Stacey Lynn

Luminous Club Teil 1

Dominate Me: Erwachen

 

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Joy Fraser

 

© 2017 by Stacey Lynn unter dem Originaltitel „Dominate Me (Luminous Book 1)“

© 2021 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

info@plaisirdamourbooks.com

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)

© Coverfoto: Shutterstock.com

ISBN Print: 978-3-86495-497.9

ISBN eBook: 978-3-86495-498-6

 

Dieses Werk wurde im Auftrag von Harlequin Books S.A. vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

 

Die Personen und die Handlung des Romans sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Dieser Roman darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches andere Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Danksagungen

Autorin

Kapitel 1

 

Haley

 

„Ich muss es tun, Anya“, wisperte ich ins Telefon. Die Tür meines Büros war geschlossen, und keiner meiner Mitarbeiter des gerade von mir übernommenen Urlaubsresorts brauchte zu wissen, dass ich in ein paar Stunden in einen Sexclub gehen würde. „Ich habe Master Dylan getroffen. Er war sehr offen und hat meine endlosen Fragen beantwortet. Heute Abend gibt er mir eine Führung und zeigt mir, wie es in dem Club so abläuft.“ Allein der Gedanke daran, was ich alles zu sehen bekommen könnte, brachte meine Schenkel zum Zittern. Gott, wie sehr ich es wollte. Schon so lange wollte ich diese Neigung von mir erforschen. „Heute werde ich mir nur alles ansehen, Süße. Mir wird nichts passieren, ich verspreche es dir.“

„Du rufst mich gleich an, wenn du wieder zu Hause bist, ja?“

Ich wusste, dass Anya jetzt in ihrer Küche saß und Stundenpläne studierte, dabei die Stirn runzelte und ihre roten Haare zwischen den Fingern drehte.

„Es wird aber sicherlich spät werden.“ Anyas Mann Lance musste wegen der Arbeit früh aufstehen und daher gingen sie meist zeitig schlafen. Ich wollte die beiden nicht wecken.

„Das ist mir egal, Haley. Ich möchte dir bei dieser neuen Sache gern zur Seite stehen, aber auch nicht lügen und so tun, als würde ich mir keine Sorgen machen. Schick mir eine Nachricht aufs Handy oder ruf an, damit ich weiß, dass du sicher nach Hause gekommen bist.“

Verdammt, ich liebte sie. Wir waren schon seit der Highschool vor dreizehn Jahren befreundet, als wir im selben Tennisteam gewesen waren. Während der Collegezeit und meine schreckliche Ehe hindurch waren wir immer füreinander da gewesen.

„Ich rufe dich an, Süße, versprochen.“

Sie seufzte.

„Willst du auch einen detaillierten Bericht?“

Sie lachte nervös. „Äh, nein. Das ist dein Ding, und ich verstehe es nicht, aber ich liebe dich trotzdem.“

Genau deshalb liebte ich sie auch. „Ich dich auch. Ich rufe an.“

„Gut. Pass auf dich auf.“

Ich beendete das Gespräch und sah auf das Gemälde des ursprünglichen Portsmouth Inn, der großen Villa aus der Jahrhundertwende, die meine Urgroßeltern in ein B&B umgewandelt hatten. Über die Jahre hatten meine Großeltern, und später meine Eltern, als sie es übernahmen, das Haus renoviert und den Besitz vergrößert.

Heute war das Portsmouth Inn eines der luxuriösesten Urlaubsresorts am Ostufer des Lake Michigan. Zwar war es nicht das größte, doch meine Familie hatte sich über drei Generationen einen Namen in Denton gemacht. Ich liebte meine kleine Heimatstadt und das idyllische Haus auf dem Gelände des Resorts, in dem ich aufgewachsen war. Nie hatte ich etwas anderes tun wollen, als das Familienerbe eines Tages zu übernehmen.

Dann hatte ich Timothy in der Highschool kennengelernt und war hin und weg von seinen grandiosen Träumen und seinem sexy Gang. Ich verliebte mich in einen Jungen, der, wie ich gleich nach der Heirat nach dem Collegeabschluss begriff, lediglich ein Träumer war. Timothy stellte sich immer vor, welch unglaubliche Dinge geschehen könnten, aber nachdem er einen Job nach dem anderen verlor und die Zeiten der Arbeitslosigkeit dazwischen immer länger wurden, musste ich einsehen, dass aus ihm nie etwas werden würde.

Er war einfach ein Träumer, kein Macher.

Fünf Jahre lang versuchte ich, meine Ehe am Laufen zu halten, doch dann hatte ich genug. Ich hatte meine eigenen Träume, und darin kam nicht vor, einen unreifen Mann zu unterstützen, der den ganzen Tag herumsaß und auf der Playstation spielte und nur von den Orten auf der Welt träumte, die er einmal bereisen wollte.

Ich stöhnte, nahm einen Stapel Rechnungen zur Hand, die bezahlt werden mussten, und verdrängte die Gedanken an meine gescheiterte Ehe. Doch dann beschloss ich, dass die Rechnungen warten konnten, schob sie zur Seite und überprüfte lieber die Buchungen fürs Wochenende. Sollte sich da ein Fehler eingeschlichen haben, würde ich den ganzen Abend von Telefonanrufen belästigt werden.

Ich arbeitete oft länger und die Arbeit wurde nie weniger, aber der heutige Abend war mir genauso wichtig, und ich wollte nicht gestört werden.

Ich wagte einen Schritt in die Erforschung eines Lebensstils, der mich schon immer neugierig gemacht hatte. Nachdem ich Timothy geheiratet hatte, hatte ich schnell gemerkt, dass ich ihm diesen Teil von mir nicht anvertrauen konnte, also hatte ich ihn verdrängt.

