Teresa von Ávila

Wohnungen der
Inneren Burg

Herausgegeben, übersetzt und
eingeleitet von
Ulrich Dobhan OCD
Elisabeth Peeters OCD

Die Autorin
Teresa von Ávila (1515–1582), spanische Ordensgründerin und Mystikerin; durch ihr Wirken entstanden zahlreiche Klöster eines neuen Zweigs des Karmelitenordens (Teresianischer Karmel). Papst Paul VI. verlieh ihr 1970 als erster Frau den Titel „Kirchenlehrerin“. Teresa von Ávila ist Schutzpatronin der spanischen Schriftsteller, ihre Werke sind Klassiker der spanischen Sprache.

Die Herausgeber

P. Ulrich Dobhan OCD, Dr. theol., geb. 1944, Karmelit.

Sr. Elisabeth Peeters OCD, geb. 1954, Karmelitin, studierte Anglistik und Theoretische Linguistik.

Quelle der Illustrationen

Idea vitae Teresianae iconibus symbolicis, Antwerpen o. J.;
Nachdruck (Risographie): Rottenburg a. d. Laaber 2001.

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021
Alle Rechte vorbehalten
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Umschlaggestaltung: Verlag Herder GmbH, Freiburg
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Satz und PDF-E-Book: SatzWeise, Bad Wünnenberg
Herstellung: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-451-39311-2
ISBN E-Book (PDF) 978-3-451-82411-1
ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83411-0

Inhalt

Siglen und Abkürzungen

Einführung

1. Der historische Kontext

1.1. Der politische Hintergrund

1.2. Die Situation im Karmel

1.3. Höhepunkt der Auseinandersetzungen

1.4. Teresa und die Inquisition

2. Die Entstehung der Inneren Burg

2.1. Vorgeschichte

2.2. Die Beauftragung

2.3. Abfassungszeit

2.4. Abfassungsmodus

2.5. Adressaten und Adressatinnen

2.6. Autograph und Druckausgaben

3. Die Inspiration für die Innere Burg

3.1. Die herkömmliche Deutung

3.2. Das Bild von der Burg im christlichen Kulturkreis

3.3. Die sieben Burgen im Islam

4. Die Innere Burg als Synthese des geistlichen Weges

Die Wohnungen der inneren Burg

Vorwort

Erste Wohnungen

Kap. 1: Darin spricht sie von der Schönheit und Würde unserer Seelen.
Sie bringt einen Vergleich, um sich verständlich zu machen, und sagt, welcher Gewinn es sei, dies zu verstehen, und zu wissen, was für Gnadengaben wir von Gott erhalten, und dass das Tor zu dieser Burg das innere Beten sei.

Kap. 2: Es handelt davon, wie hässlich eine Seele ist, die in Todsünde lebt, und wie Gott einer gewissen Person etwas davon verständlich machen wollte. Ferner wird etwas über die Selbsterkenntnis gesagt. Das ist nützlich, weil es da einige beachtenswerte Punkte gibt. Es wird gesagt, wie man diese Wohnungen verstehen soll.

Zweite Wohnungen

Kap. 1: Ein Kapitel, das davon handelt, wie wichtig die Ausdauer ist, um in die letzten Wohnungen zu gelangen, und vom gewaltigen Krieg, den der Böse am Anfang entfesselt, und wie viel daran liegt, gleich zu Beginn den Weg nicht zu verfehlen, um ans Ziel zu gelangen. Es gibt ein Mittel an, das sich als sehr wirksam erwiesen hat.

Dritte Wohnungen

Kap. 1: Es handelt davon, wie wenig Sicherheit wir haben können, solange man in dieser Verbannung lebt, selbst wenn die Verfassung erhaben wäre, und wie ratsam es ist, in (Gottes)furcht zu gehen; es gibt darin einige gute Punkte.

Kap. 2: Es fährt mit demselben fort und handelt von den Trockenheiten beim inneren Beten und von dem, was ihres Erachtens dabei geschehen könnte, und wie es nötig ist, dass wir uns prüfen und der Herr diejenigen prüft, die in diesen Wohnungen sind.

Vierte Wohnungen

Kap. 1: Es handelt vom Unterschied, den es zwischen Glücksempfindungen und Zärtlichkeit beim inneren Beten und Wonnen gibt; und spricht vom Glück, das sich bei ihr einstellte, als sie begriff, dass das Denken etwas anderes ist als der Verstand, was für jeden von Nutzen ist, der beim inneren Beten sehr zerstreut ist.

Kap. 2: Es fährt mit demselben fort und erklärt durch einen Vergleich, was Wonne ist und wie sie zu erlangen sind, ohne sie sich zu verschaffen.

Kap. 3: In ihm sagt sie, was das Gebet der Sammlung sei, das der Herr zumeist vor dem bereits erwähnten schenkt. Sie nennt seine Wirkungen und auch die, die beim vorigen zurückbleiben, bei dem die vom Herrn geschenkten Wonnen besprochen wurden.

Fünfte Wohnungen.

Kap. 1: Es beginnt, davon zu handeln, wie die Seele im Gebet mit Gott geeint wird, und sagt, woran man erkennt, dass das keine Selbsttäuschung ist.

Kap. 2: Es fährt mit demselben fort. Es erklärt das Gebet der Gotteinung anhand eines tiefsinnigen Vergleichs. Es sagt, welche Wirkungen in der Seele zurückbleiben. Das ist sehr zu beachten.

Kap. 3: Es fährt mit demselben Thema fort, und spricht über eine weitere Art der Gotteinung, die die Seele mit Gottes Hilfe erreichen kann, und darüber, wie wichtig dafür die Nächstenliebe ist. Das ist sehr nützlich.

Kap. 4: Es fährt mit demselben fort, indem diese Gebetsweise noch näher erklärt wird, und sagt, wie wichtig es ist, behutsam voranzugehen,
weil der Böse sehr dahinter her ist, um die Seele zum Rückzug vom Begonnenen zu bewegen.

Sechste Wohnungen.

Kap. 1: Sie spricht davon, wie es um so größere Prüfungen zu bestehen gibt, je größere Gnaden der Herr zu gewähren beginnt; sie spricht von einigen und auch davon, wie es dabei jenen geht, die bereits in dieser Wohnung sind. Das ist gut für den, der innere Prüfungen durchmacht.

Kap. 2: Es handelt von einigen Weisen, wie unser Herr die Seele aufweckt und bei denen es, wie es aussieht, nichts zu befürchten gibt, auch wenn es sich um etwas ganz Erhabenes handelt; es sind große Gnadenerweise.

Kap. 3: Es handelt vom selben Thema und sagt, auf welche Weise Gott,
so es ihm gefällt, zur Seele spricht, und zeigt an, wie man sich dabei verhalten und nicht auf das eigene Urteil verlassen soll. Es nennt einige Anzeichen, an denen man erkennt, wann keine und wann sehr wohl eine Täuschung vorliegt. Es ist sehr nützlich.

Kap. 4: Es handelt davon, wie Gott die Seele beim inneren Beten durch eine Verzückung oder Ekstase oder Entrückung – was meines Erachtens alles dasselbe ist – aufhebt, und wie es großen Mutes bedarf, um so große Gnaden von Seiner Majestät anzunehmen.

