Table of Contents

Titel

Impressum

Einstimmung

Die erste Reise 1982 – der Norden Indiens

Fatehpur Sikri

Bildanhang

Dilwara, Straßenhändlerin

Die zweite Indienreise

Das Königreich Nepal

Bildanhang

Die dritte Reise – Indiens Süden, 1984

Bildanhang

Pakistanische Erlebnisse -

Weiterfahrt nach Sukkur

Bildanhang

Mehr Abenteuerliches aus aller Welt

 

 

Karl-Ernst Peters

 

 

Unterwegs im Land

der Götter

 

Reisen durch

Indien

Pakistan

Nepal

 

©Verlag DeBehr

 

Coyright by: Karl-Ernst Peters

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2016

ISBN: 9783957532800

Umschlaggrafik Copyright by Fotolia by © alvaropuig

 

Einstimmung

Früher war Indien wesentlich größer als heute, da sich Pakistan und Bangladesh aus religiösen unüberbrückbaren Differenzen abspalteten, nachdem das Land von den Briten und durch den gewaltlosen Kampf Gandhis unabhängig wurde. Was dem Hindu heilig ist, wird vom Moslem gegessen. Indien ist ein Vielvölkerstaat. Fast in jeder Region wird eine andere Sprache oder Dialekt gesprochen. Auf den Geldscheinen waren, wenn ich richtig gezählt habe, 13 Sprachen vertreten, die den Wert des Scheines angaben. Die Amtssprache ist Hindi. Damals waren sechs Schuljahre das Minimum. Es wurden in der Schule drei Sprachen gelernt, die regionale, Englisch und Hindi. Was das Englische anbelangt, waren die Aussprache und das Verstehen eine Katastrophe.

Wir sind 1982, 1983 und 1984 durch diesen Kontinent gefahren. Ein Land mit so vielen Gegensätzen findet man wahrscheinlich nirgendwo anders auf der Welt. Zwei Charaktere, die nur hier zu finden sind, erschweren das Leben der Menschen ungemein, was bei Ausländern ebenfalls zu größeren Problemen führen kann. Das Kastensystem und die daraus resultierenden Lebensgewohnheiten. Sitten, Gebräuche und die Götter werde ich nicht ausführlich beschreiben. Dazu gibt es bereits genügend Reiseführer. Außerdem wäre es zu viel an Infos und langweilig für Außenstehende. Kaum einer würde es bis zum Schluss lesen. Ich habe nur meine Momentaufnahmen niedergeschrieben, da ich glaube, die Berichte so verständlicher und einfacher halten zu können. Da sind zu einem Teil die 330 Millionen Götter mit den verschiedensten Religionsrichtungen. Jeder Ort hat neben den Hauptgöttern seine eigenen Ortsgötter. Hier leben Hindus, Jains, Buddhisten, Sikh, Moslems und viele andere. Die Hauptgötter sind Brahma, der Schöpfer aller Dinge, Shiva, der mächtigste Gott, er ist der Zerstörer und gleichzeitig Erneuerer. Einhundertundeine verschiedene Formen soll er annehmen können. Neben Shiva ist heute Vishnu der Erhalter einer der Oberen. Dazu gibt es noch göttliche Diener wie den Hanuman, den Affengott. Durga und Kali sind böse Göttinnen. Vor denen sollte man sich in Acht nehmen. Dann gibt es noch Ganesha, der mit dem Elefantenkopf, der Gott der Weisheit.

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Wenn ich die Geschichte von Ganesha noch richtig in Erinnerung habe, hatte Brahma den Verdacht, er habe ein Auge auf seine Frau geworfen. Aus Eifersucht schlug er dem vermeintlichen Nebenbuhler den Kopf ab. Nachdem er eines Besseren belehrt wurde, bereute er die Tat und ein vorbeikommender Elefant wurde seines Kopfes beraubt und der kopflose Gott mit dem Elefantenkopf versehen, ihm wurde ein neues Leben eingehaucht. So wurde er Ganesha. Es gibt noch unzählige andere Geschichten der vielen Götter. Aber diese alle zu erzählen, würde den Rahmen sprengen. Von jedem der 330 Millionen Götter gibt es mehrere Erzählungen.

