© 2020 Mailahn, Klaus
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783750439498
Die Reisen des Nauton; 1
Viele Berichte, Geschichten, Erzählungen und Romane künden von merkwürdigen und wundersamen Phänomenen in dieser Welt, die dem Bereich des Unglaublichen und Unfassbaren angehören. Da lesen wir zum Beispiel von all den Fabelwesen, die uns in zahlreichen Mythen, Sagen, Märchen und Legenden ihre Aufwartung machen, von Gespenster- und Marienerscheinungen, Wunderheilungen, unbekannten Flugobjekten und Besuchern von fremden Sternen. Gewissermaßen ein Gegenstück zu den Zeugnissen über und von außerirdischen Besuchern stellen hingegen die wenigen Texte dar, in denen Menschen von der Erde andere Planeten besucht haben wollen. Nicht so ganz ernst gemeint ist die Lügengeschichte des Barons von Münchhausen und seinem Besuch auf dem Mond. Ein Buch von Artur Berlet aus dem Jahr 1972, der auf dem Mars gewesen sein will, kann man heute mit Sicherheit als Fälschung einstufen. Er schreibt, dass der rote Planet eine Einwohnerzahl in Milliardenhöhe habe, was nach dem Stand der Wissenschaft heute definitiv auszuschließen ist. In dieselbe Kategorie gehört wohl auch ein weiteres Buch aus derselben esoterischen Rubrik: „Ich war auf einem anderen Planeten“, 1958 verfasst von Salvadore Villanueva. Der Autor ist sich dabei nicht hundertprozentig sicher, auf welchem Planeten er eigentlich gewesen sein will, tendiert aber am ehesten zur Venus – von der es heute heißt, dass dort Temperaturen von rund 460 Grad Celsius herrschen sollen – jedenfalls, wenn man NASA und Roskosmos glauben will. Unglaubwürdig wird Villanuevas Buch aber vor allem dadurch, dass er die Venusbewohner als nur einen Meter groß beschreibt, wohingegen andere Autoren wie Omnec Onec („Ich kam von der Venus“) berichten, dass die Venusier mindestens genauso groß wie wir Erdenmenschen seien.
Schon eher ernst zu nehmen ist eine einzigartige Dokumentation des österreichischen Mystikers Jakob Lorber, welcher von 1842 bis 1843 in drei Bänden über die Sonne und ihren Trabanten schrieb, und in einem Band über den Saturn. Sieht man einmal ab von den Größenverhältnissen und Maßen, die er angibt, ist es durchaus eine überlegenswerte Vorstellung, ob sich unter ihrer Korona nicht ein bewohnter Planet befinden könnte. Diese Idee finden wir jedenfalls auch bei dem esoterischen Wissenschaftler und Kontaktler Hermann Ilg († 1999) und einigen anderen Texten aus dem Internet. Ilg gibt spirituelle Botschaften wieder, die ihn und seine Kreise aus der Welt der als Santiner bezeichneten Außerirdischen erreicht haben. Ihm zufolge haben wir hier ein großartiges Bild von einem – seinen Angaben zufolge – Planeten in der Sonne, der mit einem Durchmesser von rund 500.000 Kilometern (was etwa einem Drittel ihres Gesamtdurchmessers entspricht) dreieinhalb Mal so groß wäre wie der Jupiter.
Was würden Sie, liebe Leser, nun von einem Menschen denken, der behauptet, dem Sonnenplaneten einen Besuch abgestattet zu haben?! Es kann sich zweifellos nur um einen Irren, einen Verrückten handeln, welchen ein Helmut Schmidt gewiss, so er ihm denn habhaft geworden wäre, in die nächste psychiatrische Anstalt gesteckt hätte, nicht wahr? Die Sonden der irdischen Raumfahrtbehörden näherten sich unserem 147 bis 152 Millionen Kilometer entfernten Mutterstern bislang lediglich auf rund 43 Millionen Kilometer an, und auch die geplanten Missionen sollen ihr nicht näher als dreißig respektive sechs Millionen Kilometer Nähe kommen. Ursprünglich von der NASA stammende Videos im Internet zeigen uns sehr große Flugobjekte, um nicht zu sagen Raumschiffe, die in der Nähe der Sonne operieren, genauer gesagt, dort in verschiedenen Bahnen um den Stern kreisen! Der Raumfahrtbehörde fällt dazu nichts Besseres ein, als diese Objekte als „optische Täuschungen“ zu bezeichnen. Doch kann das wirklich stimmen? Laut einem Youtube-Video aus dem Jahr 2010 startete am 25. Oktober 2006 die Rakete Delta II 7925-10-L von Cape Canaveral und brachte die Satelliten ins Sonnenorbit, wo dann die bemerkenswerten Bilder entstanden. Heute jedoch will man bei der NASA nichts mehr davon wissen, soll heißen: Die für die Öffentlichkeit zugänglichen Aufnahmen und Videos wurden von der offiziellen NASA-Seite entfernt! Es existieren also brisante Forschungsergebnisse, heiße Eisen, die man der breiten Öffentlichkeit vorenthält. In diesem Zusammenhang ist es durchaus erwähnenswert, dass sowohl den Satelliten selbst als auch den riesigen Flugobjekten die vermeintliche Sonnenhitze überhaupt nichts auszumachen schien.
