lassen, um sich den einzigen Mann aus dem Kopf zu schlagen, mit dem sie je ins Bett gewollt hatte. Gebracht hatte es nichts.
„Mir steht heute Abend nichts Aufregenderes bevor als ein Dart-Turnier im Pub. Sollte jemand von der Gastmannschaft unter fünfzig sein, wäre ich ein echter Glückspilz.“ Sie schaute auf die Tafel mit den Flugplänen, konnte aber keine offensichtliche Lücke ausmachen. „Ist jemand krank geworden?“
„Nein … Imogen hat angerufen.“
„Meine Schwester?“ Allein ihren Namen zu hören, krampfte Andies Magen zusammen und ließ sie an eine Zeit denken, in der sie sich schreckliche Sorgen um ihren Zwilling gemacht hatte. Aber jetzt war Immi glücklich und wollte bald heiraten.
„Ist meinen Eltern etwas passiert?“, fragte sie scharf. Wenigstens hatte sie sich jetzt wieder unter Kontrolle, was ihr nur selten gelang, wenn Cleve in ihrer Nähe war.
„Nein, keine Sorge.“ Er streckte die Hand aus, ließ sie aber nach kurzem Zögern wieder sinken. „Verzeih, ich wollte dich nicht beunruhigen. Sie rief an, um mir zu sagen, dass der neue Flieger …“ Er brach ab, als hätte ihm das Wort den Hals zugeschnürt.
Jetzt war sie es, die instinktiv nach seiner Hand greifen wollte, um ihm den Trost zu spenden, den er offenkundig nötig hatte. Doch bevor sie so etwas Dummes und Unüberlegtes tun konnte, fuhr Cleve sich mit beiden Händen durch sein dichtes braunes Haar, das neuerdings von silbernen Fäden durchwirkt war.
Das Trauerjahr nach dem tödlichen Absturz seiner Frau war nicht nur für ihn qualvoll und belastend gewesen. Die Mayfly, den Sechs-Sitzer, mit dem Rachel verunglückt war, hatte Marlowe Aviation gebaut, die Konstruktionsfirma, die quasi seit Beginn der Luftfahrt Andies Familie gehörte. Nach dem Unglück schien zunächst die Existenz beider Firmen bedroht zu sein.
Doch das Versicherungsunternehmen sprach beide Parteien von jeder Schuld frei. Denn es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass die unglückliche Kollision mit einem Vogelschwarm den Absturz verursacht hatte. Die schockierende Nachricht, dass Rachel kurz zuvor festgestellt hatte, dass sie schwanger war, behielt Cleve bis zur Verhandlung für sich. Die Mutmaßung des Gerichtsmediziners, dass sie dadurch möglicherweise von Übelkeit oder einer Ohnmacht beeinträchtigt gewesen sein könnte, machte ihren Tod zu einer doppelten Tragödie.
Nachdem der Prozess endlich abgeschlossen war, bestand Andies Mutter darauf, dass ihr Mann sich eine Auszeit nahm. Sie befürchtete, er könnte sonst wegen des enormen Stresses seinem eigenen Vater ins frühe Grab folgen. Marlowe Aviation überließen die beiden den fähigen Händen von Immi und ihrem Verlobten, um sich nach Indien zu verabschieden. Ihre Eltern wollten das Land wie alte Hippies mit dem Bus durchqueren.
Cleve hingegen hatte sich seit der Beerdigung keinen Tag Auszeit gegönnt, um der Verantwortung für seine Mitarbeiter und der Firma, die er aus dem Nichts aufgebaut hatte, gerecht werden zu können.
Sobald das Untersuchungsverfahren abgeschlossen war, verhielt er sich unglaublich fair und selbstlos, da er als Ersatz für die abgestürzte Maschine wieder exakt dasselbe Modell von Marlowe Aviation bestellte. Und jetzt hatte ihre Schwester angerufen, um ihm mitzuteilen, dass es fertig war.
„Ich kann es holen“, versicherte Andie schnell. „Ich nehme den Zug, bleibe über Nacht und fliege morgen zurück.“
„Nein.“ Cleve schüttelte den Kopf. „Das geht nicht, es gibt noch etliche Formalien zu erledigen, technische Abnahmeprotokolle zu unterzeichnen und die Anmeldung …“
„Alles kein Problem“, unterbrach Andie ihn. Immerhin hatte sie ihren Abschluss in Flugzeugtechnik mit Auszeichnung absolviert und würde längst im Designbüro des elterlichen Betriebes arbeiten, hätte ihr damals nicht ein gut aussehender Pilot einen Job versprochen. Und zwar, sobald sie ihre Commercial Pilot Licence, also ihre Berufspilotenlizenz, in Händen hielt. Dieses Versprechen hatte er mit einem Kuss besiegelt. Sie spürte ihn immer noch auf ihren Lippen, als sie nach ihrem Studium, mit dem Diplom in der Tasche, in Cleves Büro auftauchte.
Doch an seinem Finger steckte inzwischen ein Ehering, und anstatt eines Kusses bekam sie nur eine kurze Glückwunsch-Umarmung. Aber sein Versprechen hielt er.
Seine attraktive Frau, hellsichtig genug, um die Situation richtig einzuschätzen, und offenbar versiert darin, ihren Gatten vor allzu schwärmerischen Geschlechtsgenossinnen abzuschirmen, hatte nur nachsichtig gelächelt und Andie im Team willkommen geheißen. Keine Gefahr für ihre Ehe, lautete Rachels Urteil offenbar. Jedenfalls nicht, solange sie selbst in Cleves Bett lag, wenn er nach Hause kam.
„Ich brauche dich nur, um mich dorthin zu fliegen, Miranda“, unterbrach Cleve ihre Tagträume. „Sollte es dir nicht passen, sag es frei heraus, dann nehme ich den Zug.“
„Ich dachte nur …“ Offensichtlich wollte er den Transfer unbedingt selbst vornehmen. Ihr widerstrebte es zutiefst, ihn dabei allein zu lassen. „Wann willst du los?“
„Am liebsten jetzt gleich. Oscar Tango ist heute Nachmittag frei … falls das Dart-Team dich so lange entbehren kann“, setzte er in dem schwachen Versuch zu scherzen hinzu.
„Wahrscheinlich werden sie sogar erleichtert sein“, ging sie auf seinen Ton ein. „Und morgen wollte ich ohnehin nach Hause fliegen. Immi nervt mich schon die ganze Zeit über wegen …“ Wegen der Anprobe des Brautjungfernkleides, hatte sie sagen wollen, es aber einfach nicht über die Lippen gebracht. „Wenn es dir nichts ausmacht, nehmen wir meinen kleinen Zweisitzer.“
„Was dir lieber ist.“ Er hielt die Tür für sie auf, als sie ihr Handy aus der Tasche nahm und eine Textnachricht tippte, um ihre Schwester zu informieren, dass sie morgen pünktlich für die Anprobe zur Verfügung stehen würde.