Nach der Scheidung vor einem Jahr hatte ich mich dann in einem Online-Netzwerk namens KinkLife mit Gleichgesinnten getroffen und das Thema recherchiert. Ich suchte jemanden, dem ich mich unterwerfen konnte. Jemanden, der die Kontrolle nach seinen eigenen Wünschen übernahm. Auch außerhalb des Schlafzimmers träumte ich von Unterwerfung. Vor zwei Wochen fand ich endlich einen Master in Grand Rapids und er nahm sogar noch neue Mitglieder in seinem Club auf.

Heute Abend würde ich all meine Fantasien zu sehen bekommen, von denen ich schon als Teenager träumte. Ich würde herausfinden, ob dieser Lebensstil wirklich etwas für mich war oder nichts als eine Fantasie beim Masturbieren. Wieder erbebten meine Innenschenkel und meine Haut rötete sich erregt.

Oh ja, ich wollte es.

Ich konnte es verdammt noch mal kaum erwarten.

 

 

 

Jensen

 

Obwohl ich immer mehr Anwälte beschäftigte, saß ich vor einem Berg Akten und die Arbeit wurde täglich mehr. Das war der Preis dafür, wenn man eine der erfolgreichsten Anwaltskanzleien in drei Landkreisen führte. Ich konnte mich nicht beschweren, wünschte aber, der Tag hätte mehr Stunden, um alles zu bewältigen. Ich blätterte gerade durch einen Bericht, den ich heute Morgen von meinem Privatdetektiv bekommen hatte, als das Handy klingelte und auf dem Display Dylan angezeigt wurde.

Dylan ignorierte ich nie. „Was ist los, alter Mann?“ Ich grinste. Es ärgerte ihn, wenn ich ihn damit aufzog, dass er bereits graue Haare bekam, obwohl er nur fünf Jahre älter war als ich.

„Ich habe jemanden gefunden, den du kennenlernen solltest. Komm heute Abend in den Club.“

„Du weißt doch, dass ich das nicht tun werde.“ Seit zwei Jahren versuchte Dylan, mich wieder in die Szene zu zerren. „Du weißt, dass ich das nicht kann.“ Ich konnte wirklich nicht. Und würde es auch nicht, obwohl mein Sexleben zwar ausgiebig, aber alles andere als erfüllend war. Was nicht bedeutete, dass ich je wieder die Kontrolle verlieren würde. Meine Muskeln spannten sich an, bis sie brannten. „Ich kann nicht glauben, dass du mich überhaupt darum bittest.“

„Du weißt, dass ich es nicht tun würde, wenn es nicht wichtig wäre.“ Er war ein Master. Er hatte mich betreut und trainiert. Wenn er seine autoritäre Stimme einsetzte, hörte ich ihm zu. „Es kommt eine Neue, und sie ist wie für dich gemacht.“

Das hatte ich einst auch von Courtney gedacht. Aber noch nie hatte ich mich so geirrt. „Dylan …“

„Der Lebensstil ist neu für sie“, fuhr er fort, als hätte er meine wachsende Wut nicht bemerkt. „Sie ist neugierig und absolut hübsch, Jensen. Sie braucht und will dringend jemanden. Mann, wäre ich nicht so begeistert von Gabby, würde ich sie selbst übernehmen. Sie braucht einen starken Meister, einen, der sich im Griff hat. Ich würde sie keinem anderen als dir anvertrauen.“

Verdammter Kerl. Er wusste genau, was er sagen musste. Meine Handfläche brannte bei der Vorstellung, wieder jemanden zu markieren. Es war verdammt lange her. „Du weißt, dass ich draußen bin.“

„Du musst über Courtney wegkommen. Es war nicht deine Schuld, und wenn du mal loslässt, weißt du das auch selbst. Sie war gestört, Jensen. Keiner von uns wusste es oder hätte es ahnen können.“

Bla, bla, bla. Darüber hatten wir schon oft gesprochen. Meine Antwort war immer dieselbe, und da er das wusste, ersparte ich mir eine Wiederholung.

Als ihr Dom war es meine Aufgabe gewesen, es zu wissen. Ich war zu beschäftigt, zu abgelenkt, um die Zeichen zu bemerken. Beziehungsweise, ich hatte sie bemerkt, war aber zu fasziniert von Courtneys Schönheit gewesen, von ihrer Bereitschaft, mir zu gefallen, dass ich sie ignoriert hatte. Darin lag mein Versagen. Ich würde so etwas nie wieder tun. „Vergiss es. Ist sonst noch etwas? Ich muss weiterarbeiten.“

Er fluchte, und dann wurde er noch ernster, doch auch mitfühlend. „Du musst es zumindest in Betracht ziehen, Jensen. Du weißt, dass ich dich nicht zurück ins Luminous holen würde, wenn ich nicht tief in mir wüsste, dass diese Frau für dich bestimmt ist. Ich habe sie gesehen, getroffen und persönlich befragt – was ich dir nur erzähle, damit du siehst, wie ernst es mir ist. Sie ist rein wie frisch gefallener Schnee, Jensen, ich schwöre es dir bei meinem Leben. Fuck, sogar bei Gabbys Leben. So viel würde es mir bedeuten, dass du mir versprichst, wenigstens darüber nachzudenken. Diese Frau hat keinen Mist in der Vergangenheit, der sie von dir abhalten könnte. Sie ist neu, aber sie weiß schon viel und kommt heute Abend für eine Tour vorbei. Sie will einen Meister oder einen Dom kennenlernen, und ich habe ihr gesagt, es wäre ihre Entscheidung, aber ich weiß, dass der Einzige, der mit ihr umgehen und sie zähmen kann, du bist. Bitte sorge nicht dafür, dass ich sie ablehnen muss.“

Sie zähmen. Mit ihr umgehen. Sie kontrollieren. Alles Dinge, nach denen sich meine Seele sehnte. Auch wenn ich nicht sollte oder konnte, alles, was Dylan sagte, erweckte die Neigung in mir, die ich vor zwei Jahren in den Winterschlaf gelegt hatte. Nun reichte er mir den größten Teil von mir selbst zurück. Den Teil, der nach dem Sex mit einer schönen Frau, die ich mehrmals zum Kommen gebracht hatte, ehe ich an mich selbst dachte, das Bett unbefriedigt verließ. Egal wie gut der Sex war und wie aufgeschlossen die Frau war, nie genügte es mir.

