Orison Swett Marden

Die Macht des Gedankens

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Vorrede des Übersetzers.

1. Das Steuer des Gedankens bewahrt das Lebensschiff vor dem Untergang.

2. Wie der Geist den Leib beherrscht.

3. Der Gedanke schafft Gesundheit und Krankheit.

4. Unser schlimmster Feind ist die Furcht.

5. Wie man die Furcht überwindet.

6. Todbringende Gemütsbewegungen.

7. Die Herrschaft über unsre Stimmungen.

8. Nutzlose Schwarzseherei.

9. Die Macht froher Gedanken.

10. Verneinung lähmt.

11. Bejahung macht stark.

12. Gedanken strahlen aus wie Kräfte.

13. Wie der Gedanke den Erfolg nach sich zieht.

14. Die Macht des sich selbst Vertrauenden über andre.

15. Charakterbildung.

16. Stärkung mangelhaft entwickelter Eigenschaften.

17. Erlangung von Schönheit durch den Gedanken der Schönheit.

18. Die Macht der Einbildungskraft.

19. Die Jahre zählen nicht.

20. Die Macht über unsre Gedanken.

21. Der Mensch der Zukunft wird seine Göttlichkeit erkennen.

Danke!

Impressum neobooks

Impressum

Die Macht

des Gedankens

von

Orison Swett Marden

Einzig berechtigte Übersetzung aus dem

Englischen von Dr. Max Christlieb

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Originaltitel: Every man a king, or might in mind-mastery, 1906

Erstveröffentlichung: Stuttgart, Verlag von J. Engelhorn, 1921

Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de sagt Danke!

Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag

4. Auflage 2018, ISBN: 978-3-944432-15-1



Vorrede des Übersetzers.

Da die Gedankenwelt und noch mehr der Stimmungsgehalt des vorliegenden Buches sehr mit den Schriften Ralph Waldo Trines übereinstimmen, so darf der Übersetzer wohl einiges aus seiner Vorrede zu der Übersetzung von Trines Buch „In Harmonie mit dem Unendlichen“ hier wiederholen.

„Wir Deutschen sind gewöhnlich der Meinung, wir hätten den ganzen Vorrat von Idealismus, der in der Welt vorhanden ist, so ziemlich allein gepachtet. Und besonders auf die praktischen, realistischen Amerikaner sehen wir oft mit den Gefühlen jenes Mannes herab, der da sagte: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie dieser einer.

Aber nichts ist verkehrter als diese Vorstellung, und nichts steht uns Deutschen schlechter an, deren Ruhm es zu allen Zeiten gewesen ist, fremde Vorzüge anzuerkennen – was nicht notwendig zu der Schwäche zu werden braucht, die es freilich bei uns Deutschen oft genug geworden ist. Die Amerikaner sind bei all ihrem praktischen Realismus doch Idealisten im großen Stil: schon die eine Erwägung kann uns das einleuchtend machen, dass doch die Millionen von deutschen Vorfahren der heutigen Amerikaner nicht ohne Einfluss auf ihre Nachkommen gewesen sein können.

Der höchste Ausdruck des amerikanischen Idealismus war Ralph Waldo Emerson, der heute, bald dreißig Jahre nach seinem Tode, einen immer breiteren Einfluss gewinnt. In seinen Gedanken ist viel deutscher, besonders Goethischer Einschlag: aber der deutsche Idealismus hat in dem „ewigen Sucher ohne Vergangenheit, für den nichts heilig und nichts profan ist, eine eigenartig amerikanische Gestalt angenommen. Jene echt amerikanische Verbindung von Realismus und Idealismus ist auch sein Kennzeichen: unbekümmert um alle literarischen, philosophischen oder religiösen Überlieferungen geht er immer vom Einfachsten und Nächstliegenden aus, um von dort zu den höchsten Höhen des Gedankens zu klimmen.“