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Die Hindus sind in Kasten eingeteilt. Diese reichen von den Parias (Unberührbare), zu denen auch wir Ausländer gehören, da wir keine Kasten kennen. Man kann auch nicht konvertieren. Als Hindu wird man in die Kaste der Eltern hineingeboren. Weitere Kasten sind die Handwerker, Kaufleute, Krieger und Priester. Dazwischen gibt es inzwischen unendlich viele Unterkasten. Man glaubt, dass man bei jeder Wiedergeburt eine Stufe höher steigt, bis man das Nirwana (Nichts) erreicht hat. Dann ist man erlöst. Aber da das Leben manchmal Dinge verlangt oder aber freiwillig macht, die nicht mit der Vorstellung zum Erreichen des Nirwanas vereinbar sind, wird man immer wieder zurückgeworfen. Die Krieger waren früher die höchste Stufe, aber die Priester haben geschickt ihre Religion ausgenutzt und bilden heute die Oberkaste. Heiraten kann man nur innerhalb seiner Kaste. Wer sich nicht daran hält, wird verstoßen und muss den Rest seines Lebens als Paria verbringen. Fast alle Religionsrichtungen leben vegetarisch. Tiere, insbesondere die weiblichen, gelten als heilig, da sie die Fruchtbarkeit symbolisieren. Die Kühe liefen, als wir dort waren, unbehelligt in den Städten herum und es kümmerte niemanden, selbst wenn sie beschlossen, sich mitten auf der Straße hinzulegen. Dies geschah wahrscheinlich aus Schwäche, da sie halb verhungert aussahen. Man erzählte uns, einige würden die Kühe sogar melken, was ich mir nicht vorstellen konnte. Hatten sie doch so gut wie keine Euter, waren mehr am Hungern als am Leben. Was sollte da schon herauskommen? War die Milch bei dieser Abfallernährung überhaupt genießbar? In vielen Städten liefen auch Arbeitselefanten frei herum. Auf dem Nacken saßen ihre Mahouts (Führer) und leiteten sie durch den Verkehr. Die Tiere werden trotz des lebensgefährlichen Verkehrs nicht angefahren. Sie sind schließlich heilig.

Die Jains leben besonders streng nach diesen Regeln. Sie haben ständig einen Besen dabei, mit dem sie den Boden fegen und tragen einen Mundschutz. Wie alle Hindus glauben sie an die Wiedergeburt. Als was man wiedergeboren wird, hängt davon ab, wie man sich in seinem vorherigen Leben verhalten hat. War man gut und gläubig, stieg man in eine höhere Stufe des Lebens auf. Ein schlechter Lebenswandel wurde bestraft. Man kam vielleicht als Insekt zurück. Die Jains fegen deshalb und tragen einen Mundschutz, um zu verhindern, ein Insekt zu zertreten oder zu verschlucken. Es könnte ja die eigene Großmutter gewesen sein. Darum wird auch nichts Fleischiges gegessen.

Es gibt noch eine für uns unvorstellbare Sitte bei den Hindus, die Witwenverbrennung. Die Hochzeiten werden wie in vielen Ländern von den Eltern arrangiert. Die Liebe zählt natürlich nicht, sondern nur die soziale Sicherung und der Vorteil beider Familien. Wenn nun der Mann stirbt, da er meist viel älter als die Frau ist, wird die Witwe lebend am Fußende auf den Scheiterhaufen gesetzt. Die Toten werden in Indien verbrannt und auf dem toten Gatten sitzt dann die Frau. Sie verewigt sich mit einem rot gefärbten Handabdruck an der Haustüre und geht in Begleitung anderer Familienmitglieder zur Verbrennungsstätte. Diese Unsitte ist für deren Vorstellung die einzige Lösung, denn Witwen kann man nicht wieder verheiraten. Sie sind darum unnütze Esser. Manchmal werden die Frauen auch wieder zu ihren eigenen Familien geschickt, wo sie als Belastung wie Sklaven gehalten werden. Dort müssen sie alle Arbeiten verrichten, die keiner machen will. Wenn der Tote mehrere Frauen besitzt, gehen nur die Lieblingsfrauen auf den Scheiterhaufen. Die Engländer haben dies verboten, aber selbst heute wird die Verbrennung mitunter noch so gehandhabt. Als wir 1984 in Indien waren, wurde ein solcher Fall von der Presse gemeldet. Die Polizei ist nicht eingeschritten, sondern eine Hälfte hatte sich zivil angezogen und der Verbrennung beigewohnt, ohne einzugreifen, die anderen sind in ein Nachbardorf gefahren, weil es dort angeblich etwas zu regeln gegeben hätte. Traditionen sind, selbst wenn sie barbarisch sind, hartnäckig und es dauert meist ewig, bis sie ausgerottet sind.