Ich musste die Sache schon im Ansatz ersticken. „Ich muss jetzt wirklich wieder an die Arbeit.“ Aber, verdammt noch mal, mein Schwanz war bereits hart bei dem Gedanken an eine Frau, wie Dylan sie beschrieb.

„Denk darüber nach“, befahl er. „Und sei um 22:00 Uhr hier. Ich werde Joe Bescheid sagen, dass du kommst.“

Er legte auf.

Ich warf das Handy auf den Schreibtisch, bedeckte das Gesicht mit den Händen und stöhnte. Verdammt sei Dylan, dass er mich an Courtney und die zwei Jahre, die ich sie gehabt hatte, erinnerte. Sie war nicht nur schön gewesen, sondern auch ausdrucksstark und empfänglich. Ich hatte sie für die perfekte Sub gehalten. Und was war ich doch heftig auf und in ihr gekommen, bei ihrem Geschmack und meinen Markierungen auf ihren Schenkeln und ihrem Hintern.

Obwohl ich immer wieder über die letzten sechs Monate unserer Vereinbarung nachgedacht hatte, verstand ich heute noch nicht, wie alles derartig schiefgehen konnte.

Ich hatte zu viele offene Fragen, zu viele Bedenken.

Dennoch, wider alles besseren Wissens drückte ich auf den Knopf der Sprechanlage und sagte meiner Assistentin Claire, dass sie den heutigen Termin zum Abendessen auf morgen verschieben sollte.

Kapitel 2

 

Haley

 

Ich rieb meine Handflächen aneinander. Sie waren kalt und klamm, trotz der Hitze und sommerlichen Luftfeuchtigkeit.

Ich tat es tatsächlich.

Gleich würde ich persönlich vor mir sehen, was ich mir immer nur hatte vorstellen können.

Angst und Aufregung durchliefen mich gleichzeitig. Würde ich es abstoßend finden? Wäre die Realität zu viel für mich? Oder würde mich der Gedanke, die Möglichkeit, eine der zur Schau gestellten Frauen zu sein, anmachen? Eine, die vor aller Augen von einem Dom bespielt wurde, der wusste, was er tat.

Ich nahm einen tiefen Atemzug, der auch nichts zur Beruhigung beitrug, atmete aus und blickte noch einmal in die Gasse hinter mir.

Das Luminous war ein geheimer Club nur für Mitglieder und nirgends gelistet. Master Dylan hatte mir erst davon erzählt, nachdem ich ihn auf KinkLife angeschrieben und letzte Woche persönlich auf einen Kaffee getroffen hatte.

Viele Jahre hatte ich mich danach gesehnt, diese Seite in mir zu erforschen, doch jetzt, wo ich hier war … hatte ich überhaupt den Mut?

Ja.

Den hatte ich.

Ich nahm die Schultern zurück und die Türklinke in die Hand. Mit geradem Rücken betrat ich das Luminous und war sofort von der Sinnlichkeit des kleinen Foyers beeindruckt. Ein schwerer, silberner Vorhang trennte es vom eigentlichen Club. Indirekte Beleuchtung mit winzigen weißen, funkelnden Lichtern umrahmte die Decke und erhellte alles auf sanfte Weise. Die dunkelgrauen Wände funkelten ebenfalls, als wäre der Farbe Glitter beigemischt. Es war irgendwie dunkel und doch gleichzeitig verführerisch hier.

Von rechts erklang eine tiefe Stimme. „Kann ich dir helfen?“

Ein Mann stand hinter einem schwarzen Tresen und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein goldbraunes Haar war an den Seiten kurz geschnitten und oben länger, perfekt gestylt und auf die Seite gekämmt. Eine dünne Narbe verlief durch seine Lippen. Mit den tiefbraunen Augen fühlte ich mich von seinem Blick durchbohrt. Ich kämpfte die Nervosität nieder, die mich wie eine Flutwelle erfassen wollte.

„Ich habe einen Termin mit Master Dylan. Er sollte mich erwarten.“

Der Mann sah kurz nach unten und dann wieder zu mir. „Haley?“

Hätte ich doch nur einen Alias benutzt. Wollte ich etwa, dass die Leute wussten, wer ich wirklich war? Andererseits ging es hier genau darum, mich nicht zu verstecken und ganz ich selbst zu sein. „Ja, Sir.“

Der Mann grinste und entblößte einen Mund voll strahlend weißer Zähne. „Ich bin Joe. Du brauchst nicht so förmlich zu sein.“

Zwar hatte ich nur höflich sein wollen, doch daraufhin nickte ich ihm kurz zu. „Vielen Dank.“

Er legte einen Finger an sein Ohr, in dem der kleine Knopf eines Kommunikationssystems steckte, und murmelte: „Yep. Sie hat endlich den Mut gefunden, reinzukommen, und wartet jetzt auf dich.“

„Äh, woher weißt du …? Wie hast du …“, stotterte ich und sah zur Tür, durch ich soeben getreten war.