Auf Emerson geht im Wesentlichen zurück, was man heute in Amerika „New Thought“, die „neuen Gedanken“ nennt. Die Richtung dieser Gedanken geht dahin, einmal den Einfluss des Geistigen auf das Körperliche zu erfassen. Dies tritt zu Tage in psychophysiologischen Versuchen, in zusammenfassenden Werken über die seelischen Eigenschaften der verschiedenen Geschlechter und in Lehren über die Jugenderziehung, vor allem aber in dem, was man drüben „geistiges Heilverfahren“ nennt. Eine uns nüchternen Deutschen vollkommen schwindelhafte erscheinende Form dieser Bewegung ist die „Christian Science“, die von Frau Eddy begründete Kirche der „Christlichen Wissenschaft“, in der die Krankheiten nicht etwa weggebetet, sondern einfach „weggedacht“ werden, indem man den Kranken zu der Überzeugung bringt: Körperliches gibt es überhaupt nicht, sondern es gibt nur Geist, und so ist der ganze „Krankheitszustand“ nur ein falscher Gedankengang, der einfach durch richtiges Denken behoben wird. Das andere, was in den „Neuen Gedanken“ enthalten ist, ist die Lehre, dass zwischen dem geistigen und dem körperlichen Sein kein grundlegender Unterschied besteht, sondern beide auf Schwingungen eines feinsten Mediums beruhen: Gedanken strahlen unmittelbar von uns aus und auf andere über, Gedanken beeinflussen aber auch den eigenen Körper aufs Stärkste. Damit wäre in der Tat der Gegensatz zwischen Materialismus und Idealismus aufgehoben.

Wem der ganze Gedankengang dieser Bücher zu phantastisch erscheint, wer die Macht des Gedankens hier weit überschätzt findet, dem mögen folgende Worte Mut machen, das hier Gesagte doch zu beherzigen, Worte, deren Sprecher gewiss im wohlgegründeten Ruf eines nüchternen Denkers steht. Kein geringerer als Kant hat einen Aufsatz geschrieben, der in dem „Streit der Fakultäten“ (1798) versteckt, aber z. B. in Reclams Universalbibliothek allgemein zugänglich ist und den Titel führt: „Von der Macht des Gemüts, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein.“ Dort heißt es: „Ein vernünftiger Mensch statuiert keine Hypochondrie; sondern wenn ihn Beängstigungen anwandeln, die in Grillen, d. h. selbst ausgedachte Übel ausschlagen wollen, so fragt er sich, ob ein Objekt derselben da sei. Findet er keines, welche begründete Ursache zu dieser Beängstigung abgeben kann, oder sieht er ein, dass wenn auch gleich ein solches wirklich wäre, doch dabei nichts zu tun möglich sei, um seine Wirkung abzuwenden, so geht er mit diesem Anspruch seines inneren Gefühls zur Tagesordnung, d. i. er lässt seine Beklommenheit an ihrer Stelle liegen (als ob sie ihn nichts anginge) und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Geschäfte, mit denen er zu tun hat.“

Auch hier sind, wie in den früheren Übersetzungen, an einigen Stellen deutsche Dichterworte eingefügt, wo diese das vom Verfasser Gesagte in klassischer Form aussprechen, diesmal nur solche von Goethe.

Fremdwörter sind auch in dieser Übersetzung nicht anzutreffen, außer so unbedingt nötige wie etwa Natur, Charakter u. a. Die wenigen Kunstausdrücke, die sonst vorkommen, sind alle im Zusammenhang selbst erklärt.

Für die Leser, die etwas Näheres von dem Verfasser des Buches wissen wollen, wird ein kurzer Abriss seines Lebens- und Bildungsganges hier angefügt.

Dr. Orison Swett Marden ist geboren in Thornton, New Hampshire, 1858 und studierte in Boston Rechtswissenschaft und Heilkunde. Er gibt jetzt die Zeitschrift „Success Magazine“ (Magazin des Erfolges) heraus, und hat eine Menge größerer und kleinerer Schriften geschrieben. Die erste davon, Pushing to the Front (Wie man an die Spitze kommt) 1894, hat über hundert Auflagen und viele Übersetzungen erlebt. Die Titel einiger anderer Schriften sind: „Rising in the world or architects of fate“ (Wie man in der Welt voran kommt oder Schmied seines Glückes) 1895; The secret of achievement (Das Geheimnis des Vollbringens) 1898; Character, the grandet thing in the world (Der Charakter, das Größte in der Welt) 1899; Cheerfulness as a life-power (Heiterkeit – eine Lebenskraft) 1899; An iron will (Ein eiserner Wille) 1901; The young man entering business (Der junge Mann beim Eintritt ins Geschäft) 1903; The power of personality (Die Macht der Persönlichkeit) 1906; The optimistic life (Das Leben des Optimisten) 1907. Das vorliegende Buch „Every man a king, or might in mind-mastery“ erschien 1906.

