Das Gedicht, das wir hier mittheilen, war von dem Herrn Verfasser einem der literarischen Blätter bestimmt, die in Berlin erscheinen. Der dortige Censor hat unserm Blatte diese poetische Gabe zugewandt und ihm zugleich den anziehenden Stoff zu gegenwärtigem Aufsatz geliefert. Der Leser wird nun neugierig in der «Kartenlegerin» nach Stellen spähen, von denen er urtheilen könne, ein Censor habe geurtheilt, ihr Erscheinen in den preußischen Landen könne dem Staat und der Monarchie Gefahr bringen. Wir sagen: «ihr Erscheinen in den preußischen Landen», weil es sich keineswegs handelte, ihr Erscheinen überhaupt zu unterdrücken oder nur zu verhindern, daß sie in Preußen gelesen würden. Der geehrte Censor wußte ja selbst, was weltkundig ist, und was [wir] hier am unbefangensten mit den Worten eines englischen Torys oder Illiberalen, mit den Worten Walter Scotts in dem Leben Napoleons wiederholen: «Deutschland verdankt von jeher die Wohlthat der Preßfreiheit der politischen Eintheilung seines Gebietes.»
Aber noch müht sich der Leser, das in der «Kartenlegerin» enthaltene Gift zu entdecken, und müht sich umsonst: wir müssen ihm zu Hülfe kommen. Die Stellen, denen das Imprimatur verweigert wurde, sind: die Zeile des Titels: «Nach Béranger» und die letzte Strophe des Gedichtes:
Kommt das grämliche Gesicht,
kommt die Alte da mit Keuchen,
Lieb und Lust mir zu verscheuchen,
eh die Jugend mir gebricht? –
Ach, die Mutter ist's, die aufwacht, –
und den Mund zu schelten aufmacht. –
Nein, die Karten lügen nicht!
Wir können zur Noth einen Sinn darin finden, daß der volksthümliche Liederdichter Frankreichs, den seine Stellung als Vorfechter der Opposition den Ministern des Königs unbequem und verhaßt macht; daß der übermüthige Liebling der Musen und des Volkes, den neuerdings noch ein Richterspruch straffällig befunden hat, in Preußen überhaupt nicht genannt werden dürfe. Der verehrte Censor mochte befürchten: jede ihm erwiesene, auch eine literarische Ehre, könne von der französischen Regierung mißfällig bemerkt werden und dem Staate, wo solches geduldet werde, in verdrießliche Händel verwickeln. Wie aber finden wir in andern gleichzeitigen Berlinischen Zeit- und Flugschriften den Namen Béranger und andere Lieder von ihm übersetzt und abgedruckt? Nun – es giebt mehrere Censoren, und die Einsicht jeglichen ist das Maaß, nach welchem er die Macht ausübt, womit er vom Staate bekleidet worden ist.
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