Das Buch
Sich treiben lassen, dorthin fahren, wo man will, unter dem freien Sternenhimmel einschlafen und von den ersten Sonnenstrahlen geweckt werden – immer mehr Menschen hegen den Wunsch, sich frei und ungebunden durchs Leben zu bewegen. Temporär oder permanent, sie wollen andere Wege gehen. Unter dem Hashtag Vanlife hat sich weltweit eine ganze Community versammelt, die sich einem unabhängigen Leben in einem Campervan verschrieben hat.
Auch Richard East wollte dem alltäglichen Hamsterrad entfliehen. Obwohl er alles hatte, fühlte er sich verloren und wurde immer unglücklicher. Kurzerhand beschloss er, seinen Besitz wegzugeben, beendete seine Beziehung, kaufte sich einen Minivan und fuhr einfach los. An seiner Seite: seine geliebte schwarze Streunerkatze Willow. Eigenwillig und abenteuerlustig begleitet sie Richard auf seinem Roadtrip und hilft ihm, das Leben besser zu verstehen. Zusammen erkunden sie das Outback von Australien und genießen die kleinen Dinge des Lebens, wie lange Spaziergänge am Strand, die Ruhe der australischen Savanne oder traumhafte Sonnenuntergänge auf dem Dach ihres Vans.
Der Autor
Richard East war ein IT-Experte mit einer vielversprechenden Karriere. Seit Mai 2015 nennt er die Straße sein Zuhause und ist hauptberuflich mit seiner Katze Willow in seinem Campervan unterwegs. Er teilt ihre Abenteuer über seinen Instagram-Account @vancatmeow mit mehr als 100.000 Followern.
Richard East
UNTERWEGS
MIT
WILLOW
Wie der Roadtrip mit einer kleinen
Streunerkatze mein Leben rettete
Übersetzt von
Vera Tan
Die englische Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel VanCatMeow. A Lost Man, A Rescue Cat, A Road Trip like No Other bei HarperCollins Publishers Australia Pty Limited, Sydney, Australien.
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Deutsche Erstausgabe Juni 2020
Copyright © 2020 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Copyright der Originalausgabe © 2020 by Richard East
Published by arrangement
with HarperCollins Publishers Australia Pty Limited
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München,
unter Verwendung eines Fotos von © Richard East
Fotos Innenteil: © Richard East
Layout: Jane Waterhouse
Lektorat: Marion Preuß
MP • Herstellung: kw
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-25885-6
V001
www.goldmann-verlag.de
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Für alle,
die je die Liebe einer Katze erfahren haben.
Vor mir liegt die australische Savanne. Struppige Eukalyptus- und Affenbrotbäume erinnern mich daran, wie weit ich von meinem Zuhause in Tasmanien entfernt bin. Heute bin ich 300 Kilometer auf holprigen Lehmstraßen durch das Outback gefahren. Ganz alleine – nur eine kleine schwarze Abenteuerkatze namens Willow begleitet mich.
Keine Zeitlimits. Keine Sorgen.
Oft sind wir vollkommen abgeschnitten vom Rest der Welt, aber in unserem Campervan haben wir alles, was wir brauchen. Ein Dach über dem Kopf, ein Abendessen auf dem Gasbrenner und einander.
Die Schotterpisten voller Schlaglöcher und Furchen, die unseren Van den ganzen Tag lang herausgefordert haben, werden ihn auch morgen wieder auf die Probe stellen. Aber jetzt, in diesem Moment, kann ich einfach hier sitzen und zusehen, wie sich das Licht verändert. Der Wind legt sich, und die Landschaft kommt zur Ruhe – genau wie ich.
Willow streicht mir um die Beine und springt dann auf meinen Schoß. Sie lässt mich immer wissen, wann sie meine Aufmerksamkeit braucht. Ich kraule sie hinter den Ohren, und sie schnurrt.
Hätten Sie mich mit zehn Jahren gefragt, was ich wohl in zwanzig Jahren tun werde, wäre meine Antwort gewesen: »Genau das, was ich jetzt mache.« Abenteuer erleben und Neues entdecken. Das sind Dinge, die wir aus den Augen verlieren, wenn wir älter werden. Aber jetzt fühle ich mich, als wäre ich endlich wieder auf dem richtigen Weg. Vor zwei Jahren wäre mir das alles noch wie ein absurder, unrealistischer Traum vorgekommen.
Die tiefstehende Sonne hat den Himmel und alles darunter in ein orangefarbenes Licht getaucht. In der Stille überkommt mich plötzlich das Gefühl, dass alles gut wird.
So habe ich mich nicht immer gefühlt. Zu Beginn unseres Abenteuers fand ich es schwierig, meiner Zufriedenheit oder meinem Glück – oder wie man es auch nennen möchte – zu trauen. Denn Gefühle wie diese waren mir fremd geworden.
Vor diesem Campervan – und vor diesem Leben – hatte ich einen anderen Van – und ein sehr anderes Leben. Meinen Van nutzte ich damals nur, um am Wochenende wegzukommen und mit meiner Freundin Gabrielle die tasmanische Wildnis zu erkunden.
Unsere Wochenendtrips erinnerten mich an meine Kindheit. Damals machte meine Familie oft Campingurlaub an der Ostküste Tasmaniens. Das waren unbeschwerte Tage, an denen wir unsere Zeit hauptsächlich damit verbrachten, im kalten, klaren Wasser zu schwimmen oder wie wild durch den Busch zu rennen, um Wallabyspuren zu verfolgen. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, würde ich mich zwar nicht unbedingt als besonders abenteuerlustig beschreiben. Aber ich glaube, ein Teil von mir musste schon immer in der Natur sein.
Ich erinnere mich, wie ich mit ungefähr fünfzehn Jahren auf einem alten, ramponierten Brett das Windsurfen lernte. Ich machte damit die ganze Bucht unsicher. Vom Wasser aus sahen die Menschen am Strand wie winzige Figuren aus. Weit im Inneren der Bucht, neben einer kleinen Insel, holte ich mein Segel ein und ließ mich ins Meer fallen. Mein Segel hielt mich über Wasser, und ich konnte mich treiben lassen. Meistens sah ich einfach nur den vorbeiziehenden Wolken zu. Wenn ich Glück hatte, konnte ich auch mal den ein oder anderen Seehund auf einer Felsklippe erspähen. Aber an einem Nachmittag merkte ich plötzlich, dass ich von Flossen umgeben war. Eine Delfinschule huschte unter meinem Brett hin und her. Dann tauchten die Delfine in der Ferne an die Wasseroberfläche und schwammen wieder zurück zu mir. Es war, als wollten sie mir sagen: »Komm doch mit! Wir möchten dir unsere Welt zeigen!«
Aber ich konnte nicht mit ihnen mithalten.
Wenn Gabrielle und ich Wochenendausflüge in unserem Van machten, konnte ich meinen Arbeitsstress vergessen. Auch die abbröckelnde Farbe an unserem Holzhaus oder das Unkraut im Garten machten mir keine Sorgen mehr. Aber es gab etwas, das mich nicht losließ. Nämlich, dass wir unsere Katzen allein lassen mussten.
Wissen Sie, ich bin ein echter Katzenfan. Ich glaube, ich habe das von meinen Großeltern. Sie liebten Katzen. Und das schien sich unter den Streunern der Nachbarschaft auch schnell herumzusprechen. Immer wieder standen neue Straßenkatzen vor der Tür, um sich von meinen Großeltern füttern und aufpäppeln zu lassen. Die meisten dieser Miezen hatten bei meinen Großeltern nun endlich ein liebevolles Zuhause gefunden.
Von allen Katzen meiner Großmutter war Midas mein Liebling. Den Namen hatte er seinem goldenen Fell zu verdanken. Midas hatte ein lahmes Bein, das er gerne vom Fernseher baumeln ließ, wenn er es sich darauf bequem gemacht hatte. Natürlich versperrte er uns damit regelmäßig die Sicht. Ich habe immer noch das Fotoalbum meiner Großmutter mit Bildern von all den Katzen, um die sie sich gekümmert hat. Auf der letzten Seite ist ein Schnappschuss von mir und unserem mächtigen Midas.
Jahre später war es dann an der Zeit für meine eigene Katze. In einem Tierheim fand ich einen kleinen, schüchternen rot-weißen Kater namens Ty. Man versicherte mir, er sei eine Kurzhaarkatze. Doch zwei Wochen nachdem ich ihn mit nach Hause genommen hatte, bauschte er in eine riesige, flauschige Fellkugel auf. Er hatte wohl, kurz bevor ich ihn abholte, noch einen Haarschnitt bekommen.
Als ich eines Vormittags damit beschäftigt war, mein Haus zu streichen, und gerade eine Mittagspause einlegen wollte, kam Ty in die Küche hereinspaziert. Seine Schnauze war voller blauer Farbkleckse. Ich versuchte, sie abzuwischen, aber die Farbe breitete sich nur noch weiter aus. Das war vielleicht das erste und letzte Mal, dass jemand »Kann ich meine Katze mit Mineralterpentin reinigen?« gegoogelt hat.
Ty jedenfalls trug mehrere Wochen lang ganz stolz einen blauen Schnurrbart.
Als Gabrielle und ich zusammenkamen, entschieden wir uns bald, noch eine Katze aufzunehmen. Sie hatte ein schwarzes Fell mit einem winzigen weißen Fleck auf der Brust und einen lebhaften Charakter. Gabrielle gab ihr den Namen Willow.
Anfangs schien sich Ty noch zu freuen, eine kleine Schwester zu haben. Aber Willow, die weitaus weniger von ihrem neuen Bruder begeistert war, fauchte ihn an. Nach einigem Gezanke war aber schnell klar, dass Willow die Herrschaft über das Haus hatte. Wenig später saßen unsere zwei Kätzchen friedlich vor dem Feuer und putzten sich gegenseitig das Fell.
Wenn Willow herumstolziert, kräuselt sich ihr Schwanz zu einem Fragezeichen. Sie ist eben eine Katze, die immer ganz genau wissen will, was vor sich geht. Wenn es klingelte, rannte sie sofort zur Tür, um zu sehen, wer es war. Willow hatte von Natur aus gute Manieren. Wenn ich ihr ihren Napf hinstellte, sah sie immer zuerst zu mir hoch und wartete, bis ich sie tätschelte. Erst dann fing sie an zu fressen. Willow kann auch sehr zärtlich sein. Damals machte sie es sich jeden Abend auf unserem Schoß gemütlich, kuschelte mit uns und stupste liebevoll unsere Nasen an.
Wie Ihnen jeder Tierliebhaber bestätigen wird, sind Haustiere weit mehr als nur Tiere. Sie sind ein Teil unseres Lebens. Sie spenden uns Trost. Sie sind unsere besten Freunde. Unsere Familie. Sie warten jeden Abend auf uns, wenn wir nach Hause kommen.
2012 kam Ty nicht zurück nach Hause. Ty und Willow waren beide Freigängerkatzen, aber wenn es dunkel wurde, kamen sie immer zurück. Auch Tage später war Ty nicht wiederaufgetaucht. Dann bekam ich einen Anruf von meinem Vater. Er hatte Ty ein paar Straßen weiter leblos in einem Graben gefunden. Wäre Ty so gewieft gewesen, wie er flauschig war, wären die Dinge vielleicht anders gelaufen. Wir begruben ihn neben dem Fischteich.