Nun, bei Raumschiffen, die in nur wenigen hundert Kilometern Entfernung von der Sonnenoberfläche fliegen, muss man sich die Frage stellen, ob nicht ein gewisser Matthias Härtel wenigstens teilweise recht haben könnte. Dieser stellt nämlich in seiner Arbeit „Das Geheimnis unserer eiskalten Sonne“ die schier unglaubliche These auf, dass, wie schon aus seinem Titel hervorgeht, die Sonne in Wahrheit kalt sein könnte!
Nun, sie muss nicht gleich kalt sein, aber vielleicht nicht ganz so heiß, und vor allem kein brodelnder Atomofen, wie uns die Wissenschaft glauben machen möchte.
Gleichwohl, all das sind nur einige einführende Gedanken zu der Dokumentation über eine schier unglaubliche Reise. Und spätestens jetzt ist es an der Zeit, über meinen Freund Nauthon zu sprechen. Denn es war keineswegs ich selbst, der die besagte Reise erleben durfte, sondern dieser besondere und gesegnete Mensch.
„Nauthon“ ist natürlich nicht sein richtiger Name, denn um ihn zu schützen, verwende ich dieses Synonym. Der Mann war von vielen der Ideen, die ich hier in aller Kürze vor dem geistigen Auge vorüberziehen ließ, überaus fasziniert, ja durchdrungen, viel mehr noch als meine eigene Wenigkeit. Vielleicht lag es daran, dass er mit der Sonne zugleich seine Verehrung der Göttlichen Mutter, welcher sein Herz zutiefst geweiht war, und an die er inniglich glaubte, in Verbindung brachte. Ich kann mich noch daran erinnern, wie er von der „Frau, mit der Sonne bekleidet“ aus der Apokalypse des Johannes sprach, und wie er diese sowohl mit Maria Magdalena als auch mit der Muttergöttin Dana der Kelten assoziierte, ja geradezu identifizierte. Den Namen der hehren Dana leitete er von der Sonnengöttin Diana der Skythen her. Dieses Volk war zu archaischer Zeit einst an den Gestaden Schottlands gelandet und hatte sich dort niedergelassen, weshalb nicht nur der Landesname „Scotia“ von „Scythia“ herrührt, sondern eben auch „Dana“ von „Diana“.
All das zusammengenommen mag eine gute Erklärung dafür bieten, warum es dieser Mann tatsächlich schaffte, eine Ausbildung zum Astronauten bei der NASA zu absolvieren, ja mehr noch: Er wurde einer der Besten, die diese Institution jemals sah! Denn anders als so mancher Autor, der behauptet, von Außerirdischen entführt und solcherart zu anderen Planeten gelangt zu sein, gelang Nauthon dieses Kunststück in einem Experimentalschiff der amerikanischen Raumfahrtbehörde.
Ja, und nun fragt sich der geneigte Leser natürlich, woher ich wohl um derart geheime Dinge weiß…?
Wie gesagt, war Nauthon mein Freund, und zwar nicht irgendeiner, sondern der beste Freund, den man sich nur denken kann. Ich werde nie die Nacht vergessen, als er unverhofft vor mir stand. Um ihn wehte gleichsam der Hauch einer anderen Welt, sein Gesicht wirkte fast nicht mehr irdisch, so strahlend vor Liebe und Erfüllung war es!
Es war geschehen in dem Augenblick, als er nach seinen ersten Erlebnissen auf dem Sonnenplaneten noch einmal hierher zur Erde zurückgekehrt war. Ich, der ich damals noch keine Ahnung hatte, was er hatte erleben dürfen, wollte ihn natürlich sofort auf seinen Ausflug ansprechen. Doch er hob nur die Hand, mir freundlich Einhalt gebietend.
„Guter Freund“, sprach er mit sanfter Stimme, „es ist jetzt nicht die Zeit für lange Erklärungen. Hab nur Geduld, du wirst bald mehr erfahren!“
Mit diesen Worten zog er ein Bündel Papier hervor, offenbar von Hand verfasst, und reichte es mir.
„Lies, mein Freund! Lies, staune und versuche zu verstehen! Meine Wege führen nun wieder zurück zu dem Stern meiner Sehnsucht und“ – er machte eine kurze Pause, um dann fortzufahren – wenn es die Gnade der Göttlichen Mutter will, so sollst auch Du mir nachfolgen und mit eigenen Augen die Herrlichkeiten sehen, die ich erblicken durfte.
Ich nahm die zahlreichen Blätter, er legte mir die Hand auf die Schulter und sah mir tief in die Augen. „Bald, mein Freund, bald!“
Da strahlte von außen plötzlich ein starkes grünliches Licht in das Fenster und weckte unsere Aufmerksamkeit.
„Mein Schiff ist bereit zum Abflug!“ rief er aus. „Ich muss wieder fort!“
In diesem Moment bemerkte ich, dass draußen im Garten eine, der Figur und dem langen Haar nach zu schließen, offenbar weibliche Person stand, die auf ihn wartete. Ich meinte noch sogar, in ihr Diana Scullor, eine Mitarbeiterin aus dem NASA-Kontrollzentrum, erkannt zu haben, doch ich kann mich darin auch täuschen.
„Sie ist meine große Liebe, mein Freund! Mit ihr werde ich wieder zu unserem Mutterstern zurückreisen. Du wirst von uns hören!“
Kaum hatte er diese Worte gesagt, war er auch schon aus der Tür. Minuten später hörte ich, wie ein Flugschiff startete, und gleich danach sah ich, wie diese – soll ich sie „fliegende Untertasse“ nennen? – mit großer Geschwindigkeit im Nachthimmel verschwand.
Ich weiß nicht mehr, wie viele ungezählte Zeit ich nach Nauthons Abflug noch auf dem Balkon gestanden hatte an diesem lauen Sommerabend, den Blick in den Himmel gerichtet, als wollte ich die Sterne zählen. Irgendwann dann wandte ich mich dem Bündel Papier zu, das er mir in die Hand gedrückt hatte. Zuerst überflog ich es nur, dann aber machte ich es mir bequem und begann zu lesen.
Für den nachfolgenden Bericht, den ich ab jetzt hier wiedergebe, habe ich ganz bewusst die Form eines Romans gewählt. Möge jeder Leser und jede Leserin selbst entscheiden, ob, und wenn ja, was daran er als Science Fiction anzusehen geneigt ist oder nicht!
Im Hauptkontrollzentrum der Raketenabschussbasis der NASA, Cape Canaveral, herrschte ungewöhnliche Aufregung. Diesmal war es nicht diese erwartungsfrohe, freudige Erregtheit, die jedes Mal dort die Szenerie beherrscht, wenn der Abschluss einer besonderen Mission bevorsteht!
Auf mehreren großen Mainscreens sah man die Sonne in einer gewaltigen Auflösung, nahezu das ganze Bild füllend. Nicht weit davon entfernt befand sich ein nicht allzu großes Raumschiff, gerade mal für zwei Mann Besatzung gebaut, direkt auf unser Muttergestirn zusteuernd.
„Was macht dieser Irre denn da? Will er sich umbringen?“ rief einer der Männer an den vielen Computern.
„Sieht fast so aus! Und warum wissen wir wieder mal nichts von dieser kleinen Überraschung?“ war ein Anderer ungehalten.
„Leute, seht euch mal die Hülle des Schiffs an!“
Der Zwischenruf war von der Mitarbeiterin Diana Scullor gekommen, einer Frau mittleren Alters mit rotblondem Haar und schlauen, fuchsartigen Gesichtszügen. Sie wandte sich an den Mann neben ihr.
„Hopkins, Vergrößerung!“
Der Angesprochene tat, wie ihm geheißen.
„Und? Es ist keine ungewöhnliche Form“, meinte nun Major Turner, ein altgedienter Mann mit hartem Gesicht.
„Seht doch mal genauer hin! Die Legierung! Ihre bronzeartige Färbung ist sehr ungewöhnlich.“
„Hm, stimmt! Hab‘ ich noch nirgendwo sonst gesehen“.
„Ein Experimentalschiff! Es muss ein Experimentalschiff sein! Wohl wieder mal ein streng geheimes Projekt, von dem nur einige Eingeweihte wissen sollen.“ Diese Feststellung wurde abermals von der besagten Mitarbeiterin getroffen.
„Gemach, gemach, Ms. Scullor!“ Turner sah sie mit strengem Blick an.
„Wieder mal eine Füchsin!“ grinste Hopkins sie unverschämt und zugleich erwartungsvoll an, auf einen frechen Konter ihrerseits hoffend.
„Erst wollen wir mal sehen, was der Astronaut – wer ist er eigentlich? – da eigentlich vorhat! Wilburn, checken sie mal den Namen!“
Der Mitarbeiter suchte in seiner Datenbank herum.