Kap. 5: Sie fährt mit demselben fort und beschreibt eine Weise, wie Gott die Seele noch anders als bereits gesagt wurde, nämlich mit einem Geistesflug, erhebt. Sie führt einen Grund an, weshalb Mut dazu erforderlich ist. Sie erklärt diese Gnade, die der Herr auf köstliche Weise erweist, ein wenig. Das ist sehr nützlich.

Kap. 6: Darin nennt sie eine Wirkung der Gebetsweise, die im vorigen Kapitel besprochen wurde, an der man erkennt, ob sie echt und nicht Selbsttäuschung ist. Es handelt noch von einer weiteren Gnade, die der Herr der Seele erweist, um sie mit Lobpreisungen auf ihn zu bechäftigen.

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Kap. 7: Es handelt von der Art des Leids, das die Seelen über ihre Sünden empfinden, denen Gott die besagten Gnaden erweist. Sie sagt, welch gewaltiger Irrtum es ist, sich – auch wenn man noch so geistlich ist – nicht in der Vergegenwärtigung der Menschheit unseres Herrn und Heilands Jesus Christus und seines allerheiligsten Leidens und Lebens und seiner glorreichen Mutter und der Heiligen zu üben. Das ist sehr nützlich.

Kap. 8: Es handelt davon, wie Gott sich der Seele durch eine geistige, intellektuelle Vision mitteilt; sie gibt einige Ratschläge und sagt, welche Wirkungen sie zeitigt, wenn sie echt ist. Sie schärft Verschwiegenheit bezüglich dieser Gnaden ein.

Kap. 9: Sie spricht davon, wie sich der Herr der Seele in einer imaginativen Vision mitteilt und warnt sehr davor, sich nach diesem Weg zu sehnen, und gibt Gründe dafür an. Das ist sehr nützlich.

Kap. 10: Sie spricht über weitere Gnaden, die Gott der Seele auf andere Weise als die bereits erwähnten erweist, und über den großen Nutzen, den sie davon hat.

Kap. 11: Es handelt von so starken und ungestümen Sehnsüchten, die Gott der Seele eingibt, um ihn zu genießen, dass sie sie in Lebensgefahr bringen, und vom Nutzen, den dieser vom Herrn gewirkte Gnadenerweis in ihr zurücklässt.

Siebte Wohnungen

Kap. 1: Es handelt von einigen großen Gnaden, die Gott den Seelen erweist, die so weit gekommen sind, dass sie in die Siebten Wohnungen eintreten. Sie sagt, wie es ihrer Meinung nach einen kleinen Unterschied zwischen der Seele und dem Geist gibt, obwohl alles eins ist. Es gibt da beachtenswerte Punkte.

Kap. 2: Sie fährt mit demselben Thema fort: Sie spricht vom Unterschied zwischen geistlicher Gotteinung und geistlicher Vermählung. Sie erklärt dies mit feinsinnigen Vergleichen, durch die sie zu verstehen gibt, wie hier der kleine Schmetterling, von dem in der fünften Wohnung die Rede war, stirbt.

Kap. 3: Sie spricht über die großartigen Wirkungen, die dieses Gebet hervorbringt. Man muss aufmerksam und im Gedenken an das, was die früheren bewirken, zu Werke gehen, denn der Unterschied, der zu den vorigen besteht, ist etwas Erstaunliches.

Kap. 4: Damit endet sie, indem sie erklärt, was unser Herr ihrer Meinung nach vorhat, wenn er der Seele so große Gnaden erweist, und wie notwendig es ist, dass Marta und Maria zusammen gehen. Das ist sehr nützlich.

Nachwort

Literatur

Glossar

Siglen und Abkürzungen

Einschübe Teresas stehen in runden Klammern, erklärende Einschübe der Übersetzer sind durch eckige Klammern gekennzeichnet

1. Schriften der hl. Teresa und des hl. Johannes vom Kreuz

In den Anmerkungen werden für die Werke der hl. Teresa folgende international gebräuchliche Siglen benützt:

C Weg der Vollkommenheit (Camino de Perfección)

CC Geistliche Erfahrungsberichte (Cuentas de conciencia, in anderen Ausgaben Relaciones, abgekürzt R)

CE Weg der Vollkommenheit (Camino de Perfección), Erstfassung (Ms.  vom Escorial)

Cs Konstitutionen (Constituciones)

Ct Briefe (Cartas)

CV Weg der Vollkommenheit (Camino de Perfección), Endfassung (Ms.  von Valladolid)

E Ausrufe der Seele zu Gott (Exclamaciones del alma a Dios)

F Buch der Gründungen (Fundaciones)

M Wohnungen der Inneren Burg (Moradas del Castillo Interior)

MC Gedanken über das Hohelied (Meditaciones sobre los Cantares, in anderen Ausgaben Conceptos del Amor de Dios, abgekürzt Cp)

P Gedichte (Poesias)

V Leben (Vida)

VD Visitation der Unbeschuhten Schwestern (Visita de Descalzas, in anderen Ausgaben: Modo de visitar los conventos, abgekürzt Mo)

Siehe: Teresa von Ávila, Werke und Briefe. Gesamtausgabe, hg., übersetzt und eingeleitet von U. Dobhan und E. Peeters, 2 Bde. Freiburg u. a. 2015.

Für die in den Anmerkungen erwähnten Werke des hl. Johannes vom Kreuz werden folgende in der Fachwelt gebräuchliche Siglen benützt:

Av Vier Anweisungen für einen Ordensmann
(Cuatro avisos a un religioso)

C Geistlicher Gesang (Cántico espiritual)

CA Geistlicher Gesang (Cántico espiritual), 1. Fassung

CB Geistlicher Gesang (Cántico espiritual), 2. Fassung

LB Lebendige Liebesflamme (Llama de amor viva), 2. Fassung

N Dunkle Nacht (Noche Oscura)

P Gedichte (Poesias)

S Aufstieg auf den Berg Karmel (Subida del Monte Carmelo)

Siehe die vollständige Neuübersetzung von U. Dobhan, E.  Hense, E. Peeters. Freiburg u. a. 1996 ff. (5 Bde, Bd. 3 = CA); und ferner Johannes vom Kreuz, All mein Tun ist nur noch Lieben. Der Geistliche Gesang (= CB), hg., übersetzt und eingeleitet von U. Dobhan und E. Peeters. Freiburg u. a. 2019.

2. Sonstige Abkürzungen

Anm. Anmerkung

Bd(e). Band, Bände

Bl. Blatt

BMC Biblioteca Mística Carmelitana

ed. Ausgabe (edición)

eingel. eingeleitet

epíl Nachwort (epílogo)

FC Fontes Christiani

ff. und folgende

hg. herausgegeben

pról Vorwort (prólogo)

tít Überschrift (título)

übers. übersetzt

Vg Vulgata

Einführung

„Es bot sich mir an, unsere Seele als eine gänzlich aus einem einzigen Diamanten oder sehr klaren Kristall bestehende Burg zu betrachten, in der es viele Gemächer gibt, so wie es im Himmel viele Wohnungen gibt“ (1M 1,1). So stellt Teresa ihr Gleichnis vor, das gleichsam der rote Faden ihres Hauptwerkes Wohnungen der Inneren Burg ist. Sie kommt immer wieder darauf zu sprechen, allerdings ohne sich sklavisch daran zu halten, denn in die große Burgallegorie flicht sie gekonnt zwei weitere Allegorien ein, die besonders in den letzten zwei bzw. drei Wohnungen zum Tragen kommen: die Hochzeitsallegorie als Bild für die innige Gotteinung des Menschen, aber vor allem die wunderbare Allegorie der Seidenraupe, aus der sich ein Schmetterling oder Falter entwickelt, ein Bild für das notwendige Sterben des ich-gebundenen alten Menschen (der „Raupe“), damit er zur inneren Freiheit des neuen Lebens in Christus (als „Schmetterling“) erwachen kann.

Teresa ist damit ein Meisterwerk der christlichen Literatur, ja der Weltliteratur überhaupt gelungen, das sie unter die großen Mystiker und Mystikerinnen, wie Augustinus, Bernhard von Clairvaux, Hildegard von Bingen, Hadewijch von Antwerpen, Meister Eckhart, Gertrud von Helfta, Mechthild von Magdeburg oder Johannes vom Kreuz einreiht, ihr aber auch einen Platz unter den Großen der Weltliteratur, wie Dante, Cervantes, Shakespeare, Pascal, Dostojewski oder Schiller und Goethe sichert.

In dieser Einführung geht es uns darum, zunächst einmal den historischen und biographischen Kontext auszuleuchten, in dem diese Schrift entstanden ist (1.), ferner ihre Entstehung nachzuzeichnen (2.) und nach den Inspirationsquellen der Inneren Burg zu fragen (3.). In einem vierten Schritt wollen wir dann den spirituellen Weg darstellen, wie er in der Inneren Burg skizziert wird (4.). Damit wird zugleich die Frage nach der Aktualität dieser Schrift beantwortet, die geistlich suchenden Menschen nach wie vor sehr viel Richtungweisendes zu bieten hat.

1. Der historische Kontext1

1577, das Jahr, in dem Teresa – im Alter von 62 Jahren – die Innere Burg verfasst hat, nimmt in ihrer Biographie einen besonderen Platz ein. In diesem Jahr spitzten sich die Widersprüche und Kämpfe gegen ihr Werk und die von ihr gegründeten sog. „Unbeschuhten (Schwestern und Brüder)“2 dramatisch zu; mit der Verschleppung und Einkerkerung ihres engen Mitarbeiters Johannes vom Kreuz Anfang Dezember jenes Jahres erreichten sie einen gewissen Höhepunkt.

1.1. Der politische Hintergrund

Im Unterschied zu den anderen Ländern des christlichen Abendlandes war es in Spanien schon im Lauf des 15. Jahrhunderts in der Kirche und in den meisten Orden zu Reformen gekommen, die dank des Reformeifers von Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros (gest. 1517) mit Unterstützung von Königin Isabella von Kastilien (gest. 1504) intensiviert wurden und bereits eine ganz bestimmte Form angenommen hatten.3 Karl V., der mit dem Namen Carlos I. ab 1517 als Nachfolger seines Großvaters Ferdinand I. (gest. 1517) König von Spanien war, führte diese Reformbestrebungen weiter,4 doch war es vor allem sein Sohn Philipp II., ab 1555 König von Spanien, der das Geschäft der Reform der Kirche mit dem Namen reforma del rey – Reform durch den König mit neuem Schwung betrieb.5 Diese vom König geförderte Reform der Orden nach dem Stil von Francisco Jiménez de Cisneros, d. h. nach Art der Franziskanerinnen,6 genoss damals große Popularität.

Durch das Dekret des Konzils von Trient zur Reform der Orden von 1563 verschärften sich die zwischen der römischen Kurie und der spanischen Reformpolitik ohnehin schon bestehenden Spannungen noch mehr. Erklärlich sind sie zum Teil dadurch, dass in Spanien starke Reformkräfte am Werk waren, während das Papsttum in Rom eine seiner dunkelsten Zeiten durchmachte.7 Der König, der die vom Konzil beschlossene Reform für ungenügend erachtete, handelte am Rande des Konzils Sondervollmachten aus, worunter dann die Ordensoberen bei der Erfüllung der ihnen vom Konzil aufgetragenen Visitationspflicht ihrer Orden zu leiden hatten, denn die römische Kurie wollte ihr Reformprogramm auf die ganze Kirche ausdehnen. So standen sich diese und Philipp II. mit seinem Reformprogramm gegenüber.

1.2. Die Situation im Karmel

Im spanischen Karmel verlief die Entwicklung jedoch anders. Da die Klöster in Andalusien und Kastilien schon von jeher nur sehr geringen Kontakt mit dem Zentrum des Ordens hatten,8 wirkten sich die Reformbestrebungen der Ordensgeneräle Johannes Soreth und Nikolaus Audet in Spanien kaum aus.9 Das bedeutet, dass sich die Einpflanzung und Ausbreitung des weiblichen Ordenszweigs, der offiziell erst 1451 am Niederrhein entstanden war, in dieser Distanz zum Ordenszentrum vollzogen. Auch untereinander hatten die Karmelitinnenklöster kaum Kontakt, nicht einmal wenn sie, wie die drei in der Diözese Ávila – Ávila, Fontiveros, Piedrahita –, nahe beieinander lagen.

Als der Ordensgeneral Giovanni Battista Rossi im Jahre 1566 zur Visitation des Ordens nach Spanien kam, um den vom Konzil erhaltenen Auftrag auszuführen, bekam er den oben angedeuteten Jurisdiktionskonflikt zwischen der römischen Kurie und dem spanischen Hof deutlich zu verspüren. Die Begegnung mit Teresa in dem von ihr gegründeten ersten Kloster San José zwischen dem 20. und 27. April 1567 war für ihn allerdings ein Lichtblick bei seinem schwierigen Auftrag; das blieb auch bis zum Generalkapitel von Piacenza 1575 so, als Teresa bereits eine ganze Reihe neuer Klöster gegründet hatte.10 Man kann um diese Zeit im spanischen Karmel von einer zweifachen Jurisdiktion sprechen: die des Ordens, also die vom Ordensgeneral repräsentierte, und die des spanischen Königs, der die Reform durch Apostolische Visitatoren, meist Dominikaner, durchzuführen versuchte. Dazu hatte ihn das Breve In prioribus vom 16. April 1567 ermächtigt, das den Ordinarien die Visitation und Reform der Karmelitenkonvente übertrug, die erst kurz zuvor vom Ordensgeneral kraft des Tridentiner Reformdekrets visitiert worden waren. Als im Lauf der Zeit die Spannungen zwischen dem nichtreformierten Stammorden, den sog. „Beschuhten“, und den von Teresa gegründeten „Unbeschuhten“ zunahmen, stützten sich Erstere auf den Ordensgeneral, Letztere auf diese Visitatoren, was über kurz oder lang zur Auflösung von Teresas Neuanfängen oder aber zu seiner Abtrennung vom Stammorden führen musste.11

1.3. Höhepunkt der Auseinandersetzungen12

Auf dem Generalkapitel von Piacenza in Italien (Mai 1575) wurden konkrete Maßnahmen gegen die „Unbeschuhten“ oder „Reformierten“ ergriffen. Deren Situation stellte sich zu diesem Zeitpunkt so dar: „Die kanonisch gültige Existenz von Konventen von Unbeschuhten Karmeliten in Kastilien und Andalusien war von Seiten der Nuntiatur in Madrid und der Päpstlichen Kurie in Rom anerkannt. Aus der Sicht des Generals und des Ordens waren nur die Konvente in Kastilien legitim, die in Andalusien illegitim, so dass deren Obere und Mitglieder als ungehorsam, rebellisch und verstockt galten, exkommuniziert und suspendiert waren.“13 Mit der Durchführung der Bestimmungen des Generalkapitels gegen die Unbeschuhten wurde vom Ordensgeneral ein portugiesischer Karmelit, Jerónimo Tostado, beauftragt. Eine Folge dieser Bestimmungen war, dass Teresa, die im Mai 1575 zur Gründung eines Klosters nach Sevilla gekommen war, den Auftrag erhielt, sich in ein Kloster ihrer Wahl zurückzuziehen, was sie nach vollbrachter Gründung auch tat; am 23. Juni 1576 kommt sie in Toledo an.14

Im September 1576 beruft P. Gracián in seiner Eigenschaft als Apostolischer Visitator, zu dem er vom Nuntius Nicolás Ormaneto15 ernannt worden war, ein Kapitel der Unbeschuhten Karmeliten nach Almodóvar del Campo ein, an dem auch Johannes vom Kreuz teilnimmt. Beratungsgegenstand sind zukünftige Konstitutionen, um die neue Lebensweise zu schützen.

Andererseits aber erlangt der vom Ordensgeneral Giovanni Battista Rossi ernannte Visitator, Jerónimo Tostado, aufgrund von falschen Informationen aus Spanien16 an der Päpstlichen Kurie Ansehen und Unterstützung, vor allem durch Felipe Buoncompagni, den Neffen des Papstes,17 ab 5. Februar 1573 Protektor des Ordens.18 Ihm gegenüber, wiewohl unerfahren und jung, verblasst der Einfluss des erfahrenen und klugen Päpstlichen Nuntius in Spanien Nicolás Ormaneto, der Jerónimo Gracián bei seiner schwierigen Aufgabe als Visitator der Beschuhten Karmeliten immer unterstützt hatte. Als der Nuntius am 18. Juni 1577 stirbt, wird es äußerst kritisch, zumal sein Nachfolger im Amt, Filippo (Felipe) Sega,19 ein Cousin Buoncompagnis und somit auch ein Verwandter des Papstes, gegen die Unbeschuhten eingenommen ist und alles dransetzt, um Jerónimo Gracián auszuschalten.20 Am 29. August kommt er bereits in Madrid an, wo er am 14. September ausgiebig von Jerónimo Tostado über alles informiert wird. Er hat aktiven Anteil an der „zerknüllten Wahl“ im Kloster der Menschwerdung am 7. Oktober 157721 und der Festnahme und Verschleppung des Johannes vom Kreuz in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1577. Teresa war Mitte Juli 1577 nach Ávila übergesiedelt, um dort ihren vom Generalkapitel in Piacenza auferlegten „Hausarrest“ weiterzuführen. Der Anlass jedoch war, den Konvent von San José in Ávila auch dem Orden zu unterstellen, wie es alle anderen von ihr gegründeten Klöster waren.22

Angesichts dieses Durcheinanders von Visitatoren und Gegenvisitatoren, erhaltenen und annullierten Vollmachten, Nuntien und Gegennuntien kommentiert Teresa in einem Brief: „Es sieht ja nach einer einzigen Komödie aus.“23 Die Situation entspannte sich erst, als 1580 eine eigene Provinz der Unbeschuhten Karmeliten errichtet wurde.24

1.4. Teresa und die Inquisition

Wenn Teresa die fast allgegenwärtige Inquisition auch nicht oft erwähnt, so hat sie in ihrem Leben doch eine große Bedeutung. Allerdings kommt sie so weit, dass sie sich durch sie nicht einschüchtern lässt, sondern ihre Gedanken dennoch zu Papier bringt, und das zu einer Zeit, „als die Opposition gegen das Heilige Offizium nur außerhalb der Reiche der Monarchie möglich, innerhalb aber ungewöhnlich war.“25 Erinnert sei hier an ihre Apologie der Frau in der ersten Fassung des Wegs der Vollkommenheit, wo sie feststellt, dass „die Richter dieser Welt lauter Männer sind“ und „es keine Tugend einer Frau gibt, die sie nicht für verdächtig halten“26, sowie an ihre Verteidigung des inneren Betens, was den Zensor zur Randbemerkung veranlasst: „Das klingt, als würde sie den Inquisitoren vorwerfen, dass sie die Bücher über das innere Beten verbieten.“27 Als alle Angst vor der Inquisition hatten und sie deshalb warnen wollten, „belustigte mich das und brachte es mich zum Lachen, denn in dieser Hinsicht hatte ich nie etwas befürchtet … Ich sagte, dass sie deswegen keine Angst zu haben bräuchten.“28 Es gelingt ihr sogar, sich über die Inquisition ironisch zu äußern,29 was zeigt, dass sie wirklich darüber stand.

Doch bekam sie es auch direkt mit der Inquisition zu tun, noch dazu gerade in den Jahren als sich die Auseinandersetzungen um ihre Person und ihr Werk zuspitzten.

– Teresas Vida bei der Inquisition (1574/75)

1574 tauchte der Name Teresas zum ersten Mal in einem Inquisitionsdokument auf, und zwar im Zusammenhang mit dem Rektor der Universität Baeza, Bernardino Carleval, den sie bei der Gründung des Klosters in Malagón 1568 kennengelernt hatte.30 Da sich um ihn ein Kreis von Beatinnen gebildet hatte, dauerte es nicht lange, bis die Inquisition eingriff, und so wurde Teresa mit hineingezogen. Der mit der Untersuchung beauftragte Beamte Alonso López schickte Ende 1574 einen Bericht an das oberste Inquisitionstribunal in Madrid, wo es von „Teresa de Jesœs, einer Karmelitin aus Ávila“, heißt, „dass sie eine große Dienerin unseres Herrn sei, und dass sie über ihre Offenbarungen ein Buch geschrieben hätte, dass das der hl. Katharina von Siena bei weitem übertreffe, und dass darin von vielen Märtyrern die Rede sei, die es in ihrem Orden geben werde.“31 Damit war Teresas Vida bei der Inquisition aktenkundig geworden.

Etwa um die gleiche Zeit ging bei der Inquisition von Seiten der Prinzessin Éboli, Ana de Mendoza, ebenfalls eine Anzeige wegen der Vida ein. Damit hat sich diese hochadelige Dame dafür gerächt, dass Teresa ihre Schwestern aus Pastrana weggeholt hatte, wo die Prinzessin ein Kloster gestiftet hatte, in dem sie nach dem Tod ihres Mannes zeitweilig lebte. Teresa hatte ihr beim Eintritt ihre Vida gegeben, von der sie seitdem eine Abschrift bei sich hatte.32

So kam es, dass zu Beginn des Jahres 1575 gleich von zwei Seiten gegen Teresas Vida bei der Inquisition in Madrid ermittelt wurde. Mit der Überprüfung dieses Buches wurde Domingo Báæez beauftragt, der am 7.  Juli 1575 ein positives Urteil abgab.33 Selbst der Generalinquisitor, Gaspar de Quiroga, der schon Anfang 1577 über der Vida saß,34 sprach sich lobend über sie aus: „Es freut mich sehr, sie [Teresa] kennenzulernen, da ich mir das schon lange gewünscht habe. Ich habe ihr Buch [die Vida] ganz gelesen; es enthält eine ganz zuverlässige, wahre und nützliche Lehre.“35 Somit ging Teresa aus dieser Gefahr letzten Endes siegreich hervor.

– Anklagen in Sevilla (1575–1579)36

Teresa weilte vom 26. Mai 1575 bis 28. Mai 1576 zur Gründung eines Klosters in Sevilla. Ins Visier der Inquisition geriet sie durch eine Novizin, María del Corro, „eine große Beatin“, wie María de San José (Salazar) berichtet, die schon in der ganzen Stadt als Heilige galt … Nach ihrer eigenen Aussage war sie viel heiliger als in den Augen der Leute.“37 Nach kaum vier Monaten verließ sie das Kloster und zeigte Teresa bei der Inquisition an. Das Tribunal von Sevilla führte in seinem Bericht vom 23. Januar 1576 an den Inquisitionsrat in Madrid folgende Anschuldigungen auf: „…  allem Anschein nach handelt es sich um eine neue, abergläubische Lehre von Betrügereien, ähnlich den Alumbrados in der Extremadura.“38 Außerdem forderte die Inquisition von Sevilla die Vida Teresas an, „da alles oder das meiste, was man Teresa de Jesœs anlastet, darinnen steht.“39 Wieder geht es um Teresas Vida. Auf Befehl der mit der Untersuchung beauftragten Konsultoren hat Teresa in zwei Berichten dazu Stellung genommen.40 Das Urteil hatte sich die oberste Inquisitionsbehörde in Madrid vorbehalten, die schon im Jahr zuvor über sie zu befinden hatte. Aus Anspielungen in einem Brief vom 29. April 1576 an ihre Kusine zweiten Grades María Bautista (de Cepeda y Ocampo) in Valladolid kann man entnehmen, dass das Urteil positiv ausfiel.41

In den folgenden Jahren wurde Teresa zusammen mit Jerónimo Gracián nochmals bei der Inquisition angezeigt, doch stellten sich alle Anschuldigungen als Verleumdungen und Lügen heraus. Am 21. April 1579 konnte sie ihm mitteilen, dass in das Kloster zu Sevilla endlich Ruhe und Frieden eingekehrt sei.42

Auch wenn Teresa alle Anschuldigen und Prozesse letztlich gut überstanden hat, so bedeutete es für sie, jahrelang in Spannung und Ungewissheit zu leben. Aber all das gehörte zum historischen Hintergrund, vor dem sie ihr Hauptwerk Wohnungen der Inneren Burg verfasst hat.

2. Die Entstehung der Inneren Burg

2.1. Vorgeschichte

Am 17. Januar 1577 schrieb Teresa aus Toledo, wo sie aufgrund der Bestimmung des Generalkapitels von Piacenza unter Hausarrest stand, an ihren Bruder Lorenzo: „Dem Bischof schrieb ich mit der Bitte um das Buch,43 denn vielleicht kommt mir in den Sinn, es mit dem zu ergänzen, was mir der Herr danach noch geschenkt hat, denn daraus könnte man ein weiteres und noch dazu großes machen, sofern der Herr wollte, dass es mir gelänge, es zu sagen; und wenn nicht, so verliert man wenig dabei.“44 Offensichtlich war Teresa daran interessiert, ihre Erfahrungen, die sie seit Abschluss ihrer Vida gemacht hatte (1565), auch noch zu Papier zu bringen.

2.2. Die Beauftragung

Lesen wir zunächst, was uns dazu Ana de Jesœs (Lobera) in ihrer Aussage für den Seligsprechungsprozess am 5. Juli 1597 sagt: „Sie schrieb mir oftmals (von Toledo aus) von den großen Gnadengaben, die Gott ihr dort erwies, und dass Seine göttliche Majestät ihr aufgetragen habe, für uns das Buch der Wohnungen zu schreiben, und dass sie so sehr im Gebet und von der Mitteilung dessen, was sie nach dem Willen des Herrn niederschreiben sollte, lebte, dass er ihr sogar eigens den Namen gesagt habe, den sie ihm geben soll.“45 Nach diesem Zeugnis wäre „Seine Göttliche Majestät“ der erste Auftraggeber, wobei man hier natürlich bedenken muss, dass diese innerlichen Ansprachen eine Bestätigung dessen sind, was Teresa selbst will.46

Konkretisiert wird dieser göttliche Auftrag durch die Anordnung zweier berühmter letrados: Der eine ist P. Gracián, der es uns so erzählt: „Als ich ihr Oberer war und in Toledo mit ihr öfter über ihr geistliches Leben sprach, sagte sie mir: ‚O wie gut ist dieser Punkt im Buch meines Lebens beschrieben, das bei der Inquisition ist!‘ Ich sagte zu ihr: ‚Nun, da wir es nicht haben können, strengt Euch an, Euch an das und jenes zu erinnern, und schreibt ein neues Buch, und stellt die Lehre allgemeinverständlich da, ohne zu erwähnen, wem das, was Ihr da sagt, widerfahren ist‘. So trug ich ihr auf, das Buch der Wohnungen zu schreiben; ich sagte ihr noch, um sie noch mehr dazu zu überreden, darüber auch mit dem Doktor Velázquez, bei dem sie ab und zu beichtete, zu reden, und der trug ihr es dann auf“47, und zwar „bestand er mit großem Nachdruck darauf“, wie wir wiederum von Ana de Jesœs (Lobera) wissen, „und trug ihr auf, was sie zu tun hatte, und ließ sie so dieses Buch – Die Wohnungen – schreiben, wie ich gesagt habe.“48 Alonso Velázquez, zukünftiger Bischof von Burgo de Osma und Santiago de Compostela, ist also der zweite letrado, der ihr die Abfassung der Wohnungen aufträgt.

Durch P. Gracián wissen wir auch, wie Teresa auf diesen Auftrag reagierte: „Ich überredete sie mit großem Nachdruck, dass sie das Buch … mit dem Namen Die Wohnungen schriebe. Sie antwortete mir: ‚Warum wollt Ihr, dass ich es schreibe? Sollen doch die letrados schreiben, die studiert haben; ich bin dumm und weiß nicht, was ich sage. Ich schreibe ein Wort nach dem anderen und richte damit Schaden an; es sind doch schon viele Bücher übers Beten geschrieben worden. Lasst mich, um Gottes willen, an meinem Spinnrocken spinnen und dem Chorgebet und den klösterlichen Verpflichtungen folgen, wie die anderen Schwestern, denn ich tauge nicht zum Schreiben, noch habe ich Gesundheit und Verstand dafür‘.“49

Doch ist Teresa so ehrlich, nach Abschluss ihres Werkes zu schreiben: „Auch wenn es, wie ich eingangs sagte, mit Widerwillen geschah, als ich begann, das, was hier steht, niederzuschreiben, hat es mir nach der Fertigstellung große Zufriedenheit gebracht und ich halte die Mühe für gut eingesetzt, auch wenn ich gestehe, dass sie recht gering war“ (M epíl 1).