„Keine Sorge, das ist ganz normal. Dylan überwacht jeden Zentimeter hier, außen und innen, zur Sicherheit aller Besucher. Und falls es dich beruhigt, du hast dich weit besser angestellt als die meisten, die zum ersten Mal herkommen.“

Äh, nein, das beruhigte mich kein bisschen. Doch ich lächelte ihn schwach an. „Oh, das sollte ich wohl als Kompliment nehmen, danke.“

Er trat hinter dem Tresen hervor und stellte sich neben den Vorhang, der vor und zurück wehte, da Bewegung hinter ihm stattfand. „Viel Spaß, Haley. Master Dylan wird sich gleich mit dir an der Bar treffen.“

Er zog den Vorhang auf und bedeutete mir, hindurchzutreten. Ich nahm den Blick von ihm und betrachtete den offenen Raum vor mir. Das Innere eines alten Lagerhauses hätte ich nie derartig luxuriös vermutet. Ich hatte etwas Dunkleres in Rottönen vermutet, etwas, das deutlich Sex und Sünde ausrief. Es war eher das Gegenteil der Fall. Glitzernde, tiefgraue Wände wie im Empfangsbereich. Poliertes, dunkles Holz fiel mir als Erstes ins Auge. Ich ließ den Blick schweifen und konnte mich kaum auf etwas Bestimmtes konzentrieren. Riesige Kronleuchter mit tränenförmigen Ornamenten hingen von der Decke und reflektierten das Licht auf die Wände und den Boden. Alles flüsterte Traumwelt und Begehren. Wie mir Master Dylan bereits erklärt hatte, war dies der allgemeine Treffpunkt und die intimeren Bereiche lagen oben im ersten Stock.

Was er nicht hatte beschreiben können, war das Gefühl, dass die sanfte Musik ein Pulsieren erzeugte, das diese erotische Höhle durch und durch aufheizte. Es ging mir unter die Haut, bis mir das sowieso schon sehr enge schwarze Kleid zu einengend vorkam. Mein Atem wurde schneller und ich trat in den High Heels von einem Fuß auf den anderen.

Leute saßen an Tischen und an der Bar und ich betrachtete sie alle. Einige trugen Ledersachen, andere Jeans oder Anzüge. Die Frauen trugen Dessous-Outfits, enge Anzüge oder bodenlange Abendkleider. Hier war alles möglich, und das war das Einzige, was mich nicht überraschte. Dieser Lebensstil war für alle und jeden gedacht. Sex und Begierde waren nicht nur an die körperliche Anziehungskraft zwischen zwei Menschen gebunden, sondern auch an das Verlangen, dass es von einer anderen Person erfüllt wurde. Und das bedeutete nicht immer nur Sex. Geschlechtsverkehr war innerhalb des Clubs nicht einmal erlaubt, was allerdings nicht bedeutete, dass man keine Orgasmen haben durfte. Dazu konnte es bei den Demonstrationen durchaus kommen oder in den öffentlichen oder privaten Spielräumen. Master Dylan hatte erklärt, dass viele in dieser Gemeinschaft nicht unbedingt Sex brauchten, sondern das Spiel mit einem Partner. Das gehörte nicht unbedingt zusammen. Ohne Sex konnte man sich entspannter fühlen und war bereiter, Experimente zu machen und zu üben. Außerdem sorgte es dafür, dass niemand dachte, hier könnte man Sex kaufen, falls jemand den falschen Eindruck von seinem Club bekommen könnte.

Verlangen brodelte in mir hoch, als ich an die Bar ging. Mit jedem Schritt auf den glatt polierten Tresen zu stieg meine Vorfreude. Ich blickte durch den Raum, sah die flackernden Lichter, nahm die sanfte Veränderung der Musik wahr, die gemurmelten Unterhaltungen und das leise Gelächter. Niemand beachtete mich.

Das alles saugte ich auf, und als ich die Bar erreicht hatte, hatte es mich vor Verlangen fast verrückt gemacht. Ich brauchte mehr als nur Befriedigung. Ich brauchte die Unterwerfung.

„Haley“, sagte eine raue Stimme links von mir.

Ich sah zu dem Mann und konnte kaum das Nach-Luft-Schnappen zurückhalten. Zuerst hatte ich im Internet Fotos von Master Dylan gesehen und mich dann auf einen Kaffee mit ihm getroffen. Doch in dieser Umgebung war er noch viel beeindruckender und machtvoller. Mit seinem karamellfarbenen Teint, dem kurzen schwarzen Haar und den noch dunkleren Augen versengte er mir fast die Haut, als er mich von oben bis unten betrachtete und mir dann in die Augen sah.

„Ich bin begeistert, dass du heute gekommen bist“, sagte er, legte eine Hand auf meine Schulter und verringerte den Abstand zwischen uns.

Instinktiv wandte ich den Blick ab. Für jemanden wie mich, der sich unterwerfen wollte, obwohl noch untrainiert, war es schwer, ihm in die Augen zu schauen. Mit seiner großen Erscheinung, den Muskeln, die unter dem schwarzen Anzug zu erahnen waren, und dem tiefen Timbre seiner Stimme strahlte er aus, dass er in der Lage war, auf viele Arten zu dominieren. Zwar war er nicht mein Master und hatte mir von seiner monogamen Beziehung mit seiner Sklavin Gabby erzählt, sodass er das auch nie sein würde, doch das spielte keine Rolle. Seine tiefgründigen schwarzen Augen schienen direkt in meine Seele zu blicken.

„Danke, dass du dir die Zeit für mich nimmst“, brachte ich mit einem schwachen Lächeln heraus.

Er bewegte seine Hand auf meinen unteren Rücken und dadurch fühlte ich mich schon entspannter. Seine Berührungen waren nicht sinnlich, sondern eher beruhigend.

„Bestellen wir dir einen Drink und dann setzen wir uns hin und reden, und wenn du so weit bist, führe ich dich herum. Klingt das gut?“

Oh Gott. Es geschah wirklich. „Ja, Sir.“

„Sehr schön“, antwortete er.

Ich spürte, dass ihm meine Antwort gefiel, und verbarg ein Grinsen.

Nachdem er erklärt hatte, dass es im Club eine Zwei-Drinks-Regel gab und Trinken nur hier im allgemeinen Bereich erlaubt war, bestellte er mir ein Glas Champagner und führte mich an einen Tisch in der Mitte des Raumes. Männer wie Frauen grüßten Master Dylan beim Vorbeigehen, entweder verbal oder durch ein Nicken. Es fiel mir leichter, als ich gedacht hätte, an der Art ihrer Reaktionen zu erkennen, wer Sub und wer Dom war. Frauen, die eindeutig Subs waren, senkten ihr Kinn, schrumpften praktisch vor ihm, während sich die dominanten Männer und Frauen aufrichteten, größer und stärker wurden. Der Gegensatz war offensichtlich und gleichzeitig verführerisch.

