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Stéphane Allix

Das Experiment

Ein Skeptiker auf der Suche nach Beweisen für ein Leben nach dem Tod

Die französische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »Le test« bei Éditions Albin Michel in Paris, Frankreich.

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Deutsche Erstausgabe Juni 2019

© 2019 Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Originalausgabe: © Éditions Albin Michael – Paris 2015

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur GmbH, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Lektorat: Nadine Lipp, Berlin

JG ∙ Herstellung: cb

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-23501-7
V001

www.goldmann-verlag.de

»Nichts ist göttlicher,
als der schöne Tod eines geliebten Menschen.«

Mischka

Inhalt

Einführung

Henry

Dominique

Christelle

Pierre

Loan

Florence

Nachwort

ANHANG

Tod, Trauerprozess und Medialität

Praxisorientiertes Gespräch
mit Dr. Christophe Fauré

Ratschläge für eine gelungene mediale Sitzung

Dank

Einführung

Als mein Vater gestorben ist, habe ich fünf Gegenstände in seinen Sarg gelegt. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Dann habe ich Medien befragt, die behaupten, mit den Toten kommunizieren zu können.

Werden sie herausfinden, um welche Gegenstände es sich handelt?

Das ist das Experiment.

Mein Vater, Jean-Pierre Allix, ist am 16. Juni 2013 im Alter von fünfundachtzig Jahren verstorben. Er war ein wunderbarer Vater, ich habe ihn geliebt, und ich liebe ihn immer noch. Er hat mich gelehrt, ein Mann zu sein, für den Aufrichtigkeit und Ehrgefühl über alles gehen. Er hat mich dazu angeregt, ein Mensch zu werden, der sich selbst und auch anderen gegenüber anspruchsvoll ist und der stolz auf seine Herkunft ist. Er hat mir beigebracht neugierig zu sein, meinen Verstand zu nutzen, aber auch zuzuhören, ohne voreilig zu urteilen. Er hat mir an seinem Beispiel gezeigt, dass das Leben erstaunlich ist, und dass eben diese Fähigkeit zu staunen, wie alt auch immer man ist, einen vor der Verzweiflung bewahrt. Er hat mir gezeigt, wie man sieht, liest, versteht und sucht. Ich habe durch ihn Tolstoi, Flaubert oder Stendhal entdeckt, und er hat mir eingetrichtert, wie wichtig es ist, Sätze zu bilden, die etwas aussagen, aber auch angenehm zu lesen sind. »Ein Text ist wie Musik«, sagte er.

Wenn Sie weiterlesen, werden Sie besser verstehen, warum ich glaube, dass mein Vater weit mehr ist, als nur eine Testperson für ein besonderes Experiment – sechs Medien habe ich diesem Test unterzogen, zwei Männer und vier Frauen. Er ist mein Partner, die unsichtbare, aber zentrale Figur dieses Buches, an dem er manchmal mühevoll, oft emotional und manchmal sogar mit Humor mitgewirkt hat.

Zu seinen Lebzeiten haben wir öfter über den Tod gesprochen – bei einem Unfall in Afghanistan habe ich 2001 einen Bruder und er einen Sohn verloren –, das Thema war also allgegenwärtig in unserer Familie. Mein Vater und ich hatten besprochen, wie interessant der Versuch wäre, nach seinem Ableben die Frage nach dem Danach gemeinsam zu erforschen.

Als ich mich am Tag der Beisetzung, einige Minuten bevor der Sarg geschlossen und versiegelt wurde, allein in der Aufbahrungshalle befand, habe ich vier Gegenstände und einen Briefumschlag mit einer Nachricht hineingelegt, verborgen unter dem Stoff, der seinen Leichnam bedeckte. Von diesem Augenblick an, und bis der Sarg geschlossen wurde, bin ich in seiner Nähe geblieben und habe sichergestellt, dass niemand die Gegenstände neben seinem Körper sehen konnte. Ich habe die absolute Gewissheit, dass ich bis heute die einzige Person bin, die von diesen Gegenständen im Sarg weiß.

An jenem Samstagmorgen des 22. Juni 2013 habe ich Folgendes zu meinem Vater gelegt:

– einen langen dünnen Pinsel

– eine Tube weiße Acrylfarbe

– seinen Kompass

– ein Taschenbuch von Dino Buzzati, Die Tatarenwüste, eines seiner Lieblingsbücher

– ein Blatt Papier in einem naturweißen Umschlag, auf das ich ein paar Worte geschrieben hatte.

Ich habe daran gedacht, jeden Gegenstand zu fotografieren, kurz bevor ich ihn in den Sarg gelegt habe. Dann habe ich mich an meinen Vater gerichtet, wobei ich ihn nicht direkt angesehen habe, sondern eher die Leere über seinem Körper. Ich habe ihm erklärt, was ich mache und dass es nun seine Aufgabe ist, den Medien zu sagen, um welche Gegenstände es sich handelt. Etwas mehr als ein Jahr später habe ich mehreren Medien vorgeschlagen, an einem kleinen Experiment teilzunehmen, über das ich nichts Genaues gesagt habe …

Wissenschaft und Medialität

Kann man wirklich mit den Toten sprechen? Viele behaupten es und machen daraus sogar ihren Beruf. Und einige von ihnen sind keine Scharlatane. Wer sind sie also? Das Ziel dieses Experiments ist es, sechs angesehene Medien auf die Probe zu stellen, die sich durch ihre Seriosität, ihre Ehrlichkeit und natürlich ihre Kompetenz auszeichnen.

In Frankreich gibt es mehr Personen, als man denken würde, die diese Fähigkeit, mit dem Jenseits zu kommunizieren, als Beruf gewählt haben. Tausende Menschen suchen sie auf, wenige sprechen darüber. Worum geht es bei Medialität genau? Was gilt es zu untersuchen? Sind diese Fähigkeiten real? Handelt es sich um ein gesellschaftliches Phänomen, das man auf eine Art Hochstapelei reduzieren könnte, für manche Medien unbewusst, aber für einige Betrüger ganz und gar bewusst? Hat man es mit einer Art kollektiver Illusion zu tun? Einer Form von Autosuggestion von Personen, die unfähig sind, den Verlust eines geliebten Menschen zu bewältigen? Oder handelt es sich um reale Verbindungen mit dem Jenseits? Ist es für jene, die diese Verbindungen herstellen können, eine Gabe oder ein Fluch? Eine Berufung oder ein Hirngespinst? Anhand der sechs Begegnungen, die ich Ihnen beschreiben werde, und der sechs Sitzungen, an denen Sie teilnehmen werden, versuche ich, gewissenhaft und objektiv auf alle diese Fragen zu antworten.

Medien behaupten, dass die Verstorbenen neben ihnen anwesend sind – sie sehen sie, spüren sie, sprechen mit ihnen –, und sie erhalten Informationen, weil die Verstorbenen mit ihnen reden! Sie werden feststellen, dass die Ergebnisse des Experiments die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme bekräftigen: Ein Teil unserer Persönlichkeit oder unserer Identität bleibt nach dem physischen Tod in einer Form bestehen, die fähig ist, mit einem Medium zu kommunizieren.

Das Leben nach dem Tod ist heute eine rationale Annahme. Und es sind wissenschaftliche Forschungen über Medialität, die es ermöglichen, dies zu bestätigen.

Ein Medium ist eine Person, die sich mit einem oder mehreren Verstorbenen verbindet und so Informationen – manchmal intime – über einen Menschen erhält, dem sie nie zuvor begegnet ist. Und das ist in der Tat einer der geheimnisvollsten Aspekte der Medialität, denn bis heute gibt es keine konventionelle Erklärung, wie so etwas möglich sein kann.

Wenn das Medium einem Klienten gegenübersitzt, den es nicht kennt und für gewöhnlich zum ersten Mal sieht, ist es fähig, ihm eine mehr oder weniger umfangreiche Anzahl an faktischen Informationen zu übermitteln, die es offenbar von verstorbenen Personen empfängt. Die Frage ist: Woher kommen diese Informationen? Es gibt seit mehreren Jahrzehnten Forschungen zu diesem Thema, insbesondere von Wissenschaftlern wie Gary E. Schwartz1 oder in jüngster Zeit Julie Beischel2 vom Windbridge Institute. Diese Forschungen bestehen darin, die Art der Informationen zu untersuchen, die Medien während strengstens kontrollierter Versuche erhalten können.

Die gängigen Möglichkeiten, Informationen über eine Person zu erhalten, die man nicht kennt, sind in erster Linie Betrug oder Täuschung: Das Medium könnte im Vorfeld Informationen über den Klienten oder den Verstorbenen erlangt haben. Die Wissenschaftlerin Julie Beischel erklärt, dass ihr Forschungsprotokoll diese Möglichkeit ausschließt, da das Medium während der gesamten Dauer des Experimentes nur den Vornamen der verstorbenen Person kennt. Eine weitere konventionelle Erklärung, sagt sie, sei das Cold Reading, wenn das Medium visuelle oder auditive Hinweise verwendet, die es beim Klienten wahrnimmt, um dann Informationen zu offenbaren, die auf ihn zutreffen. Das nennt man auch Mentalismus. Um dies bei Julie Beischels Experimenten zu verhindern, befindet sich die Person, die die Rolle des Klienten spielt, nicht in demselben Raum wie das Medium. Und die Person, die das Experiment leitet, weiß nichts über den Klienten oder in Betracht kommende Verstorbene. Letzte mögliche Erklärung: Die Information, die das Medium übermittelt, kann so allgemein sein, dass sie auf jeden zutrifft. Um diese letzte Möglichkeit auszuschließen, bittet Julie Beischel das Medium auf vier spezifische Fragen über den Verstorbenen zu antworten: Beschreibung des Aussehens, der Persönlichkeit, Hobbys oder Tätigkeitsbereiche und Todesursache.

Die Ergebnisse, die im Laufe der zahlreichen aufeinanderfolgenden Experimente erhalten wurden, schließen die üblichen Erklärungen wie Betrug, richtungweisende Befragungen oder Suggestion definitiv aus. Mit diesen Versuchsprotokollen haben Forscher wie Julie Beischel oder Gary Schwartz sämtliche konventionelle Erklärungen ausgeschaltet.

Wie erhalten Medien also Informationen über die Lebenden und Verstorbenen, über die sie nichts wissen? Die Forscher stehen vor zwei Hypothesen, um die erzielten Ergebnisse zu erklären: Entweder die Medien kommunizieren tatsächlich mit den Verstorbenen, oder es handelt sich um eine Form von Telepathie, und diese Erklärung ist an sich bereits außergewöhnlich. In letzterem Fall wäre das Medium fähig, die Gedanken des Menschen, der ihn aufgesucht hat, zu lesen. Das Medium würde also nicht mit einem Geist reden, sondern die Informationen aus dem Kopf seines Gegenübers pflücken, das diese Informationen kennt.

Allerdings hat sich erwiesen, dass diese Form der Telepathie eine passive Handlung darstellt: In diesem Fall empfängt das Medium Bilder, sogenannte Flashs, doch die Medien erzählen von interaktiven Gesprächen bei der Kommunikation mit Verstorbenen. Und was noch entscheidender ist: In vielen Fällen sind die Informationen, die vom Medium überliefert werden, dem Tester, der im Versuch als Klient fungiert, unbekannt. Gary Schwartz erläutert das folgendermaßen: »Oft melden sich Verstorbene, die der Tester zwar kennt, aber nicht erwartet hat. Dann wieder bekommen wir Informationen, die der Tester als falsch bezeichnet oder die ihm nicht bekannt sind, und später stellen sie sich als richtig heraus.«

Das ist ein faszinierender Faktor, denn eine telepathische Übertragung könnte niemals den Gedanken des Klienten widersprechen, an den sich das Medium ja »angezapft« hat. Julie Beischel weist außerdem darauf hin, dass zahlreiche Medien mit telepathischen Praktiken vertraut sind. Sie können, so sagen sie, problemlos zwischen Telepathie und Kommunikation mit Verstorbenen unterscheiden: Die Empfindung, die mit der jeweiligen Situation einhergeht, ist anders. Darüber hinaus haben sie seit der Kindheit Erfahrungen damit gemacht. Das werden wir noch genauer ergründen.