Die Moslems sind unbeliebt, da sie Fleisch essen, insbesondere Kühe. Diese Probleme führten auch zur Spaltung Indiens in das heutige Pakistan und Bangladesh. Dort leben die Moslems heute. Es leben nur noch wenige Moslems in Indien.

Die Sikhs (Schüler) hingegen kennen überhaupt keine Kasten. Dort macht jeder alles. Sie sind die Gebildeten und haben eine längere Lebenserwartung. Ihr Bundesstaat heißt Punjab. Sie glauben an zehn Gurus, ihre Lehrmeister. Ihre Religion ist eine Mischung aus der muslimischen und hinduistischen Weltanschauung. Die Lehren sind in einem Buch niedergeschrieben, dem Granth. Es wird im goldenen Tempel von Amritsar aufbewahrt. Die Gemeinschaft wurde im 15. Jahrhundert vom Guru Nanak gegründet. Die Sikhs tragen Bärte, die genau wie das Haupthaar nie geschnitten werden. Farbige Turbane, die in der Stirn geknotet sind, in die sie kleine Schwerter hineinbinden, sind ein weiteres Zeichen ihrer Religion. In früheren Zeiten trugen sie richtige Schwerter, was aber heute verboten ist, darum das kleine versteckte Schwert im Turban. Sie trinken keinen Alkohol und rauchen nicht. Selbst Bethel kauen ist untersagt. Sie können die Moslems auf den Tod nicht leiden. Das liegt in der Vergangenheit. Die Perser fielen ständig in ihr Land ein. Es wurde geraubt und geplündert, was sich fortbewegen ließ, insbesondere nach den Ernten. Eines Tages beschlossen die Bauern, dass es ein Ende haben muss. Sie trainierten die Kampftechniken von angeheuerten Kriegern und beim nächsten Besuch der Perser bekamen sie so einen Denkzettel verpasst, dass sie nie mehr daran dachten wiederzukommen. Die Abneigung gegen Moslems besteht auch heute noch. Als Indien geteilt wurde, stellte das Militär Sikhs an die Grenze zu Pakistan, um sicherzugehen, dass keine Moslems über die Grenze kommen. Als der Punjab und Kaschmir geteilt wurde, stellten sich die Sikhs an der Grenze auf und hielten die Züge an. Die Moslems wurden enthauptet, dann durfte der Zug weiterfahren. Erst als sie Indira Gandhi ermordeten, darauf komme ich später noch zurück, wurden die Sikhs von der Grenze abgezogen, da sie nun eine Sicherheitsgefahr darstellten.

Bei unserem ersten Besuch in diesem Land hatten wir einen Führer, der in Deutschland studiert und gearbeitet hatte und der Neffe eines Maharadschas war. Er öffnete uns Türen, die sonst verschlossen blieben. Wenn die Palastangestellten ihn sahen, wurden Verneigungen im Sekundentakt gemacht. Er erzählte uns, dass er vor Kurzem geheiratet hatte. Die Ehe sei natürlich von den Eltern arrangiert worden. Auf den Hochzeitsbildern, die er uns zeigte, sahen wir ein königlich herausgeputztes Brautpaar. Einige Hundert Gäste waren geladen gewesen und es gab natürlich nur das Beste zu essen und zu trinken. Das Fest muss Unsummen gekostet haben. Wie viel Mitgift im Spiel war, weiß ich nicht.