Was Verleger und Übersetzer von diesem Buche hoffen, das ist, dass als echt amerikanische Gegengabe für das Geschenk unsres deutschen Idealismus das männliche, kraftvolle, furchtlose und hoffnungsfreudige Selbstvertrauen, das aus ihm spricht, seine Wirkung auf den deutschen Leser nicht verfehlen möge.

Marburg i. H., Oktober 1908.

Dr. Max Christlieb



1. Das Steuer des Gedankens bewahrt das Lebensschiff vor dem Untergang.

Durch Gedanken schaffen wir uns unsere Zukunft, gut oder übel, wir wissen es nur nicht. So ist auch das ganze All durch Gedanken gemacht. Gedanke ist nur ein anderer Name für Schicksal, also wähle dir dein Schicksal selbst! Liebe bringt Liebe und Hass bringt Hass.

Ella Wheeler Wilcox.


Ein Mann, der nicht sehr viel gelernt hatte, erbte ein Schiff. Er verstand nichts von allem, was zum Seewesen gehört, nichts vom Segeln und nichts von Maschinen, aber der Gedanke, als Befehlshaber seines eigenen Schiffes eine Reise zu machen, reizte ihn. Das Schiff wurde flott gemacht und der selbsternannte Kapitän ließ die Mannschaft zunächst ihre verschiedenen Arbeiten allein machen, da das Vielerlei der Aufgaben ihn verwirrte. Auf hoher See wurde die Sache einfacher und er hatte nun Zeit, alles genau zu beobachten. Als er an Deck hin und her ging, sah er einen Mann an einem großen Rad drehen, mal nach der einen, mal nach der andern Richtung. „Was zum Henker macht der Kerl da?“ fragte er. „Das ist der Steuermann“, hieß es, „er steuert das Schiff.“ „Ich sehe keinen vernünftigen Sinn in diesem Hin- und Herdrehen. Wir haben nichts als Wasser vor uns und ich meine, die Segel genügen zur Fahrt. Wenn Land in Sicht kommt oder ein Schiff uns begegnet, dann ist’s noch Zeit genug zum Steuern. Setzt alle Segel und lasst das Schiff laufen!“ Der Befehl wurde ausgeführt. Die paar Menschen, die den Untergang des Schiffes überlebten, vergaßen ihr Leben lang den törichten Kapitän nicht, der geglaubt hatte, ein Schiff steuere sich selbst.

Du sagst, es habe nie einen solchen Mann gegeben. Ich gebe zu, du hast recht. Aber was ich nicht zugebe, das ist die Meinung, dass es keine solche Torheit gibt. Du wärst nicht so töricht?

Überleg dir’s einen Augenblick. Ist dir nicht etwas zur Leitung anvertraut, zarter und kostbarer als irgendein Schiff – dein Leben, dein Geist? Wie viel Sorgfalt verwendest du darauf, diesen Geist zu steuern? Lässt du ihn nicht so ziemlich gehen, wie er will? Lässt du ihn nicht von den Stürmen des Zorns und der Leidenschaft dahin und dorthin treiben? Lässt du dich nicht durch zufällige Freundschaften, durch zufällig gelesene Bücher, durch zufällige Unterhaltungen in Lagen bringen, die du niemals mit Absicht ausgesucht hättest? Bist du wirklich der Kapitän deines Schiffes, der es zu dem sicheren Hafen des Glückes, des Friedens und des Erfolgs steuert? Und wenn du es nicht bist, möchtest du es nicht werden? Es ist leichter als du denkst, wenn du nur bestimmte Grundwahrheiten einsiehst und deine bessere Natur wirken lässt. Dir zu sagen, wie du das machen sollst und deine Tätigkeit zu leiten, ist der Zweck dieser Reihe von kleinen Aufsätzen über den Wert des Gedankens für die Gestaltung des Lebens.