2.3. Abfassungszeit

Teresa gibt genau an, wann sie damit begonnen und wann sie es beendet hat: „Und so beginne ich heute, am Dreifaltigkeitsfest des Jahres 1577, in diesem Karmelitinnenkloster zum hl. Josef in Toledo, wo ich gegenwärtig bin“, das heißt am 2. Juni 1577 (M pról 3). In Toledo lebte sie, wie wir gesehen haben, seit 23. Juni 1576 unter einer Art Hausarrest. „Es wurde diese Schrift im Jahr 1577, am Vorabend des Andreastages im Kloster San José zu Ávila, zu Gottes Ehre beendet, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen“ (M epíl 5). Das sagt die Autorin im Nachwort. Also vom 2. Juni bis 29. November 1577! Das sind knapp sechs Monate, doch wenn die von ihr erwähnten Unterbrechungen berücksichtigt werden,50 dann ergibt sich eine Abfassungszeit von ungefähr zwei Monaten.

Von den äußeren Umständen her gesehen war es für Teresa eine sehr bewegte und aufregende Zeit. Es sei nur daran erinnert, dass ihr großer Helfer, der Päpstliche Nuntius Nicolás Ormaneto, am 18. Juni 1577 gestorben ist. Aber das hinderte sie nicht, dieses Hauptwerk der christlichen Mystik zu schreiben, womit sich das bewahrheitet, was sie selbst sagt „Man darf das nicht so verstehen, als stünden die Seelenvermögen und Sinne und Leidenschaften beständig in diesem Frieden. Die Seele schon, aber in den anderen Wohnungen gibt es immer wieder Zeiten des Streits, der Prüfungen und Mühen, die allerdings von der Art sind, dass ihr der Friede und ihr Platz nicht mehr weggenommen wird, zumindest im Normalfall“ (7M 2,10). Die Sorgen und Anfechtungen fehlten ihr tatsächlich nicht, aber sie beunruhigten sie nicht mehr derart, dass sie aus ihrer eigentlichen Mitte herausgerissen wurde. So gesehen ist auch diese Schrift ein Stück Autobiographie.51

2.4. Abfassungsmodus

Der außerordentliche Aspekt, der der Entstehung dieses Buches anhaftet, tritt in den Aussagen der Schwestern zu Tage, die das miterlebt haben. So weiß María del Nacimiento (Ortiz) zu berichten: „Als die genannte Mutter Teresa von Jesus das Buch schrieb, das Las Moradas genannt wird, geschah das in Toledo, und so wie es diese Zeugin sah, schrieb sie dieses Buch als sie gerade kommuniziert hatte, und wenn sie schrieb, so geschah das mit großer Geschwindigkeit und mit einer leuchtenden Schönheit im Gesicht, dass sich diese Zeugin darüber verwunderte, und sie war so hineingetaucht in das, was sie schrieb, dass nichts sie störte, auch wenn es um sie herum laut zuging. Daran erkannte diese Zeugin, dass sie bei allem, was sie schrieb, und in der Zeit, die sie damit verbrachte, im Gebet verweilte.“52 In diesem hagiographischen Bericht klingt sicher auch etwas von der Wundersucht des barocken Menschen an, doch auch Teresa sieht das so, wie sie einmal schreibt: „Da ich keine Studien habe, kann ich in meiner Unbeholfenheit nichts ausdrücken. Von dem, was ich bislang über diese Gebetsweise gesagt habe, erkenne ich klar, dass, wenn es in Ordnung ist, nicht ich es gesagt habe“ (6M 4,9). Dieser Überzeugung entspricht es, dass sie sich dem Hl. Geist empfiehlt: „Er möge von nun an durch mich sprechen, damit ich etwas über die noch ausstehenden Wohnungen sagen kann, so dass ihr es versteht“; das sagt sie zu Beginn der Vierten Wohnungen, wo „die übernatürlichen Dinge anfangen“ (4M 1,1). Andererseits fehlt es deshalb auch nicht an der gegenteiligen Erfahrung, so dass sie sagen kann: „Tatsächlich nehme ich das Papier manchmal wie ein Ding ohne Verstand zur Hand und weiß nicht, was ich sagen, noch wo ich beginnen soll“ (1M 2,7).

Und auch wenn P. Gracián ihr aufgetragen hat, alles niederzuschreiben, „ohne zu erwähnen, wem das, was Ihr da sagt, widerfahren ist“, kann man leicht erkennen, dass es sich um sie handelt. Ihre Lehre war ihr Leben und ihre Erfahrung, wie sie das auch einmal in einem Brief bekennt: „Einer der großen Fehler, den ich habe, ist, in diesen Dingen über das innere Beten von mir auszugehen, und daher sollten Euer Gnaden das, was ich dazu sagen sollte, nicht weiter wichtig nehmen, denn Gott wird Ihnen eine ganz andere Begabung geben als so einem Weiblein wie mir.“53 So wird die Innere Burg zu einer ganz besonderen Art von Selbstbiographie.

2.5. Adressaten und Adressatinnen

In erster Linie hat sie natürlich ihre Schwestern vor sich, wie das aus dem Text hervorgeht, der wie eine Überschrift über der ganzen Schrift steht: „Diese Abhandlung, ‚Innere Burg‘ genannt, hat Teresa von Jesus, Schwester Unserer Lieben Frau vom Berg Karmel, für ihre Mitschwestern und Töchter, die Unbeschuhten Karmelitinnen, geschrieben“, denn für sie hatte sie Verantwortung und wollte, dass sie gut verstünden, was ihr Lebensideal und ihr Lebensinhalt war. Im Gegensatz zu den damals vorherrschenden Reformideen, die gut mit dem Namen Rigorismus zusammengefasst werden können, wollte sie ihre Schwestern anlocken und ihnen Geschmack an ihrer neuen Lebensweise vermitteln,54 und zwar, wie es ihrem Erziehungsstil, der suavidad – Sanftheit, entspricht, nicht nur in äußeren Dingen, wie es die kleine, familiäre Gruppe, die gemeinsame Erholung usw. sind, sondern vor allem in der festen Überzeugung, dass Gott in jedem Menschen lebt.55 Bei der Interpretation ihrer Lehre muss man sich das vor Augen halten, um nicht zu falschen Schlussfolgerungen zu kommen.

Dass sie das ernst meint, also wirklich ihre „Mitschwestern und Töchter“ vor Augen hat, ja mit ihnen in einer Art Zwiegespräch steht, wird durch die häufigen Anreden belegt. Nicht weniger als 108-mal wendet sie sich mit unterschiedlichen Anreden an sie: Schwestern (54-mal); meine Schwestern (3-mal); Schwestern von mir (6-mal); O Schwestern (2-mal); O meine Schwestern (2-mal); Töchter (25-mal); Töchter von mir (10-mal); meine Töchter (1-mal); O Töchter (3-mal); O Töchter von mir (1-mal); meine Schwestern und Töchter (1-mal). Am Schluss bestätigt sie das noch und ermuntert sie auf eine ganz persönliche Weise, in diese Burg einzutreten, so als wollte sie sagen: Für euch ist sie geschrieben! „In Anbetracht der strengen Abgeschlossenheit und der wenigen Dinge, die ihr zur Unterhaltung habt, meine Schwestern, und der nicht ausreichenden Baulichkeiten, wie sie in einigen eurer Klöster angebracht wären, ist es für euch nach meinem Dafürhalten ein Trost, euch an dieser inneren Burg zu erfreuen, da ihr ohne Erlaubnis der Oberinnen in sie eintreten und jederzeit in ihr herumspazieren könnt“ (M epíl 1). Das entspricht auch der Intention dessen, der ihr den Auftrag zum Schreiben gegeben hat, denn er ist überzeugt, „dass Frauen die Sprache anderer Frauen besser verstünden, und ihnen das, was ich ihnen sagte, bei der Liebe, die sie für mich hegen, mehr bringen würde. Und deshalb werde ich bei dem, was ich schreiben werde, immer wieder sie ansprechen, und wenn auch nur die eine oder andere von ihnen dadurch vorankäme und unseren Herrn ein wenig mehr lobte, so wird er mir damit viel Erbarmen erweisen“ (M pról 4).

Das ist also ihre Hauptabsicht, doch deutet sie an, dass sie auch andere Menschen nicht ausschließt, wenn sie fortfährt: „Denn zu meinen, es könnte auch anderen Personen etwas bringen, scheint eher abwegig zu sein“ (M pról 4). In den Ersten Wohnungen schreibt sie dann: „Und doch ist es sehr wichtig, um in die Zweiten Wohnungen eintreten zu können, sich zu bemühen, von unnötigen Dingen und Geschäften abzulassen, jeder so, wie es seinem Lebensstand entspricht“ (1M 2,14).56 Hier wie an etlichen weiteren Stellen wird deutlich, dass Teresa durchaus der Meinung war, der von ihr beschriebene geistliche Weg sei nicht nur etwas für Ordensleute, sondern für jeden geistlich suchenden Menschen.

2.6. Autograph und Druckausgaben57

Die Innere Burg ist vollständig in der Originalhandschrift Teresas erhalten; zusammen mit dem von Juan de la Miseria gemalten Porträt Teresas wird diese Kostbarkeit im Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen zu Sevilla aufbewahrt. Sie umfasst 113 Blätter im Format 31 x 21 cm und ist von Teresa mit römischen Ziffern paginiert worden, P. Gracián hat die Seiten mit 224 arabischen Ziffern durchnummeriert. Ursprünglich hat die Autorin den Text nicht unterteilt, sondern erst in einem zweiten Durchgang auf dem dafür freigelassenen Platz die entsprechenden Wohnungen angegeben. Die von ihr verfassten Titel befanden sich auf gesonderten Blättern, die aber heute verloren sind.

Angesichts der Bedeutung dieser Schrift Teresas sei kurz auf das weitere Schicksal der kostbaren Handschrift verwiesen. Zwischen dem 13. Juni und 6. Juli 1580 fand im Karmelitinnenkloster Segovia eine theologische Begutachtung statt, an der außer der Autorin Jerónimo Gracián, der Dominikaner Diego de Yanguas58 und der Beschuhte Karmelit Ángel de Salazar, damals Generalvikar für die Unbeschuhten Schwestern und Brüder in Spanien, teilnahmen. Gracián brachte in Absprache mit Yanguas Veränderungen und Streichungen an, „nicht weil es keine gute Lehre wäre, im Gegenteil, sie ist erhaben, aber für viele schwer verständlich“, wie er sagt.59

Gegen Ende seiner Amtszeit als Provinzial 1585 gab er das Manuskript einem vornehmen Adeligen und außerordentlichen Wohltäter der Schwestern und Brüder in Sevilla, Pedro Cerezo Pardo. Seine Tochter brachte die wertvolle Schrift Teresas schließlich mit in den Karmel von Sevilla, als sie dort am 6.  Oktober 1618 Profess machte. Dort wird sie bis heute aufbewahrt.

Abschriften von der Inneren Burg gibt es sechs, darunter eine, die schon hergestellt wurde, während Teresa noch an der Schrift arbeitete, und von ihr selbst mit Korrekturen versehen wurde. Vier befinden sich in der Nationalbibliothek in Madrid, und je eine bei den Karmelitinnen in Córdoba und in der Stadtbibliothek von Salamanca.

Im Druck erschienen die Wohnungen der Inneren Burg zum ersten Mal in der von Luis de León 1588 in Salamanca besorgten Erstausgabe der Bücher der Madre Teresa de Jesœs; auf Deutsch kamen sie bereits 1649 in der ersten Gesamtausgabe der Werke Teresas heraus.60

3. Die Inspiration für die Innere Burg

Die Burg, die beiden Brunnenbecken in den Vierten Wohnungen, ab den Fünften Wohnungen das Bild von der Seidenraupe, die sich in einen Falter oder Schmetterling verwandelt, und schließlich ab den Sechsten Wohnungen das Brautsymbol sind die wichtigsten Bilder, die Teresa benutzt.

3.1. Die herkömmliche Deutung

Ohne die Bibel und andere christliche und auch nichtchristliche Quellen auszuschließen, erklärt T. Álvarez die Herkunft dieser Symbole so: „Sie haben einen existentiell autobiographischen Ursprung. Teresa hat sich selbst als eine Burg oder einen bewohnten Palast erlebt. In den letzten Abschnitten ihres geistlichen Lebens hat sie die intensive Brauterfahrung einer transzendenten Liebe gemacht. Sie hat die Umwandlung ihres Wesenskerns wie die eines armen ‚dicken und hässlichen‘ Wurms verspürt, der zu einem fliegenden und freien Schmetterling wird und fähig ist, ohne Bodenhaftung zu leben. Sie hat die Mühsal ihrer inneren Anspannung als lebensspendendes Wasser empfunden.“61

Auf dieser Linie liegt auch J. V. Rodríguez, der T. Álvarez zitiert: „Die Innere Burg ist eine reife Frucht einer langsamen und tiefen inneren Erarbeitung oder Austragung, zu der zwei Arten von Faktoren beigetragen haben oder in ihr zusammengeflossen sind, nämlich die mystische Erfahrung und die Lehre.“62 Ähnlich sieht das auch M. Herráiz: „Sie brauchte nicht lange nachzudenken, so dass der Vergleich mit der Burg als Hilfsmittel geradezu aus ihrer Feder floss, um ‚etwas von den Gnadengaben verständlich zu machen‘ (1M 1,3), die Gott erweist.“63

Das ist nicht unwahr, doch berücksichtigt es nur eine Erklärungsebene. Es ist keine Frage, dass Teresa, die viel gelesen hatte und in regem Austausch mit den spirituellen Kreisen ihrer Zeit stand, aus mehreren geistlichen und literarischen Traditionen schöpft. Gewiss geht es auf persönliches, existentielles Erleben zurück, dass sie sich von bestimmten Bildern besonders angesprochen fühlt, doch greift ihre Bildsprache nachweislich verbreitete Topoi der christlichen und sogar der islamischen geistlichen Literatur und archetypische Bilder auf. Die Brautsymbolik, die nicht zuletzt auf das biblische Hohelied zurückgeht, hat in der abendländischen geistlichen Literatur bereits seit den Kirchenvätern einen festen Platz; auch die Seidenraupenallegorie findet man bereits vor Teresa, etwa bei Francisco de Osuna, wenn auch nicht in dieser Ausführlichkeit.64 Am komplexesten und interessantesten ist die Quellenlage jedoch bei dem Symbol, das Teresa als Ausgangspunkt für ihre ganze Schrift wählt: der „Burg“ als Bild für die Seele bzw. den Menschen.

3.2. Das Bild von der Burg im christlichen Kulturkreis

Teresa führt das Bild von der Burg mit den Worten ein se me ofreció – es bot sich mir an (1M 1,1), was den Ursprung offen lässt,65 d. h. neben der herkömmlichen Deutung ist es selbst nach Teresas Aussage nicht unzulässig, auch über weitere Inspirationsquellen nachzudenken.

Luce López-Baralt bietet einen interessanten Überblick über die Verwendung des Bildes von der Burg:66 Carl Gustav Jung und Mircea Eliade weisen auf die Universalität dieses Bildes hin, was jedoch im Hinblick auf Teresa kaum weiterhilft.67 Gaston Etchegoyen hat bereits 1923 Francisco de Osuna und Bernardino de Laredo als Hauptquellen für das Bild der Burg genannt,68 doch ist es in der spirituellen Theologie viel älter. Bernhard von Clairvaux sieht seinen Orden als eine Burg, Robert Grosseteste69 nennt in seiner Schrift Château d’Amour den Schoß der Jungfrau Maria eine innere Burg, die Jesus aufnimmt, Meister Eckhart lässt sich von Lk 10,38 inspirieren, wo es heißt: Intravit Jesus in quoddam castellum.70 Auch bei portugiesischen Schriftstellern finden wir das Bild, wie bei Antonius von Padua und anderen.71

Ramón Menéndez Pidal, gestorben 1968, schlägt die von Teresa in ihrer Jugendzeit so sehr geschätzten Ritterromane als mögliche Inspirationsquelle vor. Dabei handelt es sich zwar durchaus um verzauberte Schlösser aus Gold und Silber, aber eben nicht nach Art von sieben konzentrischen, ineinander liegenden Burgen, in deren innerster Mitte sich dann die Gotteinung vollzieht.72

Manche Autoren verweisen auf die gewaltigen und einmaligen Mauern der Heimatstadt Teresas, die wie eine mauerbewehrte Burg dasteht und Teresa auf die Idee gebracht hätte, „unsere Seele als eine gänzlich aus einem einzigen Diamanten oder sehr klaren Kristall bestehende Burg zu betrachten, in der es viele Gemächer gibt, so wie es im Himmel viele Wohnungen gibt“ (1M 1,1). So schreibt der berühmte spanische Philosoph und Denker Miguel de Unamuno bereits um 1900 mehr als einmal: „Beim Lesen der Wohnungen der hl. Teresa kommt dem, der in Ávila gewesen ist, in den Sinn, dass der Heiligen all das mit den Burgen der Seele durch nichts anderes eingefallen sein kann als durch den bezaubernden Anblick ihrer Heimatstadt.‘“73 Ähnlich auch Robert Ricard.74 E. W. Trueman Dicken schlägt das Castillo de la Mota in Medina del Campo als Inspirationsquelle vor.75 Doch kann keines dieser Forschungsergebnisse so recht befriedigen. Mit Recht resümiert der bekannte englische Hispanist E. Allison Peers: „Es gab keinen Schriftsteller, bei dem sich das Studium der ‚Quellen‘ als so wenig ertragreich erwies.“76

Ein anderer Versuch, die Inspirationsquelle für Teresas Innere Burg aufzuzeigen, ist deren Kontextualisierung in der geistlichen Kosmogonie aristotelischen Ursprungs,77 wozu vor allem die zweimalige Erwähnung des cielo empíreo Anlass gibt. Tatsächlich schreibt Teresa: „So ist es auch hier, wenn die Seele mit Gott so eins geworden ist, sobald sie in dieses Himmelsgemach, das Empyreum, versetzt ist“78, womit der Siebte Himmel gemeint ist. Demnach wäre die Seele des Menschen das individuelle Gegenstück zu jener himmlischen siebenfachen „Burg“ – eine Vorstellung, die wir auch bei Johannes vom Kreuz finden.79

Die beiden Heiligen stehen mit dieser kosmologischen Deutung in einer sowohl im Osten als auch im Westen verbreiteten Tradition, die bereits bei Aristoteles grundgelegt ist.80 Dieses Symbol wurde grundlegend für den geistlichen Weg des Menschen überhaupt. Sowohl im Koran als auch in der jüdischen Tradition,81 aber auch bei Pseudo-Dionysius Areopagita (um 500) finden wir das Bild von den konzentrischen Kreisen; auch Dante Alighieri82 hat sich in seiner Divina Commedia seiner bedient. „Alle diese unter sich so unterschiedlichen Traditionen sehen vor, dass der Urmensch, dessen gottentsprungene Natur in einen sterblichen Leib eingefangen ist, die konzentrischen Kreise des Universums symbolisch hinaufschreiten muss, um die Wiedervereinigung mit der Gottheit zu erreichen.“83 Das Bild von der „makro- und mikrokosmischen Mystik“, d. h. dass der Mensch als irdenes Gefäß alle Sphären des Universums in sich enthält, ist demnach ein sowohl in der islamischen als auch in der christlichen Tradition weit verbreitetes Bild.

Doch ist damit Teresas Innere Burg erklärt? Luce López-Baralt warnt zur Vorsicht und wiederholt auch in Bezug auf diese möglichen Quellen die Feststellung von Allison Peers: „Es gab keinen Schriftsteller, bei dem sich das Studium der ‚Quellen‘ als so wenig ertragreich erwies.“

3.3. Die sieben Burgen im Islam

In der spanischen Literaturgeschichte war Miguel Asín Palacios der erste, der zwischen dem Bild von der Burg bei Teresa und in der islamischen Mystik fundamentale Übereinstimmungen feststellte.84 Dabei stützte er sich allerdings auf Texte, die erst am Ende des 16. Jahrhunderts, also zeitgleich mit Teresa oder sogar erst nach ihr entstanden sind. Sein Argument war, dass dieser Text wohl der Höhepunkt einer entsprechend langen Entwicklung sei, die dieses Bild in der islamischen Mystik durchgemacht hat.

Der Durchbruch bei dieser literarhistorischen Forschung gelang 1981 der Hispanistin und Arabistin Luce López-Baralt aus Puerto Rico mit der Entdeckung der Schrift Maqaflmaflt al-quluflb – Wohnungen der Herzen von Abufl-l- Hasan al-Nuflrgfl, um 840 in Bagdad geboren.85 Aufgrund weiterer von ihr nachgewiesener Texte kommt sie zum Schluss: „Teresas Schema von den sieben konzentrischen Burgen können wir mit zwei Beispielen aus dem 9., einem aus dem 14.86 und einem aus dem 16. Jahrhundert dokumentarisch nachweisen, womit wir es ohne Zweifel mit einem im Islam häufig vorkommenden Bild zu tun haben.“87 Bei zwei weiteren – Dschalaflluddgfln Ruflmgfl aus dem 13. und Sadr al-Dgfln Schgflraflzgfl, der unter dem Namen Mullafl Sadrafl bekannt geworden ist, aus dem 16. Jahrhundert – gibt es Anspielungen darauf.88 Teresa hat also das einprägsame Bild von der Inneren Burg nicht erfunden, wiewohl bis ins Einzelne ausgearbeitet, christianisiert und ihren Zwecken angepasst.

Luce López-Baralt spricht von einem Klischee, weil es in der muslimischen Mystik so verbreitet war.