Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

3. Auflage

Copyright © 2020 Jost Scholl

Projektleitung & Redaktion: Hans-Peter Schüssler

Konzeption: Eckhard Fieberg

Umschlaggestaltung & Design: Monika H. Kreuzer

Layout: Peter Meyer-Lorenz

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-750-46678-4

Wichtiger Hinweis:

Sämtliche Angaben, Informationen, etc. dieses Buches wurden vom Autor sorgfältig erarbeitet, zusammengetragen und überprüft. Gesetzesänderungen seit Redaktionsschluss und Irrtümer bleiben vorbehalten. Es wird keine Gewähr übernommen, insbesondere keine Garantie/Verantwortung oder Haftung speziell für Ratschläge, Inhaltsfehler sowie Personen-/Sach- & Vermögensschäden. Jegliche Haftung ist ausgeschlossen. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt, inklusive der Vervielfältigungen, fotomechanischen Wiedergabe, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Verarbeitungen und Speicherung in elektronischen Medien. Die Erstellung und Verbreitung von Kopien, etc. ist nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Autors sowie des Verlags zulässig; Zuwiderhandlung wird juristisch verfolgt.

Vorwort:

So nicht!

Der Kündigungs-Ratgeber

– Vom Profi für die Praxis –

enthält wertvolle Tipps und Tricks, die in jahrelanger gerichtlicher und außergerichtlicher Arbeit mit unterschiedlichsten Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Anwälten, Gewerkschaften, Gerichten und anderen Behörden gesammelt wurden.

Er erklärt Ihnen verständlich, schnell und praxisnah was Sie bei einer bevorstehenden oder schon ausgesprochenen Kündigung beachten müssen, damit Sie über Ihre Rechte Bescheid wissen, sie in der Praxis durchsetzen können und nicht von Ihrem Arbeitgeber, ggf. Kollegen, Ihrem Betriebs-/Personalrat, Vorgesetzten, etc. übervorteilt werden.

Das Buch beschreibt zuerst sämtliche rechtlichen Gründe, die zu einer Kündigung führen können und welche Voraussetzungen die Kündigung hat. Danach wird die außergerichtliche und gerichtliche Praxis des Streitens behandelt.

Die genannten Paragraphen können Sie einfach im Internet über Suchmaschinen finden. Es lohnt sich hierbei auch immer einige Paragraphen vor und hinter den hier genannten zu lesen.

Die Juristerei dient in erster Linie der Ordnung und Gerechtigkeit. Die vielen Paragraphen sind aber nur die eine Seite der Medaille; außerdem sind Jura und die betriebliche Wirklichkeit meist zweierlei Schuhe. Ganz wichtig ist deshalb die praktische und erfolgreiche Durchsetzung Ihrer Rechte:

Die Frage, wie Sie wann was vorbringen und was nicht, was Ihren Vertragspartner kennzeichnet, welche Alternativen Sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten haben und wie Sie entsprechende Aktionen und Reaktionen der Gegenseite möglichst für sich selbst nutzen können, außerdem wann Sie ggf. wen mit ins Boot holen.

Entscheidend ist deshalb, dass Sie Ihre – durch das Gesetz gewährleisteten – Rechte durchsetzen und beweisen können. Speziell deshalb sollten Sie vorbereitet sein und keine vermeidbaren Fehler begehen.

Mit diesem Ratgeber sind Sie optimal vorbereitet, so dass Sie das bestmöglichste Ergebnis für Ihren Fall selbst erzielen können. Leider wird das in der Praxis ohne Planung und Wissen viel zu oft nicht erreicht!

So nicht!

Der Kündigungs-Ratgeber

Vom Profi für die Praxis –

wurde mit viel Sorgfalt nach bestem Wissen und Gewissen verfasst und ist auf dem aktuellsten Stand.

Beachten Sie aber, dass das Arbeitsrecht und speziell die AGB-Rechtsprechung ständigen Weiterentwicklungen gerade durch die EU-Rechtsprechung unterliegt.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und vor allem beim Verteidigen Ihrer Rechte im Arbeitsleben!

Ihr

Jost Scholl

Inhaltsverzeichnis

1. Teil: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses kann einvernehmlich, also mit Willen beider Parteien, zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber durch einen Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag oder einseitig durch Sie oder Ihren Arbeitgeber durch eine Kündigung geschehen.

Eine Beendigung wird nach der Rechtsprechung immer durch die Kündigung erzielt, so dass ein Rücktritt nie zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führt. Auch ein Widerruf eines Arbeitsverhältnisses existiert nicht und beendet ein Arbeitsverhältnis nicht. Ferner kann durch eine reine Suspendierung oder Freistellung von der Arbeit noch keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesehen werden.

Da alle o. g. Beispiele jedoch zum Ausdruck bringen, dass das Arbeitsverhältnis enden soll, ist es möglich die Erklärung in eine Kündigung umzudeuten. Für die Wirksamkeit dieser Erklärung müssen aber die Voraussetzungen einer Kündigung vorliegen.

Ein Sonderfall der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist die Erklärung einer Anfechtung.

Die Anfechtung ist im Arbeitsrecht nur relevant, wenn sich entweder Ihr Arbeitgeber oder Sie sich als Arbeitnehmer arglistig getäuscht fühlen. Eine Anfechtung kommt in der Praxis sehr selten vor. Wenn überhaupt werden Arbeitsverträge angefochten, wenn im Bewerbungsgespräch zulässige Fragen durch Ihren Arbeitgeber gestellt wurden, so dass Sie nicht lügen durften und Sie dennoch nicht die Wahrheit sagten. Dagegen können Sie bei unzulässigen Fragen des Arbeitgebers bewußt lügen, ohne dass Ihr Arbeitgeber den abgeschlossenen Arbeitsvertrag anfechten kann, s. Jost Scholl, Der Arbeitnehmer-Ratgeber -Vom Profi für die Praxis-, (un-)zulässige Fragen – Ihr Recht zur Lüge –.

I. Die Kündigung:

Die einseitige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erfolgt üblicherweise durch eine (Beendigungs-)Kündigung.

Bei Kündigungen müssen bestimmte Voraussetzungen für deren Wirksamkeit vorliegen, die nach den allgemeinen Beweisregeln von demjenigen bewiesen werden müssen, der kündigt.

Bei einer Kündigung Ihres Arbeitgebers können Sie außer bei einer verhaltensbedingten Kündigung oder einem sehr klammen Arbeitgeber davon ausgehen, dass Ihnen eine Abfindung gezahlt wird, auch wenn hierauf gesetzlich kein Anspruch besteht. Dafür müssen Sie aber gegen Ihre Kündigung klagen!

Beachten Sie, dass die arbeitsrechtlichen Vorschriften zu Ihrem Schutz als Arbeitnehmer bestehen. Sollten Sie bei Ihrer Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis selbst kündigen, müssen Sie diese – z. B. die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), die Anhörung des Betriebs-/Personalrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), etc. – nicht einhalten.

Ihre Eigenkündigung muss nur:

Begründen müssen Sie Ihre Kündigung nie.

Beispiel: Eigenkündigung

An den Arbeitgeber

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit kündige ich mein Arbeitsverhältnis mit Ihnen

Ich bitte Sie mir diese Kündigung schriftlich zu bestätigen.

Mit freundlichen Grüßen

Ort, Datum Unterschrift Arbeitnehmer

Haben Sie Ihre Eigenkündigung unüberlegt Ihrem Arbeitgeber geschrieben, können Sie diese solange zurücknehmen bis sie Ihrem Arbeitgeber zugegangen ist. Nach dem Zugang können Sie nur noch die Anfechtung derselbigen erklären. Dazu müssen aber die Voraussetzungen der Anfechtung vorliegen, d. h. Sie wurden durch arglistige Täuschung, widerrechtliche Drohung oder über eine verkehrswesentliche Eigenschaft durch Ihren Arbeitgeber getäuscht und haben nur deshalb Ihre Eigenkündigung ausgesprochen. Das ist für Sie sehr schwer zu begründen und zu beweisen, von daher hat eine Anfechtung pur juristisch kaum Chancen. In der Praxis sollten Sie über Ihren Anwalt Kontakt zum Arbeitgeber aufnehmen lassen, damit der Ihre Eigenkündigung möglichst auf dem kurzen Dienstweg unbürokratisch aus der Welt schafft und das Arbeitsverhältnis weiter fortgesetzt werden kann, was durchaus realistisch ist. Die Rechtsprechung deutet im Übrigen eine o. g. unwirksame Anfechtung so um, dass Sie Ihrem Arbeitgeber anbieten das Arbeitsverhältnis unverändert fortzusetzen bzw. einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Dazu muss Ihr Arbeitgeber aber zustimmen, was nur er bestimmt.

