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Zum Buch

Winter – die kürzesten Tage, die längsten Nächte. Eine Jahreszeit, die uns das Überleben lehrt. Vier Leute, Fremde und Familie, verbringen Weihnachten in einem riesigen Haus in Cornwall, und doch stellt sich die Frage, ob jeder genug Platz findet. Denn Arthurs Mutter Sophia sieht Dinge, die nicht sein können. Arthur selbst sieht andere. Und da sind noch Iris, Sophias Schwester, ewige Rebellin, nach dreißig Jahren wieder zurück, und Lux, eine Fremde, die Arthur als seine Freundin ausgibt. Eine besondere Nacht, voll Streit und Lügen, Erinnerungen und Mythen. Eine besondere Zeit – unsere Zeit.

Zur Autorin

Ali Smith wurde 1962 in Inverness in Schottland geboren und lebt in Cambridge. Sie hat mehrere Romane und Erzählbände veröffentlicht und zahlreiche Preise erhalten. Sie ist Mitglied der Royal Society of Literature und wurde 2015 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt. Ihr Roman »Beides sein« wurde 2014 ausgezeichnet mit dem Costa Novel Award, dem Saltire Society Literary Book of the Year Award, dem Goldsmiths Prize und 2015 mit dem Baileys Women’s Prize for Fiction. Mit »Herbst« kam die Autorin 2017 zum vierten Mal auf die Shortlist des Man Booker Prize, eroberte zahlreiche Besten- und Bestsellerlisten in England und in Amerika und stand in Deutschland auf der SWR-Bestenliste.

Zur Übersetzerin

Silvia Morawetz, mehrfach mit Stipendien ausgezeichnete Übersetzerin, hat u. a. Steven Bloom, Paul Harding, James Kelman, Joyce Carol Oates und Anne Sexton ins Deutsche übertragen.

Ali Smith

Winter

Roman

Aus dem Englischen
von Silvia Morawetz

Luchterhand

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel Winter bei Hamish Hamilton, einem Imprint von Penguin Random House Ltd., London.

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Quellen: Rachel Carson, Der stumme Frühling,
dt. v. Margaret Auer © C. H. Beck Verlag, München 2013

Copyright © der Originalausgabe 2017 Ali Smith

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2020

Luchterhand Literaturverlag in der

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Der Verlag konnte nicht alle Rechteinhaber ausfindig machen.

Berechtigte Ansprüche mögen bitte dem Verlag gemeldet werden.

Umschlaggestaltung: buxdesign | München, unter Verwendung

einer Illustration von © Ruth Botzenhardt

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-22297-0
V001

www.luchterhand-literaturverlag.de

facebook.com/luchterhandverlag

Für Sarah Daniel
in der Höhle des Löwen
in Liebe

und für Sarah Wood
muss i’ denn
in Liebe

Noch des Winters grimmen Hohn.

William Shakespeare

Landschaften gestalten ihre Bilder in eigener Regie.

Barbara Hepworth

Aber wer glaubt, Weltbürger zu sein,

ist nirgendwo Bürger.

Theresa May am 5. Oktober 2016

Wir haben den Bereich der Mythologie betreten.

Muriel Spark

Dunkelheit ist günstig.

Charles Dickens

Eins

Gott war tot: das gleich vorweg.

Und Romantik war tot. Ritterlichkeit war tot. Poesie, der Roman, Malerei, sie waren alle tot, und Kunst war tot. Theater und Kino waren beide tot. Die Literatur war tot. Das Buch war tot. Modernismus, Postmodernismus, Realismus und Surrealismus waren alle tot. Jazz war tot, Popmusik, Disco, Rap, klassische Musik: tot. Die Kultur war tot. Anstand, Gesellschaft, die Werte der Familie waren tot. Die Vergangenheit war tot. Die Geschichte war tot. Der Wohlfahrtsstaat war tot. Die Politik war tot. Die Demokratie war tot. Kommunismus, Faschismus, Neoliberalismus, Kapitalismus – alle tot, der Marxismus tot, der Feminismus auch. Politische Korrektheit: tot. Der Rassismus war tot. Die Religion war tot. Das Denken war tot. Die Hoffnung war tot. Wahrheit und Fiktion: beide tot. Die Medien waren tot. Das Internet auch. Twitter, Instagram, Facebook, Google: tot.

Die Liebe war tot.

Der Tod war tot.

Sehr vieles war tot.

Manches jedoch war nicht tot oder noch nicht.

Das Leben war noch nicht tot. Die Revolution war nicht tot. Die Rassengleichheit war nicht tot. Der Hass war nicht tot.

Und der Computer? Tot. Das Fernsehen? Tot. Das Radio? Tot. Handys waren tot. Batterien waren tot. Ehen waren tot, das Sexleben war tot, das Gespräch war tot. Das Laub war tot. Die Blumen waren tot, tot in ihrem Wasser.

Stell dir vor, du wirst von den Geistern dieser toten Dinge verfolgt. Stell dir vor, du wirst vom Geist einer Blume verfolgt. Nein, stell dir vor, du wirst vom Geist (als gäbe es das überhaupt, Geister, und wäre nicht bloß Einbildung) einer Blume verfolgt (als gäbe es das überhaupt, verfolgt werden, und wäre nicht bloß eine Neurose oder Psychose).

Die Geister selbst waren nicht tot, nicht direkt. Vielmehr kamen folgende Fragen auf:

sind Geister tot

sind Geister tot oder lebendig

sind Geister tödlich

Aber auf jeden Fall vergiss die Geister, schlag sie dir aus dem Kopf, denn das ist keine Gespenstergeschichte, auch wenn es tiefster Winter ist, als sie sich ereignet, der Heilige Abend (Weihnachten, auch tot) des Jahres 2000 plus x plus Erderwärmung, genau gesagt der strahlend sonnige Morgen dieses Tages, und sie handelt von realen Ereignissen in der realen Welt, und es kommen darin reale Menschen in Echtzeit auf der realen Erde (ja, klar, die Erde, auch tot) vor: