Cover

Das Buch

Eine Sprachwissenschaftlerin wird mitten in der Nacht angerufen. Die neueste Entwicklung auf dem Spielzeugmarkt, ein Plüsch-Seehund mit KI, hat offenbar eine eigene, für Menschen unverständliche Sprache entwickelt … Ein König liebt nichts so sehr, wie neuen Geschichten zu lauschen. Doch irgendwann hat er alles gehört, was es zu erzählen gibt – und so lässt er kurzerhand einen Geschichtenroboter bauen … Das Spektrum an Ideen, die fünfzehn der berühmtesten chinesischen Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren in diesem Sammelband ausbreiten, zeigt auf beeindruckende Weise, wie einfallsreich und innovativ man sich in China mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

Die Autoren

Das Spektrum der in diesem Band vertretenen Autorinnen und Autoren umfasst fünf Schriftstellergenerationen. Neben Wang Jinkang und Han Song, die mit Cixin Liu zu den »Großen Drei« der chinesischen Science-Fiction zählen, stehen auch jüngere Stars wie Hao Jingfang und Qiufan Chen sowie Newcomer wie Sun Wanglu. Ausführliche Informationen zu allen Autoren sind den Erzählungen vorangestellt.

Die Herausgeber

Zusammengestellt wurden diese Erzählungen von Shi Zhanjun, dem Chefredakteur der Zeitschrift Volksliteratur, dem wohl renommiertesten chinesischen Literaturmagazin der Gegenwart, und von der Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin und Kulturberaterin Dr. Jing Bartz.

Besuchen Sie uns auf

Science-Fiction aus China

im Heyne Verlag

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CIXIN LIU

Die drei Sonnen

Der dunkle Wald

Jenseits der Zeit

Kugelblitz

Die wandernde Erde (Erzählungen)

Spiegel

Weltenzerstörer

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QIUFAN CHEN

Die Siliziuminsel

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KEN LIU (Hrsg.)

Zerbrochene Sterne (Erzählungen)

=

JING BARTZ, SHI ZHANJUN (Hrsg.)

Quantenträume (Erzählungen)

HAO JINGFANG, QIUFAN CHEN,

WANG JINKANG und andere

QUANTENTRÄUME

Erzählungen aus China

über künstliche Intelligenz

Herausgegeben von

Jing Bartz und Shi Zhanjun

in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift

Renmin Wenxue – Volksliteratur

Aus dem Chinesischen von

Karin Betz, Johannes Fiederling, Marc Hermann,

Michael Kahn-Ackermann und Eva Lüdi Kong

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Eine Übersicht über die Originaltitel und Übersetzer mit genauen Copyright-Angaben zu den einzelnen Erzählungen finden Sie im Anhang.

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Deutsche Erstausgabe 10/2020

Redaktion: Catherine Beck

Copyright © 2020 by Renmin Wenxue – Volksliteratur

und bei den einzelnen Autoren

Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München,

unter Verwendung eines Motivs von Tithi Luadthong/Shutterstock

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-21711-2
V001

diezukunft.de

Inhalt

Cixin Liu

Vorwort

Shi Zhanjun

Einleitung

Xia Jia

Chinesische Enzyklopädie

Liu Yang

Das Hausmädchen

Fei Dao

Der Geschichten erzählende Roboter

Sun Wanglu

Der umgekehrte Turing-Test

Luo Longxiang

Hotel Titania

Shuang Chimu

Der Wannengeist

Qiufan Chen

Cloud-Liebe

Gu Shi

Die Möbius-Raumzeit

Liu Weijia

Mission: Rettung der Menschheit

Wang Jinkang

Bekenntnis

Hao Jingfang

Wo bist du?

Baoshu

Tochter des Meeres

A Que

Mordfall LW31

Ling Chen

Der neue Tag

Han Song

Der Erleuchtete

Jing Bartz

Nachwort

Anmerkungen

Copyright und Übersetzungen

Vorwort

von Cixin Liu

Science-Fiction ist als jüngeres literarisches Genre nichts anderes als Literatur, doch was sie so besonders macht, ist ihr Zusammenspiel mit der Wissenschaft.