„Laut der Dienstpläne sollte es Nauthon sein, der da drinsitzt!“ gab er nach kurzer Zeit zur Antwort.
Die Miene des Majors wurde noch finsterer, als sie ohnehin schon wirkte, und so manche vielsagende Blicke wurden in dem großen Kontrollraum ausgetauscht.
„Aha, also dieser Nauthon mal wieder!“ brummte er vor sich hin. „Hm, die Kapsel muss von der Trägerrakete Dionysos XI an ihren Bestimmungsort gebracht worden sein. Eine andere kommt nicht Frage. Und das, ohne dass ich davon wusste! Na gut, jedenfalls muss dem Burschen inzwischen ganz schön warm da drin sein, Experimentalschiff hin oder her.“
Unterdessen hielt die kleine Kapsel immer weiter direkt auf die brodelnde gelbe Kugel vor ihr zu.
„Die Farbe der Hülle müsste allmählich ins Rötliche übergehen, selbst bei einer besonderen Legierung“. Turner sagte dies mehr zu sich selbst als zu seinen Untergebenen.
„Wenn Nauthon diesen Kurs beibehält, wird er verglühen, noch bevor er die Chromosphäre erreicht hat.“ Diese Meinung kam von McJohnston, einem der jüngeren Kollegen und Fachmann für die Sonne.
„Nauthon ist nicht der Typ Mann, der sich umbringen will, indem er sich mit dem Raumschiff spektakulär in die Sonne stürzt“, wandte nun Wilburn ein.
„Ganz richtig“, konstatierte Ms. Scullor nüchtern. „Ich kenne ihn seit unserer Jugend. Der Mann weiß, was er da tut!“
Indessen trat Major Turner nervös von einem Fuß auf den anderen. „Das hat Konsequenzen, entweder für Nauthon selbst, sofern er das überlebt, oder für seine Freunde in gewissen Kreisen!“ zischelte er böse vor sich hin.
„Vielleicht ist die Sonne doch nicht so heiß, wie man es uns Allen gerne weismachen will?“ äußerte Ms. Scullor halblaut ihre Gedanken“.
„Diana!“ – Turner schrie es fast – „verschonen Sie uns mit Theorien à la Härtel und Konsorten.“ Die Sonne ist bereits außen mindestens 5.500 Grad heiß, eher 6.000, das wissen wir doch Alle.“
„Aber warum verglüht Nauthon mit seiner Kapsel dann nicht?“ fragte Scullor mit Bestimmtheit. „Seht, er ist nur noch wenige hundert Kilometer von der Korona entfernt! Kein bekanntes Raumschiff hält das aus, von Besatzungsmitgliedern ganz zu schweigen!“
Sekundenlang herrschte betretenes Schweigen.
„Es muss ein Experimentalschiff sein, oder“ – Wilburn hielt inne.
Ein strenger Blick Turners verhinderte, dass er weitersprach. „Oder?“
„… oder die Sonne ist eben doch nicht so heiß, wie wir seit Jahrtausenden wissen wollen“, ergänzte Scullor Wilburns Satz.
„Oder womöglich beides!“ fügte McJohnston leise hinzu.
Inzwischen hatte das kleine Schiff die Sonnenkorona erreicht.
„Er nimmt keinen Kurs auf eine Umlaufbahn“, stellte Hopkins fest. „Offensichtlich will er direkt in die Korona eintauchen.“
Langsam, aber sicher wurde Nauthons Kapsel vor den gebannten Blicken in der NASA-Kontrollzentrale immer kleiner, bis er schließlich vollständig in der Sonne verschwunden war!
Fassungslosigkeit.
„Eines ist sicher“, stellte Scullor dann endlich fest. „Was immer Nauthon da drin widerfahren ist – er ist nicht verglüht.“
„Richtig!“ stimmten ihr mehrere Stimmen zu. „Keinerlei übermäßige Erhitzung der Hülle zu bemerken – keine Verfärbung des Materials und auch keine sonstigen Messwerte, die darauf hindeuten könnten.“
Major Turner warf einen strengen Blick in die Runde: „Es ist hoffentlich jedem klar, dass nichts von dem, was wir soeben miterlebt haben, an das Licht der Öffentlichkeit dringen darf! Schließlich dürfen wir auch nicht ausschließen, dass unsere Computer gesponnen haben. Und egal, was die nachfolgende Untersuchung ergeben wird – nach außenhin sprechen wir von Systemfehlern, unklaren Messergebnissen oder Computerfehlern. Ist das klar?“
„Völlig klar“ stimmte Scullor ihm zu, „aber...“
„Aber was?“
„Wir sollten dabei nicht vergessen, dass dieser Flug in die Sonne auch von den Raumfahrtbehörden anderer Länder nicht unbeobachtet geblieben sein dürfte, ganz zu schweigen von Hobbyastronomen, Ufologen und so weiter.
„Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Scullor!“ erwiderte Turner, der sich ein wenig beruhigt hatte. „Darum kümmere ich mich schon! Und nun muss ich wohl einige ernsthafte Gespräche führen. Für heute aber ist erstmal Schluss. Ihr wisst, was ihr zu tun habt, Leute!“
Unglaubliche Gefühle der Erleichterung durchströmten Nauthons ganzen Körper, als sein kleines Raumschiff zuerst in die Korona und danach in die Chromosphäre unseres Muttersterns eintauchte. Es war schon ein sehr kitzliges Gefühl gewesen, in die Sonne, den angeblich glühend heißen Gasball, direkt hineinzufliegen! Obwohl sich eine so starke Hitze schon längst hätte bemerkbar machen müssen, war trotz aller vielversprechenden Messwerte dennoch ein Rest von Ungewissheit geblieben. Nun aber, umgeben von einem stets arbeitenden Wogen und Brodeln inmitten einer dunkelgelben bis olivgrünen, teilweise gallertartig erscheinenden Masse, hatte sich die Nadlium-Hülle der Kapsel nur unwesentlich erhitzt, und das offenbar ausschließlich durch Reibungshitze. Von einer Temperatur bis zu 6.000 Grad Celsius, wie die Wissenschaft der Menschheit uns seit langen Jahrzehnten weismachen will, konnte hier keinerlei Rede sein! Nauthons Schiff, die „Diane“, und nicht zuletzt er selbst, waren weder verglüht noch gegart, sondern durchflogen höchst lebendig die Atmosphäre der Sonne, gleichsam als lebendiger Gegenbeweis, der Wissenschaft zum Hohn.
Die Empfindungen in Nauthons Körper wandelten sich von Erleichterung in ein aufgeregtes Kribbeln, als er die Photosphäre durchquert hatte und nach der Stratosphäre allmählich auf eine Troposphäre stieß, wie sie sein Auge niemals zuvor geschaut hatte.
Absolut wolkenlos war der goldene Himmel, der sich stetig in leichter Bewegung befand, einem sanften Ozean an einem lauen Tag vergleichbar. Seine eigentliche Färbung glich eigentlich mehr einer Art kräftigen Zitronengelb, doch Nauthon bevorzugte es, ihn als „von goldener Farbe“ zu bezeichnen, um seine im wahrsten Sinne des Wortes überirdische Schönheit besser zu würdigen.
Nach und nach waren erste Umrisse von Landschaften zu erkennen, und immer mehr Einzelheiten eröffneten sich dem Betrachter. Die Wiesen, Wälder und Berge waren denen der Erde durchaus ähnlich, aber mit bemerkenswerten Abweichungen in den Farbtönen. Generell hatten alle Farben, Farbtöne und Schattierungen hier eine gewisse Tendenz zum Transparenten, ja geradezu Kristallinen, so als wenn Diamanten und Edelsteine eine Art Grundstoff für alles auf der Sonne Wachsende und Bestehende bildeten. Man könnte umgekehrt auch sagen, ein Sonnenbewohner, der unsere Erde besuchen würde, hätte in seiner Wahrnehmung mit Sicherheit die Empfindung einer gewissen Mattheit, ja Stumpfheit in allem, was er dort zu Gesicht bekäme.
Das Grün der Sonnengräser und der meisten anderen Sonnenpflanzen hatte eine starke Tendenz ins Türkise, die Gewässer waren, wohl auf Grund der Spiegelung der Himmelsfarbe, trotz eines zarten Aquamarin-Tons zugleich wie mit einem goldenen Schimmer überzogen – ein Phänomen, das nur der begreifen kann, dessen begnadetes Auge es wahrnehmen darf!
Den geringsten Unterschied zu den Naturerscheinungen auf der Erde schienen noch die Berge und Wälder aufzuweisen. Erstere waren, wie bei uns, von einer grauen bis braunen Färbung dominiert, von den Letzteren war nur ein zumeist lindgrünes Blätterdach auszumachen.
Während Nauthon noch seinen Blick über die Sonnenlandschaften schweifen ließ, bemerkte er zunächst nicht, wie ein starker Wind aufkam, der schnell an Intensität zunahm. Nauthon hielt Ausschau nach einem sicheren Landeplatz auf einer Wiese, doch ein Schrecken durchzuckte ihn: Sein kleines Schiff kam gegen das Wehen des rauen Windes nicht an! Mehr und mehr wurde er während des Sinkfluges abgedrängt, weg von den türkisgrünen Auen, und als er sich nur noch wenige Meter über dem Sonnenboden befand, waren unter ihm die Bäume eines Waldes.
Mit immer noch relativ hoher Geschwindigkeit schoss die „Diane“ mitten hinein in einen lichten Wald, vorbei an Bäumen, durch Dickicht und hinweg über kleine Tümpel und Moore. Der Sonnenpilot hielt sich gut fest und erwartete den Aufprall. Dieser ließ nicht lange auf sich warten! Nach einem starken, aber kurzen Ruck blieb die Kapsel stehen – oder besser gesagt stecken, denn ihr Bug steckte mitten im Boden, und das Heck ragte in geringem Winkel auf zum goldenen Himmel.
Bereits während des Anflugs hatte Nauthon anhand seiner Messgeräte registriert, dass die Atmosphäre einen sehr hohen Sauerstoffgehalt aufwies, etwa dem Gemisch in einer guten Taucherflasche entsprechend. Nach einer Viertelstunde, um sich von dem Schock zu erholen und ein paar kurze Checks durchzuführen, wagte er es endlich, das obere Verdeck seiner gestrandeten „Diane“ zu öffnen und herauszusteigen.
Ein Sprung, und er landete auf weichem Waldboden. Dieser war längst nicht so hart wie sein Verwandter auf der Erde, und genau das war auch der Grund, warum Nauthon bei seiner Bruchlandung von größeren Blessuren verschont geblieben war.
Die Luft um ihn herum war erfüllt von Vogelgezwitscher und Insektengebrumm, wie an einem warmen Sommertag auf der Erde bei etwa 30 Grad. Ganz wie bei uns? Denn es schien Nauthon – oder redete er sich das nur ein? – dass alles viel melodischer klang. Zahlreiche Pflanzen sprossen aus dem Boden, wunderbare Blüten in allen Farben hoben ihre Häupter empor. Auffällig war ein reicher Pilzbewuchs. Große und kleine Pilze bevölkerten nahezu jeden Baumstamm, und sie waren mindestens genauso zahlreich wie die anderen Pflanzen. Besonders erstaunlich aber waren die Baumstämme! Sie waren nicht von mattem Braun wie die meisten Bäume auf der Erde, sondern eher rötlich bis rotbraun, und wie aus Milchglas. Ihr Blattwerk war meist grün, bisweilen ins Bläuliche spielend, und ebenfalls wie aus Glas, allerdings wie von feinstem Glas aus einer exzellenten Manufaktur.
Nauthon sah sich weiter um, die köstliche sauerstoffreiche Luft einatmend. Sein Blick reckte sich die Baumstämme empor, hinauf zum goldenem Himmel. Auf einmal bemerkte er, wie das geschäftige Treiben der Kleintiere, das Rascheln im Unterholz und Zwitschern der Vögel, ein wenig verstummte. Genauer gesagt, es wich nun mehr und mehr einem Knacken in den Ästen und Zweigen am Boden, und nach wenigen Sekunden war es klar: Es waren Schritte, die immer näherkamen! Nauthon wandte sich unwillkürlich seinem kleinen Raumschiff zu, bereit sich darin zu verbergen. Zu spät! Viel schneller als erwartet, sah er sich plötzlich einer riesenhaften Gestalt von humanoidem Äußeren gegenüber. Sie war gut und gern drei Meter groß!
Als er in ihr Gesicht blickte, erkannte er, dass es sich um ein Kind handelte! Wie groß mochten dann erst seine Eltern sein? Vermutlich um die fünf Meter. Das Mädchen hatte stark archaische Gesichtszüge und einen dazu passenden Körperbau, an einen Vorzeitmenschen wie den Neandertaler erinnernd. Offenbar hatte es hier in der Nähe gespielt und dabei zufällig das schimmernde Metall des Raumschiffs entdeckt. Mit großen Augen blickte es unverwandt und neugierig auf den Eindringling.
Obwohl Nauthons Cosmolator eingeschaltet war und arbeitete, vernahm er nicht mehr als unverständliche Laute, die aus dem Mund des Riesenkindes drangen. Er wollte es grüßen und hatte gerade begonnen, es freundlich anzusprechen, da vernahm er aus einigen Metern Entfernung eine warnende Stimme.
„Hierher, schnell! Beeil dich!“
Nauthon hatte keine Zeit zu überlegen. Er folgte seinem Gefühl und stürzte los, der Stimme folgend. Es war keine Sekunde zu früh, denn im gleichen Moment hatte das Riesenmädchen seine Arme zum Boden ausgestreckt und versucht, ihn mit seinen groben Händen zu ergreifen! Mit knapper Not entkam Nauthon ihren Fingern und rannte hindurch zwischen schützenden Bäumen, dorthin, woher die Stimme zu ihm gedrungen war. Das Mädchen folgte ihm nur zwei oder drei Schritte, dann stoppte es und sah ihm enttäuscht nach. Nach wenigen Sekunden machte es kehrt, wohl um seine Verwandten zu holen.