1. Die Kündigungsformen:

Es werden zwei Grundformen von Kündigungen unterschieden, die ordentliche und die außerordentliche Kündigung.

Die ordentliche Kündigung regelt den Normalfall, d. h. es soll eine Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der normalen Kündigungsfrist erfolgen.

Dagegen wird das Arbeitsverhältnis bei einer (normalen fristlos) außerordentlichen Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist sofort auf Knopfdruck, also ohne Frist, beendet. Hierfür müssen aber gesteigerte Voraussetzungen gegeben sein, z. B. muss ein wichtiger (Kündigungs-)Grund vorliegen und die außerordentliche Kündigung muss Ihnen bereits innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis Ihres Arbeitgebers von den wesentlichen zur Kündigung berechtigenden Umständen zugegangen sein.

Darüber hinaus gibt es die (seltene) außerordentliche Kündigung unter Wahrung der sozialen Auslauf(-kündigungs-)frist. Diese ist eine Zwischenform der ordentlichen und der (normalen fristlos) außerordentlichen Kündigung. Sie kommt zur Anwendung, wenn Sonderkündigungsschutz, z. B. tarifliche Unkündbarkeit besteht, so dass ein besonders schwerwiegender – juristisch: wichtiger – Grund für die Zulässigkeit der Kündigung vorliegen muss. Deshalb außerordentliche Kündigung.

Auch gestaffelte Kündigungen:

sind zulässig (Schrotflintenprinzip).

Achtung: Sollte in Ihrem Betrieb kein Betriebs-/Personalrat bestehen, ist eine Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung, die geringere Voraussetzungen hat und deshalb für ihn einfacher ein Arbeitsverhältnis beendet, sogar noch im Gerichtsverfahren möglich, wenn sich Ihr Arbeitgeber hierauf beruft.

Sollte dagegen bei Ihnen ein Betriebs-/Personalrat existieren, ist eine Umdeutung nur möglich, wenn Ihr Arbeitgeber den Betriebs-/Personalrat direkt zu beiden Kündigungen ordnungsgemäß anhörte. Ansonsten ist die Umdeutung unzulässig!

Beispiel: Kündigung durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Herr/Frau …,

hiermit kündigen wir Ihnen

  • ordentlich zum … (ordentliche Kündigung).
  • außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum … (außerordentliche Kündigung mit soz. Auslauffrist).
  • außerordentlich fristlos (außerordentlich fristlose Kündigung).

Bei der außerordentlichen Kündigung mit soz. Auslauffrist & außerordentlich fristloser Kündigung zusätzlich: Die Kündigung erfolgt aus folgenden Gründen: … .

Wenn ein Betriebs-/Personalrat besteht zusätzlich: Die Rechte des Betriebs-/Personalrats wurden gewahrt.

Ggf.: Hinweis auf Arbeitssuchend- und Arbeitslosmeldung.

Mit freundlichen Grüßen

Ort, Datum Unterschrift Arbeitgeber

2. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Kündigung:

Kündigt Ihnen Ihr Arbeitgeber (Arbeitgeberkündigung), muss er alle folgenden allgemeinen und ggf. besonderen sowie weitere Voraussetzungen nachweisen, was Sie ausnutzen können:

a) Die Kündigungskompetenz:

Eine Kündigung muss immer durch den Berechtigten erfolgen. Klar kann Ihnen nicht jeder x-Beliebige kündigen.

Entweder kündigt Ihnen der gesetzliche Vertreter des Arbeitgebers/Unternehmens. Das ist grundsätzlich der Chef des Unternehmens (Kapitän des Schiffes) oder ein sonst hierzu Befugter; sonstige Befugte sind speziell Personalleiter (nicht aber reine Personalsachbearbeiter) oder Prokuristen, d. h. Mitarbeiter, die vom Kapitän dazu ermächtigt wurden. Bei Prokuristen muss die Prokura aber im Handelsregister eingetragen und vom Registergericht bekannt gemacht worden sein. Auch das muss Ihr Arbeitgeber – bei entsprechendem Bestreiten durch Sie – beweisen!

Besondere Vorsicht ist bei der (Unter-)Vertretung angebracht.

Zwar kann eine Kündigung durch einen (Unter-)Vertreter des Berechtigten ausgesprochen werden. Diese kann aber durch Sie zurückgewiesen werden, wenn der (Unter-)Vertreter Ihnen zu der Originalkündigung keine Originalvollmacht des Berechtigten – alles natürlich mit Original-Unterschrift des Berechtigten – übergibt und sie üblicherweise bei Ihnen belässt, § 174 Satz 2 BGB. Sollten nicht Sie die Kündigung aus o. g. Grund zurückweisen, sondern Ihr Anwalt, muss dieser eine generelle Vollmacht von Ihnen dem (Unter-)Vertreter schriftlich im Original nachweisen, damit dessen Zurückweisung wirksam ist.

Achtung: Die Zurückweisung muss unverzüglich, d. h. sofort, spätestens aber binnen zweier Tage erfolgen.

Erfolgt die Zurückweisung wie vorgenannt, ist die Kündigung nicht durch den Berechtigten erklärt worden, so dass die Kündigung direkt nichtig, also unwirksam ist.

b) Die Schriftform:

Eine Kündigung muss immer schriftlich erklärt werden, d. h. es muss schriftlich zum Ausdruck kommen, dass das Arbeitsverhältnis enden soll. Der Kündigende muss diese Erklärung durch seine Originalunterschrift „beurkunden“. Die Schriftform ist immer zwingend, so dass hiervon keine Ausnahmen zulässig sind oder vereinbart werden können. Ist die Schriftform nicht gewahrt, ist die Kündigung direkt nichtig, also unwirksam.

In der Praxis werden Kündigungen manchmal mit einer sehr unleserlichen Unterschrift unterzeichnet. Sollten Sie die Unterschrift nicht kennen und auch nicht entziffern können, beziehen Sie sich auf die Paraphenrechtsprechung. Hiernach sind Paraphen, d. h. bloße Namensschlenker, denen manche Unterschriften ähneln, nicht ausreichend für eine Unterschrift. Es muss mindestens ein – üblicherweise der erste – Buchstabe des Nachnamens entziffert werden können, ansonsten ist die Schriftform nicht gewahrt und die Kündigung direkt unwirksam. Setzen Sie aber nicht alle Ihre Hoffnungen hierein, da die Gerichte die Paraphenrechtsprechung entweder nicht kennen oder die Unterschrift als leserlich bzw. Ihnen bekannt ansehen. Rügen sollten Sie das aber dennoch!

c) Der Zugang:

Sehr fehleranfällig ist der Zugang einer Kündigung. Wird Ihnen die Kündigung direkt übergeben (Zugang unter Anwesenden), gilt die Kündigung als zugegangen, wenn Sie das Kündigungsschreiben übergeben bekommen. Beachten Sie, dass Sie zwar nicht zur Empfangsbestätigung/Quittierung verpflichtet sind, bei einer Nichtannahme bzw. Nichtquittierung der Zugang aber immer bejaht wird (verweigerte Annahme). Von daher ist Ihre Reaktion bei der Übergabe im Ergebnis egal. Sollte Ihnen die schriftliche Kündigung nur zum Durchlesen übergeben werden, ist ein Zugang gegeben. Trotzdem sollten Sie den Zugang bestreiten, wenn Ihnen die Kündigung nicht übergeben bzw. wieder abgenommen wurde. Ihr Arbeitgeber muss dann den Zugang bei Ihnen im Prozess beschreiben und beweisen.

Bei einer Übersendung der Kündigung (Zugang unter Abwesenden) gilt die Kündigung erst dann bei Ihnen als zugegangen, wenn Sie die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatten, Sie also die Kündigung lesen konnten.

Wird Ihnen also die Kündigung postalisch einfach übersandt, gilt diese als zugegangen, wenn die nächste regelmäßige Leerung Ihres Briefkastens erfolgen würde, was grundsätzlich die Leerung am darauffolgenden Morgen eines Werk- oder Samstags ist.

Auch das Einwurfeinschreiben wird wie ein einfacher Brief behandelt, nur mit dem Unterschied, dass der Absender einen Nachweis von dem zustellenden Postboten erhält, auf dem steht, dass der Brief an einem bestimmten Datum zu einer bestimmten Uhrzeit in Ihren Postkasten geworfen wurde.