Eine Erzählung ist bei mir besonders fest hängen geblieben. Wenn der Raja seinen Palast verlässt, dann nur auf einem Elefanten oder heute im Rolls-Royce. Die Elefanten werden meist nur noch für die Jagden genommen. Beliebt war es aber bei den Fürsten, zu Fuß aus dem Haus zu gehen. Hatte es vorher geregnet, sodass die Wege nass und voller Pfützen waren, so konnte er schwerlich trockenen Fußes laufen. Da niemand verlangen konnte, dass der Raja sich beim Spazieren auch mal nasse Schuhe oder Füße holen kann, war guter Rat teuer. „Die Lösung“: Die Untertanen warfen sich mit dem Bauch in den Dreck. So konnte der Fürst trockenen Fußes über die Rücken laufen, da sich so viele hinwarfen, bis er wieder festen und trockenen Boden unter den Füßen hatte. Die Geschichte wollte ich zunächst nicht glauben, bis ich sie von anderen Stellen bestätigt bekommen hatte. Ich stelle mir die Armen vor, wie sie im Dreck liegen und einer, der bestimmt doppelt so schwer war wie sie, latscht unsanft über die Rücken. Da werden etliche blaue Flecken zusammengekommen sein. Die Alten machen dies noch heute so.

Indien ist unter den zehn größten Industrienationen, aber rund 85 Prozent der Bevölkerung lebt auf dem Land und ist zum Teil des Lesens und Schreibens nicht mächtig. In den Dörfern bestimmt der Chief (Dorfälteste) alleine, wo es langgeht. Selbst bei den Wahlen sagt er seinen Leuten, wo das Kreuz zu machen ist. Man sollte dort keinen nach dem Weg fragen. Viele kommen selten aus ihrem Ort heraus und wissen kaum, wie man zur nächsten Stadt kommt. Es wird dann in eine Richtung gedeutet, die gerade genehm ist. Egal wohin sie führt. Zugeben, man wisse nicht den Weg, geht nicht, da man dann sein Gesicht verliert. Da schickt man die Frager lieber irgendwohin. Wir erlebten es selbst. In einer Stadt hatten wir Freizeit und stiegen in eine Motorrikscha. Wir zeigten dem Fahrer auf einem Zettel, wo wir hinwollten. Er nickte und los ging es. Aber wo führte er uns hin? Zunächst zu einem Park, da dort viele hinwollten. Dann ging es zu einem Basar und nachher standen wir vor dem Palast, aber das waren alles Ziele, zu denen wir nicht wollten. Wir wurden langsam unruhig, denn die Zeit wurde knapp. Wir mussten nämlich zum Hotel zurück. Auf einer Verkehrsinsel sahen wir einen Polizisten. Wir deuteten dem Fahrer dorthin zu fahren. Der Polizeibeamte verstand uns und erklärte dem Fahrer unseren Wunsch. Auf den letzten Drücker erreichten wir unser Hotel. Der Bus wartete bereits auf uns. Der Rikschafahrer war selig. Er bekam natürlich ein gutes Trinkgeld. Er konnte kein Englisch und Lesen hatte er auch nicht gelernt. Das war wohl die aufregendste Stadtrundfahrt unseres Lebens.

Hotels in Indien

Bei allen unseren Aufenthalten in diesem Land wohnten wir nur in Luxushotels und in den Maharadschapalästen. Auf unsere Frage, ob es nicht billiger ginge, wurden wir darüber aufgeklärt, dass die Hotels, wo der Durchschnittsinder absteigt, für uns ungeeignet seien. Es gäbe nämlich keine Einzel- bzw. Doppelzimmer. In jedem Raum würden so viele Menschen aufgenommen, wie das Zimmer fassen könnte. Toiletten gäbe es nicht, dafür würde eine Ecke ausgesucht, wo jeder zuschaut. Zum Waschen müsste man entweder in den Hof oder auf die Straße, je nachdem, wo der nächste Wasseranschluss wäre. Des Nachts kämen die Wanzen und die Flöhe des Nachbarn.

Die Hotels waren wirklich oberste Klasse. Meistens wohnten wir in den Palästen. Einige waren als Hotels umgebaut, andere wurden vom Raja selbst gemanagt. In Letzteren bedienten uns die Angestellten des Rajahs. In den Speisesälen sah ich nur alte Männer, die bei uns am Stock laufen würden. Sie schlurften mit ihren alten Knochen und den abgelaufenen Schuhen mühselig umher, um uns zu bedienen. Das war uns schon etwas peinlich. Wir hatten mal einen ganzen Palastflügel für uns und haben unser Zimmer erst nach einigem Suchen gefunden. Der Bedienstete brauchte fast zehn Minuten, bis er an der Türe stand.

In einem Palast gab es einen Vorraum mit der Rezeption und einer breiten Treppe ins obere Stockwerk. Dort hingen unzählige Tiger und Leopardenfelle. Der Raja war ein leidenschaftlicher Jäger gewesen. Bei der Menge der Felle wunderte es mich, dass es noch frei lebende Tiere gab. Besonders geschmacklos empfand ich die Tische aus Elefantenohren. Es gab auch Paläste, die von Ketten gemanagt wurden. In Jaipur hatten wir zwei abscheuliche Erlebnisse. Im Duty Free Shop hatten wir uns eine Flasche Osborne gekauft – als täglichen Schlummertrunk. Nur die Jungs, die bei uns das Zimmer aufräumten, hatten einen Teil aus unserer Flasche in ein anderes Gefäß umgefüllt und, damit es nicht auffiel, mit für uns ungenießbarem Leitungswasser aufgefüllt. Die Auswirkungen auf unsere Verdauungsorgane möchte ich hier nicht beschreiben. In diesem Hotel hatten wir Ansichtskarten gekauft, aber Briefmarken hatten sie nicht. Da wir einen Ausflug geplant hatten, hielten wir an der Hauptpost an. In einer Millionenstadt wie dieser gab es auf der Post doch wahrhaftig keine Marken. An jedem Punkt, wo wir hielten, fragten wir nach Marken und zum Schluss hielten wir doch stolz welche in den Händen. Die Ansichtskarten mit den Marken wurden in den Briefkasten des Hotels geworfen, kamen aber nie an. Zu Hause erklärten uns einige Bekannte, die das Hotel ebenfalls kannten, dass die Angestellten die Marken vorsichtig mit Dampf ablösten und wieder verkauften. Ein lukratives Geschäft.

In einem der Paläste wurde während unseres Aufenthalts eine Hochzeit gefeiert. Es müssen reiche Inder gewesen sein, denn einen großen Saal zu mieten und etliche Zimmer dazu, kostet eine Menge Geld. Fremde wurden nicht allzu nah herangelassen. Wir konnten nur einen kurzen Blick in den festlich geschmückten Saal werfen. Runde Tische, weiß gedeckt und die Stühle ebenfalls in weißen Stoffen gehüllt. Blumen und Girlanden im Überfluss. Am hinteren Ende war eine kleine Bühne, auf der standen Musikinstrumente, aber keine einheimischen, sondern westliche, Schlagzeug, Gitarren an Verstärker gelehnt. Von der Feier bekamen wir nicht viel mit, aber am nächsten Morgen sahen wir am Hoteleingang einige merkwürdige runde Dinger liegen. Eine Mitreisende hob eines auf, um es genauer zu untersuchen. In diesem Moment kam der Reiseleiter und sah, was die Frau in der Hand hatte. Lachend meinte er: „Das sind Anti-Baby-Pillen. Die werden bei manchen Hochzeiten statt Reis oder Konfetti über das Brautpaar geworfen. Vielfach werden die Hochzeitstorten auch mit ihnen dekoriert.“ Verständnislos schauten wir ihn an. „Wieso werfen sie die teuren Tabletten über das Paar, anstatt sie der Braut zu geben zur täglichen Einnahme?“

„Modeerscheinung oder Unkenntnis, keine Ahnung“, war die Antwort.

Ein paar Mal mussten wir in staatlichen Guesthouses übernachten. Dort kamen nachts die Ratten, knabberten an dem Obst, das wir gekauft hatten, und wollten anschließend wissen, wo das Hauptgericht bleibt. Zum Glück mussten wir in solchen Hotels nur schlafen, wenn wir so weit von der Zivilisation entfernt waren, dass es keine andere Möglichkeit gab.

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Unser erster Besuch Indiens 1982 führte uns nach Rajasthan und den Nordteil. Der nächste Trip 1983 führte von Kaschmir über den Norden bis nach Nepal. 1984 ging es in den Süden. Die beiden ersten Reisen sollen hier nur als normale Reise beschrieben werden, da sie keine großen Besonderheiten aufweisen. Die letzte Indienfahrt wich vom Gewöhnlichen ab, da während unseres Aufenthalts Indira Gandhi ermordet wurde und wir des Öfteren Reißaus nehmen mussten, da jeder, der nicht wie ein Hindu aussah, ein Sikh war, egal ob er ein Europäer war oder von einem anderen Kontinent kam. Zwei Tage mussten wir in einem Maharadschapalast quasi als Gefangene ausharren. Als dies überstanden war, kamen wir in einen heftigen Zyklon.

