Burkhard Benecken

CLAN-LAND

Roman

Disclaimer: Dieses Buch dient der Unterhaltung, aber auch der öffentlichen Kritik und der Diskussion von für die Öffentlichkeit und Gesellschaft wichtigen Themen. Tatsächlich existierende Personen und Firmen wurden weitgehend verändert und/oder frei erfunden, Geschehnisse teilweise erdacht und anderen und/oder fiktiven Personen zugeordnet. Verbleibende Übereinstimmungen mit etwaigen realen Personen wären somit rein zufällig und sind nicht gewollt, bzw. sollen nicht deren tatsächliche Handlungen und/oder Eigenschaften widerspiegeln.

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr.

1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

ISBN: 978-3-7109-0111-9

Für Ananda

Inhalt

Kapitel 1 Freitag, 14. Oktober 2044, 17.50 Uhr, Düsseldorf

Kapitel 2 Freitag, 14. Oktober 2044, 18.55 Uhr, Dortmund

Kapitel 3 Freitag, 14. Oktober 2044, 22.00 Uhr, Dortmund

Kapitel 4 Freitag, 14. Oktober 2044, 22.30 Uhr, Neu-Essen

Kapitel 5 Samstag, 15. Oktober 2044, 1.05 Uhr, Oberhausen

Kapitel 6 Samstag, 15. Oktober 2044, 10.05 Uhr, Frankfurt am Main

Kapitel 7 Dienstag, 18. Oktober 2044, 15.00 Uhr, Neu-Essen

Kapitel 8 Freitag, 21. Oktober 2044, 18.30 Uhr, Dortmund

Kapitel 9 Freitag, 21. Oktober 2044, 23.00 Uhr, Neu-Essen

Kapitel 10 Samstag, 22. Oktober 2044, 3.10 Uhr, Spreewald

Kapitel 11 Montag, 24. Oktober 2044, 20.30 Uhr, Neu-Essen

Kapitel 12 Dienstag, 25. Oktober 2044, 3.35 Uhr, Köln

Kapitel 13 Freitag, 28. Oktober 2044, 19.00 Uhr, Bad Homburg

Kapitel 14 Samstag, 29. Oktober 2044, 9.30 Uhr, Frankfurt am Main

Kapitel 15 Samstag, 29. Oktober 2044, 19.00 Uhr, Neu-Essen

Kapitel 16 Montag, 31. Oktober 2044, 17.30 Uhr, Wiesbaden

Kapitel 17 Freitag, 16. Dezember 2044, 15.30 Uhr, Berlin

Kapitel 18 Samstag, 7. Januar 2045, 10.00 Uhr, Spreewald

Kapitel 19 Sonntag, 8. Januar 2045, 11.00 Uhr, Neu-Essen

Gesetz zur Eindämmung der Clan-Kriminalität in Deutschland (Anti-Clan-Gesetz 2037)

Timeline

Anmerkungen und Danksagung

Mein Kopf dröhnt. Nein, es dröhnt um mich herum, ein dumpfes Brummen, es frisst sich in mein Hirn, benebelt all meine Sinne. Es ist kaum auszuhalten, was ist das? Eine Maschine? Oder ein Generator?

Finsternis überall, es ist stockdunkel. Warum liege ich auf dem Boden? Denk nach, Mann, Schritt für Schritt. Du warst im Ministerium, dann die Nachricht, dass die Limousine bereitsteht. Der Termin in Nürnberg, die Rede auf dem Marktplatz … ja, genau. Noch ein Telefonat. Aufgelegt, Sakko geschnappt und runter in die Tiefgarage. Nicht auf die anderen geachtet, eingestiegen. Dann nichts mehr.

Sind wir je am Flughafen angekommen? Der Innenraum der Limousine ist das Letzte, woran ich mich erinnern kann. Und an den Bodyguard, der mir gegenübersitzt … Das war nicht Peter …

Dieses Dröhnen, ich kann nicht denken. Wo bin ich hier?

Ob ich mich aufrichten kann? Shit. Ein Stechen in meiner Schulter, der Schmerz betäubt den halben Arm. Was ist das? Und was ist mit meinen Händen los? Warum bin ich gefesselt, verdammte Scheiße?

Schreien … Ich habe keine Stimme mehr. Aus meinem Hals kommt nur ein Krächzen, zumindest fühlt es sich so an.

Alles dreht sich, wird immer schneller. Mir wird übel. Ich muss mich ausruhen, zu Kräften kommen …

Ausruhen … zu Kräften … Ausruh…

Kapitel 1

Freitag, 14. Oktober 2044, 17.50 Uhr, Düsseldorf

Die tief stehende Sonne tauchte alles in goldenes Spätsommerlicht. Es war die perfekte Kulisse für das Spektakel, das sich auf der Düsseldorfer Rheinterrasse abspielte. Es mussten um die dreihundert Menschen sein, die durch die Salons und über die Terrasse flanierten, einer wichtiger, reicher oder lauter als der andere.

Man war sich des Privilegs bewusst, hier sein zu dürfen. Immer wieder reckten einige die Hälse, ihre Handys im Anschlag, emsig nach dem Star des Abends spähend. Doch Lorenz van Bergen hatte sich nach nur ein paar Selfies in den Gelben Salon geflüchtet. Abgeschirmt von zwei Bodyguards, stand er an einem der raumhohen Fenster und beobachtete das Treiben auf der Terrasse. Dieser Tage konnte er fast nicht mehr ohne Personenschutz raus, und der Rummel um seine Person begann ihm auf die Nerven zu gehen.

Die Sicherheitsmänner waren gut trainiert: Kaum drehte sich Lorenz um und schickte einen suchenden Blick durch den Raum, winkte einer von draußen einen Kellner herein, der mit gesenktem Kopf ein mit Champagner beladenes Tablett hochhielt. Chinesische Etikette. Natürlich. Der neue Besitzer der Rheinterrasse war Mister Quin, ein mysteriöser Pekinger Unternehmer, der bereits halb Frankfurt aufgekauft hatte und nun seinen Shoppingtrip in Düsseldorf fortsetzte. Lorenz nahm ein Glas, nickte freundlich – »Sei immer nett zum Personal, das bringt Extrapunkte!«, hatte seine PR-Beraterin ihm eingebläut – und drehte sich wieder zum Fenster. Der Kellner zog sich ein paar Meter zurück und verharrte dort wie eine Statue, den Blick unverwandt auf den Ehrengast gerichtet.

Gedankenverloren starrte Lorenz auf den Fluss, der mit majestätischer Gelassenheit vorbeifloss. Die letzten Sonnenstrahlen tanzten auf dem Wasser. Der Rhein brachte ihn immer zur Ruhe. Das Summen der Gäste wirkte leiser, selbst die Sprechchöre der Demonstranten vor dem Eingang klangen weniger bedrohlich.

In diesen Tagen gab es kaum eine gesellschaftliche Veranstaltung, bei der nicht demonstriert wurde. Die Rechtsnationalen regierten seit ein paar Jahren allein und erfolgreich. Die anderen Parteien duckten sich unter der Macht. Einzig die Lenin-lebt-Partei, kurz LLP, die sich seit ihrem überraschenden Aufschwung Mitte der Zwanzigerjahre noch im Bundestag hielt, protestierte gegen die Maßnahmen der Regierung. Mangels Redezeit und Medienecho hatten die Abgeordneten ihren politischen Aktivismus aber weitgehend auf die Straße verlagert, unterstützt von den immer selben paar Tausend Getreuen, die von einer Demo zur nächsten zogen und eine Relevanz suggerierten, die die LLP längst nicht mehr besaß.

Von Weitem waren Sirenen zu hören, die Demo würde wohl bald aufgelöst werden. Die Polizei griff inzwischen schnell und hart durch, statt wie früher abzuwarten, bis die ersten Brandsätze flogen. Gerade heute besaß das Ganze allerdings eine besondere Brisanz. Seit am frühen Nachmittag die Nachricht veröffentlicht worden war, dass der Bundesinnenminister verschwunden sei, wirkte die Stimmung noch gereizter. Hermann Hackner war nicht wie geplant zu seinem Flug nach Nürnberg erschienen, wo er eine Rede halten wollte. Seither schien er wie vom Erdboden verschluckt. Die Nachrichten überschlugen sich, von der Regierung war bislang allerdings nur ein formales Dementi gekommen, dort wollte man sich offensichtlich noch zu keiner Stellungnahme hinreißen lassen.

Lorenz beschäftigte sich nicht viel mit Politik. Solange es seinen Job nicht betraf, kümmerte es ihn nicht, was die Regierung anstellte. Aber ihm war die Bedeutung der Nachricht klar. Ein verschwundener Bundesminister ließ bei der Bevölkerung unangenehme Erinnerungen wach werden. Die linksextremistischen Anschläge der selbst ernannten »Neuen RAF« in den Dreißigerjahren waren allen noch gegenwärtig. Mehrere Abgeordnete der inzwischen allein regierenden rechtsnationalen Zero-Tolerance-Partei, kurz ZTP, waren ihnen damals zum Opfer gefallen – Märtyrer, die den Aufstieg der Partei jedoch nur beschleunigt hatten. Ein verschwundener Politiker ließ die Alarmglocken schrillen: Was, wenn die RAF 2.0, wie die Extremisten allgemein genannt wurden, wieder zugeschlagen hatte?

Jahrelang war Ruhe gewesen. Die Schlüsselfiguren der RAF 2.0 waren damals ausgeforscht und weggesperrt worden. Ihnen drohte inzwischen sogar die Todesstrafe, die seit ihrer Wiedereinführung 2039 rückwirkend auf verurteilte Strafgefangene angewandt werden konnte.

Die Zero-Tolerance-Partei stellte inzwischen bereits zum zweiten Mal die absolute Mehrheit im Bundestag und konnte somit ohne große Gegenwehr durchregieren. Sie fuhr eine harte Law-and-Order-Politik gegen jede Gruppe, die ihrem Bild vom »ordentlichen Deutschen« nicht entsprach – Linke, Anarchisten, Globalisten, Migranten im Allgemeinen, mit Ausnahme der Chinesen, und ganz besonders Muslime. Wer in keine dieser Kategorien fiel, konnte es sich im rechtsnationalen Deutschland gut einrichten. Lorenz hatte bisher nur profitiert: Mit der Justizreform von 2039 hatte sein Aufstieg begonnen. Von ihm aus konnten sie also gerne die Demonstranten vor dem Gebäude abknallen. Die Sprechchöre nervten ihn ohnehin.

Er war gereizt. In zweieinhalb Stunden begann die Show. Er war nur deshalb auf der Gala erschienen, weil Carolina die Schirmherrin war. Und als ihr treu ergebener Ehemann würde er mit ihr noch eine Runde drehen müssen, bevor er abhauen durfte.

Lorenz gönnte sich ausnahmsweise einen zweiten Schluck, bevor er das Glas von sich weghielt. Der Kellner verstand, eilte herbei und nahm ihm das Glas ab. Lorenz bedankte sich wieder mit einem Nicken und überlegte, wo er wohl seine Frau finden würde.

»Ah, Lorenz, da ist er ja!«, dröhnte ein Bariton durch den Raum, der sich langsam zu füllen begann, es hatte sich wohl herumgesprochen, dass der große Lorenz van Bergen im Gelben Salon stand. Lorenz schloss für eine Sekunde die Augen, dann sah er sich um. Ein riesenhafter, älterer Mann pflügte durch die Menge, eine in grüne Pailletten gekleidete Frau im Schlepptau. Lorenz erkannte ihn, Hans-Peter Irgendwas, einer der größten Sponsoren der Show. Die Bodyguards stellten sich ihm in den Weg, doch Lorenz sagte: »Ist o. k., ich kenne ihn«, und ging dem Paar höflich entgegen.

»Alter Schwede, gut siehst du aus!«, rief der Mann, als wären sie alte Freunde, und knallte Lorenz die Hand auf die Schulter.

»Hans-Peter, nett, dich zu sehen«, sagte Lorenz mit täuschend echtem Lächeln. Er begrüßte die Dame mit einem formvollendeten Handkuss, woraufhin sie beglückt kicherte, und noch bevor die beiden Männer einander die Hände geschüttelt hatten, ergoss sich ein Wortschwall über Lorenz.

»Ich bin ja so ein Fan!«, rief sie. »So ein toller Auftritt neulich. Wie Sie den Staatsanwalt zerlegt haben. Mein Mann und ich« – sie zeigte auf den Riesen –, »wir haben die Luft angehalten. Die-Luft-ange-hal-ten! So spannend! Wie Sie plötzlich diesen Zeugen aus dem Hut gezaubert haben, der diesen, diesen … Wie hieß doch gleich der Angeklagte?« Hilfe suchend wandte sie sich an ihren Mann.

»Hassan Khan«, half Lorenz bereitwillig aus.

»Genau, Hasankan. Und der Nachname? Na, egal. Jedenfalls: Wie der Zeuge diesen Hasankan voll-kom-men entlastet hat. Damit hat nun wirklich keiner gerechnet. Ich hatte ja« – sie beugte sich vor und zischelte vertraulich –, »also ich hatte ja zuerst gedacht, er war’s. Kann man mir ja nicht verdenken, oder? Diese Leute sind ja alle Berufsverbrecher, nicht wahr? Werden von klein auf dazu trainiert, da in Neu-Essen, nicht?« Sie rümpfte die Nase. »Dass da keiner mal reingeht und aufräumt. Man muss heutzutage ja schon beinahe um sein Leben fürchten.« Sie war immer näher gerückt und klopfte nun mit einer Hand die Silben auf Lorenz’ Brust nach: »Um-sein-Le-ben!« Ihr Gesichtsausdruck wechselte von Ekel zu Staunen. »Und dann ergreifen Sie das Wort – und plötzlich bricht die ganze Anklage wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Der junge Mann ist unschuldig! Ganz klar! Ich habe natürlich für Freispruch gestimmt!« Die Dame zwinkerte. »Ganz ehrlich, ich habe auch schon ein paarmal so abgestimmt, obwohl ich sicher war, dass Ihr Mandant schuldig ist. Aber Sie sind mir halt so sympathisch. Ich habe das für Sie getan.« Sie stach ihren Zeigefinger in Lorenz’ Brust. »Für-Sie.«

Lorenz lächelte angestrengt und sandte einen eindringlichen Blick in Richtung des Ehemannes. Der hob bedauernd die Schultern.