„Ist es rosa oder pink?“, fragte Cleve, als sie zum Kontrolltower gingen, um den Flugplan reinzureichen.
„Rosa?“
„Das Kleid.“
„Du hast meine SMS gelesen?“
„Das musste ich nicht. Ich habe eine Einladung zur Hochzeit bekommen und gehe davon aus, dass sich die Braut ihre Schwester als Brautjungfer wünscht. Allein die Vorstellung, dich in einem Kleid zu sehen, führt mich schon in Versuchung, die Einladung anzunehmen.“
Da war es endlich wieder, dieses neckende Lächeln, das ihr Teenagerherz damals verzaubert hatte. Heute war es so selten wie die Chance, sie in einem Kleid zu überraschen!
„Wenn es rosa und mit Rüschen besetzt ist, muss ich es auf jeden Fall sehen.“
„Bitte … sag das nicht einmal im Scherz!“
„Ich hoffe, Imogens Verlobter hat seine Pflicht getan und einen tollen Brautführer als deinen Begleiter engagiert, um den Tag auch für dich unvergesslich zu machen.“
„Der steht nicht mir, sondern Portia zu. Sie ist die älteste von uns vier Schwestern.“ Und ganz nebenbei auch die glamouröseste! dachte Andie. Diejenige, nach der sich nicht nur die Junggesellen, sondern auch Männer umdrehten, die längst in festen Händen waren. „Sie genießt das Vorrecht der ersten Wahl. Posy und ich werden uns hintenanstellen müssen.“
„Du scheinst kein großer Fan von deinem zukünftigen Schwager zu sein.“
„Das habe ich nie gesagt.“ Oder habe ich das?
„Du hast eine Grimasse geschnitten.“
Andie zuckte mit den Schultern. „Die Tochter des Chefs zu heiraten, ist so ein Klischee, oder? Aber solange Immi mit ihm glücklich ist … das allein zählt.“ Sie fühlte sich ein wenig schuldig, weil sie bisher noch nicht wirklich warm mit dem Zukünftigen ihrer Schwester geworden war. „Dad scheint ihn jedenfalls zu mögen.“
„Na, dann kann man ihm gratulieren. Dein Vater hat ziemlich hohe Ansprüche.“
„Er … ja …“ Mit Cleve über eine Hochzeit zu sprechen, fühlte sich seltsam an, weshalb Andie froh war, als sie endlich das Kontrollbüro erreichten. „Kannst du schon mal meinen Flieger auftanken, während ich mich um den Papierkram kümmere?“, fragte sie.
Cleve stutzte und hob die Brauen. „Was ist los? Normalerweise darf doch niemand ‚dein Baby‘ anfassen?“, wunderte er sich. „Du machst schließlich sogar den Service selbst.“
„Ist billiger“, konterte sie flapsig. Immer noch besser, wenn er sie für geizig hielt, als ihm zu gestehen, dass er der Einzige war, dem sie erlaubte, ihren kleinen Zweisitzer anzufassen. Ihr Vater hatte ihn ihr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt.
An dem Tag, als sie ihre PPL ausgehändigt bekam … und Cleve sie geküsst hatte.
„Pass auf, dass kein Tropfen Benzin auf den Rumpf kommt“, brummte sie, um ihre Verlegenheit zu verbergen, und zog die Schlüssel zum Sicherheitsschloss aus ihrer Tasche. Sie hätte Cleve das Bund zugeworfen, doch er streckte die Hand aus, umfasste ihr Handgelenk und hielt es fest. Ihre Blicke trafen sich, und Andies Atem stockte.
„Ich fühle mich geehrt.“
„Was? Dass ich dich reingelegt habe?“ Er sollte bloß nicht denken, dass er sie so leicht weichkochen konnte. „Ich erwarte natürlich, dass du deine Scheckkarte benutzt.“
Damit wollte sie sich abwenden, doch Cleve hielt ihre Hand noch einen Moment länger fest, bevor er nickte, ihr die Schlüssel abnahm und ging.
Andie schaute ihm nach und starrte dann auf ihre Finger, die eigentlich immer warm, aber jetzt durch das kurze Intermezzo zwischen ihnen eiskalt waren.
„Willst du den Steuerknüppel?“, fragte sie mehr aus Höflichkeit als in der Erwartung, dass Cleve Ja sagen würde. Er war kein ängstlicher Typ und hatte auch keine Vorurteile gegenüber Pilotinnen, immerhin hatte er sogar eine geheiratet. Aber Tatsache war auch, dass er seit ihrem Absturz nur wenig geflogen war.
Er fände einfach keine Gelegenheit dazu, behauptete Cleve, weil seine gesamte Zeit davon in Anspruch genommen wurde, sein neues Büro in Zypern aufzubauen. Und wenn er schon gezwungen war, seinen Schreibtisch zu verlassen, nahm er gerüchteweise lieber den Sitz des Co-Piloten ein und überließ den Steuerknüppel seinem Ersten Offizier.
Es wurde gemunkelt, dass er selbst nicht mehr die Nerven fürs Fliegen aufbrachte.
Auch jetzt schüttelte er nur den Kopf, kletterte an Bord, lehnte sich zurück und schloss die Augen, während sie den kleinen Flieger in Richtung Startbahn lenkte.
Seine humorvolle Einlage, ihr Brautjungfernkleid betreffend, hatte ihn offenbar so erschöpft, dass ihr jeder Smalltalk unangebracht erschien. Und noch viel mehr, Freude oder Aufregung wegen des neuen Flugzeugs zu zeigen, das sie überführen wollten.
Vierzig schweigsame Minuten später ging ihr Zweisitzer in den Sinkflug, und Andie steuerte ihren privaten Parkplatz auf dem Marlowe Aviation Airport an.
Sie wartete weder auf ein Dankeschön oder sonst eine Bemerkung von ihm, sondern stellte einfach den Motor aus und kletterte aus dem Cockpit, ehe Cleve sie aufhalten konnte. Andie steuerte auf den Chefingenieur zu, der sie bereits erwartete. Ohne Zweifel hatte der Tower ihn von ihrer Ankunft unterrichtet.
„Hallo, Jack.“
„Andie …“ Er nahm ihre Hand, küsste sie auf die Wange und schaute auf, als Cleve sich zu ihnen gesellte. „Cleve … schön dich zu sehen“, sagte er, allerdings nicht schnell genug, um den Schock wegen der Leichenblässe des anderen verbergen zu können.