Erstaunlicherweise übersenden immer noch viele Arbeitgeber Kündigungen mit Einschreiben und Rückschein. Das ist sehr risikoreich für Ihren Arbeitgeber, wenn auch auf den ersten Blick komfortabel. Auch hier gilt die Kündigung erst dann als zugegangen, wenn Sie den „Machtbereich“ des Empfängers, sprich Wohnungs-/Hausbriefkasten, erreicht hat. Der Zugang allein des Benachrichtigungszettels, falls Sie nicht angetroffen wurden, stellt noch keinen Zugang der Kündigung dar, sondern erst, wenn die Kündigung direkt entgegen genommen wurde oder – soweit Sie abwesend waren – die Kündigung aufgrund des Benachrichtigungszettels beim Postamt abgeholt wurde. Sollte die Kündigung trotz des Benachrichtigungszettels nicht abgeholt werden, gilt die Kündigung im Zweifel als nicht zugegangen und Ihr Arbeitgeber muss den Zugang bei Ihnen beweisen, was ihm sehr schwer fallen wird, auch wenn hier ein vereitelter Zugang diskutiert würde.

Es werden teilweise Postkästen oder Namensschilder von Empfängern entfernt oder ein böser Hund danebengesetzt, damit eine Kündigung nicht zugehen kann. In diesem Fall liegt eine Zugangsvereitelung vor, was bedeutet, dass der Empfänger weiß, dass er eine Kündigung erhalten wird und diese bösartig versucht mit unfairen Mitteln nicht zugehen zu lassen. Das lässt die Rechtsprechung nicht zu, so dass in diesen Fällen ein Zugang der Kündigung zum jeweils nächstmöglichen Termin, regelmäßig der nächste Morgen eines Werktages bzw. Samstags, unterstellt wird, soweit der Arbeitgeber die Zugangsvereitelung, d. h. das Abschrauben des Postkastens o. ä., beweisen kann. Auch eine kurze oder lange Abwesenheit durch Urlaub, Untersuchungshaft, Krankenhaus, Kur, Reha, etc. lässt den Zugang zum jeweils nächstmöglichen Termin nicht entfallen. Von daher sollten Sie sich nicht die Mühe machen.

In besonders wichtigen oder eiligen Fällen schicken Arbeitgeber einen zuverlässigen Boten zu Ihnen nach Hause, der die Kündigung Ihnen persönlich übergeben soll, bei Verweigerung das für den Arbeitgeber notiert oder – bei Ihrer Abwesenheit – die Kündigung bei Ihnen einwirft. Zusätzlich protokolliert er für den Arbeitgeber den Zugang, d. h. Übergabe, Einwurf, Verweigerung, etc., mit seinem Namen, Datum und Uhrzeit. In diesem Fall gilt das oben Gesagte mit einer Besonderheit: Fragen Sie nicht nach dem Kuvertinhalt und kann Ihr Arbeitgeber später nicht beweisen, dass das Kuvert gerade Ihre Kündigung vom … zum … aus dem Grund … enthielt, ist streitig, was denn genau der Inhalt des Kuverts war. Es spricht zwar einiges dafür, dass das Ihre Kündigung war, speziell bei entsprechender Vorgeschichte. Sicher ist das aber nicht und das muss Ihr Arbeitgeber beweisen! Aus diesem Grund nehmen Arbeitgeber einen erfahrenen Boten und sagen dem vorher, dass sich Ihre Kündigung, Herrn/Frau … vom … zum … aus dem Grund … im Kuvert befindet, was zusätzlich in dem Protokoll notiert wird. In diesem Fall ist der Zugang bei Ihnen ganz sicher zum Zeitpunkt der Übergabe, spätestens aber am Tag der regelmäßigen Leerung Ihres Briefkastens eingetreten, gleichgültig wie Sie sich verhalten.

Achtung: Teilweise verschärfen sich die Fronten zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber bei Zugangsproblemen, so dass Sie nicht ohne Grund provozieren sollten. Es ist aber Ihr gutes Recht Ihre Interessen an der Unwirksamkeit der Kündigung auszureizen!

Lassen Sie sich nicht dadurch irritieren, dass Ihr Arbeitgeber eventuell mehrere Kündigungen und z. T. an unterschiedliche Adressen von Ihnen adressiert. Das deutet entweder daraufhin, dass der Arbeitgeber bzgl. des Zugangs und Ihres Wohn-/Aufenthaltsortes unsicher ist oder er Sie dadurch schikanieren will, was selten vorkommt. Im Ergebnis ändert das nichts an dem Zugang mindestens einer Kündigung bei Ihnen.

Eine Wiederholungskündigung, d. h. eine Kündigung aus demselben Grund im Sinne von Kündigungssachverhalt, ist unwirksam. Sollte die erste Kündigung aber nur aus formellen Gründen, z. B. Zugangsproblemen, unwirksam sein oder stellen sich später neue Kündigungsgründe heraus, ist die weitere Kündigung aus demselben Grund ohne formellen Fehler oder aus einem weiteren Kündigungsgrund wirksam! Ansonsten gilt: Ein Kündigungsgrund (-sachverhalt), eine Kündigung (-smöglichkeit)! Aus diesem Grund sollten Sie gegen alle Kündigungen sicherheitshalber Klage erheben, weil ansonsten eine nicht angegriffene Kündigung Ihr Arbeitsverhältnis beendet, auch wenn sie juristisch nicht wirksam war. Und dann ist Ihr Arbeitsverhältnis beendet! Das hat zwar gesteigerten Aufwand zur Folge und führt zu höheren Prozesskosten, diese sollten Ihnen bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis aber recht sein, im Übrigen können Sie bei einer oder mehreren offensichtlich unbegründeten Kündigungen Schadensersatz für die Kosten des Gerichtsverfahrens und Schmerzensgeld von Ihrem mutwillig kündigenden Arbeitgeber verlangen. Für die offensichtliche Unbegründetheit der Kündigungen sind jedoch Sie darlegungs- und beweisbelastet.

Beachten Sie, dass Kündigungen zu jedem Zeitpunkt zugestellt werden können, auch an Feiertagen oder persönlich bedeutsamen Ereignissen, z. B. Ihrer eigenen Hochzeit, Beerdigung von nahen Angehörigen, etc. Die Wirksamkeit der Kündigung und deren Zugang ist hiervon unbeeindruckt. Ggf. macht sich der Arbeitgeber aber schadensersatzpflichtig. Sie müssen den bei Ihnen eingetretenen Schaden aber beweisen und in Euro berechnen, was Sie in der Praxis nicht leisten können. Es bleibt aber eine deutlich respektlose Note übrig, die im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Zeilen gegen Ihren Arbeitgeber sprechen kann.

d) Die richtigen Kündigungsdaten:

Sollte in der Kündigung ein falsches End-Datum bzw. eine falsche Datumsberechung erfolgt sein, ist das irrelevant. Es wird automatisch in das richtige Datum umgedeutet.

Problematisch ist dagegen ein falsches Datum des Kündigungsschreibens. In diesem Fall wird auf den tatsächlichen Zugang des Kündigungsschreibens bei Ihnen – unabhängig von dem Datum des Kündigungsschreibens – abgestellt. In extremen Fällen, z. B. ein 12 Monate altes oder in die Zukunft ausgestelltes Kündigungsschreiben, wird aber nicht mehr von einem in das richtige Datum umzudeutendes Versehen, sondern Verwirkung, ausgegangen. Hierdurch wäre das Kündigungsrechts Ihres Arbeitgebers ausgeschlossen und die Kündigung ist unzulässig. Sicherheitshalber sollten Sie immer auch gegen offensichtlich falsche Kündigung klagen!

e) Sonstiges:

  • Häufig wird mißverstanden, dass der Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben benannt werden muss. Das ist falsch, der Kündigungsgrund muss Ihnen zwar (zumindest auf Nachfrage) persönlich genannt werden und sich – bei bestehendem Betriebs-/Personalrat – aus der Anhörung ergeben. In dem Kündigungsschreiben kann er genannt werden, muss aber nicht.

    Eine Ausnahme besteht nur bei Azubis und Umschulungen bzw. Fortbildungen, § 22 Abs. 3 BBiG sowie Kündigungen im Mutterschutz § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG. Hier muss der Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben ausdrücklich im Kündigungsschreiben stehen.