Nepal

Unsere zweite Reise führte uns auch nach Nepal. Der Besuch der Königsstädte stand auf dem Programm. Das kleine Königreich mitten im Himalaja mit dem höchsten Berg der Welt, dem Mt. Everest, 8848 Meter hoch, liegt zwischen China und Indien. Beide wollen das Land nach ihren Vorstellungen beeinflussen. Die Hauptstadt Kathmandu liegt auf einer Höhe von 1300 Metern. Hier gibt es die wohl einzige lebende Göttin der Welt. Es handelt sich um ein Mädchen reicher Moslems, das an dem Tempel abgegeben wurde. Das Mädchen wird vorzüglich erzogen und als Göttin verehrt. Wenn es die erste Regel bekommt, muss sie allerdings den Tempel verlassen und darf nicht heiraten. Der Mann stirbt dann. Einige haben trotzdem geheiratet, und der Gatte ist auf mysteriöse Weise gestorben. Das Land ist ein guter Kontrast zu Indien.

 

Die erste Reise 1982 – der Norden Indiens

Wir flogen mit Pan Am, von Frankfurt nach Neu-Delhi zu unserer ersten Indienreise. Die Fahrt vom Airport zum Hotel ließ unsere Vorstellungen in einen Zwiespalt geraten. Die Erwartungen dieses gegensätzlichen Landes waren hoch, aber die Anblicke auf der Fahrt zerrten uns auf den Boden der Tatsachen zurück. Wir hatten zwar im Reiseführer gelesen, dass die Verhältnisse für Europäer sehr krass sind, aber das hatten wir doch nicht erwartet. Es war kein glamouröses Hauptstadtfeeling, sondern ein Arme-Leute-Ort. Die Stadt war ein Moloch mit gemischten Verkehrsteilnehmern. Autos und Busse verstopften die Straßen. Dazwischen fuhren Mopeds und Ochsenkarren. Fußgänger überall. Wir sahen das, was wir immer als gestellt angesehen hatten, halb verhungerte Kühe mitten im Gewühl. Keinen schien es zu stören. Die Kühe blieben trotz des Gewusels ruhig und gelassen. Die Menschen fuhren einfach um sie herum. Einige lagen sogar mitten auf der Fahrbahn, was aber niemanden wirklich interessierte. Keiner hupte oder beschwerte sich. Ich stellte mir vor, was bei uns geschehen würde, wenn Kühe in der Stadt frei herumliefen. Da wir früh angekommen waren, hatten wir keine Zeit uns frisch zu machen, denn es hieß „Auf in den Kampf“, also Stadtbesichtigung. Wir fuhren ins Regierungsviertel und danach in die Altstadt. Die imposante Jama Masjid Moschee von 1650 aus weißem Marmor auf rotem Sandstein gilt als eine der schönsten Moscheen der Welt mit gestreiften Zwiebelkuppeln, den beiden Minaretten und den hohen Toren. Vom Dach der Moschee hatte man einen guten Blick über die Altstadt mit ihren Dächern aus Wellblech, Brettern und Säcken auf den Straßen. Das Leben brodelte hier. So muss es im Ameisenhaufen aussehen. Gegenüber liegt das gewaltige Rote Fort. Mit seinen Marmorkuppeln machte es einen überwältigenden Eindruck. Der Mogul (Kaiser) ließ es für sich als sein Zuhause bauen. In der riesigen Anlage konnte man beinahe meinen, man wäre in einer Stadt. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie solch einen Reichtum an einem Ort gesehen. Die Steinmetzarbeiten und Schnitzereien in Marmor raubten einem den Atem. Mitunter vergaß ich vor lauter Staunen diese Pracht zu fotografieren. Dass die einfachen Leute nicht dagegen aufbegehrten, lag bestimmt an der Religion. Wäre man in seinem vorherigen Leben anständiger gewesen, könnte man auch in solch einem Luxus leben. So musste man eben primitiv hausen. Es ist nur gut, dass nicht alle Hindus es so gut antreffen bei ihrer Wiedergeburt. Ansonsten müssten die Grabmäler auf andere Planeten verteilt werden, wenn sich jeder solch ein bombastisches Zuhause leisten könnte.

Nach Sikandra und Agra

Wir mussten uns von der Hauptstadt verabschieden, was uns nicht schwerfiel, insbesondere, da das Essen so scharf nach Curry schmeckte, dass es einen wunderte, nicht Feuer zu spucken. Unterwegs sahen wir am Straßenrand einen alten Mann, der Flöte spielte, und aus einem geflochtenen Korb tanzte eine Cobra rauf und runter. Daneben stand eine junge Frau mit einer Würgeschlange. Da wir dies beobachten wollten, hielt der Bus und wir stiegen aus. Sofort kam man auf mich zu und legte mir die Würgeschlange um den Hals und rief dabei: „Foto, Foto!“ Das wurde natürlich gemacht und das Mädchen hielt sofort die Hand auf. Der Alte spielte weiter auf seiner Flöte. Die Melodie war scheußlich und unharmonisch, aber vielleicht genau das, was Schlangen lieben. Dann hörte er plötzlich mit dem Geflöte auf und die Cobra verschwand im Korb. Er legte den Deckel auf den Korb und von der Schlange kam keine Reaktion mehr. Es wurde uns berichtet, dass er seine Schlangen selbst fing und auch schon gebissen worden war. Aber als Schlangenbeschwörer kenne man gewisse Tricks, um nicht an dem Gift zu sterben. Er grinste bei dieser Aussage. Wie er es anstellte, wollte er uns allerdings nicht verraten.

Sikandra

Hier besuchten wir das Grabmal des Moguls Akbar. Ein gigantisches mehrstöckiges Säulenbauwerk. Es war ebenfalls von Gärten umgeben. Die Eingänge ähnelten eher Moscheen.

Agra

Der nächste Stopp war nun in Agra. Genauer gesagt am bombastischen Gate des Taj Mahal. Aus rotem Sandstein und weißem Marmor erbaut, mit Koransprüchen und Blumenornamenten versehen machte es einen imposanten Eindruck. Beim Durchschreiten dieses Gates sah man das blendend weiße Grabmal. Es bestand aus mehreren Sockeln, die durch Treppen miteinander verbunden waren. Auf der obersten Plattform stand an jeder Ecke eine minarettähnliche Säule. Mittig auf der Plattform erhob sich ein strahlend weißes Bauwerk ganz aus Marmor mit zwei Etagen und einer Mittelkuppel, 59 Meter hoch. An jeder Seite wurde sie von einer kleinen Kuppel eingerahmt.

Man schritt vom Torhaus an einem Kanal entlang, der mit Zypressen gesäumt war. Auf dem Weg zum Grabmal wurden wir von Studenten angesprochen und gefragt, woher wir kamen. Da wir davon ausgingen, dass sie Frankfurt nicht kannten, sagten wir „From Germany“. Die jungen Leute überlegten einen Moment und freudig riefen sie: „Oh, Paris!“ Das war wohl der einzige Ort, den sie in Europa kannten. Das sollte die indische Elite darstellen.

Das Grabmal war übersät mit Halbedelsteinen, die Bilder von Blumenreliefs und Koransprüchen erkennen ließen. Aus der halben Welt wurden die Steine zusammengetragen. Die Steine allerdings waren in Mannshöhe von den Besuchern herausgebrochen worden, sodass nur noch Glassteine eingesetzt wurden. Dazwischen waren Mosaiken ohne Ende zu sehen. Die Blumenblüten waren zwei Zentimeter groß und so fein bearbeitet, dass jede mindestens 32 Steinchen enthielt. Vom Dach des Grabmales konnte man den Fluss Yamuna sehen. Als ich dort oben stand, trottete eine Herde Wasserbüffel in den Fluss, was eine zusätzliche Bereicherung war.

Wir hatten das Glück, zum Vollmond in Agra zu sein und so fuhren wir in der Nacht zu dem Grabmal. Der weiße Marmor und die Steine funkelten richtig im Dunkeln, da der Vollmond alleine das Bauwerk anstrahlte, welches nun aussah, als ob es nicht von dieser Welt wäre.

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Das Bauwerk hatte so viel Geld verschlungen, dass die Staatsfinanzen ruiniert wurden. Der Mogul Shah Jahan hat hier seine geliebte Frau Mumtanz zur letzten Ruhe betten lassen. Zwanzigtausend Arbeiter waren am Bauwerk beschäftigt. Für sich wollte er das Gleiche, nur in Schwarz bauen lassen, wurde aber von seinem Sohn daran gehindert, der ihn absetzte und gefangen nahm.