Wenn man bedenkt, dass der Geist die ganze Welt beherrscht, so muss man sagen, dass diese Kraft bisher merkwürdig vernachlässigt und falsch verstanden wurde. Auch wo man seine Macht anerkannte, hat man ihn als etwas Unveränderliches aufgefasst, als ein Werkzeug, das nur der recht gebrauchen könne, der mit der Fähigkeit dazu geboren sei. Erst in den letzten Jahren hat die Forschung begonnen, sich um das Verständnis zu bemühen, wie man die Gedanken beherrschen und dazu gebrauchen kann, einen schon gebildeten Charakter noch zu beeinflussen, äußere Umstände oder doch zum mindesten ihre Wirkung auf uns abzuändern und Gesundheit, Glück und Erfolg herbeizuziehen. Die Möglichkeiten der Bildung und Erziehung des Gedankens sind unbegrenzt, ihre Folgen reichen bis in die Ewigkeit hinein, und doch bemühen sich noch immer so wenig Menschen, ihre Gedanken in Bahnen zu lenken, die für sie selbst heilsam wären, und überlassen lieber alles dem Zufall oder den tausend Umständen, die unseren Geist bedrängen und bezwingen, wenn wir ihnen nicht richtig entgegenarbeiten.

Es kann kein wichtigeres Wissensgebiet und keine höhere Pflicht gegen uns und andre geben, als diese Beherrschung des Gedankens, diese Herrschaft über uns selbst, die auf Selbstvervollkommnung hinarbeitet. Vielleicht ist die Tatsache, dass man den Gedanken selbst nicht greifen kann und dass die meisten von uns so wenig Herrschaft über ihn besitzen, der Grund für die weitverbreitete Überzeugung, dass die Leitung der Geistestätigkeit eine schwierige und verwickelte Sache sei und viel Mühe, viel Zeit und viel Büchergelehrsamkeit erfordere. Aber nichts ist unrichtiger als diese Meinung. Jeder Mensch, so unwissend, so ungebildet und so vielbeschäftigt er sein mag, hat in sich selbst alles, was er braucht, und hat die Zeit, die er braucht, um eine völlige Neuschaffung seines denkenden Wesens, seines Charakters, ja tatsächlich seines Leibes und seines Lebens zustande zu bringen. Aufgabe und Ziel sind dabei für jeden Menschen verschieden, aber der Vorgang selbst ist überall der gleiche und die Umbildung ist für alle gleich möglich.

Der Meißel eines Bildhauers in der Hand eines Pfuschers kann das schönste Bild verderben; in der Hand eines Verbrechers kann er ein Einbruchswerkzeug oder eine Mordwaffe werden. Wenn wir die Macht in Händen haben, unser Wesen zu schaffen oder zu verderben, was für Toren sind wir da, wenn wir nicht versuchen, Schönheit und Einklang, Glück und Erfolg zu schaffen! Der Bildhauer wird es nicht wagen, blindlings drauflos zu meißeln, ohne den Marmor anzusehen; sondern die Augen fest auf sein Werk gerichtet, tut er jeden Schlag in Gedanken an das Bild, das er im Geist geschaffen und im Modell nach seinen Gedanken gebildet hat. So müssen auch wir es machen, wenn wir unsern Charakter bilden, unsre Umgebung formen und unser Leben gestalten. Wir müssen wissen, was wir wollen und wie wir’s zu machen haben, und dann an die Arbeit gehen, ohne zu ermatten und nachzulassen.

Was unser Denken von einem gewöhnlichen Werkzeug unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir mit ihm arbeiten müssen: wir können es nicht beiseite legen und sagen, wir wollen keinen Schlag mehr tun. Wir müssen denken, und jeder Gedanke ist ein Schlag, der ein Stück von unserm Leben schmiedet. Darum müssen wir uns energisch entschließen, das Denken möglichst nutzbringend für uns zu machen und dann den Entschluss auch mit festem Willen durchführen.