Ich konnte das Verhalten der Subs nachvollziehen. Es war, als ob man vor seiner ihm innewohnenden Macht niederknien wollte. Ich musste gegen den Drang ankämpfen, dasselbe zu tun.

Diese Erkenntnis war alles, was ich brauchte.

So war ich. Es wurde mir bewusst, als mich Master Dylan zum Tisch führte. Anstatt mich vor ihm zu fürchten, akzeptierte ich ihn. Meine Nervosität verschwand, als ich das begriffen hatte.

„Etwas ist passiert auf dem Weg hierher“, sagte er aufmerksam und führte sein Glas Wodka an die Lippen. „Ich habe gespürt, dass du dich verändert hast. Magst du es mir erklären?“

Unglaublich, dass es ihm aufgefallen war. Allerdings sollte es mich wohl nicht erstaunen, wo er doch so weise und wissend wirkte. Manchmal sagte Master Dylan Dinge, als wüsste er mehr über mich als ich selbst.

Ich sah in mein Champagnerglas, das ich vorsichtig zwischen den Fingern hielt. Die Flüssigkeit zitterte im Glas. Schnell stellte ich es ab und wischte mir mit den zittrigen Händen über die Oberschenkel.

Er ließ mir Zeit, meine Gedanken zu sammeln, doch es dauerte nicht lange, bis ich ihn fast direkt ansehen konnte. „Ich bin genauso“, sagte ich. Scham erhitzte meine Wangen. Um den Kopf klarzukriegen, schüttelte ich ihn kurz. „So, wie sich hier alle verhalten und reagieren … auf dich und andere. Es ist schwer zu erklären, aber ich muss an Timothy denken. In unserer Ehe lag mir immer ein Stein im Magen, als hätte sich ein Felsen dort niedergelassen, den ich ständig beiseiteschieben musste.“ Ich trank einen Schluck. Die Kohlensäure kitzelte in meiner Kehle. Ich atmete tief aus. „Ich spüre deine Macht, erkannte sofort eine Sub, die vor dir zusammengeschrumpft ist. Und ich fühle mich mit ihr verbunden.“

Sein Blick wirkte zufrieden. Ich lächelte und die Anspannung fiel mir von den Schultern.

Er beugte sich vor und stützte sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab. Sein Blick fiel auf den Spiegel auf der anderen Seite und dann sah er mich wieder an. „Hast du Fragen an mich? Oder möchtest du jetzt mit der Führung beginnen?“

 

 

 

Jensen

 

Das dürfte alles gar nicht passieren.

Wieder im Club zu sein, der einmal mein zweites Zuhause gewesen war und den ich vor so langer Zeit verlassen hatte, hätte mich nicht derartig innerlich beruhigen sollen. Auch hätte es sich nicht so anfühlen sollen, als wäre ich zurück zu mir selbst gekommen, als ich von einigen Doms im Vorbeigehen begrüßt wurde. Und Joes verspielter Schlag auf meine Schulter hätte mir nicht so viel bedeuten sollen.

Jeder meiner Atemzüge, jeder erkennende Begrüßungsblick der anderen hätte mich dazu bringen sollen, auf dem Absatz kehrtzumachen und den Ort zu verlassen, dem ich einst abgeschworen hatte.

Doch ich war immer noch hier, in Dylans Büro, das eher wie ein Zimmer in einem Fünfsternehotel wirkte als ein Büro. Solange man die Spanking-Bank und die Sex-Chaiselongue in der Ecke übersah.

Allein der Anblick der Gerätschaften in diesem Zimmer ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen und mein Blut verlangend pulsieren.

All das geschah, bevor Haley kam.

Als sie durch die Gäste schritt, floss Adrenalin durch meine Adern. Dylan hatte recht. Sie war perfekt. Groß und gertenschlank, lange, schokofarbene Haare. Als das Licht der Kronleuchter günstig auf sie fiel, schimmerten und funkelten ihre Haare atemberaubend. Ihre großen, rehartigen, grünen Augen beobachteten alles genau, und wie sie leicht die Lippen erstaunt öffnete, zeigte deutlich, dass ihr der Lebensstil neu war.

Dylan führte sie mit der Hand an ihrem Rücken zu einem Tisch. Ich ballte eine Faust und unter meinem schwarzen, langärmeligen Hemd erhob sich mein Bizeps. Jeder hier wusste, dass Dylans Handbewegung Besitz anzeigte. Doch er hatte bereits eine Sklavin. Haley gehörte nicht zu ihm.

Aber sie kann auch nicht dir gehören.

Am liebsten hätte ich mir und damit meinem Gewissen eine Kugel durch den Kopf gejagt, um es verfickt noch mal zum Schweigen zu bringen.

Als Dylan sie zum Tisch führte, sah sie noch einen anderen Master. Thomas. Sofort senkte sie das Kinn, mied seine Augen, während ihre perfekte cremefarbene Haut leicht rosa wurde. Das berührte mich verdammt tief. Dieser eine Blick weckte den Dom in mir, der sich an die Oberfläche kämpfte und drohte, mir die Kontrolle zu entreißen, obwohl ich mir geschworen hatte, nie wieder so zu leben. Nie wieder eine Sub zu trainieren.

Während sie mit Dylan sprach, wurden ihre Bewegungen immer sicherer, das zittrige Lächeln wurde breiter und ihre Selbstsicherheit nahm zu.

Nicht Dylan sollte derjenige sein, der ihre Fragen beantwortete. Und Dylan sollte sie auch nicht durch die Räume führen. Und es sollte auch nicht der verfluchte Dylan sein, der seine Hand auf ihre legen durfte, während er mich angrinste und wusste, dass ich ihn beobachtete. In mehr als zehn Jahren Freundschaft hatte ich ihm nie so sehr eine reinhauen wollen wie jetzt.