„Jack.“ Das knappe Nicken forderte nicht gerade zum Plaudern auf.
„Tja, okay … es ist alles vorbereitet.“ Jack räusperte sich. „Andie, du wirst sicher die Updates sehen wollen, die wir in das neueste Modell der Mayfly integriert haben.“ Es war ein kaum verhohlenes Hilfegesuch, ihn nicht mit Cleve allein zu lassen. Aber angesichts der Anspannung, die ihr in Riesenwellen entgegenkam, wäre sie ohnehin nicht auf die Idee gekommen.
„Ich kann es kaum abwarten“, versicherte sie lächelnd, berührte sacht Cleves Ellenbogen, als sanfte Aufforderung, weiterzugehen, und fuhr selbst fast aus der Haut, weil er unerwartet heftig zusammenzuckte. Noch heftiger war ihre eigene Reaktion auf seine unmittelbare Nähe. Denn selbst nachdem Cleve sich längst von ihr zurückgezogen hatte, rannen immer noch heiße Schauer über ihren Rücken. Nur mit Mühe hielt sie ihr Lächeln auf den Lippen.
„Der neue Heckflügel lehnt sich weitgehend an Andies Entwurf an“, erklärte der Chefingenieur Cleve, während sie zum Hangar hinübergingen. „Je eher sie das Fliegen satthat und an ihren Zeichentisch im Designbüro zurückkehrt, umso besser.“
„Miranda ist zum Fliegen geboren“, erwiderte Cleve, bevor sie antworten konnte.
„Kein Zweifel, aber die Zeit arbeitet für mich.“ Jack grinste zuversichtlich. „Irgendein Glückspilz wird ihr Herz erobern, und sie wird nicht ständig unterwegs sein wollen, wenn sie erst mal eine Familie gegründet hat.“
Mit brennenden Wangen stürmte Andie geradezu vorwärts, um dem tödlichen Schweigen zu entkommen, das auf Jacks Zukunftsvisionen folgte. Und da stand sie: schlank, elegant in strahlendem Weiß und mit dem stilisierten Stieglitz in Rot/Gold/Schwarz auf der neu gestylten Heckflosse, dem Erkennungszeichen der stetig wachsenden Goldfinch-Air-Services-Flotte.
„Sie ist eine echte Schönheit, Jack.“ Lächelnd wandte sie sich Cleve zu, um seine Reaktion zu sehen. Er wirkte so ausdruckslos, dass sie nicht zum ersten Mal dachte, dass sein öffentlichkeitswirksamer Auftrag an Marlowe Aviation, ihm einen neuen Flieger zu konstruieren, ein großer Fehler gewesen war.
„Warum kümmern wir uns nicht zuerst um den Papierkram?“, schlug sie vor. „Falls Immi bei Laune ist und etwas Zeit hat, könnte sie …“
„Lass uns das so schnell wie möglich hinter uns bringen“, platzte Cleve dazwischen, ehe sie eine verspätete Teepause vorschlagen konnte.
Und während Jacks Erläuterungen war es dann auch sie, die die passenden Geräusche und Bemerkungen machte und die richtigen Fragen stellte.
Die Erleichterung des Chefingenieurs, als er über Lautsprecher ausgerufen und wegbeordert wurde, war nicht zu übersehen. „Tut mir leid, aber das ist wichtig“, entschuldigte er sich und übergab Andie die Papiere. „Aber wir haben ja auch alles Notwendige besprochen. Warum fahrt ihr sie nicht aus dem Hangar, versucht euch an der neuen Schaltung und entwickelt ein Gefühl für das ‚neue Baby‘?“
„Danke, Jack“, sagte Andie, da Cleve nicht reagierte. „Wir sehen uns später.“
„Ich werde im Büro sein …“
Sie nickte und lächelte ihm beruhigend zu, als er zögerte. Dann kehrte sie zu Cleve zurück, der das Flugzeug anstarrte, als sähe er einen Geist. Sein Gesicht war aschgrau und wirkte wie aus Stein gemeißelt. Sie streckte eine Hand aus, zog sie aber wieder zurück, aus Angst, Cleve würde zusammenbrechen, wenn sie ihn noch einmal berührte.
Es war, als spüre er ihre Unsicherheit. „Geh, such deine Schwester und probier dein Kleid an“, forderte er sie auf. „Ich komme allein zurecht.“
„Das glaube ich nicht“, widersprach sie und wappnete sich innerlich, als er zu ihr herumfuhr wie von der Tarantel gestochen. „Du bist momentan nicht in der Verfassung, dich hinter den Steuerknüppel zu setzen.“
Wie lange sie dastanden und sich anstarrten, wusste Andie nicht. Und ganz plötzlich war es, als lüfte sich ein Schleier, um all den Schmerz und die maßlose Trauer zu enthüllen, die Cleve in den letzten Monaten durchlitten hatte. Aber bevor sie reagieren und auch nur die Hand nach ihm ausstrecken konnte, hatte er sich bereits abgewandt und stolperte aus dem Hangar.
Der Flugplatz wurde auf einer Seite von einem bewaldeten Steilhang begrenzt. In den Schrecksekunden, die sie brauchte, um sich zu sammeln, hatte Cleve fast die Kante erreicht.
„Stopp!“ Sie griff nach seinem Arm, und er schwang zu ihr herum. Einen Augenblick dachte sie, er würde sie wegstoßen, stattdessen zog er sie an sich.
„Hilf mir, Andie …“ Seine Stimme war nicht mehr als ein raues Krächzen.
So hatte er sie zuletzt als Teenager genannt … sie geneckt, ermutigt und in den dunklen Ecken des Flugzeughangars ihres Vaters heimlich geküsst. Und ihr dummes Herz hatte davon geträumt, er würde eines Tages mit ihr zu den Sternen fliegen.
Cleve bebte am ganzen Leib und drohte zu straucheln. Andie schlang ihre Arme um seinen Brustkorb und hielt ihn an sich gepresst, bis das Zittern nachließ und er zur Ruhe kam.
„Es tut mir leid …“
Sie hob eine Hand, legte sie auf seine Wange und fühlte, dass sie tränennass war.
„Ich kann nicht …“
„Schhhh.“ Sie verschloss seinen Mund mit ihren Lippen, um die heiseren Worte zu ersticken. Als er ihr nicht mit süßen, heißen Küssen antwortete, wie sie immer noch durch ihre Träume geisterten, sondern fordernder und härter, schloss sie die Augen. Cleve küsste sie mit einem Hunger und unverhüllten Begehren, die den Schutzpanzer, den sie um ihr Herz errichtet hatte, brutal zerschmetterten. Und sie antwortete ihm mit all dem sehnsüchtigen, schmerzlichen Verlangen, das sie seit Jahren durchs Fliegen zu kompensieren versucht hatte, da sie Cleve nicht haben konnte.