  • Kündigungen sind bedingungsfeindlich, d. h. sie können nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Ihr Arbeitgeber kann Ihnen deshalb nicht sagen: „Ich kündige Ihnen, wenn Sie jetzt nicht das Angebot x an den Kunden y rausschicken.“ Entweder kündigt er oder er lässt es. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen. Entscheidend ist immer, dass der Kündigungsgrund zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorliegt. Deshalb überprüfen Gerichte ausschließlich, ob zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs die jeweiligen Kündigungsgründe vorlagen (Prüfungszeitpunkt des Gerichts)!
  • Juristisch kniffelig ist das Nachschieben von Kündigungsgründen. Hierbei wurde Ihnen bereits aus einem bestimmten, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs, bestehenden Kündigungsgrund, gekündigt. Nachträglich – meist während eines Kündigungsschutzprozesses – erkennt Ihr Arbeitgeber weitere, über den ersten Kündigungsgrund noch nicht bekannte Kündigungsgründe.
    Ihr Arbeitgeber kann Ihnen dann aus diesem/n Grund/Gründen separat ein zweites Mal kündigen oder er versucht die ihm ursprünglichen – zum Zeitpunkt des ersten Kündigungsausspruchs vorliegenden –, ihm aber nicht bekannten Gründe in das Gerichtsverfahren bzgl. der ersten Kündigung zu integrieren. Ersteres ist immer zulässig, allerdings müssen die übrigen allgemeinen und besonderen Kündigungsvoraussetzungen für die zweite Kündigung vorliegen. Juristisch ist das einfacher und sicherer, finanziell aber teurer, denn Ihr Arbeitgeber muss Ihnen eine neue Kündigung mit – falls nicht außerordentlich fristlos – neu abzulaufender Kündigungsfrist aussprechen. Deshalb wird in der Praxis immer nachgeschoben. Als Voraussetzung muss Ihr Arbeitgeber nachweisen, dass:
    • Er zum Zeitpunkt des ursprünglichen Kündigungsausspruchs gar keine Kenntnis von den nachzuschiebenden Kündigungsgründen hatte und das auch nicht musste, weil die Kündigungsgründe weder offensichtlich waren noch sich ihm sonst aufdrängen mussten, wie z. B. Beschwerden von Kunden, anonyme Briefe, etc. und
    • – soweit vorhanden – er Ihren Betriebs-/Personalrat zum Nachschieben der Kündigungsgründe ordnungsgemäß bzgl. Inhalt und Einhaltung der jeweiligen Fristen anhörte.

Beim Nachschieben von Kündigungsgründen werden in der Praxis extrem viele Fehler gemacht, so dass das Nachschieben meist unwirksam ist. Konsequenz ist dann aber eine neue Kündigung mit neuer Kündigungsfrist. Sie haben somit (nur) eine neue Kündigungsfrist gewonnen!

EXKURS: Die Kündigungsfrist

Kündigungsfristen müssen nur bei einer ordentlichen und außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist beachtet werden.

Um die richtige Frist zu bestimmen, müssen Sie überprüfen, welche Regelungen auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden:

  • Ein Tarifvertrag – soweit anwendbar –,
  • das Gesetz (hier § 622 BGB) oder
  • Ihr Arbeitsvertrag.

Bzgl. der Kündigungsfristen bestehen aber kaum Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Regelungen, so dass Sie weitestgehend der Vollständigkeit halber die Frist kontrollieren sollten.

Die gesetzliche Kündigungsfrist während der vereinbarten Probezeit beträgt zwei Wochen, § 622 BGB.

Die Grundkündigungsfrist beträgt gemäß § 622 BGB vier Wochen zum 15. oder Ende eines Kalendermonats. Diese Frist gilt für Kündigungen durch Sie als Arbeitnehmer (Arbeitnehmerkündigung) immer. Hierbei ist es gleichgültig wie lange Sie bereits bei Ihrem Arbeitgeber beschäftigt sind, außer durch Tarifvertrag sind längere oder kürzere Fristen oder andere Kündigungstermine vereinbart. Sind Sie als vorübergehende Aushilfe weniger als drei Monate beschäftigt oder hat Ihr Arbeitgeber maximal 20 Arbeitnehmer exklusive der Auszubildenden (wobei Arbeitnehmer mit maximal 20 h Wochenarbeitszeit als 0,5, Arbeitnehmer mit maximal 30 h Wochenarbeitszeit als 0,75 und Arbeitnehmer mit mehr als 30 h Wochenarbeitszeit als 1,0 Personen gezählt werden) ist die Unterschreitung der Kündigungsfrist von vier Wochen zulässig. Das muss aber im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Sollte in Ihrem Arbeitsvertrag dagegen eine längere Kündigungsfrist enthalten sein, gilt diese.