Für Julie Beischel kommt die wissenschaftliche Annäherung an Medialität zu dem Ergebnis, dass »das abnorme Empfangen von Informationen eine Tatsache ist, wir aber nicht bestimmen können, wie es entsteht. Die Daten bekräftigen die Hypothese eines Überlebens des Bewusstseins, eines Lebens nach dem Tod. Ein Teil unserer Persönlichkeit oder Identität bleibt über den physischen Tod hinaus bestehen, in einem Zustand, der es möglich macht, mit einem Medium zu kommunizieren. Die Daten sprechen ebenfalls für andere Hypothesen, die keinerlei Zusammenhang mit dem Überleben des Bewusstseins haben: Hellsichtigkeit, Telepathie oder Präkognition könnten es den Medien ermöglichen, Informationen zu erhalten, ohne mit Verstorbenen zu kommunizieren. Doch nach Auswerten der Daten unserer medialen Experimente tendieren wir dazu zu glauben, dass das Überleben des Bewusstseins die wahrscheinlichste Erklärung ist.«

Aufgrund dieser durchgeführten Forschungen und jener, die ich selbst während der letzten Jahre angestellt habe,3 ist meiner Meinung nach das Leben nach dem Tod weit mehr als eine stichhaltige Hypothese. Ich recherchiere nun seit über zehn Jahren in der ganzen Welt und bin dabei Wissenschaftlern, Ärzten, Männern, Frauen und Kindern begegnet, die unglaubliche Erfahrungen mit Verstorbenen gemacht haben. Seit Jahren habe ich im Zusammenhang mit meiner Arbeit Kontakt zu Medien. Immer bin ich in meiner strikten und objektiven Funktion als Journalist geblieben. Und genau diese Haltung führt mich heute dazu, das Offensichtliche zu erkennen: Der Tod ist nicht das Ende des Lebens.

Mit diesem Buch möchte auch ich unanfechtbare Ergebnisse zu dieser Debatte beisteuern, die Sie auf den nächsten Seiten entdecken werden. Aber ich wollte nicht nur einfach beweisen, dass das Leben nach dem Tod weitergeht, sondern auch erforschen, wie diese Kommunikation zwischen zwei Welten zustande kommt. Zwischen den Lebenden und den Toten. Ich habe die Medien unermüdlich befragt: Was wird aus uns, nachdem der Körper zu Staub geworden ist? Was passiert mit uns als Individuum nach dem Tod? Man fährt fort zu sein, davon bin ich heute überzeugt, ich wiederhole es. Aber was zu sein? Genau dieselbe Person, die man im Erdenleben war? Oder entwickelt sich unsere Individualität? Was passiert in den ersten Wochen nach unserem Ableben? Wohin kommen wir? Wem begegnen wir?

Wer ist das Wesen, das mein Vater nach seinem Tod geworden ist und das mit mir kommuniziert hat?

Ich lade Sie ein mitzuerleben, was ich in monatelangen Nachforschungen erkennen durfte. Es ist atemberaubend. Jedes der sechs folgenden Kapitel widmet sich dem Porträt eines Mediums und beinhaltet die entsprechende vollständige Test-Sitzung. Noch nie bin ich in Gesprächen so weit vorgestoßen. Sie werfen ein unvergleichliches Licht auf das Ende des Lebens, den Tod, das Leben danach und die Kommunikation mit den Verstorbenen. Im Anhang erläutert der in Sterbebegleitung spezialisierte Psychiater Christophe Fauré die Besonderheiten des Trauerprozesses und gibt uns einige Ratschläge rund um den Tod und die Medialität.

Dieses Buch zu schreiben hat mein Leben verändert. Vielleicht wird es auch das Ihre verändern.


1 Gary E. Schwartz: The Afterlife Experiments, Atria Books 2002.

2 Julie Beischel: Among Mediums. A Scientist’s Quest for Answers, Windbridge Institute, LLC 2013.

3 Stéphane Allix: La mort n’est pas une terre étrangère, Albin Michel 2011, J’ai lu 2014; Enquêtes extraordinaires, Staffel 1 und 2, Les signes de l’au-delà und Ils communiquent avec les morts, Dokumentarfilme in Zusammenarbeit mit Natacha Calestrémé, DVD, Ed. Montparnasse 2011 und 2014.