Mehr brauchte ich nicht, um mich zu entscheiden.

Ich wollte sie.

Ich wollte sie zähmen.

Und sobald sie trainiert wäre, würde ich sie einem anderen übergeben, der ihr Dauerhaftigkeit und Stabilität bieten konnte.

Kapitel 3

 

Haley

 

Nicht zum ersten Mal seit Beginn unseres Gesprächs grinste Master Dylan zum Spiegel. Da er mir nicht eitel vorkam und nicht ständig seine Frisur überprüfen musste, irritierte es mich langsam.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte ich, entzog ihm meine Hand und legte sie auf meinen Schoß.

„Wie bitte?“ Er sah mich halb grinsend, halb verwirrt an.

„Der Spiegel. Du schaust immer wieder hinein.“

Master Dylan lehnte sich zurück und nahm seinen Wodka in die Hand. Er sah mich an und ließ die Eiswürfel in dem fast leeren Glas klirren. „Nein, du hast nichts falsch gemacht“, sagte er mit leiser Stimme, sodass es fast ein Schnurren war.

Verdammt, das berührte mich. Alles hier. Mein Verlangen war stetig gestiegen, während er mir Fragen stellte. Wo meine Grenzen lagen, was mich am meisten interessierte, woran ich am häufigsten dachte. So sehr, dass ich beim Bewegen auf dem Ledersitz spürte, wie mein Höschen immer feuchter wurde.

Während des Gespräches hatten sich einige Paare gefunden und waren zur Treppe nach oben gegangen.

Als ich ihn gebeten hatte, die Führung zu beginnen, hatte er mich gebeten, noch zu warten. Da ich aber nur deswegen hier war, beunruhigte mich das etwas.

„Also“, sagte Master Dylan und deutete mit dem Kopf Richtung Spiegel, „dahinter befindet sich mein Büro. Jemand beobachtet uns, jemand, den ich für perfekt für dich halte. Ich habe darauf gewartet, dass er aus sich herauskommt, und anscheinend tut er das jetzt, nachdem er gesehen hat, dass ich dich angefasst habe.“

Ich zuckte zurück. „Was?“

Er beugte sich vor und sprach leise, doch ernst. „Ich habe mich mit jemandem über dich unterhalten. Mit dem besten Dom, den ich kenne. Momentan trainiert er niemanden, aber er wäre der perfekte Dom für dich.“

„Ich dachte, ich darf mir einen aussuchen.“ Eine Mischung aus Irritation und Ach-du-Scheiße-tu-es-doch-einfach kreiste durch meinen Verstand.

„Das ist auch so. Wenn du willst, kannst du ihn ablehnen. Aber ich mache das hier schon lange, Haley. Du solltest mir erst mal vertrauen.“

Seine Worte umhüllten mich wie eine warme Decke. Als ob jemand endlich verstanden hatte, was ich brauchte, und wusste, wie er es mir geben konnte. Es war tröstlich und gab mir die Zuversicht, weiterzumachen. Vertrauen und eine offene Kommunikation waren das Wichtigste an diesem Lebensstil. Dylan war ehrlich, und ich wüsste nicht, warum ich ihm nicht trauen sollte. Außerdem wusste er viel besser, wer ein guter Dom war, als ich.

Auch wenn es mir schwerfiel, ihm direkt in die Augen zu schauen, tat ich es. „Okay. Ich möchte ihn gern kennenlernen.“

Seine schwarzen Augen glänzten wie polierter Onyx. Er lächelte anerkennend. „Braves Mädchen.“

Meine Schultern bebten. Ich konnte meine Reaktion nicht verhindern. Ich hätte mich dafür geschämt, doch mir blieb keine Zeit, denn als ich gerade den Mund öffnen wollte, fiel ein Schatten über unseren Tisch. Ein Mann mit der sinnlichsten und selbstsichersten Stimme, die ich je gehört hatte, sagte:

„Master Dylan, ich glaube, du wolltest mich dieser schönen Frau vorstellen.“

Wieder erzitterte ich, schaffte es jedoch, es zum größten Teil zu unterdrücken. Ich nahm nicht den Blick vom siegessicheren Gesicht Master Dylans, dessen Lächeln frecher wurde.

„Hast du dich unterwegs verlaufen?“

Ein tiefes, knurrendes Lachen kam von dem Mann neben dem Tisch. „Es ist lange her, ich habe den Weg vergessen.“

Master Dylan zwinkerte ihm zu und wandte sich an mich. Ich hatte noch nicht den Mut gehabt, mir den Mann anzusehen, den Dylan anscheinend für mich handverlesen hatte.

„Haley …“

Der Mann neben mir unterbrach ihn. „Ich heiße Jensen. Du darfst mich Sir nennen.“

Ich zwang mich dazu, weiterzuatmen, und drehte mich zu dem Mann um, dessen Stimme eine Mischung aus sinnlicher Verstimmung und Irritation mit einer gehörigen Portion Verlangen war. Ich ließ den Blick über seinen unglaublich gut geformten Körper schweifen. Er trug Jeans, die sich perfekt um seine Schenkel und seinen gut bestückten Schritt schmiegten, einen schweren schwarzen Ledergürtel um die schmale Taille und ein schwarzes Hemd über der Wölbung seines Brustkorbs. Ich sah einen gut gepflegten Bartschatten, einen vollen rosa Mund mit zwei kleinen Spitzen an der Oberlippe und eine leicht schiefe römische Nase.

Er hatte die Brauen irritiert zusammengezogen und seine steifen Schultern zeigten Ungeduld, doch seine Augen faszinierten mich am meisten. Kleine Seen in einem tiefen Blau, blauer als der Saphirring, den ich immer trug, gaben mir fast den Rest. Sie erzählten eine Geschichte, die ich sofort entdecken wollte.