„Andie …“ In dem einen Wort lag eine so unverhüllte Verzweiflung, dass sie spontan seine eisigen Hände umfasste und gegen ihre warme Brust drückte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der nichts geschah, fasste Andie sich ein Herz. „Du bist ganz kalt“, sagte sie rau, hakte sich bei Cleve unter und führte ihn entlang der Landebahn bis zu dem Tor, durch das man zum Haus ihrer Eltern gelangte.
Sobald sie dort waren, schloss sie stumm die Tür auf und stieg mit Cleve die Treppe nach oben in ihr Zimmer mit ihren Büchern, ihrem alten Spielzeug und ihren romantischen Teenagerträumen.
Sie zog erst Cleve, dann sich aus, tröstete ihn mit ihren Lippen, ihren Händen, ihrem Körper und wärmte ihn mit all der Liebe, die sie in sich spürte.
Müde, erschöpft und ein wenig zittrig von der rauen Fahrt auf der Fähre händigte Andie dem Grenzkontrollbeamten ihren Pass aus.
„Buongiorno, signora.“ Er begutachtete die Rückseite des Dokuments und musterte sie mit einem prüfenden Blick, der auch einem römischen Reisenden, der vor zweitausend Jahren im antiken Hafen von Sant’Angelo gelandet wäre, kalten Schweiß auf die Stirn getrieben hätte. „Was ist der Zweck Ihres Besuchs auf der Isola dei Fiori?“
„Ich bin auf der Flucht …“, murmelte Andie. Vor ihrem Job, vor ihrem Leben, vor dem Mann, den sie liebte, seit er in einem unvergesslichen Moment spontan applaudiert hatte, als sie in einer tückischen Starkwindsituation nach einem waghalsigen Flugmanöver eine perfekte Landung hingelegt hatte. Und um ihr süßes Geheimnis zu wahren, das sie in sich trug.
„Scusi?“
Andie schluckte heftig. „Ich mache Urlaub.“
Der Beamte wirkte nicht überzeugt, was sie ihm nicht übel nahm. Doch das ihr T-Shirt schweißnass an ihrem Rücken klebte, hatte nichts mit Schuldbewusstsein zu tun.
„Sie reisen allein?“
Sie nickte. „Ja, ich bin allein.“ Was allerdings von der genauen Definition des Wörtchens „allein“ abhing.
„Und wo werden Sie unterkommen?“
„In der Villa Rosa. Sie liegt in einer Bucht gleichen Namens … Baia di Rose. Meine Schwester hat die Villa von ihrer Patentante geerbt“, erklärte sie, als die Brauen des skeptischen Beamten nach oben wanderten. „Sofia Romana.“
Dass der Mann für einen Moment die Fassung zu verlieren drohte, war wohl der Namensnennung geschuldet. Wahrscheinlich wäre die Geliebte des verstorbenen Königs Ludano nicht jedermanns erste Wahl als Patin gewesen, aber Sofia und Andies Großmutter kannten sich von klein auf und hatten zusammen die Schule besucht. Ihre Freundschaft hielt ein Leben lang, und bei der Geburt ihrer vierten Tochter waren ihren Eltern möglicherweise passendere Paten ausgegangen.
Der Beamte räusperte sich, begutachtete erneut ihren Pass und blätterte ihn durch. „Sie reisen viel?“
„Ja, ich bin Berufspilotin.“ Und als solche nahezu täglich überall in Europa und im Nahen Osten unterwegs, aber ihm das zu erläutern, fühlte sie sich nicht bemüßigt.
„Verstehe …“, behauptete er nach einem weiteren eindringlichen Blick. Aber es war nicht sein offenkundiges Misstrauen, das ihre Knie so weich werden ließ, dass Andie sich vorsichtshalber an der Kante des Tresens festklammerte. „Ist Ihnen nicht wohl, signora Marlowe? Sie sehen sehr blass aus.“
„Es geht mir tatsächlich nicht besonders …“, gestand sie schwach. Ihre Haut fühlte sich klebrig an, ihr Haar, das sie mit einem Seidenschal zusammengebunden hatte, hing feucht an den bleichen Wangen und im Nacken. Sie wusste genau, was er mutmaßte. An seiner Stelle hätte sie vielleicht ähnlich gedacht.
„Ich muss Sie fragen, ob Sie etwas bei sich tragen …“
„Ein Baby“, platzte sie heraus und biss sich gleich darauf auf die Zunge. Es war das erste Mal, dass sie es laut sagte.
Ihrer Schwester hatte sie erzählt, dass sie müde und erschöpft sei und eine Pause brauche. Und Posy, die selbst keine Zeit hatte zu verreisen, war so froh darüber, dass jemand in der Villa nach dem Rechten schaute, dass sie gar nicht auf die Idee kam, Andie zu fragen, warum sie dann nicht in ein Hotel ging, wo sie sich zurücklehnen und bedienen lassen konnte.
Jetzt war der Erste, dem sie von dem Baby erzählte, ein Grenzbeamter, der sie offenbar in Verdacht hatte, illegale Substanzen zu schmuggeln. „Ich bin schwanger“, fügte Andie hinzu und legte in einer instinktiven Geste schützend eine Hand über ihren noch flachen Bauch. „Und möglicherweise muss ich mich gleich übergeben.“
Die Fährfahrt nach Italien war ziemlich turbulent verlaufen, und das Sandwich, zu dem sie sich am Morgen gezwungen hatte, bereits zehn Minuten nach Verlassen des Hafens über Bord gegangen. Ganz leer schien ihr Magen jedoch immer noch nicht zu sein.
Es war einige Jahre her seit ihrem letzten Besuch, doch im Hafengebäude hatte sich nichts verändert, sodass sie es noch rechtzeitig zur Toilette schaffte. Sobald das Würgegefühl nachließ, spritzte Andie sich kaltes Wasser ins Gesicht und ließ es über ihre Handgelenke laufen. Dann richtete sie ihr Haar so gut wie möglich und verließ den Toilettenraum.
Gleich vor der Tür wurde sie von dem Beamten in Empfang genommen, der ihr mit strahlendem Lächeln ihren Pass reichte.
„Complimenti, signora!“, gratulierte er ihr nahezu enthusiastisch zu ihrer Schwangerschaft. Dazu zeigte er größtes Verständnis für ihre körperlichen Beeinträchtigungen. „Meine Frau hat auch in den ersten Wochen unter extremer Übelkeit gelitten, aber das geht vorbei und ist schnell vergessen“, beruhigte er sie. „Entspannen Sie sich, legen Sie die Füße hoch und tanken Sie ein wenig Sonne, dann werden Sie sich rasch besser fühlen. Erwartet Sie jemand?“
„Nein, ich nehme mir ein Taxi.“
Er nickte, begleitete sie zum Taxistand und sprach kurz mit dem Fahrer, der ihr sofort die Reisetasche abnahm und verstaute. „Ich habe ihn angewiesen, langsam und ruhig zu fahren, Signora.“
Dem lauten Ankunftsterminal entflohen, stand Andie im strahlenden Nachmittagssonnenschein und brachte sogar ein Lächeln zustande. „Könnten Sie ihn bitten, kurz bei einem Laden, einem supermercato anzuhalten, damit ich noch ein paar Lebensmittel einkaufen kann?“
„Er wird Sie hinfahren, auf Sie warten und selbstverständlich auch Ihre Tüten tragen, signora“, versicherte der Beamte galant, nach einem italienischen Stakkato zwischen ihm und dem Taxifahrer.
„Grazie.“
„Prego, signora e buona fortuna. Genießen Sie Ihren Urlaub.“
Erleichtert nahm Andie im klimatisierten Taxi Platz, lehnte sich zurück und schloss erschöpft die Augen, während der Fahrer seinen Wagen behutsam aus der Parkbucht lenkte und dann zügig losfuhr. Sie hob erst die Lider, als er nur Minuten später direkt vor einem kleinen Lebensmittelladen anhielt.
Da neben dem Magen auch ihre Nase durch die Schwangerschaft empfindlich reagierte, beeilte Andie sich beim Einkaufen und überließ es dem freundlichen Taxifahrer, ihre mit dem Nötigsten bestückte Falttasche zum Wagen zu tragen.
„Baia di Rose?“, vergewisserte sich ihr Chauffeur noch einmal.
„Sì, ma lentamente …“, bat sie um eine langsame Fahrweise mit demselben Wort, das schon der Passkontrolleur gebraucht und Sofia ihnen immer nachgerufen hatte, wenn sie wie die Wilden hinunter zum Strand gerannt waren.
„Sì, signora“, versprach der Mann und fädelte sich geschickt in den fließenden Verkehr ein. Halten konnte er sein Versprechen allerdings nicht, was eindeutig am Gen-Cocktail aus griechischem, karthagischem und romanischem Blut lag, das immer kurz vor dem Siedepunkt zu stehen schien und ihn dazu verleitete, sich immer und überall auf der Überholspur zu wähnen.
Sein Taxi war sein Streitwagen und das Hupen der anderen Fahrer, die ihn überholten, ein Frontalangriff auf seine Männlichkeit. Andie hing in ihrem Sicherheitsgurt wie in einer Rettungsleine, während der Taxifahrer das Gaspedal durchdrückte und die Haarnadelkurven im Power-Slide nahm. Der einzige Lichtblick waren die kurzen Aussichten aufs azurblaue Meer, seit sie die Stadt hinter sich gelassen hatten und quer über die Insel jagten, in Richtung Villa Rosa, die oberhalb der Bucht auf einem Felsplateau thronte.
Andie hatte London an einem kalten, grauen Tag verlassen, der das Prädikat „frühlingshaft“ absolut nicht verdiente, und war hier mitten im prallen Frühling gelandet. Wie oft hatten sie und ihre Schwestern das in der Vergangenheit genossen, wenn ihre Großmutter die vier Mädchen in den Osterferien von England nach Italien expedierte, um ihrer geplagten Mutter eine wohlverdiente Pause zu gönnen?
Wie aufgeregt sie immer gewesen waren, wenn Alberto sie in seinem schicken italienischen Schlitten abgeholt hatte. Zusammen mit seiner Frau Elena kümmerte er sich um die Villa Rosa, betreute den riesigen Garten, fungierte als Chauffeur für Sofia und behandelte Andie und ihre Schwestern wie kleine Prinzessinnen. Alles hier wirkte einladend: die exotischen Blumen und Bäume, Häuser, die in weichen Pastellfarben gestrichen waren oder in verblasstem Terrakotta schimmerten, dazu das türkisfarbene Meer im Hintergrund.
Die Villa lag auf einem Felsen oberhalb des Dorfes. Von der Küste aus erstreckte sich ein schroff zerklüftetes, bewaldetes Gebiet bis zum Gipfel der Berge im Herzen der Insel, das König Ludano zum Nationalpark erklärt hatte.
Portia, älter und forscher als sie, hatte alle geschockt, als sie behauptete, er habe damit nur die Besuche seiner heimlichen Geliebten kaschieren wollen. Unabhängig vom Motiv hatte er damit aber auch diesen Teil der Insel vor kommerzieller Ausbeutung bewahrt. Anders als es an der Ostküste mit den modernen Hotelburgen der Fall war.
Die letzte Etappe bis zum Haus war eine kurvige Schotterpiste, die Andie einiges an Selbstbeherrschung abverlangte. Als Kinder hatten sie immer miteinander konkurriert, wer zuerst einen Blick auf die Villa Rosa erhaschen konnte, die tatsächlich in blassem Rosé getüncht war. Mit dem abgestuften Dach und den französischen Türen, die sich zum Garten hin in Richtung der geschützten Bucht unterhalb öffneten, hatte das Haus einen ganz eigenen Charme, so völlig anders als ihr Zuhause in England.
Das Innere der Villa war genauso aufregend wie ihre Lage und die Umgebung. Es gab Unmengen von Zimmern zu erkunden, und sie durften in dem riesigen, eleganten Salon mit der gewölbten Decke, bemalt in den blassblauen und rosa Tönen eines italienischen Abendhimmels, Jugend-Partys feiern.
Dazu gab es staubige Dachböden, angefüllt mit unglaublichen Schätzen, die es zu erforschen galt, wenn man bereit war, Spinnen zu töten. Und Andies Lieblingsplatz: eine kühle überdachte Veranda, auf die man sich mit einem spannenden Buch vor der Nachmittagshitze flüchten konnte. Von dort aus schaute man über die grüne macchia, die sich bis zum Meer hinunterzog.
Als sie Kinder waren, standen die Tore immer weit offen, um sie willkommen zu heißen. Und sobald der Wagen hielt, sprangen sie auch schon raus, schüttelten Schuhe und Socken von den Füßen, rannten den gewundenen Weg zum Strand hinunter und schrien laut vor Aufregung, wenn das kühle Wasser endlich ihre Füße umspülte.
Heute waren die Tore geschlossen. Es war noch zu früh im Jahr, um im Meer zu schwimmen, und zu spät am Tag, um zum Strand zu gehen.
Andie wollte sich nur noch irgendwo zusammenrollen, um sich vom Flug und der ungemütlichen Fährfahrt zu erholen.
Der Taxifahrer fragte sie etwas in einem Dialekt, den sie nicht ganz verstand. Sein besorgter Rundumblick verriet ihr, dass er wohl sichergehen wollte, dass sie hier tatsächlich am richtigen Platz waren. Sie nickte, lächelte beruhigend, zahlte die Fahrt und sah ihm nach, bis er hinter der ersten Serpentine verschwunden war.
Dann wandte sie sich dem Haus zu und suchte in ihrer Tasche nach dem schweren Schlüsselbund, das Posy ihr gegeben hatte. Andie schloss eine kleine Seitenpforte auf und betrat den ruhigen, friedlichen Innenhof.
Auf der einen Seite reihten sich niedrige Gebäude aneinander, die einst Stallungen gewesen waren. Aber seit sie herkam, wurden sie als Garagen und Lagerräume genutzt. Auf der Rückseite des Hauses lagen Spülküche und Küche. Deren Außentür hatten sie als Kinder bevorzugt benutzt.
Acht Jahre lag ihr letzter Besuch inzwischen zurück. Damals waren sie und Immi sechzehn und Posy fünfzehn gewesen. Portia hatte nicht mehr mitkommen wollen, weil sie bereits studierte und sich viel zu erwachsen für einen Familienurlaub am Meer hielt. Sogar in einer glamourösen Villa, die der Geliebten des Insel-Monarchen gehörte.
Wie es aussah, waren die Jahre nicht freundlich zur Villa gewesen.
Nachdem König Ludano verstorben war, blieben Sofia nur ihre Erinnerungen an ihn, um sich in ihrem Liebesnest zu wärmen. Allein, ohne ihren Liebhaber rufen zu können, wenn etwas zu reparieren war. Es war ein sehr altes Haus, dazu gab es die Stürme im Winter und gelegentliche Erdbeben.
Der rosafarbene Anstrich war verblasst und die Wände verfärbt, wo Regenwasser aus defekten oder verstopften Rinnen überlief. Vom flachen Dach des Spülküchenanbaus fehlten einige Schindeln, in der Wand klaffte ein Riss, durch den ein Unkraut Einlass ins Haus gefunden hatte. Ohne die extravagante Lage und die wundervolle Umgebung würde sich eine Renovierung möglicherweise gar nicht lohnen.
Die Villa Rosa war das einzige Anwesen an diesem spektakulären Küstenstreifen. Dazu gehörte ein Privatstrand, der durch eine felsige Landzunge vor der Sicht vorbeifahrender Boote geschützt war. Dank des vulkanischen Ursprungs der Insel gab es sogar einen Felsenpool, gespeist von einer heißen Quelle, in dem man mitten im Winter baden konnte.
Sobald Posy sich entschloss, ihr Erbe auf den Markt zu werfen, würde sie von Kaufangeboten überschwemmt werden.
Das Meer funkelte einladend in der späten Nachmittagssonne, aber Anfang März war das Wasser noch kalt. Alles, wonach Andie sich jetzt sehnte, war heißer Pfefferminztee und ein Platz zum Schlafen. Morgen würde sie an den Strand gehen, den Sand unter den Füßen spüren und das kalte Wasser des Mittelmeeres über ihre Zehen laufen lassen. Dann würde sie sich wie eine alte Dame in den Felsenpool setzen und vom warmen Wasser alle verwirrenden Gefühle fortschwemmen lassen: die verzweifelte Hoffnung, dass Cleve hinter ihr stehen würde, wenn sie sich umdrehte, und alles wieder so wäre wie vorher …
Aber das war nur ein Traum, und sie würde Cleve nicht mit ihren Sorgen und Ängsten belasten. Sie hatte gewusst, was sie tat, als sie sich dazu entschloss, ihm auf die einzige Weise, die ihr einfiel, über seine Krise hinwegzuhelfen. Sie hatte ihn als gebrochenen Mann erlebt, als er um das weinte und trauerte, was er verloren hatte, und war in seinem schwärzesten Moment bei ihm geblieben. Und sie war gegangen, bevor er aufgewacht war, damit er ihr nicht mehr begegnen musste.
Der Gedanke, morgens nach Worten suchen oder über so etwas Profanes wie Frühstück reden zu müssen, erschien ihr unerträglich. Schon vorher hatte sie gewusst, wie diese Nacht enden würde. Einer von ihnen musste gehen, und das konnte nicht Cleve sein.
Andie seufzte. Vor vier Wochen hatte sie noch als erfahrene Pilotin für Goldfinch Air Services gearbeitet, eine schnell wachsende Charter- und Frachtfirma. Da sie über diverse Kontakte verfügte, hätten ein, vielleicht zwei Anrufe genügt, um einen anderen Job zu bekommen. Doch eine Nacht vor drei Wochen und sechs Tagen, die sie mit ihrem Chef verbrachte, hatte alles geändert. Auf keinen Fall wollte sie das typische Klischee erfüllen: schwanger, allein, gestrandet.
Dem Grenzbeamten hatte sie gesagt, sie sei auf der Flucht, und das stimmte. Aber nicht auf der Flucht vor ihrer Zukunft. Das Baby, das sie erwartete, war ein Geschenk. Sie lief davon, um Cleve nicht gestehen zu müssen, dass sie schwanger war.
Irgendwann musste er es erfahren. Er würde es sicher auch wissen wollen, wenn man ihn fragte, doch sie befürchtete, die Nachricht könnte ihn endgültig vernichten.
Bevor sie mit ihm sprach, wollte sie einen Plan ausarbeiten und alles Notwendige in die Wege leiten, damit er auch wirklich verstand, dass sie nichts von ihm erwartete. Dass er weder etwas unternehmen noch sich um sie kümmern musste.
Andie fand den Schlüssel zur Hintertür am Bund und schob ihn ins Schloss. Er ließ sich ein Stück hineinschieben, dann steckte er fest. Vielleicht war das Holz von der Winternässe aufgequollen. Sie stemmte sich mit der Schulter dagegen, drückte mit aller Kraft und wurde von einem Trümmerregen überrascht.
„Igitt …!“ Sie sprang zurück und schüttelte wild ihr Haar, aus Angst, Spinnen könnten sich dort verfangen haben.
Cleve warf seine Mütze auf den Haken und überflog die weiße Tafel mit dem Flugplan.
