Titelangaben


Washington Irving


  

Rip van Winkle

 


Rip Van Winkle (englisch)





  












Washington Irving


Washington Irving (1783 - 1859) war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der mit den beiden Erzählungen „Rip Van Winkle“ und „The Legend of Sleepy Hollow“ die Gattung der modernen Kurzgeschichte begründete.

 

Irving wurde als jüngster Sohn puritanischer Eltern, die aus Großbritannien nach Nordamerika ausgewandert waren, in New York geboren. Er studierte ab 1799 Rechtskunde und begann bereits während seiner ersten Studienjahre unter dem Pseudonym Jonathan Oldstyle, in der Zeitung „Morning Chronicle“ Theaterrezensionen und satirische Artikel über die New Yorker Kulturszene  zu veröffentlichen.

 

Washington Irving unterbrach 1804 sein Studium und bereiste bis 1806 Frankreich, Italien, die Schweiz und England. Nach seiner Rückkehr nach New York erhielt er die Zulassung als Anwalt, übte diesen Beruf aber nicht aus, sondern startete eine Laufbahn als Autor und Journalist. Er war einer der Mitgründer der satirischen Zeitschrift „Salmagundi“, für die er bis 1809 zahlreiche Beiträge unter verschiedenen Pseudonymen verfasste.

 

Als Schriftsteller reüssierte er schließlich unter dem Aliasnamen „Diedrich Knickerbocker“ mit dem satirischen Buch „History of New York“ (1809), das ihn zum bekanntesten und finanziell erfolgreichsten Autor in New York machte. An diesen Erfolg konnte Irving zunächst nicht anknüpfen, wurde dann Teilhaber des Familienunternehmens seiner Brüder und reiste 1815 nach England, um die Leitung der dortigen Niederlassung zu übernehmen. Seine Versuche, diese profitabel zu machen, scheiterten. 1818 ging das Unternehmen bankrott.

 

Inspiriert durch den Erfolg seines Freundes Walter Scott versuchte er anschließend, seinen Lebensunterhalt mit der Schriftstellerei zu verdienen, was ihm mit der Veröffentlichung seines „Skizzenbuchs“ (1819/1820) gelang. Dieses Buch, erschienen in sieben Einzelheften, wurde zu einem Bestseller, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde und Irving zum ersten in Europa beachteten US-Schriftsteller machte. In den nächsten Jahren veröffentlichte er weitere Erzählbände, eine Kolumbus-Biographie und die berühmten „Tales of the Alhambra“ (1829), die die spanische Reconquista behandelten.

 

1832 kehrte Irving nach New York zurück und widmete sich fortan meist amerikanischen Themen, vor allem der Erschließung des westlichen Teils des Kontinents. Zu den Werken dieser Schaffensphase gehören etwa „A Tour of the Prairies“ (1835), „Astoria“ (1836) und „The Adventures of Captain Bonneville“ (1837). Zudem veröffentlichte er Biographien über Mohammed sowie über George Washington.

 

Washington Irving erhielt 1842 den Posten des Botschafters der Vereinigten Staaten in Spanien. 1846 kehrte er in die USA zurück und wurde 1855 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

 

Irving starb am 28. November 1859 in seinem Haus in Sunnyside an einem Herzinfarkt.






  



„Rips großer Fehler war ...“



„Rips großer Fehler war seine unüberwindliche Abneigung gegen alle Arten von Gewinn bringender Arbeit. Nicht, dass es ihm an Fleiß oder Beharrlichkeit gefehlt hätte; schließlich konnte er auf einem feuchten Felsen mit einer Angelrute sitzen, die so lang und schwer wie eine Turnierlanze war, und den ganzen Tag ohne Murren dort ausharren, selbst, wenn ihm nicht ein einziger Fisch neuen Ansporn gab. Er konnte stundenlang eine Vogelflinte auf der Schulter tragen, durch Wälder und Sümpfe, bergauf und talabwärts laufen, um ein paar Eichhörnchen oder Waldtauben zu schießen.“



“The great error in Rip's composition was an insuperable aversion to all kinds of profitable labor. It could not be for want of assiduity or perseverance; for he would sit on a wet rock, with a rod as long and heavy as a Tartar's lance, and fish all day without a murmur, even though he should not be encouraged by a single nibble. He would carry a fowling-piece on his shoulder, for hours together, trudging through woods and swamps, and uphill and down dale, to shoot a few squirrels or wild pigeons.”





Was Sie über diese Geschichte wissen sollten


Zusammen mit „The Legend of Sleepy Hollow“ gehört Irvings Geschichte „Rip Van Winkle“, die er 1820 im Rahmen seines „Sketch Book of Geoffrey Crayon, Gent“ veröffentlichte, in den Vereinigten Staaten zu den populärsten Stoffen der nationalen Kulturgeschichte. Noch im 19. Jahrhundert wurde die Erzählung unzählige Male als Theaterstück dargeboten, frühe Stummfilmversionen folgten und auch im 20. Jahrhundert wurde der Stoff häufig fürs Kino und Fernsehen adaptiert.

 

Viele Literaturwissenschaftler halten „Rip Van Winkle“ neben „The Legend of Sleepy Hollow“, die ebenfalls bei ofd edition verlegt wurde, für eine der Erzählungen, die die Eigenständigkeit der amerikanischen Literatur gegenüber der europäischen Tradition begründet. Wer sich also für US-amerikanische Literatur und Kultur interessiert, kommt an „Rip Van Winkle“ kaum vorbei. Dies gilt übrigens nicht nur für Studierende der Amerikanistik, sondern für alle Literaturfans, die gleichermaßen gute wie unterhaltsame Erzählungen schätzen. Mit dieser Ausgabe, die bisherige, kaum noch lesbare Übertragungen ins Deutsche aus dem 19. Jahrhundert durch eine aktuelle Übersetzung ersetzt, gelingt die Lektüre ohne Abstriche beim Lesevergnügen. Zudem wurde dem Buch die englische Originalversion beigefügt.