»Jedenfalls, ich muss Ihnen sagen«, zwitscherte die Dame weiter, »ich bin ja so gespannt auf heute. Der Trailer war vielleicht aufregend, das sag ich Ihnen! So ein beliebter Unternehmer, dieser Daniel DuPont. Der, ein Vergewaltiger? Hat der denn so was nötig bei seinem Vermögen? Die müssen sich ihm alle ja ohnehin an den Hals schmeißen!« Sie rückte wieder vertraulich näher. »Sie als Verteidiger sind sicher von seiner Unschuld überzeugt. Und das bin ich auch, das bin ich auch! Ach, ich bin ja schon so gespannt.«

Lorenz setzte ein charmant-verständnisvolles Grinsen auf, schüttelte der Dame beide Hände, worauf diese vor Glück in Ohnmacht zu fallen drohte. Ihr Mann übergab sie einem herannahenden Kellner, der ihr ein Glas Champagner überreichte. Daran klammerte sie sich nun, während sie ihren Blick triumphierend durch den Saal schweifen ließ, ob ja alle gesehen hatten, wie sie mit dem berühmten Strafverteidiger Lorenz van Bergen plauderte.

Der verabschiedete sich mit einer knappen Verbeugung, »Entschuldigt mich bitte, ich muss nach meiner Frau sehen«, und schlenderte zurück auf die Terrasse. Die kühler werdende Luft trug Fetzen der Sprechchöre von der Demo herüber. »Nazis raus! Hoch! Die! Internationale! So-li-da-ri-tät!«

Lorenz zuckte geringschätzend die Achseln. Er konnte nicht verstehen, was sich die Protestierenden erwarteten. Dass die Gäste der Gala an Ort und Stelle der Lenin-lebt-Partei beitraten?

Die LLP war allerdings erstaunlich langlebig, das musste Lorenz ihr lassen. Sie hatte nach dem Erstarken der Rechtsnationalen zwei Legislaturperioden als Juniorpartner der Zero-Tolerance-Partei mitregiert, um »das Schlimmste zu verhindern«, wie die Abgeordneten immer betont hatten. Das Ergebnis war gewesen, dass andere linke Kräfte sie als Verräter beschimpft und zum Widerstand aufgerufen hatten.

Lorenz erinnerte sich gut an die »Chaostage«, wie diese Zeit ab 2033 rückblickend genannt wurde. Den Anschlägen auf Regierungsmitglieder der ZTP waren organisierte Überfälle auf die Kleingemeinden der Nationalen in Brandenburg gefolgt, die Kämpfe hatten sich bis in die Städte fortgepflanzt und zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt. Jeder erinnerte sich noch an die Straßenschlachten zwischen Rechten und Migrantengruppen, an die geplünderten Einkaufszentren, an die toten Teenager und erschütternden Szenen bei den Begräbnissen.

Jede Demo rief die Erinnerungen von Neuem wach, und selbst Lorenz, der sich als ziemlich dickfellig bezeichnete, musste sich anstrengen, um die unweigerlich aufsteigenden Bilder der Chaostage wegzuschieben. Er schüttelte den Kopf. Er konnte sich damit jetzt nicht beschäftigen. Er suchte mit den Augen die Menge ab. Wo zur Hölle war Carolina?

Veranstaltungen dieser Art widerten ihn nur noch an. Er war am liebsten in seiner Kanzlei oder in der Arena. Er genoss seine Auftritte in der Justice Union, der größten Gerichtsshow des Landes, deren unumstrittener Star er war, Lorenz van Bergen, »der clevere, knallharte Beau mit dem charmanten Funkeln in den stahlblauen Augen«, wie ihn eine Reporterin mal genannt hatte. Er liebte das Ringen um die Gunst des Publikums, den Applaus, den Sieg. Doch das Drumherum – die Fans, die Fernsehkameras und die Beliebtheits-Rankings – interessierte ihn mit jedem Tag weniger. Wie schnell Berühmtheit ihren Wert verliert, wenn man sie erst hat, überlegte Lorenz. Vor ein paar Jahren noch hätte er alles dafür gegeben, Ehrengast einer Gala zu sein, von Fans belagert, von Düsseldorfer Rotariern umschwärmt. Jetzt konnte er es nicht erwarten, endlich wegzukommen.

Er überlegte gerade, ob er Carolina einfach anrufen sollte, als eine ihm wohlbekannte Gestalt sich durch die Menge auf ihn zuschob: ein hochgewachsener, alter Mann mit zerzaustem Haar, weißem Bart und Nickelbrille. Professor Richard Schmidt. Der hatte ihm noch gefehlt.

»Sie sind offensichtlich sehr erfreut, mich zu sehen«, sagte der alte Herr jovial. Er genoss sichtlich Lorenz’ Irritation und machte keinerlei Anstalten, wieder abzuziehen.

»Professor«, sagte Lorenz nur. »Es überrascht mich, Sie auf so einer Veranstaltung zu sehen.«

»Sie werden es nicht glauben«, sagte der Professor, »es gibt noch Menschen, die Wert auf die Anwesenheit echter Rechtsanwälte legen!«

Jetzt ging das schon wieder los. Professor Schmidt war fast achtzig Jahre alt, sein Verstand jedoch immer noch so scharf wie seine legendäre Zunge. Lorenz hatte bei ihm Anfang der Dreißigerjahre studiert, genau zu der Zeit, als das Jurastudium reformiert wurde. Schmidt war seine Frustration über das sich wandelnde Rechts- und Justizverständnis damals schon deutlich anzumerken, doch beharrlich hatte er an seinen Vorlesungen festgehalten, die sich mit Gesetzestexten und traditioneller Rechtsprechung beschäftigt hatten, statt mit PR, Marketing und neuerem Rechtsverständnis. Der Professor hatte große Stücke auf Lorenz gehalten, ihn gefördert. Doch als dann auch noch die Justizreform und die damit verbundene Abschaffung des alten Gerichtswesens kam, war es zwischen beiden zum Zerwürfnis gekommen.

»Alles bereit für den heutigen Prozess?«, fragte der Professor scheinbar teilnahmsvoll. »Maskenbildner, Garderobiere, Lichttechnik? Einen Blick ins Gesetzbuch müssen Sie zum Glück nicht werfen. Um Rechtsprechung geht es ja nicht.«

Lorenz musterte ihn kühl. Professor Schmidt trug auf Partys stets die gleiche Art Tweedanzug, unabhängig vom Dresscode der Veranstaltung, dazu eine schreiend grüne Krawatte, deren Geschichte van Bergen gerne einmal gehört hätte.

»Sagen Sie, Professor, hat man solche Krawatten im vorigen Jahrhundert wirklich getragen?«

»Nicht ablenken, junger Mann«, erwiderte der alte Herr. »Es gab eine Zeit, in der es vollkommen gleichgültig war, was ein Rechtsanwalt trug. Es kam einzig auf seine Fähigkeiten als Jurist an. Zu meiner Zeit«, sagte er und hob mahnend den Zeigefinger, »musste man noch richtig studieren und ein jahrelanges Referendariat absolvieren, bevor man im Gerichtssaal nach vorne durfte. Für Sie reichten ein paar Semester Jura, ein Schauspielkurs und PR-Training.« Er beäugte Lorenz missmutig. »Sie hätten ein großartiger Jurist werden können, van Bergen. Wirklich ein Jammer.«

Professor Schmidt kannte im Grunde nur ein Thema: die gute alte Zeit, als er noch ein hochdekorierter Strafrechtsprofessor an der Uni Heidelberg gewesen war und in den führenden Medien des Landes Recht und Ordnung erklärt hatte. Damals, als es noch »echte« Richter gab, wie er stets betonte, keine Gerichtsshows mit Moderatoren und Publikumsabstimmung statt eines gewissenhaft begründeten Urteils. Schmidt war eine Legende, trotz seines kauzigen Äußeren und seiner stets offen ausgesprochenen Kritik am Justizreformgesetz. Bis zum vergangenen Jahr hatte er noch eine viel beachtete Kolumne in der Neuen Weltzeit gehabt, der letzten gedruckten Wochenzeitung des Landes. Jetzt brachte Professor Schmidt seine Sicht der Dinge nur noch auf Partys und Empfängen unter die Leute.

Tabletts mit Fingerfood wurden vorbeigetragen. Lorenz nahm sich ein rauchendes Häppchen mit Algengelee. Der Professor musterte es stirnrunzelnd. »Dieses moderne Zeug ist unerträglich«, sagte er in Richtung des Häppchens, das Lorenz sich daraufhin betont genüsslich auf der Zunge zergehen ließ. »Ich hätte gern ein gutes altes Lachsbrötchen.«

»Aber Herr Professor, Sie werden doch nicht etwa heimlich Tiere essen?«

»Ich muss Sie enttäuschen, junger Mann. Sie werden mich bei keinem Gesetzesbruch ertappen. Aber man wird ja wohl noch von der alten Zeit träumen dürfen …«

Van Bergen seufzte betont laut. »Professor, ich bitte Sie, die gute alte Zeit war nicht besser.«

Aber der Alte war bei seinem Lieblingsthema angekommen und geriet in Fahrt. »Im Gegensatz zu diesem jungen Mann da«, wandte er sich an ein paar Umstehende, die interessiert lauschten, »habe ich noch eine echte, vollwertige Juristenausbildung genossen. Der da nennt sich Strafverteidiger, dabei ist er nur ein Popstar, bei dem das Aussehen mehr zählt als das Können.«

»Nun, Herr Professor, wenn Sie sehen wollen, wie ich mein Können für meinen Mandanten einsetze«, unterbrach ihn van Bergen gelangweilt, »dann loggen Sie sich doch um Viertel nach acht ein. Vielleicht können Sie noch was lernen.«

»Ich denke nicht daran, Ihnen beim Dilettieren zuzusehen und diesem Kommerzsender dafür auch noch Geld in den Rachen zu schieben!«, rief der Professor empört. Van Bergen grinste. Er wusste, dass der Professor heimlich die Show sah. »Aber«, sagte der Professor und wurde plötzlich sehr ruhig. »Ich möchte Sie um etwas bitten.« Nanu? Das waren ganz neue Töne. »Ich habe den Trailer zur heutigen Show gesehen«, fuhr der Alte fort.

»Sie schauen also doch rein?«, parierte Lorenz spöttisch, doch der Alte ließ sich nicht beirren.

»Mir macht das Ganze Sorgen. Ein Vergewaltigungsprozess ist ohnehin sehr schwierig für die Beteiligten. Vor Publikum wird die Sache zur Tortur. Müssen Sie gleich drei der mutmaßlichen Opfer in den Zeugenstand rufen?«

»Das müssen Sie die Staatsanwältin fragen, sie hat die drei hinbestellt. Ich verteidige den Angeklagten, wie Sie hoffentlich wissen.«

»Sie müssen wohl immer der Schlaue sein.« Der Professor klang plötzlich müde. »Ich möchte Ihnen nur vor Augen führen, was geschehen wird, wenn diese Verhandlung so verläuft, wie ich befürchte.«

»Da bin ich aber neugierig.«

»Ist Ihnen schon aufgefallen, dass die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigung deutlich zurückgegangen ist?«

»Ja, es spricht für einen Abschreckungseffekt, den unsere Show auf Täter hat.«

»Blödsinn«, schnauzte der Professor. »Plappern Sie doch nicht alles nach, was der Justizminister von sich gibt. Sie wissen so gut wie ich, dass das Gegenteil der Fall ist! Niemand will sich wie ein Zirkusaffe in der Arena vorführen lassen, noch dazu, wenn Leute wie Sie die Zeuginnen auseinandernehmen. Was glauben Sie, wie viele Straftaten gar nicht mehr gemeldet werden, weil die Opfer nicht live im Fernsehen zerlegt werden wollen?«

Er hatte einen wunden Punkt getroffen. Tatsächlich wurde es immer schwieriger, Vergewaltigungsfälle in die Arena zu bringen. Die Opfer erlitten Nervenzusammenbrüche, und im Falle eines Freispruchs – van Bergen hatte selbst ein paar erwirkt – wurden sie zum Gespött des ganzen Landes. Eine Zeugin hatte sich im Vorjahr sogar vom Dach des Justizministeriums gestürzt. Van Bergen hatte danach eine Imagekampagne fahren müssen, um seine Umfragewerte bei jungen Frauen wieder hochzutreiben. In der Justice Union wurden seitdem bei derartigen Fällen nur noch Moderatorinnen eingesetzt. Auch an diesem Abend würde eine Frau als »Ms Judge« auf dem Richterthron sitzen und die Show moderieren.

»Ich bin Strafverteidiger«, sagte Lorenz betont gelangweilt. »Ich bin meinem Mandanten verpflichtet, nicht den Zeuginnen. Sie werden mir doch nicht erklären wollen, dass ein Angeklagter kein Recht auf angemessene Verteidigung mehr hat?«

»Natürlich nicht, es ist ein Eckpfeiler unseres Justizsystems – des Systems, wie es mal war, jedenfalls«, verbesserte sich der Professor selbst. »Aber ich möchte Sie bitten, Ihren Einfluss darauf zu verwenden, dass dies der letzte Prozess seiner Art in der Justice Union ist.«

»Sind Sie wahnsinnig? Solche Fälle haben die höchsten Quoten.«

»Eben drum, Lorenz.«

»Sehr schmeichelhaft außerdem, dass Sie glauben, ich hätte Einfluss auf die Auswahl der Prozesse.«

»Sie haben mehr Einfluss, als Sie vielleicht meinen«, sagte der Professor kryptisch.

Lorenz atmete durch. »Hören Sie, ich habe einen anstrengenden Abend vor mir. Wenn Sie also sonst nichts zu sagen haben …« Er zog eine Visitenchipkarte aus seiner Sakkotasche. Darauf stand eingraviert: »Lorenz van Bergen, Strafverteidiger« und eine Frankfurter Adresse. »Wenn Sie wollen, kommen Sie mich doch mal in meiner Kanzlei besuchen. Da redet es sich besser.«

Der Professor nahm die Karte und sagte: »Das mache ich doch glatt! Wollen mal sehen, wie so ein grüner Junge arbeitet.«

»Also bitte«, mischte sich nun einer der Partygäste ein, die atemlos gelauscht hatten. »Herr van Bergen ist der erfolgreichste Strafverteidiger Deutschlands, das können Sie wohl nicht leugnen?«

»Danke, mein Lieber«, beschwichtigte Lorenz. »Wissen Sie, in den Zeiten, in denen der Professor noch aktiv war, da war unser Rechtssystem noch nicht von Zuwendungen aus der Privatwirtschaft abhängig. Da konnte ein Professor gemütlich ein bisschen unterrichten und verdiente trotzdem sehr gut …«

»Sie brauchen mich nicht über die Aushöhlung des Rechtsstaates durch Personalkürzungen und falsche Einsparungen belehren«, brauste der Professor auf. »Das war die ganzen Zwanzigerjahre hindurch mein Hauptkritikpunkt in der …«

Prompt beging der Gast den Fehler, mit dem Professor darüber diskutieren zu wollen. »Wann wurde Ihrer Meinung nach denn der Point of no Return erreicht, der eine Neuaufsetzung des deutschen Rechtssystems nötig gemacht hatte?«

»Das ist es ja«, echauffierte sich der Professor jetzt. »Es wäre überhaupt nicht nötig gewesen. Versteht denn das keiner? Wir hatten das beste aller Justizsysteme. Statt Personal zu kürzen und alles kaputtzusparen, hätte man ins Justizsystem investieren müssen. Natürlich konnte der Apparat so nicht funktionieren. Und ein paar Schlaumeier und die Presse meinten noch dazu, alles schlechtreden zu müssen. Und kaum hatte die ZTP die absolute Mehrheit, haben sie alles umgekippt, und niemand hat Widerstand geleistet …«

Lorenz grinste und entfernte sich vorsichtig. Die beiden Bodyguards schlossen flüssig auf. Den Professor war er los, er hatte ein neues Opfer gefunden: Ein wahres Donnerwetter ging nun auf den Gast nieder, der in tödlicher Verlegenheit grinste, während die anderen Gäste das Schauspiel belustigt beobachteten.

Die Bodyguards lotsten van Bergen durch die Menge, die sich respektvoll und unter viel Getuschel teilte. Lorenz entdeckte Carolina in der Nähe einer der Bars und steuerte in ihre Richtung. Aus der Ferne konnte er noch Fetzen des Ausbruchs des Professors vernehmen: »Privatisierung der Strafprozesse – der blanke Wahnsinn!« – »Gerichtsverhandlungen als Live-Show im Netz, das Volk als Juroren!« – » Was ist mit dem Persönlichkeitsrecht, was mit dem Schutz von Zeugen, was …«

Van Bergen blendete das Gezeter aus und betrachtete zufrieden seine Frau. Carolina sah phänomenal aus in ihrem schlichten kleinen Schwarzen, den hohen Pumps und ihrem brünetten, glänzenden Haar, das ihr offen über die linke Schulter fiel. Ihr einziger Schmuck war ein riesiger Diamantring, den sie mit eleganten Handbewegungen aufblitzen ließ. In ihrem betont schlichten Outfit stach sie umso mehr heraus aus den bunten Gestalten ringsum, ein Abbild von Geschmack und guter Herkunft. Zumal der Ring, so viel konnte man erkennen, mehr gekostet hatte als der Schmuck der umstehenden Damen zusammen.

»Tamara wartet beim Quadroport«, sagte sie. »Aber wir müssen noch eine Runde drehen.«

»Muss das sein?«, lamentierte Lorenz zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Ich bin so schrecklich gelangweilt.«

»Der neue Besitzer der Rheinterrasse ist da.«

Van Bergen riss die Augen auf. »Mister Quin ist hier?«

Carolina lächelte, hakte ihren Mann unter und lotste ihn in die richtige Richtung. »Wir müssen nur im Vorbeigehen grüßen, das reicht völlig.«

Lorenz nickte. Beide hielten kurz an, um für eine Schar Fotografen zu posieren, gingen weiter, blieben dann vor einer Gruppe Chinesen stehen und verbeugten sich höflich.

»Welcher war Quin?«, fragte Lorenz, als sie weitergingen.

Carolina zuckte die Achseln. »Der Große, der aussieht wie ein Nachtclubbesitzer.« Sie blickten beide noch einmal zurück. »Wir sollten uns um ihn bemühen«, sagte Carolina etwas leiser direkt in Lorenz’ Ohr. »Er geht beim Kanzler ein und aus, er kriegt, was er will. Bald gehört ihm ganz Düsseldorf.«

»Ganz Düsseldorf? Ganz Deutschland!«, flüsterte Lorenz sarkastisch. »Du wirst sehen, die Chinesen sind bald die neuen Herren im Land.«

»Umso besser sollten wir uns mit ihnen stellen«, meinte Carolina trocken, und beide setzten ihr Siegerlächeln auf.

Sie hatten die Party hinter sich gelassen und gingen in Richtung Quadroport, der nur wenige Meter weiter angelegt worden war. Dort wartete schon eine junge Frau Ende zwanzig, die ihnen nun mit wippendem Pferdeschwanz und entschlossenem Blick entgegenkam.

»Tamara, alles klar?«, fragte Lorenz seine Assistentin zur Begrüßung.

Sie nickte beiden knapp zu. »Guten Abend, Frau van Bergen. Lorenz, wir müssen.«

Er küsste seine Frau zum Abschied auf die Wange. »Der Quadro holt dich nach der Gala ab und fliegt dich nach Hause, ja?«

Carolina nickte, und Lorenz eilte mit seiner Assistentin zu seinem Quadrokopter, der bereits mit sich drehenden Propellern wartete. Ein Stück weiter stand ein weiterer Quadro, riesig und ganz in Gold gehalten. Auf den Seiten prangten chinesische Schriftzeichen.

Tamara bemerkte Lorenz’ bewundernden Blick. »Der gehört Mister Quin«, sagte sie. »So einen kaufen wir, wenn deine Show international wird.« Sie stiegen ein und schnallten sich an. »Okay, Lorenz«, kommandierte sie dann, »gehen wir die Punkte für heute durch.«

Van Bergen nickte folgsam und beugte sich über die Unterlagen, die sie ihm reichte. Der Quadrokopter erhob sich mit einem feinen Brummen in die Lüfte und flog ein Stück über den Rhein, der glitzernd in der Abendsonne lag. Doch van Bergen war in Gedanken bereits im Justizpalast und sah nicht mehr hinaus.

Kapitel 2

Freitag, 14. Oktober 2044, 18.55 Uhr, Dortmund

Auf dem Dach des Dortmunder Justizpalastes warteten bereits drei Kamerateams und eine Schar Fotografen.

»Wie die Aasgeier«, sagte Tamara verächtlich.

»Wir sind aber kein Aas«, bemerkte Lorenz kühl. »Das ist Teil des Spiels, und wer ein Spiel gewinnen will, der muss seine Spielfiguren richtig setzen. Die da draußen« – er tippte mit dem Finger an die Scheibe des Quadrokopters, der mit einem leichten Ruck aufsetzte – »sind auch meine Figuren. Sitzt die Krawatte?«

»Warte«, sagte Tamara, holte ein Tuch aus ihrer Tasche und polierte den silbernen Jaguar auf dem Revers ihres Chefs. Dann richtete sie seine Krawatte. Lorenz rückte ungeduldig auf seinem Sitz herum, während die Tür von außen geöffnet wurde. »Fertig«, sagte Tamara, er sprang behände hinaus, knipste sein Gewinnerlächeln an und steuerte durch Wind und Lärm des noch laufenden Quadrokopters auf die wartende Meute zu. Tamara schloss mit grimmigem Gesichtsausdruck dicht hinter ihm auf.

Das Bild verfehlte seine Wirkung nicht, die Fotografen begannen zu schreien:

»Hierher, Herr van Bergen!«

»Einmal zu mir schauen, bitte …«

Der Trailer für die Show hatte für großes Aufsehen gesorgt. Ein Vergewaltigungsprozess gegen einen der bekanntesten Geschäftsmänner Deutschlands – das war schon was. Lorenz drosselte sein Tempo gerade so weit, dass es noch dynamisch wirkte, er aber beim Sprechen nicht aus der Puste kam. Er hatte die passende Schrittgeschwindigkeit eigens mit seinem Schauspielcoach geübt und war in diesem Moment dankbar für dessen Liebe zum Detail.

Die Reporterin seines Senders kam angelaufen, sie bekam traditionell das erste Statement. »Und hier kommt der Star des Abends«, rief sie atemlos in ihr Mikro, während ein Kameramann sie einkreiste. »Herr van Bergen, gleich drei Zeuginnen sagen heute gegen Ihren Mandanten aus. Wie wollen Sie einen Mann verteidigen, dem so schreckliche Taten vorgeworfen werden?«

»Wie immer«, sagte Lorenz, »mit akribischer Vorbereitung und guten Nerven.«

»Wie sehen Sie Ihre Chancen …?«, fragte die Reporterin weiter, doch Lorenz unterbrach sie sofort.

»Ich bin Strafverteidiger«, sagte er, »ich denke nicht in Chancen.« Er schritt nun etwas weiter aus, sodass die Frau in ihren hohen Absätzen neben ihm her trippeln musste – was ihn umso souveräner wirken ließ. »Das ist kein Glücksspiel, sondern ein Gerichtsprozess«, fuhr er fort. »Ich glaube an unser Rechtssystem. Und …« Er drehte sich direkt zur Kamera des Senders. »Ich glaube an die Gerechtigkeit.«

Ein anderer Reporter rief: »Herr van Bergen, Sie tragen in jeder Show diese silberne Anstecknadel in Form eines Jaguars, was hat es damit auf sich?«

Endlich hatte es einer bemerkt. »Das ist Platin«, sagte Lorenz. »Ein Symbol für meine Arbeit, mein Streben als Rechtsanwalt.« Er blieb stehen, und sofort bildeten die Reporterteams einen Halbkreis um ihn. »Der Jaguar pirscht sich lautlos an«, deklamierte Lorenz betont leise, sodass alle sich zu ihm beugen mussten. »Er lauert seiner Beute auf. Dann ein Sprung, er reißt sie zu Boden und tötet sie mit einem einzigen Biss. Keine langwierigen Kämpfe, er macht im wahrsten Sinn des Wortes kurzen Prozess.« Die Reporter hingen blöde lächelnd an seinen Lippen. Ein gutes Zeichen. »Wussten Sie, dass das Gebiss eines Jaguars selbst Krokodilhaut und den Panzer einer Schildkröte durchbeißen kann? Genau so beiße ich mich durch jede zweifelhafte Zeugenaussage.«

»Und wie der Jaguar seiner Beute auflauert«, hakte die erste Reporterin ein, »so lauern Sie auf Fehler der Gegner?« Er nickte grimmig. »Lorenz van Bergen, der Jaguar unter den Anwälten«, hauchte sie ehrfürchtig.

»Das haben jetzt Sie gesagt«, antwortete Lorenz betont bescheiden und beglückwünschte sich innerlich. Das war perfekt gelaufen. Ab jetzt würde man ihn in den Medien nur noch »den Jaguar« nennen.

Er ging weiter. Tamara hatte die Medienmeute umrundet und wartete beim Backstage-Eingang auf ihn. Sie tippte auf ihr Handy und rollte die Augen.

»Ich danke Ihnen für Ihr Interesse«, sagte Lorenz. »Jetzt entschuldigen Sie mich aber bitte, ich muss zu meinem Mandanten.« Er zwinkerte in eine der Kameras, ignorierte weitere Rufe – »Aber was sagen Sie zu …« – »Eine Frage noch, Herr van Bergen …« – und folgte Tamara in den Gang, der zum Aufzug führte.

Drinnen lehnte er sich für einige Sekunden gegen die geschlossene Tür und atmete tief durch. Er spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Es war immer hier, an derselben Stelle, dass ihn vor den Shows eine große Nervosität überkam, beinahe schon Panik. Es war stets, als ob etwas in ihm davonlaufen wollte. Tamara kannte das Phänomen. »Alles gut, Lorenz«, sagte sie und trat näher. »Du wirst das hinbekommen. Mach deine Übung. Einatmen, und …« Folgsam fixierte Lorenz einen Punkt an der Wand und hielt die Luft an. Fünf Sekunden, zehn, fünfzehn … Dann ließ er die Luft langsam ausströmen. Tamara trat heran und massierte ihm kurz den Nacken. Er spürte, wie sich sein Herzschlag beruhigte.

Seine demonstrative Coolness war die meiste Zeit nicht gespielt: Lorenz van Bergen besaß ein Selbstvertrauen, das mitunter in Selbstherrlichkeit zu kippen drohte, wie seine Mutter gerne warnend anmerkte. Aber der Prozess heute war wichtig. Auf Vergewaltigung stand die Todesstrafe. Wenn es ihm gelingen würde, seinen Mandanten davor zu bewahren, würde das seinen Marktwert verdoppeln. Tamara hatte auf dem Flug die aktuellen Zahlen präsentiert: Drei Millionen Zuschauer hatten allein heute am Tag der Show Einzeltickets für den Prozess gekauft, dazu kamen die elf Millionen aus dem Vorverkauf und zehn Millionen Abonnenten. Clips von der Show würden im Netz rauf und runter laufen. Das ganze Land würde diesen Prozess miterleben.

Das Sendeformat Justice Union war der bisher größte Erfolg der Zero-Tolerance-Partei. Sobald sie die Alleinregierung gestellt hatte, war die ZTP gewissermaßen mit der Abrissbirne in den ächzenden, über die Jahrzehnte kaputtgesparten Justizapparat gefahren und hatte 2039 ein völlig neues System errichtet. Richter und Gefängnisse wurden abgeschafft, die Rechtsprechung stark vereinfacht. Staatsanwaltschaft und Verteidigung präsentierten ihre Argumente, anschließend wurde das Urteil gefällt – nicht mehr von einem Richter im Namen des Volkes, sondern »von der höchsten Instanz, die wir kennen, dem Volk selbst«, wie der Justizminister bei der Präsentation der Justizreform vollmundig erklärt hatte.

Kleinere Prozesse fanden vor Live-Publikum an den alten Amtsund Landgerichten statt, die Zuschauer im Saal stimmten ab, hier wurden schuldig gesprochene Angeklagte zu Geldstrafen verurteilt oder in eines der Recycling- und Resozialisierungszentren verbannt, in denen Deutschlands Müll sortiert und wiederaufbereitet wurde. Bei schweren Straftaten gab es nur noch zwei Urteilssprüche: Freispruch oder Todesstrafe. Die spektakulärsten der schweren Fälle wurden dabei jede Woche im Live-Stream verhandelt – in der Justice Union. Die Show war gewissermaßen der Werbeträger für die Justizreform. Jedes Bundesland hatte seine eigene Justizarena. Der Internetsender Streamnet 24/7 hatte sich die Übertragungsrechte gesichert und ein Bezahlsystem eingeführt, das den Beteiligten Milliardengewinne sicherte. Die Regierung kassierte natürlich mit. Mit Teilen der Einnahmen wurde das deutsche Umweltsystem finanziert – die besten Verfahren, die fortschrittlichsten Methoden wurden angewandt. Und das Personal kostete fast nichts, denn statt teurer Roboter wurden einfach Strafgefangene eingesetzt, die sich einen Platz in der Gesellschaft wiedererwerben konnten, indem sie deren Müll sortierte.

Das System stieß in der Bevölkerung mehrheitlich auf Zustimmung. Selbst im Ausland wurde die Justizreform positiv bewertet, und das bestärkte die Regierung in ihrem Slogan: »Der Schutz der Heimat geht vor«.

Dass die Regierung vornehmlich Migranten und andere Minderheiten aufs Korn nahm, war den Leuten nur recht. Für ein Gefühl von Sicherheit, Recht und Ordnung nahmen die Deutschen – der Schwierigkeiten und Unruhen vergangener Jahrzehnte müde – gerne ein System in Kauf, in dem Bürgerrechte untergraben wurden. Man konnte sich das Ganze ja schönreden. War der Einsatz der Häftlinge zum Wohle des Volkes nicht echte Resozialisierung, im Gegensatz zu den sinnlosen Haftstrafen in Gefängnissen, die noch dazu teuer in der Erhaltung waren? Trugen die Häftlinge nicht dazu bei, Deutschland seinen Platz als Umweltschutznation Nummer eins und der Bevölkerung ein gutes Gewissen zu sichern? Und war es nicht wunderbar, dass nun Gerichtsprozesse öffentlich abgehalten wurden und das Volk selbst bestimmen durfte, ob ein Angeklagter schuldig oder unschuldig war?

Dass man dabei auch noch eine bombastische Show serviert bekam, war das Sahnehäubchen. Und der größte Showprofi war Lorenz van Bergen, Strafverteidiger der Herzen und Posterboy der Nation.

Im Fahrstuhl ging Lorenz noch einmal seinen Plan durch, Schritt für Schritt und mit jedem Stockwerk, das der Fahrstuhl tiefer sank, wurde er ruhiger. Das war sein Revier. Seine Welt. Nichts konnte ihn hier mehr aus der Fassung bringen. Er war der Jaguar.

Im dritten Untergeschoss stieg er aus, während Tamara wieder nach oben fuhr, um sein Outfit für den Prozess vorzubereiten. Lorenz war nicht oft in den Katakomben. Die meisten Angeklagten warteten zu Hause in elektronischen Fußfesseln auf ihren Prozess. U-Haft wurde nur noch bei einer Mordanklage, bei Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und Terrorismus verhängt – dafür gab es in den jeweiligen Justizarenen eigene Zellen.

Der Dortmunder Justizpalast war auf dem Gelände der alten Westfalenhalle errichtet worden, eine bombastische Arena mit der spektakulärsten Lichtshow Deutschlands und Platz für bis zu fünfundzwanzigtausend Zuschauer. In den Untergeschossen darunter befand sich ein Netz aus Zellen und Vernehmungsräumen. Diese Katakomben waren mit allem möglichen technischen Schnickschnack ausgestattet, optisch jedoch völlig heruntergekommen. Das kam beim Publikum besser an. Vor einer verdreckten Eisentür hielt Lorenz an. Ein älterer Wachmann stand davor und grüßte ihn ehrerbietig.

»Guten Abend, Herr van Bergen.«

»Ich grüße Sie, Ben, wie geht es Ihrer Frau?«

»Keine Besserung in Sicht«, sagte der Ältere und hob die Schultern.

Lorenz klopfte ihm auf den Rücken und schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln.

»Sie haben heute einen großen Fall vor sich, was?«, fragte der Wachmann.

»Sieht so aus, ja.«

»Eigentlich ist das ja nicht erlaubt, während der Dienstzeit …« Der Wachmann sah sich um und zog dann ein altmodisches Handy mit Touchscreen halb aus der Hosentasche. »Aber ich werde mir die Show natürlich ansehen. Ich muss doch wissen, wie Sie die Nummer heute knacken. Ganz harte Nuss, ne?«

»Wenn Sie zuschauen, Ben, kann gar nichts schiefgehen«, sagte Lorenz. »Sie wissen doch, Sie sind mein Glücksbringer.«

Der Wachmann richtete sich stolz lächelnd auf. »Dann will ich Sie mal nicht länger aufhalten«, sagte er, legte seinen Daumen auf einen kleinen, fast unsichtbaren Scanner, die Eisentür ging mit einem Klicken auf. »Ich drücke Ihnen beide Daumen, Herr van Bergen.«

»Danke, mein Freund.«

Lorenz ging mit ruhigem Schritt durch die große Tür und orientierte sich im Halbdunkel. Es war kalt hier unten. Dunkler Moder breitete sich auf den unverputzten Mauern aus, auf dem Boden standen Wasserpfützen. Es stank nach Urin. Für die Protagonisten der Justice Union gab es jeden erdenklichen Luxus. Für die Angeklagten gab es das Kontrastprogramm, das Publikum stand da drauf. Lorenz fand das kindisch, aber die ganze Show appellierte schließlich an das Kind im Zuschauer, und so verkniff er sich jeden öffentlichen Kommentar.

Das Geräusch ferngesteuerter Kameras verfolgte ihn auf seinem Weg. Er ging ruhigen Schrittes weiter, man wusste nicht, welche Einstellung in der Zusammenfassung landete, hier war er jederzeit im Show-Modus. Nicht, dass es ihn störte. Lorenz van Bergen war Vollprofi – fleißig, detailversessen, fokussiert. Deshalb, das wusste er, war er zum bekanntesten Verteidiger der Justice Union aufgestiegen. Sein gutes Aussehen, sein Verstand und sein Charme, den er je nach Bedarf an- und ausknipsen konnte, waren nicht konkurrenzlos. Konkurrenzlos war nur seine Disziplin.

Er konnte sich nicht erinnern, dass es je anders gewesen war. Schon als kleiner Junge hatte er sich an jede Aufgabe mit einer Verbissenheit gemacht, die anderen Kindern seines Alters fehlte. Er ahnte, dass es mit seinem Vater zu tun haben musste, der ihn nur beachtete, wenn er Leistung erbrachte, doch Lorenz wollte sich nicht in Psychoanalyse ergehen. Es war, wie es war, und es brachte ihm zudem Erfolg. Also wozu groß darüber nachdenken?

Am anderen Ende des Ganges versperrte ihm eine weitere Eisentür den Weg. Er trat drei Mal mit der Fußspitze dagegen. In der Mitte der Tür erschien eine Art Bildschirm. »Ausweis!«, ertönte eine schnarrende Stimme. Wortlos hob er seine Visitenchipkarte vor den Screen, wartete ein paar Sekunden und hörte ein mehrfaches Klicken, das den Öffnungsmechanismus begleitete. Erstes Schloss – klick, zweites Schloss – klickklick, drittes Schloss – klack. »Kommen Sie rein, Herr van Bergen«, erklang die Stimme erneut. Lorenz nickte den drei Wachleuten zu, die hinter der Tür standen. »Folgen Sie uns.« Zwei der Männer gingen voraus, einen langen Flur entlang, auf dessen beiden Seiten eiserne, nummerierte Zellentüren lagen. »Heißer Fall heute, ne?«, sagte der eine launig. Lorenz nickte nur.

Der Fall DuPont hatte in den letzten Monaten zahllose Schlagzeilen produziert. Daniel DuPont war der Inhaber der größten europäischen Drogeriekette, ein Vorzeigeunternehmer, Medienliebling und großzügiger Unterstützer der Armen und Schwachen. Gerne erzählte der mittlerweile Sechzigjährige in den Talkshows, dass er große Teile seines Vermögens an Bedürftige spendete. Und wie sehr er sich wünschte, andere Unternehmer würden es ihm gleichtun, es würde ihnen einen inneren Frieden verschaffen, so wie ihm.

Für viele war DuPont ein Volksheld, ein Robin Hood von oben, geradlinig, korrekt und großherzig. DuPont war klug genug, sich nie über heikle politische Themen auszulassen, und so bot er kaum Angriffsfläche. Ihm ging es um Obdachlosigkeit und Tierschutz und um Steuernachlass für Arme. Das war gut fürs Image und noch besser fürs Geschäft. »Die Welt beim Einkaufen ein Stück besser machen«, lautete der Slogan, und die Leute strömten in seine Drogerien. Alle Produkte waren frei von fossilen Substanzen, biologisch abbaubar und garantiert ohne klinische Tierversuche hergestellt. Wer dort einkaufte, hatte ein sauberes Gewissen. Die gesalzenen Preise nahmen die Käufer hin, schließlich sorgten sie dadurch ja für glückliche Tiere und gerettete Existenzen.

Daniel DuPont hatte bis vor einem halben Jahr zu den beliebtesten Deutschen gehört. Doch dann kam die Skandalmeldung: »Mitarbeiterinnen klagen an: ›DuPont hat uns vergewaltigt!‹« Die Medien hatten sich auf den Fall gestürzt, und nur Stunden nach der ersten Schlagzeile war Daniel DuPont in Lorenz van Bergens Kanzlei erschienen und ausgerechnet dort verhaftet worden.

Der Fall war ein Knaller: Gleich drei Mitarbeiterinnen der Drogeriekette hatten Anzeige erstattet. Daniel DuPont, so die Anklage, habe die jungen Frauen sexuell ausgebeutet und schrecklich zugerichtet.

Vor einer Zelle mit der Nummer elf blieben die Wachmänner stehen. Der eine zog seine Waffe, der andere kommandierte: »Ihren Scan bitte.« Van Bergen schaute folgsam in einen Irisscanner und hörte, wie die ferngesteuerten Kameras heranzoomten. Den Scanner hatte der Regisseur verlangt, wegen der dramatischen Bilder. Eine unnötige Maßnahme, denn die Sicherheitsleute bestimmten ohnehin, wer reindurfte, und hatten Schießbefehl, sollte einer der Angeklagten einen Fluchtversuch wagen.

Ein Surren ertönte, die Tür sprang auf. »Viel Spaß!«, rief der eine Wachmann und »Viel Erfolg heute Abend!« der andere. Lorenz nickte, betrat die Zelle und sah zu, wie die Tür sich wieder schloss. Dann drehte er sich zu seinem Mandanten um.

Daniel DuPont saß auf dem schmalen Bett seiner Zelle und wirkte wie das heulende Elend. Sein graues Haar war zerzaust, dunkle Augenringe hoben sich dramatisch von einem blassen Gesicht ab. Sein Hemd war zerknittert, der oberste Knopf offen, eine schlecht gebundene Krawatte baumelte vor seiner Brust. Als Lorenz hereinkam, hob DuPont den Blick. Er sah aus, als habe er die ganze Nacht geweint. Mit rot geränderten, trüben Augen blickte er seinem Verteidiger entgegen.

Lorenz nickte anerkennend in Richtung einer Visagistin, die gerade ihre Sachen zusammenpackte. »Gut gemacht, Karen. Ich hoffe, Sie verraten mir irgendwann, wie Sie die Augen so gut hinbekommen.«

Die Visagistin lächelte geheimnisvoll. »Berufsgeheimnis«, sagte sie und warf ihm einen heißen Blick zu, den Lorenz jedoch ignorierte. Die Visagistin stöckelte enttäuscht hinaus.

»Sehe ich schön scheiße aus?«, fragte Daniel DuPont. Seine Stimme klang kalt und ungerührt.

»Beeindruckend«, sagte Lorenz und sah sich um. Er hatte für seinen Mandanten VIP-Arrest herausgehandelt. Für zweitausend Euro täglich war aus der Zelle eine richtige Suite mit anschließendem Bad geworden. Eine Sitzgruppe, ein weicher, roter Teppich, der Tisch … Es sah aus wie im Hotel. An der Wand hing ein großer Flachbildfernseher, es liefen Nachrichten auf Streamnet 24/7. Man sah Bilder von DuPont aus besseren Tagen, und dann fragte eine Stimme aus dem Off: »Wie wird Deutschland heute entscheiden? Ab 20.15 Uhr können Sie es erfahren.«

DuPont stand ächzend auf, trat zu einem kleinen Kühlschrank und holte eine Bierflasche heraus. »Was zu trinken?«

»Nein, danke, ich trinke vor Prozessen nicht.« Lorenz setzte sich. »Wir reden jetzt mal über heute Abend«, sagte er kurz. »Alles andere hat Zeit.«