„Wo ist Miranda? Ich sehe sie nirgendwo auf der Tafel stehen.“
„Sie hat sich ein paar Wochen Auszeit genommen.“
Auszeit? „Seit wann?“, wollte er von seiner Büroangestellten wissen.
„Seit gestern Nachmittag. Morgens ist sie noch nach Kent geflogen, um die Jungs vom Golfturnier abzuholen. Aber nach dem Mittagessen fühlte sie sich nicht gut“, informierte Lucy ihn, ohne von ihrem Monitor aufzuschauen. „Ehrlich gesagt hat sie mir schon seit Tagen nicht gefallen.“
„Ist sie krank?“ Sein Herz krampfte sich bei dem Gedanken zusammen.
„Sie scheint sich etwas eingefangen zu haben. Ich habe ihr geraten, sich erst mal ordentlich auszukurieren.“ Lucy lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schaute auf. „Sie hat sich seit dem letzten Sommer nicht mehr als einen Tag freigenommen und deshalb entschieden, eine echte Pause zu machen.“
„Im Gegensatz zu einer falschen?“, knurrte ihr Boss gereizt.
„Wollen hoffen, dass es ihr wirklich gelingt“, konterte Lucy gelassen.
Nur mit Mühe verbiss er sich eine weitere zynische Bemerkung. „Warum erfahre ich erst jetzt davon?“
„Du warst drei Tage in Irland.“
„Schon mal von E-Mail, SMS oder Telefon gehört?“
„Ich sollte dich nicht mit unwichtigen Details belästigen“, erklärte sie ihm. „Und wenn ich dich tatsächlich anrufen muss, bevor ich jemandem freigebe, der nie einen Tag krank war und seit fast einem Jahr keinen Urlaub gemacht hat, dann such dir eine neue Büromanagerin.“
„Was? Niemals …“ Lucy mochte ein harter Knochen sein, aber ohne sie konnte er das Büro unmöglich führen. „Es ist nur so …“
Es war nur so, dass er endlich den Mut gefunden hatte, Miranda wieder gegenüberzutreten und mit ihr zu reden. „Sie, wie jeder andere natürlich auch, muss sich eigentlich einen Monat vorher abmelden, bevor …“
„Sie hätte sich auch einfach krankschreiben lassen können.“
„Ich weiß. Ich wollte gar nicht …“ Er wandte sich ab und starrte auf die Fotogalerie der Goldfinch-Piloten an der Bürowand. Miranda lächelte ihm von ihrem Platz in der obersten Reihe aus zu. Dieses Lächeln und ihre ruhige Gelassenheit waren es, die den Fluggästen Vertrauen einflößten und in ihm ein heißes Schuldbewusstsein wachriefen, das seine Brust zu sprengen drohte.
Jede einzelne der ungeschriebenen Regeln hatte er gebrochen: Er hatte die Kontrolle verloren, ihr Mitgefühl und ihre Freundlichkeit ausgenutzt und sich auf eine Art und Weise benommen, die er bei jedem anderen aufs Schärfste verurteilen würde.
Als er total am Boden war, hatte sich Mirandas hingebungsvolle Nähe wie heilender Balsam auf seinen Körper und seine wunde Seele ausgewirkt – ein Geschenk, das er niemals zurückzahlen konnte. Ihr betörender Duft, die zarte Haut, seidige Locken, die über sein Gesicht fielen, und dann die lebensspendende Süße ihrer weichen Lippen …
Jedes Mal, wenn Cleve an sie dachte, überschwemmten ihn die Erinnerungen an diese eine unvergessliche Nacht. Wach zu werden und ihren grazilen Körper in Löffelstellung an seinen geschmiegt zu spüren, den schmalen Nacken nur Zentimeter von seinem Mund entfernt … die ständige Versuchung, sie mit einem Kuss zu wecken, um noch mehr von ihrer Wärme und Leidenschaft zu genießen.
Aber er hatte sich nicht bewegt, weil er ahnte, was er in den wundervollen grün und gold gesprenkelten Augen sehen würde: Verständnis, Mitleid und ein Lächeln, das ihm die Freiheit ließ, sich einem Morgen zu entziehen, an dem keiner von ihnen beiden wusste, wie damit umzugehen war.
Noch lange hatte er wachgelegen und nicht gewagt, sich zu rühren. Denn in dem Moment, wo Miranda erwachte, wäre alles vorüber.
Irgendwann fiel er in den Schlaf der Erschöpfung, nach dem er sich ein ganzes Jahr lang vergeblich gesehnt hatte. Und als er das nächste Mal wach wurde, Stunden später, fand er den Zettel, der an der kalten Teetasse neben dem Bett lehnte.
Ich fliege die neue Maschine zurück zur Basis. Nimm du meinen Zweisitzer oder den Zug, der stündlich sieben Minuten nach der vollen Uhrzeit fährt.
Wir sehen uns am Montag.
M.
Freundlich, geschäftsmäßig … eine Message, die besagte: Vergiss, was gewesen ist, und zurück zum normalen Alltag.
Er flog ihren kleinen Zweisitzer zurück, voller Verlangen, Miranda wiederzusehen, und entschlossen, endlich diese verdammte posttraumatische Belastungsstörung zu überwinden, die ihn seit Rachels Absturz in den Klauen hielt und lähmte.
Während der Nacht, als er Vergessen in Mirandas Armen gesucht hatte, hatte er keinen Gedanken an Verhütung verschwendet, und jetzt konnte er es kaum abwarten, mit ihr zu reden. Doch als er nach der Landung zu ihrem Apartment fuhr und läutete, öffnete niemand. Auch ihr Wagen war nicht da.
Sie musste damit gerechnet haben, dass er früher oder später vor ihrer Tür auftauchen und nicht wissen würde, was er sagen sollte. Deshalb hatte sie wohl beschlossen, erst einmal auf Abstand zu gehen, damit sie sich am Montag im Büro begegnen konnten, als wäre nichts geschehen.
Es war zweifellos das Vernünftigste. Vielleicht hätte auch ein einziger Blick stummen Einverständnisses zwischen ihnen genügt, um den peinlichen Moment zu überstehen, doch am Sonntagabend kam der Anruf aus Zypern. Sein lokaler Partner war bei einem Autounfall schwer verletzt worden und er musste hinfliegen, damit er sich um alles kümmern konnte.
Immer wieder hatte er sich vorgenommen, sie anzurufen, das Handy ein Dutzend Mal zur Hand genommen und wieder weggesteckt. Ohne ihr in die Augen zu sehen oder ihre Körpersprache wahrzunehmen, um wenigstens eine Ahnung davon zu haben, was hinter ihrer Stirn vorging, wusste er nichts zu sagen.