Zunächst malt sich Science-Fiction ihre fantastischen Welten auf der Grundlage der Wissenschaft aus. Anders als in der traditionellen Literatur, die vor allem von zwischenmenschlichen Beziehungen handelt oder von der Beziehung zwischen Mensch und Gesellschaft, ist ihr Thema das Verhältnis zwischen Mensch und Natur beziehungsweise zwischen Mensch, Wissenschaft und Technik. Wissenschaft und Technik besitzen eine profunde, sehr eigene Ästhetik, eine Schönheit, die Science-Fiction mit den Mitteln der Sprache zur Geltung bringt. Durch diese literarische Anverwandlung der Schönheit der Wissenschaften gelingt es ihr, die Leserschaft, vor allem jugendliche Leser, so zu faszinieren, dass sie ihr Interesse an Naturwissenschaften weckt, ihre Fantasie beflügelt, ihren Horizont erweitert und sie, erfüllt von Forschergeist, neugierig und begierig auf die Weiten des Universums macht. Mit einer ausgeprägten Kreativität erschließt Science-Fiction uns die Möglichkeiten zukünftiger und unbekannter Welten, die häufig auch andere kreative Bereiche auf ungeahnte Weise inspirieren und ihnen dienlich sind.

Vom literarischen Blickwinkel aus betrachtet, übersteigt Science-Fiction alles, was man als gegeben annimmt, sie schießt kühn und ungezügelt über die Realität hinaus. Doch dann wiederum ist fantastische Literatur tatsächlich sehr nah an der Wirklichkeit, denn zahlreiche Themen, die uns darin begegnen, wie zum Beispiel der gesellschaftliche Wandel durch wissenschaftlichen Fortschritt, Umweltzerstörung, Erforschung des Weltraums, künstliche Intelligenz oder die Erschließung neuer Energiequellen, sind von zentraler Relevanz für die Wirklichkeit. Wenn man sagt, dass die herkömmliche, wirklichkeitsnahe Literatur die Welt so beschreibt, wie sie ist, dann beschreibt Science-Fiction eine Wirklichkeit, der wir uns in Zukunft gegenübersehen könnten – was sie nicht weniger bedeutsam macht. Beide Arten von Literatur beruhen auf denselben Prinzipien.

Auch ein Science-Fiction-Autor muss tief in das reale Leben eintauchen, denn nur wer ein grundlegendes Verständnis für die Fragen der modernen Gesellschaft entwickelt hat, vermag auch eine literarisch und gedanklich anspruchsvolle Fantasiewelt zu konstruieren. Nur wer ganz in der Gegenwart verankert ist, ist in der Lage, sich die Zukunft auszumalen; nur wer mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, vermag in die Tiefen des Weltraums zu blicken. In China steht Science-Fiction in einem engen Zusammenhang mit dem Entwicklungs- und Modernisierungsprozess der Landes. Der rapide Wandel der chinesischen Gesellschaft mit all seinen Chancen und Risiken bringt die Menschen des Landes zunehmend in Kontakt mit unterschiedlichen Kulturen und Dingen, die ihnen bislang fremd waren. Die Zukunft Chinas ließ die Bevölkerung noch nie so sehr an die Zukunft glauben wie heute. Aus diesem Grund fällt Science-Fiction hier zum einen auf besonders fruchtbaren Boden, zum anderen ist deshalb die Nachfrage nach diesem Genre besonders hoch. Für das Schreiben von Science-Fiction-Literatur ist es unabdingbar, am Puls der Zeit zu sein und Trends zu erkennen.

Science-Fiction ist eine Form der Populärliteratur. Die Zahl ihrer Fans ist insbesondere unter jüngeren Lesern in den vergangenen Jahren stark angewachsen, aber auch unter vielen, die im Bereich der Informatik oder in der Raumfahrtindustrie arbeiten. Der literarische Stil dieses Genres ist in der Regel eher massentauglich. Es kommt dabei mehr auf die Inhalte als auf die Form an – es ist wichtiger, was gesagt wird, als wie es gesagt wird. Ich würde sagen, dass sich Science-Fiction nur dann weiterentwickeln kann, wenn sie Populärliteratur bleibt. Gegenwärtig vollzieht die internationale Science-Fiction einen grundlegenden Wandel, es bestehen enorme Unterschiede zwischen den jeweiligen Blickwinkeln, den zentralen Themen und Orten, mit denen sich die Autoren beschäftigen. Auch die chinesische Science-Fiction sollte eine größere Sensibilität für zeitgenössische Themen entwickeln, eine Vielfalt an literarischen Stilen fördern und dabei eine eigenständige chinesische Perspektive in diesem Genre etablieren.

Im Bereich der Literatur nimmt Science-Fiction eine herausragende Stellung ein. Der in China weit verbreitete literarische Realismus, der sich mit den vielen Facetten chinesischer Kultur befasst, hat uns zwar zahlreiche hervorragende Reflexionen zur modernen chinesischen Gesellschaft und Geschichte beschert, doch insgesamt gesehen bleibt die herkömmliche Literatur in dem verhaftet, was ist und war. Der Aufstieg Chinas in den vergangenen Jahrzehnten verlangt aber nach einer zukunftsorientierten Literatur, also nach Science-Fiction. Durch den rasanten Modernisierungsprozess des Landes haben eine gewisse traditionelle Verschlossenheit der Bevölkerung und der Hang zu Wirklichkeitsnähe einen grundlegenden Wandel erfahren, vor allem unter jungen Leuten herrscht wachsendes Interesse an Zukunftsthemen, und von diesem Wandel des Denkens zeugt auch die chinesische Science-Fiction.

Unter allen literarischen Genres hat sie den engsten Bezug zum chinesischen Traum, sie legt den chinesischen Blick auf die Zukunft frei und zeugt von unserer Sehnsucht nach den Weiten des Weltalls und dem sich täglich erweiternden Horizont der modernen Gesellschaft. Nicht zuletzt ist die chinesische Science-Fiction ein lebendiger Spiegel für den wachsenden Beitrag Chinas zur menschlichen Zivilisation.

Übersetzt von Karin Betz

Einleitung

von Shi Zhanjun

Fantastische Elemente haben in der chinesischen Literatur eine lange Tradition. Von alters her bis heute zieht sich ein Genre durch die chinesische Literatur, das wir als »Fantasy« bezeichnen können. Parallel zur menschlichen Welt begegnen wir in diesen Werken übernatürlichen Wesen, Geistern und Ungeheuern, die ihrer eigenen, den Menschen verborgenen Ordnung unterworfen und dennoch mit unserer Welt vertraut sind, ja, sich sogar in sie einmischen. Die Funktion dieser literarischen Werke liegt auf der Hand: Sie stillen Sehnsüchte, die in der Realität unerfüllt bleiben, und warnen uns vor der Strafe, die uns für unsere Vergehen ereilt. Ihre mahnende und belehrende Ausrichtung, die im Wesentlichen darauf zielt, uns im nächsten Leben zu guten Menschen zu machen, wurzelt weder in einer wissenschaftlichen Erkenntnis noch in einem tieferen Nachdenken über die zukünftige Entwicklung der Menschheit.

Die chinesische Science-Fiction dagegen nahm ihren Ausgang in der Einführung und Hochschätzung der neuzeitlichen Wissenschaften. Damals – vor etwa hundert Jahren – wurde es üblich, sich »Mister Science« (»Herrn Wissenschaft«) zum Lehrer und Vorbild zu nehmen. Erste Prototypen einer Science-Fiction, die moderne wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage mit chinesischer Kultur verband, nahmen Gestalt an. Als China dann Ende der Siebzigerjahre den Weg der Reform- und Öffnungspolitik einschlug und Deng Xiaoping Wissenschaft und Technik zur »ersten Produktivkraft« erklärte, bildete sich eine Literatur mit einem ausgeprägten Realitätsbezug heraus, die mit wissenschaftlichem Denken und zugleich ästhetischer Imagination das Rätsel der Zukunft zu ergründen suchte. Seitdem haben die Hoffnungen und Ängste angesichts der chinesischen und globalen Entwicklung in der Science-Fiction ihren Niederschlag gefunden. Dieser Trend kulminierte in der weltweiten Aufmerksamkeit, die Cixin Lius Trisolaris-Trilogie erregt hat. Seitdem ist die chinesische Science-Fiction, die inzwischen eine beträchtliche Anzahl von Autoren und Werken und einen großen Reichtum unterschiedlichster Geschichten hervorgebracht hat, von der literarischen Weltkarte nicht mehr wegzudenken.

Wie die klassischen literarischen Genres hat auch die Science-Fiction ihren ganz eigenen geistigen Nukleus. Der »harte Kern« der Science-Fiction ist die Wissenschaft – sonst könnte man nicht von »wissenschaftlicher Fiktion« sprechen. Doch weil es sich dabei – und das ist von zentraler Bedeutung – um Literatur und nicht um Forschungsberichte oder wissenschaftliche Prognosen handelt, muss es parallel zum wissenschaftlichen Kern oder auf der Grundlage dieses Kerns auch noch einen ästhetisch ansprechenden »weichen Kern« geben: einen literarischen Kern, aber letztlich auch einen, der zurück ins Leben führt. Dies sind die drei wesentlichen Faktoren der zeitgenössischen chinesischen Science-Fiction: Wissenschaft, Literatur und Leben. Der Plot ist das Fruchtfleisch rings um diesen Kern. Die Science-Fiction erfüllt die Suche aller zeitgenössischen Literatur nach einem tieferen geistigen Nukleus mit neuem Leben und neuen Bildern.

Die Zeitschrift Volksliteratur (Renmin Wenxue), Chinas renommiertestes Literaturmagazin, veröffentlicht seit 1978 Werke dieses Genres. Allein in den letzten zehn Jahren sind bei uns vierzehn teils längere Science-Fiction-Erzählungen und ein Roman erschienen. Schon im Jahr 2013, noch bevor Cixin Liu für Die drei Sonnen den Hugo Award gewann, widmete sich Pathlight, der englischsprachige Ableger der Volksliteratur, in einem ganzen Heft dem Thema »Zukunft« und stellte Werke vor, die repräsentativ für drei Generationen von Autoren sind, darunter Wang Jinkang, Cixin Liu, Hao Jingfang und Qiufan Chen. Seitdem haben wir interessierten Lesern in aller Welt noch mehr chinesische Science-Fiction-Erzählungen auch in anderen Sprachen, darunter Deutsch, Japanisch und Italienisch, zugänglich gemacht.

Die vorliegenden fünfzehn fantasievollen Geschichten, die das Ergebnis eines intensiven Auswahlprozesses darstellen, reflektieren ebenso facettenreich wie einfühlsam unsere Lebenswelt unter dem Aspekt der künstlichen Intelligenz. Wir fühlen uns geehrt, dass dieses Buch nun bei Heyne erscheinen kann, einem der beliebtesten deutschen Publikumsverlage von internationaler Strahlkraft. Das Erscheinen dieses Buches wird – davon sind wir überzeugt – nachhaltig dazu beitragen, dass noch mehr Menschen auf der Welt die zeitgenössische chinesische Science-Fiction kennen- und schätzen lernen.

Übersetzt von Marc Hermann

Quantenträume

Xia Jia

Chinesische Enzyklopädie

Aus dem Chinesischen übersetzt

von Marc Hermann

Xia Jia,

Jahrgang 1984, ist außerordentliche Professorin an der Jiaotong-Universität von Xi’an. Sie schreibt seit 2004 Science-Fiction, ist siebenfache Preisträgerin des Galaxy Award und wurde bereits viermal für den chinesischen Nebula Award nominiert. Ihre Kurzgeschichtensammlung A Summer Beyond Your Reach ist 2019 auf Englisch bei Clarkesworld Books erschienen.