Aber auch wenn wir diese wichtige Aufgabe mit allem Ernst angreifen, so wird sie für Erwachsene durch lebenslange Gewohnheiten und festgebahnte Gedankenwege stark erschwert. Das richtige Arbeitsfeld in dieser Frage der Gedankenbeherrschung ist die neu heranwachsende Jugend. M. E. Carter sagt: „Wenn Eltern und Erzieher ihre ganze Energie darauf verwenden wollten, der ihnen anvertrauten Jugend diese Gedankenbeherrschung zu lehren, statt dass sie so viel Mühe und Zwang darauf verwenden, ihnen ein von außen kommendes Gebot vorzuhalten, dem sie gehorchen müssen, dann würde die Aufgabe der Erziehung des kommenden Geschlechtes äußerst vereinfacht und eine sehr viel höhere Klasse von menschlichen Wesen würde auf unserer Erde erscheinen.

Das Kind, das man gelehrt hat, die rechten Gedanken zu denken und die falschen durch die Herrschaft über seinen eigenen Geist zu vertreiben, braucht immer weniger äußere Gebote und wird rein und aufrichtig aufwachsen, weil es nichts zu verbergen und nichts zu unterdrücken hat. Herrschaft über den Geist ist die einzige Form der Herrschaft über sich selbst, und wer diese früh lernt, der entgeht vielem Unglück und vielen harten Erfahrungen, die das Leben andrer verdüstern, weil sie diese größte aller Lebenswahrheiten nicht gelernt haben.“

So wollen wir um unsrer selbst und um unsrer Kinder willen den großen Segen recht bedenken, der aus dem richtigen Verständnis der Kräfte unsres Lebens und aus ihrer richtigen Beherrschung fließt.



2. Wie der Geist den Leib beherrscht.

Es ist wunderbar, welche Macht unser Geist über unsern Leib besitzt. Deshalb soll der Geist immer Herr sein.

Goethe.


Ehe man etwas tun kann, um zur Gedankenbeherrschung zu kommen, muss man ihre Macht und Wichtigkeit vollkommen einsehen und nicht bloß die Behauptung, dass es so sei, gläubig hinnehmen. Du musst selbst fühlen und überzeugt sein, dass ein schlechter Gedanke dir schadet, ein guter dir hilft. Du darfst nicht mit dem Feuer spielen oder sorglos denken, es komme nicht darauf an, wenn du einmal eine Zeitlang nicht achtsam bist. Du musst in deinem innersten Bewusstsein wissen, dass der Gedanke allein das Ewige ist, dass er der Herr deines Schicksals ist und dass der Gedanke jedes Augenblicks an der Entscheidung über dein Schicksal mitwirkt. Du musst empfinden, dass die richtige Herrschaft über deine Gedanken alles Gute von selbst zu dir kommen lässt, gerade wie das Üble kommt, wenn du deine gottgegebenen Kräfte missbrauchst. Diese Erkenntnis muss dir erwachsen aus der Beobachtung erwiesener Tatsachen.

Immer mehr erkennt man heute die wirkliche Macht des Gedankens in der stofflichen und in der sittlichen Welt. Leute, deren Anschauungen im Einzelnen weit auseinander gehen, halten den Gedanken für fast allmächtig in allen menschlichen Angelegenheiten; tatsächliche Vorführungen scheinbar wunderbarer Erfolge überzeugen auch gedankenlose und am Stofflichen klebende Menschen; wissenschaftliche Erklärung der Tatsachen.

Dem Professor W. G. Anderson an der Yale-Hochschule ist es gelungen, einen Gedanken oder doch den Erfolg einer Gedankentätigkeit tatsächlich zu wägen. Ein Schüler wurde auf eine Waage so gelegt, dass sein Schwerpunkt genau über dem Ausschlag der Waage lag. Wenn er sich daran machte, mathematische Aufgaben im Kopf zu rechnen, so verlegte das seinem Kopf zuströmende Blut den Schwerpunkt seines Körpers zum Kopf und die Waage schlug in diese Richtung aus. Das Rechnen des Einmaleins mit neun ließ den Schwerpunkt weiter zum Kopf rücken, als das mit fünf, und dies nahm zu, je größer die Gedankenanstrengung war. Bei einer Fortsetzung des Versuchs musste der Schüler sich vorstellen, dass er Bewegungsübungen mit einem Bein mache. Wenn er nun im Geist durch die einzelnen Übungen ging, so strömte das Blut so stark zu den Beinen, dass die Waage in diese Richtung ausschlug. Diese Versuche wurden mit immer gleichem Erfolg an einer großen Zahl von Schülern wiederholt.

Um weiter den beherrschenden Einfluss des Geistes auf die Muskeln zu erforschen, wurde bei elf jungen Männern zunächst die Stärke des rechten und des linken Armes festgestellt. Im Durchschnitt betrug sie für den rechten Arm zweiundsechzig Kilogramm, für den linken dreiundvierzig Kilogramm. Dann mussten die Leute eine Woche lang Übungen mit dem rechten Arm machen und die Stärke der Arme wurde aufs neue festgestellt: beim rechten hatte sie durchschnittlich um dreieindrittel Kilogramm zugenommen, bei dem linken, mit dem keine Übungen gemacht worden waren, um vier! Dies zeigte deutlich, dass die mit diesen Körperübungen verknüpfte Gehirntätigkeit nicht bloß die Muskeln zunehmen ließ, die in Tätigkeit waren, sondern auch andere, die unter der Leistung desselben Hirnteils standen. Das konnte nur geschehen, indem durch die bloße geistige Tätigkeit Blut und Nervenkraft zu den Körperteilen hingeführt wurde. Dr. Anderson beschreibt noch andere Versuche: „Ich kann durch mein ‚Muskelbett‘ beweisen, dass bei allen körperlichen Übungen das Wesentliche die damit verknüpfte geistige Anstrengung ist. Wenn ich mich auf dieses Muskelbett lege und mir vorstelle, dass ich tanze, so senkt es sich unter meinen Beinen, obwohl ich mich tatsächlich nicht bewege und die Muskeln gar nicht in Tätigkeit treten. Dies zeigt, dass ein Blutstrom zu den Muskeln hinfloss, und dass, auch wenn ich wirklich getanzt hätte, die Versorgung der Muskeln mit Blut durch die Tätigkeit des Geistes erfolgt wäre.“

Sandow hat uns schon lange gelehrt, dass körperliche Übungen ohne die richtigen Gedanken sehr wenig zur Entwicklung der Muskeln leisten, und dass eine sehr leichte Übung, wenn sie nur durchaus vom Geist geleitet und begleitet wird, tatsächlich den ganzen Körper umschaffen kann. Manche Lehrer für körperliche Übungen lassen sich diese Kenntnis teuer bezahlen. Professor Andersons Versuche beweisen die Wahrheit dieser Lehre und sie zeigen weiter, dass solche körperliche Übungen, die mit Wettkämpfen und lebhafter Anteilnahme am Spiel verbunden sind, viel besseren Erfolg haben als bloße einfache Bewegungen, wie man sie in Anstalten ohne innere Teilnahme mitmacht. Er sagt, dass das Gehen für Kopfarbeiter eine Bewegung sei, die nur wenig Nutzen bringt, weil es so selbsttätig geschieht, dass es das Blut von den Hirnmittelpunkten nicht ablenkt, in denen es sich bei der Lösung geistiger Aufgaben zu stark angesammelt hat. Ein Lauf oder ein schneller Gang, der mit einer bestimmten Absicht verbunden ist, die ihrerseits dann den Gedanken an die notwendige Schnelligkeit immer lebendig erhält, lässt das Blut zu den Beinen fließen und diese umbilden. Übungen vor einem Spiegel, wobei man das Schwellen der Muskeln bei den verschiedenen Bewegungen beobachtet, unterstützen nachweislich die Entwicklung dieser Muskeln.

