Lincoln Peirce
Aus dem Amerikanischen von Bettina Spangler
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
© 2020 für die deutschsprachige Ausgabe
cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2019 by Lincoln Peirce
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Max and the Midknights«.
All rights reserved. Published in the United States by Crown Books
for Young Readers, an imprint of Random House Children’s Books,
a division of Penguin Random House LLC, New York.
This translation published by agreement with Random House
Children’s Books, a division of Penguin Random House LLC.
Aus dem Amerikanischen von Bettina Spangler
Illustrationen: © by Lincoln Peirce
Lektorat: Michelle Landau
Umschlaggestaltung: init|Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen
Umschlagillustration: Lincoln Peirce
aw • Herstellung: UK
Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München
ISBN 978-3-641-23958-9
V001
www.cbj-verlag.de
Ich will euch mal was sagen: So ein Leben als Troubadour ist echt beknackt.
Ihr wisst doch, was Troubadoure sind, oder? Das sind reisende Sänger und Geschichtenerzähler. Und der Troubadour hier ist mein Onkel Budrich, nicht ich. Er ist derjenige, der die ganze Zeit Lieder trällert und jongliert. Ich begleite ihn nur.
Man könnte sagen, ich bin sein Lehrling. Eigentlich soll ich Lautespielen lernen (dieses Instrument, das er da spielt, das wie ’ne überdimensionale Hähnchenkeule aussieht), die ganzen Lieder auswendig lernen und mich vorbereiten, falls Onkel Budrich sich seine Stimmbänder verrenkt. Aber es gibt da ein Problem:
Warum nicht? Na, zum einen, weil man immer unterwegs ist. Das nervt total. Außerdem findet man schlecht Freunde, wenn man ständig von einem Dorf zum nächsten zieht. Und dieser Karren, in dem wir leben, ist auch nicht gerade ein Vier-Sterne-Hotel. Was noch? Ach so, ja …
Jep. Genauer gesagt schreiben wir das 14. Jahrhundert. Und das bedeutet, dass total viel wichtiges Zeug noch gar nicht erfunden ist. So was wie gepflasterte Straßen zum Beispiel. Oder die Zahnbürste und diese nette Annehmlichkeit, die man WC nennt. Das Leben ist ziemlich hart, und – ’tschuldige, Onkel Budrich – ich kapier einfach nicht, wie das ein paar Lieder und lahme Zaubertricks irgendwie besser machen sollen.
Okay, folgendermaßen sollte dieses Troubadour-Ding EIGENTLICH laufen: Man tuckert in eine x-beliebige Stadt. Eine Menschenmenge bildet sich. Man zieht seine Show ab. Die Leute applaudieren und werfen Geld in ein Körbchen. Und dann benutzt man dieses Geld, um sich was zu essen zu kaufen, damit man nicht verhungert.
Klingt ziemlich einfach, oder? Es ist eben ein Geschäft. Nur, dass Onkel Budrich ein lausiger Geschäftsmann ist. Das Geld ist ihm nicht wichtig. Er wird immer von irgendwas abgelenkt, wie zum Beispiel ...
So was passiert öfter. Ich will damit nicht sagen, dass täglich auf uns geschossen wird, aber ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft wir irgendwelchen Pfeilen ausweichen müssen. Die Leute mögen wohl keine Fremden, die eine Abkürzung über ihr Grundstück nehmen. Vielleicht können sie aber auch Onkel Budrichs Gesang einfach nicht leiden. Wie auch immer, bis wir Sir Pfeilschießer abgewimmelt haben, ist es stockfinstre Nacht.
Hab nichts dagegen. An einem Wäldchen machen wir halt. Ich spanne den Wagen ab. »Soll ich ein Feuer machen?«, frage ich.
Onkel Budrich sieht mich bedröppelt an. »Ich … äh … hab den Kohlkopf bei unserer Flucht fallen lassen«, gesteht er. »Es gibt keinen Eintopf, tut mir leid.«
Ähm … okay. Sein Optimismus in allen Ehren, aber …
Zum Glück kann ich super auf Bäume klettern. Das übernehme ich gern. Ich steige rauf ins Geäst, während Onkel Budrich unten wartet.
»Oh, HO!«, ruft Onkel Budrich ganz aufgeregt.
Okay, DAS macht mich neugierig. »Was meinst du damit, du MUSSTEST weg?«
»Leider hatte ich keine andere Wahl«, antwortet Onkel Budrich und schaudert. »Wäre ich in Begovia geblieben, Alex, wäre ich jetzt wahrscheinlich ein …«
Ups. Das klang jetzt nicht so nett. Aber er verschaukelt mich doch, oder? Ich meine, Ritter sind mutig und stark und all so was. Onkel Budrich dagegen ist …
Wie gesagt: Onkel Budrich ist der totale Feigling.
»Nun!«, sagt er. »Sollen wir dann essen?«
»Nicht so schnell«, entgegne ich.
»In Begovia«, fängt Onkel Budrich an, »muss jeder Junge mit zehn Jahren eine Ausbildung beginnen. Die meisten erlernen das Handwerk ihrer Väter. Ist dein Vater ein Bäcker, wirst du Bäcker. Ist dein Vater Müller, wirst du Müller.«
»Tja, MEIN Vater war ein Ritter«, fährt er fort, »aber ein sehr unbedeutender. Er war eigentlich eher so was wie ein Knappe. Jedenfalls konnte er es nicht erwarten, mich für die Ritterschule anzumelden.«
Mir klappt die Kinnlade runter. »Es gibt eine SCHULE für RITTER?«
Onkel Budrich nickt. »Ja. Dort lernt man alles, was ein Ritter können muss.«
»Willst du mich veräppeln?«, stammle ich. »WARUM NICHT??«
Onkel Budrich schüttelt den Kopf. »Ich hatte kein Interesse an Abenteuern. Ich wollte nicht, dass mich ein Drache zum Nachtisch frisst.«
»Nachdem ich seinen Auftritt sah, hab ich mir gesagt: DAS ist ein guter Job, da hat man immer reichlich Essen auf dem Tisch!«
»Weil die Leute ihn gut bezahlten?«
»Aber das Entscheidende war, dass er mich in die Lehre nahm! Ich verließ Begovia und habe es nie bereut. Meiner Karriere als Troubadour stand nichts mehr im Wege …«
Ich applaudiere. »Hast du dir je gewünscht, du wärst doch Ritter geworden?«, frage ich.
»Nie«, entgegnet er. »Schon mit zehn wusste ich, dass das nichts für mich ist.«
»Gewiss, mein Freund«, sagt Onkel Budrich. »Wir haben Äpfel. Nehmt, so viele Ihr tragen könnt.« Er streckt dem Fremden die Hand hin, doch der ignoriert sie. Stattdessen zieht er etwas Scharfes und Glänzendes hinter seinem Rücken hervor.
»Eure faulen Äpfel könnt ihr behalten«, knurrt er.
Das ist doch nicht zu fassen! »Ihr wollt uns AUSRAUBEN?«, rufe ich empört.
»Das Kind hat recht, werter Herr«, meint Onkel Budrich mit piepsiger Stimme. »Wir haben nichts von Wert. Wir sind nur bescheidene Troubadoure!«
Äh … nicht ganz. DU magst ein Troubadour sein, Onkel, aber ICH bin … ein …
»W-was meint Ihr?«, stammelt Onkel Budrich.
Schluck. Das gefällt mir gar nicht.
»Und RITTER sind GUTE Leute!«, fährt der Kerl fort. »Es gehört zu ihrem Job, HALUNKEN einzufangen, Halunken …«
»Ihr seht auch nicht aus wie einer, so viel steht fest«, gibt der Fremde zu. »Aber ich kann nichts riskieren.«
Boah, hat er gerade TÖTEN gesagt? Ich dachte, dieser Gauner will uns ausrauben. Wieso muss er denn jetzt von MORD anfangen?
Nun heißt es, schnell handeln. Hastig sehe ich mich an unserem Lagerplatz um. Ich brauche dringend etwas, womit ich ihn abwehren kann, aber da ist nichts. Nur ein paar Steine und Onkel Budrichs Laute. Dann kommt mir die Idee.
Moment, was soll die falsche Bescheidenheit? Der Mann hat recht! Das WAR unglaublich!
»Wie in drei Teufels Namen hast du das gemacht?«, fragt Onkel Budrich.