Männer sind offenbar eben doch vom Mars …
Sein Vater hatte stets auf Blumen geschworen, um Wortfindungsstörungen gegenüber seiner Gattin auszugleichen. Cleve war sogar so weit gegangen, einen Online-Blumenversand aufzurufen, scheiterte allerdings schon bei der ersten Frage nach dem Anlass: Geburtstag, Jubiläum und so weiter. Nichts, was in seine Situation passte.
Und welche Blumen?
Sein Vater hatte es einfach gehabt. Ein Strauß gewöhnlicher Chrysanthemen von der nächsten Tankstelle hatte immer gereicht, um ein Augenrollen, Kopfschütteln oder Lächeln von seiner Mutter zu provozieren. Aus eigener Eheerfahrung hegte Cleve allerdings eher den Verdacht, dass es unter langstieligen roten Rosen nicht gehen würde, wenn man zu Kreuze kriechen musste. Allerdings würde keine Macht der Erde ihn dazu bringen, sie Miranda via Internet zu schicken.
Sie verdiente mehr. Insbesondere zu hören, was er ihr zu sagen hatte.
Nur … was will ich ihr überhaupt sagen?
Nach seiner Rückkehr aus Zypern war Cleve wild entschlossen, Klarheit zwischen ihnen zu schaffen, und erfuhr, dass Miranda in der Golfregion unterwegs war, um preisgekrönte Stuten als kostbare Luftfracht einem mindestens so berühmten Hengst in England zuzuführen. Bevor sie landete, war er schon wieder auf dem Weg nach Frankreich. So ging es in einem fort.
Vielleicht war es Zufall. Aber hätte irgendjemand ihre Flugpläne bewusst terminiert, um sie voneinander fernzuhalten, wäre er perfekt für diesen Job gewesen.
Miranda hatte keinen Einfluss auf seinen Flugplan, könnte allerdings ihren an seinen anpassen. Sie tat es nicht, was ihm verriet, dass sie offenkundig Zeit und Abstand brauchte, den er ihr gewähren musste. Bis heute …
Auf dem Rückflug von Irland hatte Cleve für sich beschlossen, dass die Zeit reif war, um eine Klärung herbeizuführen. Je eher, desto besser.
„Ich werde unterwegs etwas Obst kaufen und bei ihr reinschauen“, sagte er zu Lucy. Es war quasi seine Pflicht, sich um jemanden zu kümmern, der seit Jahren für ihn arbeitete und unerwartet krank wurde. Und Vitamine waren unverfänglicher als Blumen … speziell als rote Rosen!
„Das wäre verlorene Liebesmüh“, bremste Lucy ihn aus. „Bevor Andie ging, hat sie die Zugverbindungen nach London gecheckt und ihre Schwester angerufen, um ihre Ankunftszeit durchzugeben.“
„Welche Schwester?“
„Portia hat auf dem AB irgendwelche Nachrichten wegen einer Junggesellinnenparty hinterlassen, und wäre es Immi gewesen, wäre Andie wahrscheinlich nach Hause geflogen. Darum muss es die mit dem Royal Ballet sein.“
„Also Posy. Hat sie gesagt, wie lange sie wegbleibt?“
„Sie hat mich gebeten, alle Termine für den nächsten Monat zu canceln.“
„Für einen ganzen Monat?“
„Da sie jede Menge Extraschichten für andere übernommen hat, dich eingeschlossen, kommt einiges an zusätzlichen Urlaubstagen zusammen. Genau gesagt insgesamt sechs Wochen.“ Lucy wies mit dem Kinn in Richtung seines Büros. „Vielleicht steht ja mehr in der Notiz, die sie dir auf deinem Schreibtisch hinterlassen hat.“
Mit einem eisigen Gefühl in der Magengrube nahm Cleve kurz darauf den versiegelten Umschlag mit seinem Namen in die Hand. Er musste ihn nicht öffnen, um zu wissen, dass sie nicht zurückkam.
Kraftlos ließ er sich auf den Chefsessel fallen und las ihre knappe Entschuldigung dafür, dass sie sich nicht von ihm verabschiedet hatte. Einen Grund gab sie nicht an, das brauchte sie auch nicht. Doch akzeptieren musste er das ebenso wenig.
Entschlossen griff er zum Telefon. „Imogen? Hier ist Cleve Finch.“
„Hi, Cleve. Was kann ich für dich tun? Probleme mit der neuen Maschine?“
„Nein … nein, alles bestens. Ich brauche nur Posys Adresse.“
„Posy?“ Das klang vage überrascht, aber weder misstrauisch noch abweisend. Offenbar war sie nicht in die Pläne ihrer Zwillingsschwester eingeweiht.
„Ich bin heute Abend zufällig in London und wollte Miranda nur kurz etwas reinreichen.“ Das war die plausibelste Erklärung, die ihm spontan einfiel. „Ich hätte sie auch selbst nach der Adresse gefragt, aber ihr Handy scheint ausgeschaltet zu sein. Sie ist doch bei Posy, oder?“
„Machst du Witze? Posy hat eine so winzige Bude, dass sie nicht mal eine Katze halten kann. Andie hat auf dem Weg zum Flughafen nur die Schlüssel bei ihr abgeholt.“
„Flughafen?“ Er schluckte. So viel zu seinem Plan, sie schick zum Essen auszuführen, um endlich in Ruhe reden zu können! „Wo ist sie denn hingeflogen?“
„Zur Isola dei Fiori. Hat sie dir das nicht gesagt?“
„Ich war die ganze Woche über in Irland.“
„Ah, verstehe. Posy hat ja dieses erstaunliche alte Haus von ihrer Patin geerbt. Es hat einen fabelhaften Wintergarten und unglaubliche Gartenanlagen, die …“ Ihre Stimme verlor sich in wehmütigen Erinnerungen. „Wahrscheinlich ist inzwischen alles überwuchert wie im Dornröschenschloss. Früher war es magisch. Wir haben dort regelmäßig die Schulferien verlebt …“
„Ich bin sicher, es war ganz wundervoll, aber …“
„Tut mir leid, ich war einen Moment in Gedanken wieder dort. Also, Posy hat erst im Spätsommer Zeit, daher war sie mehr als glücklich, dass Andie dort Urlaub machen und sich um alles kümmern will. Das Anwesen liegt ziemlich abseits und isoliert, deshalb kann es durchaus sein, dass sie zwischendurch kein Netz hat. Ist es denn wichtig oder kann es warten, bis sie zurückkommt?“
„Was?“
„Das, was du ihr bei Posy geben wolltest.“
„Ja … nein …“
Immi lachte. „Okay …“
Cleve riss sich zusammen. „Ja, es ist wichtig, und nein, es kann nicht warten.“