Schon vor diesen Versuchen hat Professor Elmer Gates in Washington gezeigt, dass, wenn er seine Hand in ein bis zum Rand gefülltes Wassergefäß steckte und mit der Absicht, Blut in sie einströmen zu lassen, seine Gedanken gespannt auf sie richtete, das Wasser überfloss. So konnte sogar die Menge des der Hand zugeströmten Blutes gemessen werden, da sie offenbar der Menge des überfließenden Wassers gleich war. Den meisten wird das nicht beim ersten Versuch gelingen, vielleicht nicht beim hundertsten, aber man kann den Geist zu solcher Herrschaft über den Körper erziehen.

Vor Jahren hatten die Ärzte Gelegenheit, durch Versuche an dem bekannten Beaumont, bei dem eine Wunde im Magen eine Öffnung hinterlassen hatte, die starke Wirkung niederdrückender oder erhebender Gemütsbewegungen auf die Verdauung und ähnliche Tätigkeiten zu erforschen. Eine Drahtbotschaft, die ein Unglück anzeigte, ließ die Magensaft ausscheidende Zellen zusammenfallen und fieberisch werden und verzögerte die Verdauung um Stunden.

Versuche, die der russische Forscher Professor Iwan Pawlow an Hunden anstellte, haben überzeugend gezeigt, dass die Absonderung des Magensaftes nicht, wie man bisher angenommen hat, selbsttätig vor sich geht, wenn Speichel erzeugt wird oder Speise in den Magen eintritt. Der Magensaft wird im Gegenteil dann abgesondert, wenn man in dem Hund die Vorstellung erweckt, dass er ein sehr gern gefressenes Futter bekommt, etwa rohes Fleisch, und zwar auch, wenn man ihm das Fleisch dann gar nicht gibt oder es ihm zwar gibt, aber es nicht in den Magen gelangen, sondern durch einen zu diesem Zweck an der Speiseröhre angebrachten Schlitz wieder austreten lässt. Alle Versuche bloß körperlicher Reizung ließen den Verdauungssaft unabgesondert, und der Erfolg trat nur dann ein, wenn die Vorstellung des Wohlgeschmacks der Speise gebildet wurde. Wenn der Nervus pneumogastricus durchschnitten war, so half sogar diese Vorstellung nicht, ja nicht einmal der tatsächliche Durchgang des Fleisches durch die Speiseröhre. Dies zeigt, welche Rolle der Geist auch bei solchen Vorgängen spielt, die man bisher für rein mechanische und körperliche angesehen hat. Auch bei der Verdauung, wie bei allen körperlichen Erscheinungen, ist die seelische Seite die wichtigste.

Aus Professor Jacques Löbs Versuchen an der Universität Chicago und an der Stanford Universität scheint hervorzugehen, dass der Gedanke Erscheinungen hervorbringt, die den elektrischen ähnlich sind, dass die Moleküle des lebenden Stoffes unter dem Einfluss des Gedankens von negativ zu positiv werden und umgekehrt. Dies macht den alten Vergleich des Gedankens mit einem „Telegramm aus dem Gehirn“ erst anschaulich und erweitert unsere Vorstellung von dem, was der Geist zur Veränderung körperlicher Zustände leisten kann.



3. Der Gedanke schafft Gesundheit und Krankheit.

„Der Geist ist es, der da lebendig macht, das Fleisch ist nichts nütze.“ Joh. 6, 63. Jede Willens- und Denktätigkeit des Menschen prägt sich dem Gehirn ein, denn beide haben dort ihren Ursprung: von dort aus werden sie zu den Teilen des Körpers geleitet, die ihr Ziel bilden. Was also im Geist ist, ist auch im Gehirn und von da aus auch im Körper. So schreibt ein Mann gleichsam sein Leben in seinem Körper nieder und die Engel könnten seine Lebensbeschreibung im Bau seines Körpers lesen.


Man braucht keine wissenschaftlichen Versuche anzustellen, um den Einfluss des Geistes auf Gesundheit und Krankheit zu beweisen: alltägliche Erfahrungen zeigen das ausgiebig. Schlagende und wunderbare Beispiele sind zu Tausenden von ärztlichen Beobachtern gesammelt und veröffentlicht worden; hier werden einige wenige genügen.