Inhalt
Kapitel 1 Bunte Blätter
Kapitel 2 Wie vom Erdboden verschluckt
Kapitel 3 Verdeckte Ermittlungen
Kapitel 4 Sprachprobleme
Kapitel 5 Umweltaktivisten halten zusammen!
Kapitel 6 Leuchtende Augen
Kapitel 7 Allererste Soja-Sahne
Kapitel 8 Alles nur Theater?
Kapitel 9 Des Rätsels Lösung?
Kapitel 10 Die Verwandlung
Kapitel 11 Die Party beginnt
Kapitel 12 Die Earth Görlz schlagen zu
Extra Mister Marples hamsterstarke Tipps zum Verstehen von Tieren
»Verstehen heißt mit dem Herzen hellsehen.«
Victor Hugo
Bunte Blätter
»Ich hab mal gelesen, dass sich auf der Schale von Wassermelonen Bakterien befinden können, die Krankheiten verursachen.«
»Oh Mann, Theo! Und ich hab mal gelesen, dass man von zu viel Nachdenken Kopfschmerzen bekommen kann!«, sagte Elsa und schob sich ein riesiges Stück Melone in den Mund. »Es gab sogar schon mal jemanden, der so viel nachgedacht hat, dass sein Kopf geplatzt ist!«
»So ein Quatsch!«, entgegnete ich. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass Elsa recht hatte. Ich machte mir einfach zu viele Gedanken.
Wir saßen in unserer Zentrale für tierische Angelegenheiten, die sich auf dem Dach des alten Schuppens in Elsas Garten befand. Die Sonne knallte und es gab bei diesem Wetter eigentlich nichts Besseres als ein saftiges Stück Wassermelone! Deshalb schob ich die Gedanken an irgendwelche Keime auch ganz schnell beiseite und biss herzhaft hinein.
Mein Hamster Mister Marple steckte seinen kleinen Kopf aus der Tasche meiner gelben Warnweste, die ich immer trug, wenn ich unser Haus verließ.
»Ich glaube, er will auch was abhaben«, sagte Elsa und hielt ihm lächelnd ein Stück der Frucht vor die Nase. Geschickt stopfte sich Mister Marple die Melone in die Backe und verzog sich wieder in meine Tasche.
Ich lehnte mich auf meinem Klappstuhl zurück und genoss die Sonne, die an einigen Stellen durch das dichte Blätterdach unserer Zentrale in mein Gesicht schien. Als ich meine Augen schloss, sah ich kleine, bunte Punkte in der Dunkelheit flimmern. Je fester ich die Augen zusammenkniff, umso mehr funkelte es. Woher diese kleinen Glühdinger wohl kamen? Krabbelten die etwa an der Innenseite meiner Augenlider entlang und fingen immer dann an zu leuchten, wenn es ihnen zu dunkel wurde? Sofort schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Was, wenn diese Punkte nicht nur unter meinen Augenlidern saßen, sondern meinen ganzen Körper besiedelten? Vielleicht war es in mir drin gar nicht so stockdunkel, wie ich vermutete, sondern es glitzerte und blinkte wie in einer Einhorn-Disko.
»Erde an Theo!«, holte mich Elsa aus meinen Gedanken. Vor Schreck riss ich meine Augen auf und ein Sonnenstrahl blendete mich so sehr, dass ich die Augen sofort wieder zukneifen musste.
»In welchen fernen Welten bist du mit deinen Gedanken gerade unterwegs?«, fragte sie und reichte mir noch ein Stück Wassermelone.
Elsa erwartete natürlich keine Antwort. Sie wusste, dass meine Fantasie manchmal mit mir durchging und ich dann für einen Moment nicht bei der Sache war.
»Ich finde, es wird höchste Zeit, dass wir mal wieder einen ordentlichen Fall vor die Nase bekommen«, sagte sie stattdessen und wischte sich den roten Melonensaft von der Backe.
Elsa hatte recht. Unser letzter Fall lag schon Ewigkeiten zurück. Als Schnüfflerbande hatten sich Elsa und ich zusammen mit meinem Hamster Mister Marple auf Kriminalfälle spezialisiert, die irgendetwas mit Tieren zu tun hatten. Mein Hamster verfügte nämlich über außergewöhnliche Fähigkeiten und er verstand tatsächlich jedes Wort! Das hatte ich vor einiger Zeit herausgefunden.
Seinen Namen hatte Mister Marple übrigens meiner Lieblings-Detektivin zu verdanken. Ich liebte nämlich Detektivgeschichten – vor allem die von Miss Marple. Da mein Hamster ein Männchen war, hatte ich aus der Miss einfach einen Mister gemacht.
Damals konnte ich jedoch noch nicht ahnen, dass er tatsächlich einmal dabei helfen würde, echte Kriminalfälle zu lösen. Einen besseren Namen hätte ich mir daher nicht für ihn einfallen lassen können. In unserem Team war er vor allem für die schwierigen Sondereinsatzkommandos zuständig.
»Oh, das muss der Zeitungsbote sein!«, jubelte Elsa, als ein grässliches Quietschen von der Straße bis zum Schuppendach hochdrang.
»Wieso quietscht der denn so?«, fragte ich und stellte mir einen Mann vor, der so alt war, dass seine Gelenke ächzten und knarzten, während er Zeitungen austeilte.
»Doch nicht der Zeitungsbote! Unser alter Briefkasten macht so einen Lärm«, prustete Elsa los und wäre vor lauter Lachen fast vom Stuhl gefallen.
Das machte natürlich deutlich mehr Sinn. Vor allem, wenn man Elsas Haus kannte.
Man konnte es durchaus als Bruchbude bezeichnen und der Garten war der reinste Urwald. Dass der rostige Briefkasten an der Haustür solche Töne von sich gab, war eigentlich kein Wunder.
Von meinem Liegestuhl aus beobachtete ich, wie Elsa in einem Affenzahn vom Schuppendach kletterte, durch den Garten sprintete und schließlich hinter dem Haus verschwand. Da ich selbst unter Höhenangst litt, brauchte ich zum Auf- und Absteigen deutlich länger. Ich sicherte mich dabei immer mit einem Klettergurt ab und setzte außerdem noch einen Helm auf. Immerhin war die Strickleiter, die auf das Schuppendach führte, extrem wackelig.
So schnell sie verschwunden war, tauchte Elsa auch schon wieder in der Zentrale auf.
»Meine Lieblingszeitung«, sagte sie mit einem breiten Grinsen, ließ sich zufrieden auf ihren Stuhl plumpsen und zog den Schwung bunter Werbeblätter hervor, der zwischen dem grauen Zeitungspapier steckte.
»Sag bloß, du liest diesen Werbekram?«, fragte ich verwundert.
»Natürlich!«, entgegnete Elsa. »Mittwochs sind immer die meisten Prospekte drin!« Sie blätterte eine riesige Broschüre eines Elektronik-Handels auf und verschwand fast komplett dahinter.
»Ich schaue mir jede Seite an und stelle mir vor, dass ich mir genau eine Sache davon aussuchen darf. Manchmal ist es echt schwer, sich zu entscheiden!«
Elsa war doch immer für eine Überraschung gut. Bei uns zuhause wanderten diese Werbeblätter immer sofort in die Papiertonne und ich fragte mich jedes Mal, ob es irgendjemanden gab, der diese Dinger las. Jetzt hatte ich eine Antwort darauf.
»Boah, von dieser Seite würde ich den Tablet-PC nehmen! Den könnten wir super für unsere Ermittlungen gebrauchen!«
Da sich Elsa alle Werbeprospekte gesichert hatte, schnappte ich mir den Teil der Zeitung, der neben Veranstaltungstipps auch ein paar Meldungen aus unserer Stadt enthielt.
Was dort zu lesen stand, war fast immer gähnend langweilig. Es ging um goldene Hochzeiten, die letzte Jahreshauptversammlung des Männergesangsvereins und die Eröffnung eines neuen Versicherungsbüros. Bei einem Artikel stockte mir jedoch plötzlich der Atem.
»Elsa!«, sagte ich aufgeregt. »So wie es aussieht, haben wir einen neuen Fall!«
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Mister Marples |
Hab ich das im Halbschlaf gerade richtig verstanden – ein neuer Fall? Das wurde auch langsam mal Zeit! Ich habe ja grundsätzlich nichts gegen den Tagesablauf schlafen – essen – schlafen, aber für einen Meisterdetektiv wie mich ist das auf Dauer etwas langweilig. Vor allem, weil sich unter meinem bildschönen Fell mittlerweile das ein oder andere Speckröllchen gebildet hat. Ich muss also dringend wieder trainieren und ein paar Runden in meinem Laufrad drehen. Denn in den entscheidenden Momenten einer Ermittlung kommt es nicht nur darauf an, einen klaren Kopf zu haben. Nein, man muss auch topfit sein für die ein oder andere Verfolgungsjagd. Ich weiß, wovon ich rede. Doch jetzt möchte ich erst mal wissen, um was es in dem neuen Fall überhaupt geht!
Wie vom Erdboden verschluckt
»Oh ja! In dieser Sache ist auf jeden Fall die Zentrale für tierische Angelegenheiten gefragt!«, sagte Elsa aufgeregt. »Wir müssen unbedingt in den Zoo – und zwar so schnell wie möglich!« Sie lief wie ein aufgescheuchtes Huhn auf dem Schuppendach hin und her und stemmte die Arme in die Hüfte. »Lies den Artikel bitte noch mal vor, Theo!«
»Zum vierten Mal?«, jammerte ich und verdrehte die Augen.
»Ja, bitte!«
»Na gut … Also: ›Mysteriöses Verschwinden der Erdmännchen. Im städtischen Zoo herrscht große Aufregung. Nachdem die Erdmännchen-Familie kürzlich vier Junge bekommen hat (unsere Zeitung berichtete), wurden die kleinen Kerle die große Attraktion des Hauses. Die Besucher kamen in Scharen, um die ausgesprochen süßen Jungtiere zu bestaunen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag letzter Woche verschwand jedoch eines der Tiere auf bisher unerklärliche Weise. Seit Dienstag wird ein weiteres Tier vermisst. Wir vermuteten die Tiere zunächst in einem eingestürzten Bau. Deshalb haben wir die komplette Außenanlage umgegraben, jedoch ohne Erfolg. Außerdem haben wir das verglaste Gehege überprüft, aber es ist ohne Zweifel dicht. Wir können uns das Verschwinden daher absolut nicht erklären, sagt Marianne Mangustow, leitende Tierpflegerin der Erdmännchen- und Wildschwein-Abteilung. Auch Zoodirektor Carl Beckenhag ist besorgt: So etwas habe ich in meiner 40-jährigen Laufbahn noch nicht erlebt. Wir hoffen inständig, dass nicht noch weitere Erdmännchen verschwinden und die vermissten Tiere wieder wohlbehalten auftauchen. Der Zoo ist nach wie vor regulär geöffnet, der Direktor bittet jedoch alle Besucher um sachdienliche Hinweise.‹«
Während ich Elsa den Artikel vorlas, lief sie immer schneller auf dem Schuppendach auf und ab. Nun stoppte sie und sah mich mit entschlossenem Blick an.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren!«, sagte sie und kletterte im nächsten Moment die Strickleiter herunter.
»Was hast du vor?«, rief ich ihr hinterher, obwohl ich die Antwort auf die Frage natürlich kannte.
Sie zerrte ihr Fahrrad aus dem Schuppen und sah mich streng an: »Los, komm in die Gänge!«
Ich zog meinen Helm auf und sicherte mich mit meinem Klettergurt. »Ich muss aber um Punkt sechs Uhr zum Abendessen wieder zuhause sein!«, rief ich Elsa hinterher, doch da war sie bereits nicht mehr zu sehen.