Für die Kündigung durch den Arbeitgeber (Arbeitgeberkündigung) kommen nach Länge der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Fristen zur Anwendung:

Hat das Arbeitsverhältnis:

  • – zwei Jahre Betriebszugehörigkeit (BZ) bestanden, beträgt die Kündigungsfrist, einen Monat,
  • – fünf Jahre BZ, zwei Monate,
  • – 10 Jahre BZ, drei Monate,
  • – 12 Jahre BZ, vier Monate,
  • – 15 Jahre BZ, fünf Monate,
  • – 20 Jahre BZ, sechs Monate jeweils bis zum Ende des Kalendermonats.

Achtung: Hierbei zählt Ihre Zugehörigkeit vor der Vollendung Ihres 25. Lebensjahres mit, wenn sich die Berufstätigkeit nahtlos an eine vorhergehende Ausbildung angeschlossen hat, auch wenn das im Gesetz abweichend geregelt ist (Redaktionsfehler).

Hat der Eigentümer Ihres Betriebes gewechselt (Betriebsübergang) beginnt Ihre Betriebszugehörigkeit ab dem Erwerb nicht neu bei Null, sondern läuft ohne Unterbrechung weiter. Das gilt auch bei einer langen Krankheit von Ihnen oder wenn Sie den Betrieb verlassen haben und binnen sechs Monaten wieder eintreten.

Wichtig ist, dass die Kündigungsfrist, die Sie als Arbeitnehmer einhalten müssen, nicht länger sein darf als diejenige für Ihren Arbeitgeber. Ansonsten ist die Frist unwirksam und die gesetzliche Kündigungsfrist gilt, § 622 BGB.

Für Arbeitnehmer, die für mehr als fünf Jahre angestellt sind, und Organmitglieder, d. h. Geschäftsführer, Vorstände, gelten Sondervorschriften, §§ 624, 621 BGB.

In der Insolvenz kann durch jede Partei mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden, wenn nicht nach o. g. Vorschriften kürzere Fristen Anwendung finden. Tarifverträge müssen dann nicht eingehalten werden, § 113 InsO.

3. Die besonderen Voraussetzungen einer Kündigung:

a) Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes – Der Prüfungsmaßstab:

Haben Sie an einem Stück weniger als sechs Monate bei dem Unternehmen gearbeitet, was meist Ihrer Probezeit entspricht, gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für Sie nicht (Probezeitkündigung). Das hat große Bedeutung, da Ihr Arbeitsverhältnis in diesem Fall deutlich weniger geschützt ist, als bei Eingreifen des KSchG:

In diesem Fall kann die Kündigung nur im Hinblick auf Verstöße gegen die guten Sitten nach § 138 BGB und Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (allgemeiner Gerechtigkeitsgedanke) überprüft werden. Es reicht im Gegensatz zu einem Arbeitsverhältnis außerhalb/nach der Probezeit deshalb eine nachvollziehbar wertende Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs Ihres Arbeitgebers aus, um das Probezeitarbeitsverhältnis kurz und knackig rechtlich wirksam enden zu lassen. Es ist deshalb rechtlich vollkommen ok, wenn Ihr Arbeitgeber nur meint Sie seien zu langsam, zu oft krank, zu unzuverlässig, integrieren sich nicht in die Abteilung o. ä.! Damit dessen Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht keinen Unfrieden im Betrieb verursacht und auch rechtlich nicht angreifbar ist, berufen sich geschulte Arbeitgeber in der Praxis oft darauf, dass aus betrieblichen Gründen kein weiterer Bedarf mehr an Ihrer Arbeitsleistung besteht, um einen neutraleren Grund zu wählen, keine Angriffsfläche zu bieten und die emotionalen Wogen nicht unnötig hoch steigen zu lassen.

Während der Probezeit ist das bereits ausreichend für einen rechtlich wirksamen Kündigungsgrund, außer Sie verfügen über Sonderkündigungsschutz