Mein Brustkorb zog sich zusammen. Gott, dieser Mann war sexy. Absolut außerhalb meiner Liga. Ich sah kurz zu Dylan, der mir zunickte. Wollte er, dass ich mit diesem Mann sprach? Ich brachte kein Wort heraus.

Ich sah wieder zu Jensen.

Sein Blick wurde grimmiger. „Willst du mir nicht Hallo sagen?“ Er hob eine Braue.

Master Dylan hüstelte.

Ich durchbrach den Zauber, der mich anscheinend gefangen hielt, und wandte den Blick von Jensen ab, als ich meinen Fehler erkannte. „Sorry, Sir“, sagte ich schnell. Erstaunlich, wie unzureichend dieses Wort war. „Entschuldigung, ich bin Haley.“

Ich reichte ihm die Hand und seine Finger griffen fest zu. Feuerfunken rieselten durch mich hindurch bei diesem kleinen Kontakt. Ich zuckte zusammen, erschrak über meine eigene Reaktion, doch sein Griff wurde noch fester.

Er zog an meiner Hand, bis ich mich erheben musste und direkt vor ihm stand.

„Ich bin kein Master. Du darfst mir in die Augen schauen, wenn wir miteinander reden, es sei denn, ich stimme zu, dich zu trainieren, und wir befinden uns in einer Szene. Hast du das verstanden?“

Ich starrte weiter auf seine Hand um meine. Spielend leicht hatte er mich in die stehende Position gezogen. Die Luft um uns knisterte vor Anspannung. Es kam mir so vor, als ob uns tausend Augen beobachteten, doch ich konnte niemanden ansehen. Auch konnte ich nicht den Blick heben und ihn ansehen, obwohl er das gerade eben verlangt hatte. Mein Atem beschleunigte sich und veranstaltete ein Wettrennen mit meinem klopfenden Herzen.

„Haley“, sagte Jensen warnend. „Sieh mich an.“

Es war ein Befehl. Und ich wollte gehorchen. Er wusste, dass es neu für mich war, und wenn Master Dylan dachte, dass dieser Mann perfekt für mich war, dann hatte er ihm erzählt, was ich wusste und dass ich willig war. Es fiel mir schwer, doch ich gehorchte. „Schön, dich kennenzulernen, Sir.“ Ich war wie ausgedörrt und wollte verzweifelt gern nach meinem Champagnerglas greifen, doch ich konnte den Blick nicht von dem Mann vor mir nehmen. Oder ihm meine Hand entziehen.

Eine ähnliche Emotion flackerte in Jensens Augen und er betrachtete mich von oben bis unten.

Zwar hielt ich mich selbst nicht für besonders schön, doch ich hatte auch kein Problem mit dem Selbstvertrauen. Abgesehen von den paar Jahren, in denen ich jämmerlich versucht hatte, meine Ehe zu retten, die nie hätte stattfinden sollen, was meinem Selbstbewusstsein einen Dämpfer gab, hatte ich Eltern, die mich mit ihrer Liebe überschütteten. Und es gab immer genügend Männer um mich herum, die mir bewiesen, dass ich körperlich durchaus attraktiv war.

Jensen schien nach etwas über das Körperliche hinaus zu suchen, das unter dem kurzen schwarzen Kleid lag. Nach den vom jahrelangen Yoga und Joggen wohlgeformten Schenkeln und Waden.

Ich hätte ewig einfach nur so dastehen können und mich von ihm betrachten lassen. Jeder Teil meines Körpers, über den sein Blick schweifte, erwachte. Es kribbelte in meiner Brust. Zwischen meinen Schenkeln begann ein Pulsieren. Nässe wurde von meinem Höschen aufgesaugt. Unter dem knappen Spitzen-BH und dem Satin des Kleides wurden meine Nippel hart.

„Ich würde dich gern herumführen“, sagte Jensen und sein Griff um meine Hand wurde kurz lockerer.

Ich nickte, doch er blieb stehen und hob langsam eine Braue. Dann räusperte ich mich und antwortete. „Okay, ja, das wäre nett.“

Seine Lippen, die er zusammengepresst hatte, zuckten im Mundwinkel. „Ja, was?“

Oh. Verdammt. „Sir. Ja, Sir. Ich hätte gern eine Führung, Sir.“

Sein Mundwinkel zuckte erneut. „Es reicht, es ein Mal zu sagen, meine Schöne.“

Mein Magen machte einen Salto. Meine Schöne.

Oh Gott. Aber das war nichts Besonderes. Dennoch war es wichtig. Auf seine Weise hatte er mich die Seine genannt.

Meine Knie gaben nach. Nicht vor Verlangen, vor ihm auf die Knie zu fallen und ihm zu dienen, sondern wegen der Empfindungen, die meinen Körper in Flammen setzten.

Er fing mich auf, bevor ich fallen konnte. „Alles okay?“ Er sah zum Tisch, und mir fiel ein, dass Master Dylan ja immer noch da war. „Wie viel hat sie getrunken?“

Ich sah Master Dylan über die Schulter hinweg an.

Er grinste. „Das ist immer noch ihr erstes Glas, das weißt du doch.“

„Stimmt.“

Seine Hand an meiner Hüfte fühlte sich wie ein Brandeisen an. Heiß, schmerzhaft. Ich war jetzt schon ein Wrack und hatte ihn gerade erst kennengelernt. Hatte noch keins der Zimmer gesehen, hätte jedoch bei der kleinsten Berührung einen Orgasmus haben können. Oder auch ohne jegliche Berührung. Alle Teile in mir, die immer getrennt voneinander gewesen waren, in verschiedene Richtungen gezerrt oder zerbrochen worden waren, begannen, sich wieder zusammenzusetzen.

Ich hatte recht gehabt. Ich wollte das hier und brauchte es, und es hatte nur wenig mit dem mysteriösen und mächtigen Mann vor mir zu tun.

„Ich hätte wirklich sehr gern die Tour, Sir“, sagte ich leise und holte so seinen Blick von Master Dylan zu mir zurück.