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Die nächste Besichtigung machten wir im Roten Fort, dem ehemaligen Mogulssitz. Es ist nicht so interessant wie andere Mogulregierungsstätten. Die Anlage wurde 1565 begonnen. Die Mauer war 2,5 Kilometer lang. Innerhalb dieser Mauern sollen bis zu fünfhundert Bauwerke gestanden haben. Einige Böden waren mit Steinblöcken versehen, damit die Elefanten die Kanonen hinaufziehen konnten. Wenn der Raja in seinem Palast ein Fest feierte, gingen in der Stadt die Lichter aus. Es gab nicht genug Strom für alles. Entweder der Palast strahlte taghell oder die Bewohner hatten Licht. Beides ging nicht. Das Grabmal Itimad ul Daulas glich mehr einer viertürmigen Moschee mit Halbkugel-Dächern. Das Mausoleum wurde wohl aus feinstem Marmor errichtet und man sah keine Stelle, die nicht verziert gewesen wäre. Das Grabmal hatte einen ersten Stock, auf dem drei vergitterte Fenster auf jeder Seite zu finden waren. Die Gitter waren mit Mustern versehen. Von dort oben hatte man eine gute Sicht auf die umliegenden Grünflächen, die das Grabmal umgaben. Damit die Totenruhe nicht gestört wurde, war das Ganze noch mit einer hohen Umfassungsmauer versehen. Die Eingangstore glichen eher einem Palast mit vier großen Bögen rechts und links von dem hohen Tor, das eingerahmt wurde von einem viereckigen Vorbau mit Fenstern über dem Eingang – natürlich alles verziert. Der Verkehr hier war ebenso wild wie in der Hauptstadt. Aber Unfälle sah ich nicht, trotz der frei herumlaufenden Tiere. In der Altstadt, wo das Gedränge am Größten war, nahm keiner Rücksicht auf den anderen. Der Fußgänger war das schwächste Glied und musste ständig sprungbereit sein. Selbst Fahrradfahrern musste man ausweichen. Die Warenlieferanten mit ihren Ochsenkarren zogen erbarmungslos durch die Gassen. Trotzdem lachten alle. Mittendrin waren die Rinder.

 

Fatehpur Sikri

Kaiser Akbars „Rote Stadt“ wird sie genannt. Es ist die einzige Mogulstadt, die nicht durch Umbauten verändert oder durch Kriege zerstört wurde. Der Großmogul lebte nicht gerne in seiner Hauptstadt Agra, die zur damaligen Zeit mehr Einwohner hatte als London, und floh, so oft er konnte, in die nahe gelegenen Berge. Er war kinderlos. In den Bergen lebte ein muslimischer Heiliger, den er bat, Fürbitte einzulegen, damit er einen Thronfolger bekam. Der Heilige sagte ihm einen Sohn voraus. Kurz darauf wurde seine Frau schwanger und aus Dankbarkeit errichtete er in den Bergen seine neue Hauptstadt „Fatehpur Sikri“. Die Bauarbeiten begannen 1569. Es wurden, um die Stadt so schnell wie möglich zu vollenden, Bauarbeiter aus dem ganzen Land herangezogen. Es entstand ein Stilgemisch aus muslimischen und hinduistischen Elementen.

Aber bereits 16 Jahre später musste die Aktion abgebrochen werden, da es nicht genug Wasser für die Stadt gab. Die neue Hauptstadt wurde nun nach Lahore im heutigen Pakistan verlegt.

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Die rote Stadt ist heute ein riesiges Freilichtmuseum. Der Palast mit seinen mehrstöckigen Säulenetagen, seiner imposanten Audienzhalle, ebenfalls mehrstöckig, beeindruckte uns zutiefst. Es gab einen separaten Haremspalast, der zwar schlichter, aber trotzdem noch prächtig ausgestattet war. Der Pfauenthron stand ursprünglich hier, wurde aber von den Persern geraubt und nach Teheran verschleppt, wo er heute noch steht. In Fatehpur Sikri steht das größte Tor Indiens mit einer Höhe von 73 Metern, der Eingang zur großen Moschee. Die Gebäude waren schlichter, wiesen aber dafür hinduistische Merkmale auf. Es gab auch zwei Grabbauten in der Moschee.

Der Weg nach Jaipur