Endlich blieb Nauthon stehen. Unmittelbar vor ihm war ein Wesen zwischen den Bäumen hervorgetreten, direkt aus einem Gebüsch heraus. Aufrecht stand es vor ihm. Der Körperbau war menschenähnlich, aber sein Haupt und Gesicht erinnerten sehr an ein Tier, das Nauthon von der Erde her kannte: Einen Fuchs!
„Ich grüße dich, Fremdling!“ begrüßte der Sonnenbewohner sein Gegenüber.
Der Cosmolator, dieses fantastische Kommunikations- und Universalgerät, welches binnen Sekunden in der Lage war, jedwede Sprache zu erkennen und die gesprochenen Worte zu übersetzen, arbeitete jetzt perfekt.
„Mein Name ist Nauthon“, erwiderte Nauthon freundlich, „und ich komme von der Erde!“
„So, von der Erde also. Ja, das dachte ich mir schon, als ich dein Raumschiff am Himmel und danach hier im Wald sah. Die Bauweise ist unüblich für ein Sonnenschiff.“ Nach einem Atemzug Pause fuhr er fort. „Mein Name ist Luncor, der Sonnenfuchs! Komm mit, wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Riesenfamilie sucht nach dir!“
Mit diesen Worten wandte er sich um und ging voraus. Nauthon folgte seinen flinken Schritten, und nach einer knappen Viertelstunde flutete mehr Sonnenlicht zu ihnen. Sie hatten nun den Waldrand erreichte, und an diesem lag, direkt an einer Felswand, ein kleines Haus, welches auch etwas von einem Höhleneingang an sich hatte. Es war zur Hälfte in den Felsen gebaut und vermittelte teils den Eindruck eines Hauses, teils eines Fuchs- oder Dachsbaus.
„Hier sind wir einigermaßen in Sicherheit“, sagte nun der Fuchsmensch. Die Nombi kommen nur bis zum Waldrand, aus dem Wald hinaus können sie nicht, dafür sind sie zu schwer und zu plump.“
Nauthon wunderte sich über diese Aussage, und gerade als er Luncor darüber befragen wollte, trat eine Gestalt aus Tür des Hauses und sah sie verwundert an. Diese hatte das Gesicht einer Katze, und trotz des humanoiden Leibes wirkte sie sehr geschmeidig und katzenhaft. Sie war offenbar eine Katzenfrau.
„Das ist meine Frau Minkara“, stellte Luncor seine Frau dem Besucher vor. „Minkara, dieser Mensch kommt von der Erde.
„Oh, von der Erde!“ lächelte die Katzenfrau und reichte Nauthon ihre Hand, die schon von stark menschlicher Art war und nicht mehr viel von einer Katzenpfote an sich hatte. „Nun, dann tretet ein und stärkt euch!“
Nauthon kam ihrer Aufforderung gerne nach, und Luncor folgte ihm. Minkara schloss die starke Tür hinter ihnen gut ab. „Nur eine Sicherheitsmaßmahme, wegen der Nombi“, erklärte sie beiläufig.
Im Inneren des Hauses war es ganz wie in einer menschlichen Behausung auf der Erde, mit allem, was man darin so zum Wohnen benötigt.
Sie setzten sich und Minkara servierte ihnen alsbald einige süßsaure, apfelähnliche Früchte, die sie mit Genuss verzehrten.
„Nauthon, du hast dich sicher gewundert, dass wir sprechen können, nicht wahr?“ fragte Luncor seinen Gast.
Nauthon nickte.
„Nun, du kennst sicher unsere Vorfahren auf der Erde – Füchse und Katzen, vermutlich auch die Erzählungen und Mythen von Fuchs- und Katzenmenschen?“
„Natürlich“, antwortete Nauthon. „So viel ich weiß, sind sie besonders in Ostasien sehr beliebt.“
„Mag sein“, sprach nun Minkara. „Hier auf dem Sonnenplaneten siehst du dich nun ihren Höherentwicklungen gegenüber. Nicht nur Menschen, die sich höher entwickeln, sondern auch Tiere kommen in diesem Stadium ihrer seelischen Entwicklung hierher, auf den Sonnenplaneten, oder, wie wir ihn nennen, Solanda!“
Nauthon blickte seinen Gastgebern in die Gesichter, in ihre grünen und gelben Augen, um dann zu konstatieren:
„Es gab bei uns auf der Erde durchaus schon Mystiker, die in ihren Werken solche Dinge andeuteten. Insgesamt ist unser irdisches Wissen darüber leider sehr begrenzt. Was meine Wenigkeit angeht, so bin ich nicht auf dem Weg einer Seelenreise, sondern mit einem Raumschiff hierhergekommen.“
„Das ist offensichtlich. Nun, alles hat seinen tieferen Sinn“, sagte Minkara mit Bestimmtheit, und Luncor ergänzte: „Du wirst mehr erfahren, wenn du erst mit dem Volk hier in Kontakt kommst, welches einst vor sieben Jahrhunderten, in der Zeit eures Mittelalters, hierher nach Solanda gebracht wurde, um seiner Auslöschung zu entgehen.“
Nauthon merkte auf. „Ein Volk von der Erde?“
„Ja, von der Erde wie du!“ bestätigte ihm Luncor. „Ursprünglich war es weniger ein Volk, als vielmehr eine kleine Gemeinschaft von religiösen Menschen. Erst hier auf Solanda sind sie dann nach und nach zu einem Volk geworden.“
Minkara hob die Hand, um die zu erwartenden Fragen Nauthons abzuwehren. „Es ist noch viel zu früh für weitere Erläuterungen. Du wirst noch mehr davon erfahren, wenn es an der Zeit ist. Zuerst musst du mehrere hundert Kilometer Entfernung überwinden, um zu ihnen zu gelangen. Wir können dich dabei nicht begleiten, denn unsere Aufgabe auf dem Weg zu endgültigen Menschwerdung ist hier, an diesem Ort.“
Luncor ergänzte Minkaras Ausführungen: „Wir alle müssen unseren Verpflichtungen nachkommen. Unsere besteht darin, die Grenzen des Waldes zu überwachen, und verdächtige Aktivitäten der Nombi zu melden.“
„Ach ja, die Nombi!“ Nauthon hatte bei diesen Gesprächen das Riesenmädchen schon fast vergessen. „Wer ist dieses Volk eigentlich?“
Minkara erklärte ihm: „Es genügt wohl zu sagen, dass diese sozusagen die Ureinwohner des Sonnenplaneten darstellen. Sie verweigerten bis heute eine Höherentwicklung ihrer Seelen, und so blieben sie auf dem Punkt der Frühzeitmenschen stehen und leben daher noch wie eure Vorfahren, die Cro-Magnon-Menschen, in den Wäldern. Aus diesen können sie nicht hinaus, denn im Boden Solandas außerhalb davon würden sie auf Grund ihres Gewichtes einsinken. Hätten sie nur etwas mehr Verstand, so könnten sie Methoden entwickeln, das zu überwinden. Doch da sie ihre Höherentwicklung verweigern, verharren sie in ihrem jetzigen Zustand und schränken sich so selbst ein.“
Nauthon war bei diesen Worten nachdenklich geworden. „Auch bei uns auf der Erde gibt es Vergleichbares. „Die irdische Menschheit lebt größtenteils noch immer in einem System, das letztlich auf die Vernichtung der eigenen Existenz zusteuert.“
„Diese Dinge kannst du später mit den Sonnenkatharern erörtern!“ unterbrach ihn nun Luncor. „Die sind dafür besser geeignet als wir bescheidenen Wesen“.
„Ihr solltet nun besser aufbrechen“, sagte Minkara trocken und erhob sich. „Mein Mann wird dich bis zu deinem Ausgangspunkt für den weiteren Weg bringen. Dann wirst du weitersehen.
Auch Luncor stand vom Tisch auf. „Meine Frau hat recht. Wir müssen uns auf den Weg machen.“
„Ich danke euch beiden!“ Nauthon erhob sich. „Habt Dank für eure Hilfe und eure Gastfreundschaft“ sagte er herzlich und reichte Minkara die Hand zum Abschied.
Diese nahm sie und sagte mit ruhiger Stimme, ihm in die Augen sehend: „Möge die Sonnenkönigin dich beschützen. Und nun brecht auf!“
Wenige Minuten später waren Nauthon und Luncor auf dem Weg. Je mehr sie sich von Waldrand entfernten, umso mehr bemerkte der Erdenmensch, wie der Sonnenboden immer weicher und elastischer wurde. Auf diesem Untergrund zu gehen war eine wahre Lust! Die ganze Landschaft war durchsetzt von zahllosen, großen und kleineren, nahezu kunstvoll geschwungenen Hügeln, von denen viele ineinander übergingen. Luncor, der Nauthons Freude daran bemerkte, sagte:
„Der besondere Boden Solandas wird dich befähigen, große Entfernungen zu Fuß zurückzulegen, ohne deine Knochen dabei zu sehr anzustrengen. Und nun sieh her!“