„Okay, dann los.“

 

 

 

Jensen

 

Von Dylans Büro aus, aus der Ferne und in dem gedämpften Licht, hatte Haley hinreißend ausgesehen. Und als sie mich das erste Mal ansah, hatte es mir den Atem verschlagen. Sie war auf unaufdringliche Weise wunderschön. Ihre grünen Augen mit den goldenen Einsprengseln wurden von dichten Wimpern umgeben.

Diese Augen berührten mich, und als sie mich zögerlich anlächelte, ihre Lippen sich vor offensichtlicher Anziehung zu mir leicht öffneten, vergaß ich kurz alle Bedenken. Vergaß, warum ich die Finger von ihr lassen sollte. Ich wollte sie vor mir auf den Knien sehen, meinen Befehlen unterworfen, und zwar nicht in einem Spielzimmer, wo ich sie nicht frei erkunden konnte, sondern in meinem Schlafzimmer, wo ich all die versauten Dinge tun konnte, nach denen ich mich so verzweifelt sehnte.

Ihr Duft war leicht und unaufdringlich, genau wie alles an ihr, dennoch verlockend. Ihre Porzellanhaut wirkte, als hätte sie noch nie einen Tag in der Sonne verbracht. Das hatte Dylan mit rein gemeint. Sie wirkte so. Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, wie sie wohl mit meinen Markierungen aussehen würde, die ihre Haut vorübergehend entstellen würden, und wie es wäre, zu wissen, dass sie mich unter ihrer sexy Kleidung immer mit sich herumtrug.

Oh Mann. Ich verfiel schnell. Nicht ihr, sondern der Kontrolle, die ich einst gehabt hatte.

Mit jeder Faser dieser Kontrolle führte ich sie durch die offenen Spielräume und begriff irgendwann, wenn ich sie trainieren wollte, sollte ich wahrscheinlich auch mit ihr sprechen.

Mit der Hand auf ihrem unteren Rücken führte ich sie die Treppe hinauf. Dylan hatte mir versichert, dass die Szenen, die wir heute beobachten konnten, gewisse Dinge beinhalteten, auf die Haley stand. Ich wusste nicht, was das war, denn ich hatte nicht zugehört, als mir dieser hinterlistige, manipulative Mistkerl alles erzählt hatte.

Und jetzt konnte ich es nicht erwarten, es zu erfahren. Mein Schwanz war so hart, dass er gleich den Reißverschluss sprengen würde.

„Du hast mit Master Dylan über deine Grenzen gesprochen?“, fragte ich und benutzte absichtlich Dylans Dom-Anrede. Ich selbst als Dom musste das im öffentlichen Bereich nicht tun, tat es aber stets aus Höflichkeit. Er war ein guter Freund, auch wenn ich ihm immer noch gern eine reinhauen würde.

Sie hüstelte und senkte den Blick auf ihre Schuhe. Diese waren verdammt sexy, genau wie alles an ihr. Sie kleidete sich, als wäre sie schon im Club gewesen und würde dazugehören. Das schimmernde schwarze Kleid schmiegte sich perfekt um ihre vollen Brüste und ihre Hüften. Die Stilettos hatten nur zwei silberne Riemchen über den Zehen und um die Knöchel. Sie betonten ihre Beine sowie den roten Nagellack. Wenn sie versucht hatte, einen submissiven Look zu erreichen, war es ihr misslungen. Sie sah mehr wie eine Verführerin aus, und ich war in Versuchung.

„Äh, ja, Sir. Wir haben darüber gesprochen, was ich suche, was ich möchte und was mich an dem Lebensstil interessiert.“

„Du hattest noch keinen Dom.“ Das war keine Frage, denn ich wusste es bereits. Aus irgendeinem Grund wollte ich wissen, warum. Mir gefiel die Vorstellung, ihr Erster zu sein. Ich hatte schon vor Courtney andere trainiert, und es war immer etwas Besonderes, wenn man als erster Dom eine Frau markierte, ihr die richtigen Positionen zeigte. Wenn sie sich einem ergaben, und wenn man wusste, dass man der Erste war, dem sie es erlaubten … Fuck, allein bei dem Gedanken daran wurde ich noch härter.

Sie schüttelte den Kopf, und als wir an der Treppe angekommen waren, nahm sie die Unterlippe zwischen die Zähne.

„Und warum nicht?“

Sie erlöste ihre Lippe und hielt den Blick gesenkt. Wenn wir uns besser gekannt hätten, hätte ich darauf bestanden, dass sie mich nicht direkt ansah, doch jetzt war es anders. Ich trat neben die Treppe, um niemandem im Weg zu stehen, und als sie mir folgte, berührte ich ihr Kinn und hob ihr Gesicht an.

„Eine Sub sieht mir nicht in die Augen, außer ich bitte sie darum, aber das gilt nur während einer Szene. Wenn wir miteinander reden, uns kennenlernen, muss ich dich lesen können und du mich. Verstanden?“

„Ja.“

Ich hob warnend eine Braue und sie korrigierte sich sofort.

„Ja, Sir. Ich verstehe.“

„Braves Mädchen“, wisperte ich. „Also, warum hattest du noch nie einen Dom? Warum interessierst du dich erst jetzt dafür?“

Ihre Brust hob und senkte sich schneller und sie biss sich wieder auf die Lippe. Ich bewegte leicht den Daumen und holte ihre Lippe zwischen ihren Zähnen hervor. „Es wird nie einen Grund geben, Angst vor mir zu haben oder vor all dem. Und wenn du wirklich trainiert werden willst, müssen wir miteinander kommunizieren, und wir werden Dinge besprechen, von denen du nie gedacht hättest, je darüber zu reden. Ich werde dich also nicht noch einmal fragen. Wenn du mir bei dieser Frage nicht vertrauen kannst, der einfachsten von allen, macht es keinen Sinn, weiterzumachen.“

„“