 

Obwohl die Geschichte der Titelfigur im Staat New York spielt, sind die Einflüsse der europäischen Literaturtradition unübersehbar. Deutlich erkennbar ist, dass sich Washington Irving am Interesse des zeitgenössischen Europas, vor allem Deutschlands, an mündlich überlieferten Volksmärchen und Sagen orientiert. Als Vorläufer der Romantik bieten diese den Künstlern eine Stoffvielfalt, die die Überhöhung der profanen Wirklichkeit nicht durch den Rückgriff auf antike Vorbilder, sondern durch die Verbindung mit dem einfachen Alltagserleben und einem magischen Weltverständnis ermöglicht. Für diese Verzauberung der Welt wird die Macht der Tradition und der Überlieferung genutzt. Erst später entsteht, vor allem mit Hans Christian Andersen, die neue Gattung der Kunstmärchen, die den Bezug zur Geschichte nur noch prätendiert.

 

Wegen der fehlenden Traditionen in der Frühzeit Nordamerikas geht Washington Irving einen ganz ähnlichen, aber ungleich schwierigeren Weg. Um die amerikanische Wirklichkeit romantisch zu verzaubern, muss er nicht nur ein Märchen erfinden, sondern zugleich auch die Volkstraditionen, die es legitimieren soll. So etwa heißt es zu Beginn der Geschichte: „Vielleicht hat der Reisende am Fuß dieser Feenberge den sich sanft aus den Schornsteinen eines Dorfes kräuselnden Rauch bemerkt. Es handelt sich um ein kleines Dorf von hohem Alter, dessen Schindeldächer gerade dort aus den Bäumen hervorglänzen, wo die blauen Farbtöne der fernen Anhöhen in das frische Grün der nahen Landschaft übergehen. Die Ansiedlung wurde von einigen der holländischen Kolonisten in den frühesten Zeiten der Provinz, also am Anfang der Regierung des guten Peter Stuyvesant (der in Frieden ruhen möge!) gegründet. “

 

Diese romantisch-ländliche Szenerie ist der Schauplatz, auf dem sich das wundersame Leben von Rip van Winkle zur Zeit des Übergangs von der englischen Kolonialzeit zur amerikanischen Unabhängigkeit abspielt. Van Winkle ist der Nachfahre holländischer Siedler und führt  als einfacher und gutmütiger Bauer in seinem Dorf ein selbstgenügsames Leben. Seine Trägheit und Antriebslosigkeit erregen den ständigen Zorn seiner Frau, ohne dass diese Vorhaltungen ihn zu einer Veränderung seiner Lebensführung antreiben könnten. Im Gegenteil: Die ständigen Vorwürfe führen vielmehr dazu, dass er immer ausgedehntere Streifzüge in den Bergen unternimmt. Dort trifft er schließlich auf eine Gesellschaft merkwürdiger Geistergestalten und wird in einen zwanzigjährigen Zauberschlaf versetzt. Als er erwacht, sieht er sich mit einer völlig neuen Gesellschafts- und Lebensweise konfrontiert: Aus der kolonialen Provinz ist ein unabhängiger Staat geworden, der die Menschen und das Zusammenleben komplett verändert hat.

 

Diese Veränderungen, die die Freiheit (und den Eigennutz) des republikanischen Bürgers hochleben lassen, werden von Irving nicht nur positiv gesehen. Wo früher Geselligkeit und Gemeinschaftsempfinden vorherrschte, existieren nun politische Parteilichkeit und Oberflächlichkeit. Für den einfachen Bauern van Winkle sind dies keine paradiesischen Zustände. Nicht das Ende der Despotie des britischen Königs, sondern das zwischenzeitliche Ableben seiner tyrannischen Ehefrau bringt ihm die ersehnte Freiheit und das Lebensglück. Damit entzaubert Irving den amerikanischen Traum: Nicht er selbst hat „sich sein Glück geschmiedet“, sondern die Zauberkräfte magischer Traditionen.

 

Dass am Beginn der amerikanischen Nationalliteratur die ironische Brechung der eigenen Ansprüche und Werte steht, macht die Geschichte nicht nur sympathisch, unideologisch und deshalb noch heute lesbar. Ebenso human und augenzwinkernd geht Irving mit sich selbst und dem Wahrheitsanspruch seiner eigenen Behauptungen um. Er lässt seinen Erzähler am Ende der Geschichte schreiben: „Ja, ich habe sogar eine Beglaubigungsschrift über die Sache gesehen, die von einem Dorfrichter aufgenommen und mit einem Kreuz, in des Richters eigener Handschrift, unterzeichnet war. Die Geschichte ist also über jeden möglichen Zweifel erhaben.“ Na, wenn das kein Beweis ist!






Rip van Winkle


Bei Wotan, Gott der Sachsen,

Von dem noch Wensday, Wotanstag stammt,

Die Wahrheit ist ein Ding, an dem ich halte,

Bis zu dem Tag, wo in mein Grab hinunter

Ich krieche

 

Cartwright



   

Eine Schrift, die Diedrich Knickerbocker hinterlassen hat: