Erin Hunter
Warrior Cats
Special Adventure – Vor dem Sturm
Aus dem Englischen von Klaus Weimann
www.beltz.de
© 2009 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© Working Partners Limited
Die Originalausgabe erschien 2003 unter dem Titel Warrior Cats – Forest of Secrets bei HarperCollins Children’s Books, London
Lektorat: Susanne Härtel
ebook: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74276-6
Hinter dem Namen Erin Hunter verbergen sich gleich drei Autorinnen. Während Victoria Holmes meistens die Ideen für die Geschichten hat und das gesamte Geschehen im Auge behält, bringen Cherith Baldry und Kate Cary die Abenteuer der Katzen-Clans zu Papier. Alle drei mögen Katzen und haben großen Spaß daran, neue und spannende Geschichten rund um die KatzenClans zu erfinden.
Mehr Informationen unter www.warriorcats.de
Für Denise – dies kommt einem Lied
so nahe, wie ich es nur kann
Besonderen Dank an Kate Cary
Karte
Die Hierarchie der Katzen
DonnerClan
Anführer |
BLAUSTERN – blaugraue Kätzin mit einer Spur Silber um die Schnauze |
Zweiter Anführer |
FEUERHERZ – hübscher Kater mit rotem Fell; Mentor von Wolkenpfote |
Heiler |
GELBZAHN – alte, dunkelgraue Kätzin mit einem breiten, flachen Gesicht; Mentorin von RUSSPELZ – dunkelgraue Kätzin |
Krieger |
(Kater und Kätzinnen ohne Junge) |
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WEISSPELZ – großer, weißer Kater; Mentor |
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von MAISPFOTE |
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DUNKELSTREIF – schlanker, schwarzgrau getigerter Kater; Mentor von RAUCHPFOTE |
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LANGSCHWEIF – Kater mit hellem Fell und schwarzen Streifen; Mentor von WIESELPFOTE |
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STURMWIND – schnellfüßiger, gescheckter Kater |
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MAUSEFELL – kleine, schwarzbraune Kätzin; |
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Mentorin von DORNENPFOTE |
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FARNPELZ – goldbraun getigerter Kater |
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BORKENPELZ – dunkelbraun getigerter Kater; Mentor von ASCHENPFOTE |
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SANDSTURM – helle, gelbbraune Kätzin |
Schüler |
(über sechs Monde alt, in der Ausbildung zum Krieger) |
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WIESELPFOTE – schwarz-weißer Kater |
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WOLKENPFOTE – langhaariger, weißer Kater |
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MAISPFOTE – Kätzin, weiß mit hellbraunen Flecken |
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DORNENPFOTE – goldbraun getigerter Kater |
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RAUCHPFOTE – hellgraue Kätzin mit dunkleren Flecken und hellgrünen Augen |
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ASCHENPFOTE – hellgrauer Kater mit dunkleren Flecken und dunkelblauen Augen |
Königinnen |
(Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen) |
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FROSTFELL – schönes, weißes Fell und blaue Augen |
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BUNTGESICHT – hübsch gescheckt |
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GOLDBLÜTE – helles, gelbbraunes Fell |
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FLECKENSCHWEIF – hell gescheckt; älteste Königin in der Kinderstube |
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GLANZFELL – sehr hellgraue Kätzin mit ungewöhnlich blauen Augen |
Älteste |
(ehemalige Krieger und Königinnen, jetzt im Ruhestand) |
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KURZSCHWEIF – großer, dunkelbraun getigerter Kater, dem ein Teil des Schwanzes fehlt |
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KLEINOHR – grauer Kater mit sehr kleinen Ohren; ältester Kater im DonnerClan |
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FLICKENPELZ – kleiner, schwarz-weißer Kater |
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EINAUGE – älteste Kätzin im DonnerClan mit hellem Fell; fast ganz blind und taub |
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TUPFENSCHWEIF – einst hübsche, schildpattfarbene Kätzin mit einem wunderbar gefleckten Fell |
SchattenClan
Anführer |
NACHTSTERN – alter, schwarzer Kater |
Zweiter Anführer |
HELLPELZ – dünner, grauer Kater |
Heiler |
TRIEFNASE – kleiner, grau-weißer Kater |
Krieger |
STUMMELSCHWEIF – brauner, gescheckter Kater; |
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Mentor von ERDPFOTE |
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NASSFUSS – grau gescheckter Kater; Mentor von EICHENPFOTE |
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KLEINWOLKE – sehr kleiner, getigerter Kater |
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WEISSKEHLE – schwarzer Kater mit weißer Brust und weißen Pfoten |
Königin |
DÄMMERWOLKE – kleine, gescheckte Kätzin |
WindClan
Anführer |
RIESENSTERN – schwarz-weißer Kater mit sehr langem Schwanz |
Zweiter Anführer |
LAHMFUSS – schwarzer Kater mit verkrüppelter Pfote |
Heiler |
RINDENGESICHT – brauner Kater mit kurzem Schwanz |
Krieger |
MOORKRALLE – gesprenkelter, dunkelbrauner Kater; Mentor von SPINNENPFOTE |
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FETZOHR – getigerter Kater; Mentor |
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von LAUFPFOTE |
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KURZBART – junger, braun gescheckter Kater |
Königinnen |
ASCHENFUSS – graue Kätzin |
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MORGENBLÜTE – schildpattfarbene Kätzin |
Ältester |
KRÄHENFELL – alter, schwarzer Kater |
FlussClan
Anführer |
STREIFENSTERN – riesiger, hell getigerter Kater mit schiefem Kiefer |
Zweiter Anführer |
LEOPARDENFELL – ungewöhnlich getupfte goldfarbene Kätzin |
Heiler |
SCHMUTZFELL – langhaariger, hellbrauner Kater |
Krieger |
SCHWARZKRALLE – rauchschwarzer Kater; Mentor von BLEIPFOTE |
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STEINFELL – grauer Kater mit Kampfnarben an den Ohren; Mentor von SCHATTENPFOTE |
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Graustreif – langhaariger, rein grauer Kater; ehemals im DonnerClan |
Königinnen |
MOOSPELZ – schildpattfarbene Kätzin |
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NEBELFUSS – dunkelgraue Kätzin |
Älteste |
GRAUTEICH – dünne, gaue Kätzin mit schütterem Fell und Narben an der Schnauze |
Katzen außerhalb der Clans
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MIKUSCH – schwarz-weißer Kater; lebt auf einem Bauernhof nahe am Wald |
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PRINZESSIN – hellbraun getigerte Kätzin mit auffällig weißer Brust und weißen Pfoten; ein Hauskätzchen |
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RABENPFOTE – schlanker, schwarzer Kater mit weißer Schwanzspitze |
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Tigerkralle – großer, dunkelbraun getigerter Kater mit ungewöhnlich langen Vorderkrallen; ehemals Zweiter Anführer des DonnerClans |
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WULLE – pummeliges, zutrauliches schwarz-weißes Kätzchen; lebt in einem Haus am Waldrand |
Prolog
Qualvolles Stöhnen hallte über den mondbleichen Boden einer Waldlichtung. An ihrem Rand kauerten zwei Katzen im Schatten der Büsche. Eine von ihnen wand sich in Schmerzen, peitschte mit dem langen Schwanz. Die andere erhob sich mit gesenktem Kopf auf die Pfoten. Der Kater war schon seit vielen langen Monden ein Heiler, und doch konnte er jetzt nur hilflos zusehen, wie der Anführer seines Clans von der Krankheit überwältigt wurde, die schon so viele Leben gefordert hatte. Er wusste von keinem Kraut, das diese Krämpfe und das Fieber lindern könnte.
Der Anführer krümmte sich erneut und fiel dann erschöpft auf das moosgepolsterte Nest. Das schüttere, graue Fell des Heilers sträubte sich, als die Hoffnung ihn verließ. Voller Angst beugte er sich vor und schnüffelte. Der Kranke atmete noch, aber es war ein übel riechender, flacher Atem, und jedes Mal, wenn er Luft holte, hoben sich mühsam seine mageren Flanken.
Ein Schrei durchschnitt den Wald. Diesmal war es nicht der einer Katze, sondern einer Eule. Eulen brachten Tod in den Wald, stahlen Beute und sogar Junge, die sich zu weit von ihren Müttern entfernt hatten.
Der Heiler hob flehend die Augen zum Himmel, betete zu den Geistern seiner Kriegerahnen, der Eulenschrei möge kein böses Vorzeichen sein. Er starrte durch die Äste, die das Dach des Baus bildeten, und suchte den Himmel nach dem Silbervlies ab. Aber das Lichterband, in dem der SternenClan lebte, war hinter Wolken verborgen. Den Heiler schauderte vor Angst. Hatten ihre Kriegerahnen sie der Krankheit überlassen, die das Lager heimsuchte?
Dann bewegte der Wind die Bäume, raschelte in den trockenen Blättern. Hoch oben glitten die Wolken beiseite und ein einzelner Stern sandte einen schwachen Lichtstrahl durch das Blätterdach. Der Anführer sog lang und tief die Luft ein. Wie ein springender Fisch tauchte Hoffnung im Herzen des Heilers auf. Der SternenClan war also doch auf ihrer Seite.
Schwach vor Erleichterung hob er das Kinn, dankte schweigend seinen Kriegerahnen, dass sie das Leben des Anführers verschont hatten. Er kniff die Augen vor dem Lichtstrahl zusammen. Tief in seinem Kopf hörte er das Murmeln geisterhafter Stimmen. Sie wisperten von glorreichen Schlachten in der Zukunft, von neuen Territorien und von einem größeren Clan, der sich aus der Asche des alten erhob. Freude wallte in der Brust des Heilers auf und pochte durch seine Pfoten. Der Stern vermittelte mehr als nur eine Botschaft des Überlebens.
Plötzlich, ohne jede Vorwarnung, wischte ein großer, grauer Flügel über das Sternenlicht und tauchte den Bau der Katzen wieder in Dunkelheit. Der Heiler zuckte zurück und duckte sich auf den Boden. Kreischend stürzte sich die Eule auf den Bau und zerrte mit den Krallen an seinem Blätterdach. Sie musste die Krankheit gewittert haben, die den Anführer schwächte, und suchte leichte Beute. Aber die Zweige waren zu dick, die Eule konnte nicht hindurchdringen.
Der Heiler horchte auf ihren langsamen Flügelschlag, der sich im Wald verlor. Dann setzte er sich mit hämmerndem Herzen auf und suchte erneut den Nachthimmel ab. Mit dem Vogel war auch der Stern verschwunden. An seiner Stelle befand sich nur noch undurchdringliche Schwärze. Kaltes Entsetzen kroch unter das Fell des Heilers und packte sein Herz.
»Hast du das gehört?«, rief ein Kater mit vor Angst schriller Stimme durch die Öffnung des Baus. Der Heiler zwängte sich rasch hinaus auf die Lichtung; er wusste, dass der Clan von ihm eine Deutung des Vorzeichens erwartete. Krieger, Königinnen und Älteste, alle, die gesund genug waren, krochen aus ihren Höhlen auf die Lichtung. Der Heiler zögerte einen Augenblick und horchte, was die Clan-Katzen einander ängstlich zuflüsterten.
»Was hat eine Eule hier zu suchen?«, zischte ein gefleckter Krieger und seine Augen leuchteten in der Finsternis.
»Sie kommen sonst nie so nah ans Lager«, klagte ein Ältester.
»Hat sie Junge geraubt?«, fragte ein anderer Krieger und wandte seinen breiten Kopf der Katze neben ihm zu.
»Diesmal nicht«, antwortete die silberne Königin. Sie hatte drei von ihren Jungen durch die Krankheit verloren und ihre Stimme war dumpf vor Trauer. »Aber sie kommt vielleicht zurück. Sie hat unsere Schwäche gerochen.«
»Man sollte meinen, dass der Gestank des Todes sie abhalten würde.« Ein gestreifter Krieger humpelte auf die Lichtung. Seine Pfoten waren erdverkrustet und sein Fell struppig. Er hatte gerade einen Kameraden begraben. Noch mehr Gräber mussten ausgehoben werden, aber er war zu schwach, um in dieser Nacht weiterzumachen. »Wie geht es unserem Anführer?«, fragte er mit angstvoller Stimme.
»Wir wissen es nicht«, antwortete der gefleckte Krieger.
»Wo ist der Heiler?«, wimmerte die Königin.
Die Katzen durchsuchten mit Blicken die Lichtung und der Heiler sah ihre angsterfüllten Augen im Dunkeln funkeln. Er konnte die wachsende Panik in ihren Stimmen hören und wusste, er musste sie beruhigen, er musste sie davon überzeugen, dass der SternenClan sie nicht völlig verlassen hatte. Tief holte er Luft, zwang sein Fell, sich flach auf seine Schultern zu legen, und lief zur Mitte der Lichtung.
»Wir brauchen keinen Heiler, um zu erfahren, dass der Eulenschrei vom Tod gesprochen hat«, winselte ein Ältester mit weit aufgerissenen Augen.
»Woher willst du das wissen?«, fauchte der gefleckte Krieger.
»Ja«, stimmte ihm die Königin mit einem Blick auf den Ältesten zu. »Der SternenClan spricht nicht zu dir!« Sie drehte sich um, als der Heiler zu ihnen trat. »Ist die Eule ein Vorzeichen gewesen?«, miaute sie ängstlich.
Der Heiler trat voller Unbehagen von einer Pfote auf die andere und vermied eine direkte Antwort. »Der SternenClan hat heute Nacht zu mir gesprochen«, verkündete er. »Habt ihr den Stern zwischen den Wolken leuchten sehen?«
Die Königin nickte und in den Augen der Katzen um sie herum flackerte verzweifelte Hoffnung auf.
»Was für eine Bedeutung hatte dieser Stern?«, fragte der Älteste.
»Wird unser Anführer am Leben bleiben?«, wollte der gestreifte Krieger wissen.
Der Heiler zögerte.
»Er kann jetzt nicht sterben!«, rief die Königin. »Was ist mit seinen neun Leben? Der SternenClan hat sie ihm erst vor sechs Monden verliehen!«
»Der SternenClan kann ihm nur eine bestimmte Menge an Kraft schenken«, antwortete der Heiler. »Aber unsere Ahnen haben uns nicht vergessen«, fuhr er fort und versuchte das Bild des dunklen Eulenflügels, der den schmalen Lichtstrahl ausgelöscht hatte, beiseitezuschieben. »Der Stern hat eine hoffnungsvolle Botschaft gebracht.«
Ein schriller Klageschrei erklang aus einer düsteren Ecke des Lagers. Eine schildpattfarbene Königin sprang auf und eilte auf das Geräusch zu. Die anderen starrten weiterhin auf den Heiler und ihre Augen bettelten um Trost.
»Hat der SternenClan von Regen gesprochen?«, fragte ein junger Krieger. »Es ist schon so lange keiner mehr gefallen. Regen könnte die Krankheit aus dem Lager waschen.«
Der Heiler schüttelte den Kopf. »Nicht davon, aber von einer großen, neuen Morgenröte, die unseren Clan erwartet. In diesem Lichtstrahl haben mir unsere Kriegerahnen die Zukunft gezeigt. Sie wird glorreich sein!«
»Dann werden wir also überleben?«, miaute die silberne Königin.
»Wir werden mehr als überleben«, versprach der Heiler. »Wir werden den ganzen Wald beherrschen!«
Erleichtertes Gemurmel stieg von den Katzen auf und das erste Schnurren seit fast einem Mond im Lager. Aber der Heiler wandte den Kopf ab, um das Zittern seiner Schnurrhaare zu verbergen. Er betete darum, dass der Clan nicht weiter nach der Eule fragen möge. Er wagte nicht, ihnen die fürchterliche Warnung mitzuteilen, die der SternenClan hinzugefügt hatte, als der Vogelflügel den Stern verdunkelte – dass der Clan für seine große, neue Morgendämmerung den höchsten denkbaren Preis würde bezahlen müssen.
1. Kapitel
Warmer Sonnenschein strömte durch das Blätterdach und fiel auf Feuerherz’ Fell. Er duckte sich tiefer. Er wusste, dass sein Haarkleid im saftigen Grün des Unterholzes orangefarben leuchtete.
Eine Pfote vor die andere setzend, kroch er unter einem Farnbusch voran. Er konnte eine Taube riechen. Langsam bewegte er sich auf den appetitanregenden Duft zu, bis er den drallen Vogel zwischen den Farnbüschen herumpicken sah.
Er streckte die Krallen aus, seine Pfoten juckten vor Erwartung. Er hatte Hunger, nachdem er die Morgenpatrouille angeführt und den ganzen Vormittag gejagt hatte. Jetzt war Hochsaison für Beute, eine Zeit, in der sich der Clan am Reichtum des Waldes mästen konnte. Nach der großen Überschwemmung während der Blattgrüne war zwar wenig Regen gefallen, dennoch waren die Wälder reich an Nahrung. Feuerherz hatte den Haufen Frischbeute im Lager aufgefüllt, nun war es an der Zeit, für sich selbst zu jagen. Er spannte die Muskeln an, bereit zum Sprung.
Plötzlich wehte die trockene Brise einen zweiten Geruch heran. Er öffnete das Maul und neigte den Kopf zur Seite. Die Taube musste es ebenfalls gerochen haben, denn sie riss den Kopf hoch und breitete die Flügel aus, aber zu spät. Unter ein paar Brombeerzweigen schoss ein weißes Fellknäuel hervor. Feuerherz sah, wie sich die Katze auf den überraschten Vogel stürzte und ihn mit den Vorderpfoten auf den Boden drückte. Dann tötete sie ihn mit einem schnellen Biss ins Genick.
Der köstliche Geruch von Frischbeute stieg Feuerherz in die Nase. Er stand auf und trottete aus dem Unterholz zu dem flaumig weißen Kater.
»Gut gemacht, Wolkenpfote!«, miaute er. »Ich habe dich nicht kommen sehen, bevor du gesprungen bist.«
»Dieser blöde Vogel auch nicht«, krähte Wolkenpfote und zuckte selbstgefällig mit dem Schwanz.
Feuerherz spürte, wie sich seine Schultern anspannten. Wolkenpfote war nicht nur sein Schüler, sondern auch der Sohn seiner Schwester. In seiner Verantwortung lag es, ihm die Fähigkeiten eines Clan-Kriegers und den Respekt vor dem Gesetz der Krieger beizubringen. Der junge Kater war unleugbar ein guter Jäger, aber Feuerherz wünschte sich doch, er würde sich ein wenig Bescheidenheit angewöhnen. Er fragte sich, ob Wolkenpfote jemals die Bedeutung verstehen würde, die das Gesetz der Krieger hatte, all die Traditionen und Rituale, die viele Monde alt waren und durch die Katzen im Wald von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurden.
Wolkenpfote jedoch war im Zweibeinerort geboren von Prinzessin, Feuerherz’ Hauskätzchenschwester. Er selbst hatte ihn als winziges Junges zum DonnerClan gebracht. Feuerherz wusste aus eigener bitterer Erfahrung, dass Clan-Katzen keinen Respekt für Hauskätzchen aufbrachten. Auch er hatte seine ersten sechs Monde bei Zweibeinern gelebt, und es gab Katzen in seinem Clan, die ihn niemals vergessen lassen würden, dass er nicht im Wald geboren war.
Ungeduldig zuckte er mit den Ohren. Er selbst tat alles, um seine Treue zum Clan zu beweisen, aber sein widerspenstiger Schüler war anders. Wenn Wolkenpfote die Zuneigung seiner Clan-Kameraden gewinnen wollte, musste er einen Teil seiner Überheblichkeit ablegen.
»Ein Glück, dass du so schnell gewesen bist«, bemerkte er. »Der Wind kam aus deiner Richtung. Ich konnte dich riechen, obwohl ich dich nicht sehen konnte. Auch der Vogel hat dich gerochen.«
Wolkenpfotes langes schneeweißes Fell sträubte sich und aufgebracht entgegnete er: »Ich habe gewusst, dass der Wind von meiner Seite kam! Aber ich konnte sehen, dass diese blöde Haustaube nicht schwer zu fangen sein würde, egal ob sie mich riecht oder nicht.«
Der junge Kater blickte Feuerherz herausfordernd in die Augen, und Feuerherz spürte, wie sein Unmut zu Ärger anwuchs.
»Es ist eine Wildtaube, keine Haustaube!«, fauchte er. »Und ein richtiger Krieger zeigt mehr Respekt für die Beute, die seinen Clan ernährt.«
»Jawohl, ganz recht«, entgegnete Wolkenpfote. »Mir ist nicht aufgefallen, dass Dornenpfote viel Respekt für dieses Eichhörnchen gezeigt hat, mit dem er gestern ins Lager gekommen ist. Nach seinen Worten war es so dämlich, dass ein Junges es hätte fangen können.«
»Dornenpfote ist nur ein Schüler«, knurrte Feuerherz. »Wie du hat auch er noch eine Menge zu lernen.«
»Ich habe den Vogel jedenfalls gefangen, oder etwa nicht?«, grummelte Wolkenpfote und stieß die Taube mürrisch mit der Pfote an.
»Zu einem Krieger gehört mehr, als Tauben zu fangen!«
»Ich bin schneller als Maispfote und stärker als Dornenpfote«, fauchte Wolkenpfote zurück. »Was verlangst du noch von mir?«
»Die Kameraden aus deinem Bau wissen jedenfalls, dass ein Krieger niemals mit dem Wind im Rücken angreift!« Feuerherz war bewusst, dass er sich nicht in eine Auseinandersetzung ziehen lassen sollte, aber die Widerspenstigkeit seines Schülers machte ihn so wütend wie eine Zecke am Ohr.
»Na wunderbar! Du bist vielleicht auf der richtigen Windseite gewesen, aber ich war vor dir bei der Taube!« Wolkenpfote hob seine Stimme zu einem wütenden Jaulen.
»Ruhig«, zischte Feuerherz plötzlich beunruhigt. Er hob den Kopf und prüfte die Luft. Der Wald schien merkwürdig still und Wolkenpfotes schrilles Miauen hallte zu laut durch die Bäume.
»Was ist los?« Wolkenpfote blickte sich um. »Ich kann nichts riechen.«
»Ich auch nicht«, gab Feuerherz zu.
»Warum machst du dir dann Sorgen?«
»Tigerkralle«, antwortete Feuerherz knapp. Der dunkle Krieger war durch seine Träume gestreift, seit er vor einem Viertelmond von Blaustern aus dem Clan verbannt worden war. Tigerkralle hatte versucht, die Anführerin des DonnerClans zu töten, aber Feuerherz hatte ihn daran gehindert und Tigerkralles lange verborgenen Verrat dem ganzen Clan offenbart. Der große Krieger war seitdem spurlos verschwunden, aber Feuerherz spürte, wie eisige Krallen der Angst sein Herz umklammerten, als er jetzt in die Stille des Waldes lauschte. Auch der Wald schien zu horchen und seinen Atem anzuhalten. In Feuerherz’ Innerem klangen Tigerkralles Abschiedsworte nach: »Halt die Augen offen, Feuerherz. Und spitz die Ohren. Schau immer nach hinten. Denn eines Tages werde ich dich finden und dann bist du Krähenfraß.«
Wolkenpfotes Maunzen brach das Schweigen. »Was sollte Tigerkralle denn in dieser Gegend tun?«, sagte er. »Blaustern hat ihn verbannt!«
»Das ist richtig«, stimmte Feuerherz zu. »Und nur der SternenClan weiß, wohin er gegangen ist. Aber er hat deutlich gesagt, dass wir ihn nicht zum letzten Mal gesehen hätten.«
»Ich habe keine Angst vor diesem Verräter.«
»Das solltest du aber!«, fauchte sein Mentor. »Tigerkralle kennt diese Wälder so gut wie sonst keine Katze im DonnerClan. Er würde dich zerfetzen, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme.«
Wolkenpfote schnaubte verächtlich und kreiste ungeduldig um seinen Fang. »Du bist ein Spielverderber, seit Blaustern dich zum Zweiten Anführer gemacht hat. Ich bleibe nicht hier, wenn du den ganzen Vormittag damit vergeuden willst, mir mit Schauermärchen Angst einzujagen. Ich soll für die Ältesten jagen.« Er stürzte davon in die Brombeerbüsche und ließ die leblose Taube auf der Erde zurück.
»Wolkenpfote, komm zurück!«, schrie Feuerherz wütend, dann schüttelte er den Kopf. »Soll Tigerkralle ihn doch holen, diesen jungen, mäusehirnigen Idioten!«, murmelte er vor sich hin.
Mit peitschendem Schwanz hob er die Taube auf und überlegte, ob er sie für Wolkenpfote zurück ins Lager bringen sollte. Ein Krieger muss für seine Frischbeute selbst verantwortlich sein, beschloss er, warf die Taube in ein dickes Grasbüschel und versteckte sie unter den grünen Halmen. Er wünschte, er könnte sich darauf verlassen, dass Wolkenpfote zurückkommen und den Vogel mit dem Rest seines Fangs den hungrigen Ältesten bringen würde. Wenn er ihn nicht mit ins Lager bringt, kann er fasten, bis er es getan hat, entschied Feuerherz. Sein Schüler musste lernen, dass man selbst in der Blattgrüne niemals Beute verschwenden durfte.
Die Sonne stieg höher, verbrannte die Erde und saugte die Feuchtigkeit aus den Blättern der Bäume. Feuerherz spitzte die Ohren. Der Wald war immer noch gespenstisch still, als würden die Tiere sich verbergen, bis der abendliche Schatten Erleichterung von einem weiteren Tag mit sengender Hitze brachte. Die Ruhe machte ihn nervös und ein kleiner Zweifel nagte in seinem Bauch. Vielleicht sollte er doch nach Wolkenpfote suchen.
Du hast versucht, ihn vor Tigerkralle zu warnen! Fast konnte er die vertraute Stimme seines besten Freundes Graustreif hören, und er zuckte innerlich zusammen, als bittersüße Erinnerungen ihn durchströmten. Es war genau das, was der ehemalige DonnerClan-Krieger ihm jetzt sagen würde. Sie hatten beide als Schüler trainiert und Seite an Seite gekämpft, bis sie durch eine Tragödie auseinandergerissen wurden. Graustreif hatte sich in eine Kätzin aus einem anderen Clan verliebt, aber wenn Silberfluss nicht bei der Geburt ihrer Jungen den Tod gefunden hätte, wäre Graustreif vielleicht trotzdem im DonnerClan geblieben. Wie schon so oft erinnerte sich Feuerherz daran, wie sein grauer Freund seine beiden Jungen ins Gebiet des FlussClans getragen hatte; sie sollten im Stamm ihrer verstorbenen Mutter aufwachsen können.
Feuerherz ließ die Schultern sinken. Er vermisste Graustreifs Gesellschaft und fast täglich unterhielt er sich in Gedanken mit ihm. Er kannte seinen Freund so gut, dass er sich immer leicht vorstellen konnte, was dieser antworten würde.
Mit einem Zucken der Ohren verscheuchte Feuerherz die Erinnerungen. Höchste Zeit, ins Lager zurückzukehren. Er war jetzt der Zweite Anführer des DonnerClans und hatte Jagdpartien und Patrouillen zu organisieren. Wolkenpfote musste allein zurechtkommen.
Der Boden unter seinen Pfoten fühlte sich trocken an, und er preschte durch den Wald zum oberen Rand der Schlucht, wo sich unten das Lager befand. Einen Augenblick zögerte Feuerherz und genoss den aufwallenden Stolz und die Liebe, die er immer spürte, wenn er sich seinem Zuhause näherte. Er hatte zwar seine Kindheit im Zweibeinerort verbracht, trotzdem war ihm schon nach seinem ersten Ausflug in den Wald bewusst gewesen, dass er in Wirklichkeit dorthin gehörte.
Unten lag das DonnerClan-Lager gut versteckt hinter dichten Brombeerhecken. Er stürmte den steilen Hang hinab und folgte dem ausgetretenen Pfad zum Ginstertunnel, der ins Lager führte.
Die hellgraue Königin Glanzfell lag am Eingang zur Kinderstube und wärmte ihren angeschwollenen Bauch in der Morgensonne. Bis vor Kurzem hatte sie im Bau der Krieger gelebt, jetzt wartete sie auf ihren ersten Wurf und hielt sich in der Kinderstube bei den anderen Königinnen auf.
Neben ihr betrachtete Buntgesicht liebevoll ihre beiden Jungen, die sich auf dem harten Boden balgten und dabei kleine Staubwolken aufwirbelten. In diesen Wurf war Wolkenpfote seinerzeit aufgenommen worden, denn als Feuerherz den Erstgeborenen seiner Schwester in den Clan gebracht hatte, war Buntgesicht bereit gewesen, das hilflose Junge zu säugen. Wolkenpfote war kürzlich zum Schüler ernannt worden, und es würde auch nicht mehr lange dauern, bis Buntgesichts eigene Junge so weit waren, ebenfalls die Kinderstube zu verlassen.
Ein Murmeln zog Feuerherz’ Blick zum Hochstein am oberen Ende der Lichtung. Eine Gruppe von Kriegern hatte sich im Schatten unterhalb des Felsens versammelt, auf dem Blaustern, die Anführerin des DonnerClans, normalerweise stand, wenn sie zu ihrem Clan sprach. Feuerherz erkannte unter ihnen das getigerte Fell von Dunkelstreif, Sturmwinds geschmeidige Gestalt und den schneeweißen Kopf von Weißpelz.
Feuerherz trottete geräuschlos über die festgebackene Erde und hörte deutlich Dunkelstreifs nörgelnde Stimme: »Wer führt denn nun die Patrouille zu Sonnenhoch an?«
»Feuerherz wird das entscheiden, wenn er von der Jagd zurückkommt«, antwortete Weißpelz ruhig. Der ältere Krieger hatte offensichtlich keine Lust, sich von Dunkelstreifs feindseligem Ton anstecken zu lassen.
»Er sollte inzwischen zurück sein«, quengelte Borkenpelz. Der braun getigerte Kater war zur selben Zeit wie Feuerherz Schüler gewesen.
»Ich bin zurück«, verkündete Feuerherz. Er drängte sich zwischen den Kriegern hindurch und setzte sich neben Weißpelz.
»Verrätst du uns nun, wer die Patrouille zu Sonnenhoch anführen soll?«, wollte Dunkelstreif wissen. Der schwarzgrau getigerte Krieger warf Feuerherz einen kalten Blick zu.
Dem wurde heiß unter seinem Fell trotz des Schattens, den der Hochstein warf. Dunkelstreif hatte Tigerkralle nähergestanden als jede andere Katze, und Feuerherz fragte sich unwillkürlich, wie tief seine Treue zum Clan war, obwohl er sich zum Bleiben entschieden hatte, als sein ehemaliger Genosse verbannt wurde.
»Langschweif führt die Patrouille an«, sagte Feuerherz.
Langsam ließ Dunkelstreif seinen Blick vom Zweiten Anführer zu Weißpelz wandern. Seine Schnurrhaare zuckten und seine Augen glitzerten verächtlich. Feuerherz schluckte nervös und fragte sich, ob er etwas Dummes gesagt hatte.
»Nun ja, Langschweif ist mit den Schülern unterwegs«, erklärte Sturmwind verlegen. »Er und Wieselpfote kommen erst am Abend zurück, erinnerst du dich?« Neben ihm schnaubte Borkenpelz abfällig.
Feuerherz knirschte mit den Zähnen. Das hätte ich wissen müssen!
»Dann also Sturmwind. Du kannst Farnpelz und Borkenpelz mitnehmen.«
»Farnpelz kann nicht mit uns mithalten«, warf Borkenpelz ein. »Er humpelt noch von der Schlacht mit den Streuner-Katzen.«
»Gut, gut.« Feuerherz versuchte seine anschwellende Nervosität zu verbergen, denn er hatte das Gefühl, als würde er nur willkürlich irgendwelche Namen nennen, als er weiter anordnete: »Farnpelz kann mit Mausefell jagen gehen und … und …«
»Ich würde gern mit ihnen jagen«, erbot sich Sandsturm.
Feuerherz blinzelte der orangefarbene Kätzin dankbar zu und fuhr fort »… und Sandsturm.«
»Was ist mit der Patrouille? Wenn wir nicht bald entscheiden, ist Sonnenhoch vorbei!«, mäkelte Dunkelstreif.
»Du kannst dich Sturmwind anschließen«, fuhr Feuerherz ihn an.
»Und die Abendpatrouille?«, fragte Mausefell milde. Feuerherz starrte auf die dunkelbraune Kätzin und sein Kopf war plötzlich leer.
Weißpelz miaute mit rauer Stimme neben Feuerherz: »Ich würde gerne die Abendpatrouille führen. Meinst du, Wieselpfote und Langschweif könnten dann mitkommen, wenn sie zurück sind?«
»Ja, natürlich.« Feuerherz blickte sich im Kreis der Augen um und war erleichtert. Jetzt schienen alle zufrieden.
Die Katzen entfernten sich und ließen Feuerherz allein mit Weißpelz zurück.
»Danke«, miaute Feuerherz und neigte den Kopf vor dem alten Krieger. »Ich vermute, ich hätte die Patrouillen vorher planen sollen.«
»Es wird im Laufe der Zeit leichter werden«, munterte ihn Weißpelz auf. »Wir haben uns alle daran gewöhnt, dass Tigerkralle uns genau gesagt hat, was wir zu tun hatten und wann.«
Feuerherz blickte mit schwerem Herzen in die Ferne.
»Und sie sind jetzt auch nervöser als sonst«, fuhr Weißpelz fort. »Tigerkralles Verrat hat den ganzen Clan erschüttert.«
Feuerherz sah den weißen Krieger von der Seite an und verstand, dass der ihm Mut machen wollte. Er dachte nicht immer daran, dass Tigerkralles Verhalten für den Rest des Clans ein Schock gewesen sein musste. Er selbst hatte schon seit langer Zeit gewusst, dass Tigerkralles Machthunger ihn zu Mord und Lügen getrieben hatte. Doch die anderen Katzen konnten es noch immer kaum glauben, dass ihr Zweiter Anführer sich tatsächlich gegen seinen eigenen Clan verschworen hatte. Durch Weißpelz’ Worte wurde Feuerherz noch einmal klar, dass er, auch wenn er jetzt noch nicht Tigerkralles selbstbewusstes Auftreten besaß, niemals seinen Clan verraten würde, wie der gestreifte Krieger das getan hatte.
Weißpelz’ Stimme unterbrach seine Gedanken: »Ich muss zu Buntgesicht. Sie will mit mir etwas bereden.« Er neigte den Kopf. Diese respektvolle Geste überraschte Feuerherz und er antwortete mit einem unbeholfenen Nicken.
Als er Weißpelz hinterherblickte, knurrte ihm der Magen. Er musste an die saftige Taube denken, die Wolkenpfote gefangen hatte. Vor dem Bau der Schüler saß Maispfote, Weißpelz’ Schülerin mit ihrem weißen und hellbraunen Fell, und Feuerherz fragte sich, ob sie den Ältesten wohl Frischbeute gebracht hatte. Er trottete zu dem alten Baumstumpf hinüber, wo sie gerade ihren Schwanz wusch.
Sie hob den Kopf. »Hallo, Feuerherz«, miaute sie.
»Hallo, Maispfote. Bist du jagen gewesen?«
»Ja«, erwiderte die Schülerin mit glänzenden Augen. »Es war das erste Mal, dass Weißpelz mich allein hinausgelassen hat.«
»Viel gefangen?«
Maispfote schaute schüchtern auf ihre Pfoten. »Zwei Spatzen und ein Eichhörnchen.«
»Sehr gut«, schnurrte Feuerherz. »Ich bin sicher, Weißpelz hat sich gefreut.« Maispfote nickte. »Hast du die Beute gleich zu den Ältesten gebracht?«
»Ja.« Ihre Augen nahmen einen ängstlichen Ausdruck an. »War das richtig so?«
»Das war genau richtig«, versicherte ihr Feuerherz. Wenn nur sein eigener Schüler so zuverlässig wäre. Wolkenpfote hätte inzwischen längst zurück sein müssen. Die Ältesten brauchten mehr als zwei Spatzen und ein Eichhörnchen, um satt zu werden. Er beschloss nachzuschauen, ob sie nicht zu sehr unter der Hitze der Blattgrüne litten.
Als er sich der umgestürzten Eiche näherte, wo die Ältesten ihren Bau hatten, hörte er Stimmen hinter den Ästen.
»Glanzfells Junge werden bald kommen.« Das war Fleckenschweif, die älteste Königin in der Kinderstube. Ihr einziges Junges war nach einer Erkrankung an Weißem Husten zu schwach und klein für sein Alter.
»Neue Junge sind immer ein gutes Vorzeichen«, schnurrte Einauge.
»Beim SternenClan, wir könnten ein gutes Vorzeichen gebrauchen«, murmelte Kleinohr finster.
»Du bist doch nicht immer noch besorgt wegen des Rituals, oder doch?«, krächzte Flickenpelz. Feuerherz konnte sich den alten schwarz-weißen Kater vorstellen, wie er ungeduldig die Ohren in Richtung Kleinohr stellte.
»Wegen was?«, miaute Einauge.
»Die Ernennungszeremonie für den neuen Zweiten Anführer«, erklärte Flickenpelz laut. »Du weißt schon, als Tigerkralle vor einem Viertelmond gegangen ist.«
»Es sind nur meine Ohren, die nicht mehr so gut funktionieren wie früher, nicht mein Verstand!«, fuhr Einauge ihn an. Dann redete sie weiter, und die anderen Katzen hörten ihr schweigend zu, denn trotz ihrer schlechten Laune wurde sie wegen ihrer Klugheit respektiert: »Ich glaube nicht, dass der SternenClan uns bestrafen würde, nur weil Blaustern ihren neuen Stellvertreter nicht vor Mondhoch ernannt hat. Die Umstände waren sehr ungewöhnlich.«
»Aber das macht es nur umso schlimmer!«, sorgte sich Tupfenschweif. »Was sollen unsere Ahnen von Katzen halten, deren Zweiter Anführer sich gegen den eigenen Stamm wendet und dessen Nachfolger erst nach Mondhoch ernannt wird? Das sieht doch so aus, als könnten wir unsere Katzen nicht bei der Stange halten und dann noch nicht einmal die richtigen Zeremonien durchführen.«
Feuerherz spürte ein kaltes Kribbeln an seiner Wirbelsäule. Tigerkralles Verrat und seine Verbannung hatten Blaustern sehr mitgenommen. So hatte sie die vorgeschriebenen Rituale für die Ernennung eines neuen Zweiten Anführers nicht eingehalten. Und so war Feuerherz erst am folgenden Tag Tigerkralles Nachfolger geworden, worin viele Katzen ein äußerst schlechtes Vorzeichen sahen.
»Bei der Ernennung von Feuerherz ist, soweit ich mich erinnere, zum ersten Mal das Clan-Ritual gebrochen worden«, sagte Kleinohr in ernstem Ton. »Ich sage es nicht gern, aber ich fürchte, der DonnerClan geht unter diesen Umständen finsteren Zeiten entgegen.«
Flickenpelz miaute zustimmend und der Zweite Anführer fühlte sein Herz hämmern. Er wartete darauf, dass Einauge die Ängste der anderen mit ihren klugen Worten besänftigte, aber ausgerechnet jetzt schwieg sie. Über ihm schien weiterhin die brennende Sonne an einem klaren, blauen Himmel, Feuerherz jedoch fühlte eine Eiseskälte bis auf die Knochen.
Er wandte sich ab vom Bau der Ältesten, unfähig, ihnen jetzt gegenüberzutreten, und ging voller Sorge am Rand der Lichtung entlang zur Kinderstube. Gedankenverloren starrte er auf den Boden. Eine plötzliche Bewegung vor dem Eingang des Baus ließ ihn aufblicken. Er erstarrte und sein Herz begann zu hämmern: Tigerkralles bernsteinfarbene Augen funkelten ihn an. Entsetzt riss er die Augen auf. Dann erst wurde ihm klar, dass er nicht den wilden Krieger anschaute, sondern Brombeerjunges, Tigerkralles Sohn.
2. Kapitel
Feuerherz bemerkte eine Bewegung, bernsteinfarbenes Fell blitzte auf. Er sah Goldblüte hinter dem dunkel gestreiften Jungen aus der Kinderstube gleiten. Aus ihrem Maul baumelte ein fahlbraunes Junges, das sie sanft neben Brombeerjunges auf den Boden legte. Feuerherz wusste sofort, dass sie seine Reaktion gesehen hatte, denn die gelbbraune Königin legte den Schwanz schützend um ihre beiden Jungen und hob das Kinn, als wolle sie Feuerherz herausfordern, etwas zu sagen.
Feuerherz fühlte einen Anflug von Schuld. Wo hatte er nur seine Gedanken? Beim SternenClan, er war schließlich der Zweite Anführer des DonnerClans! Er musste Goldblüte beruhigen, sie darin bestätigen, dass man diese Jungen genauso versorgen und respektieren würde wie die jedes anderen Clan-Mitglieds.
»Deine … deine Jungen sehen gesund aus«, stammelte er mit kribbelndem Fell. Das dunkel gestreifte Junge blickte, ohne zu blinzeln, mit seinen großen Augen zu ihm auf – das genaue Ebenbild von Tigerkralles drohendem Blick.
Feuerherz hatte unwillkürlich die Krallen ausgefahren und gegen den harten Boden gepresst. Nun versuchte er die Angst und die Wut zu verdrängen: Es war Tigerkralle, der den DonnerClan verraten hat, und nicht dieses Junge, sagte er sich.
»Es ist Bernsteinjunges’ erster Ausflug aus der Kinderstube«, erklärte ihm Goldblüte und betrachtete ängstlich das winzige Jungtier.
»Sie sind schnell gewachsen«, murmelte Feuerherz.
Goldblüte beugte sich hinab und leckte den beiden den Kopf, dann trottete sie auf Feuerherz zu.
»Ich verstehe, was du empfindest«, sagte sie ruhig. »Deine Augen haben schon immer dein Herz verraten. Aber dies sind meine Jungen, und wenn es nötig ist, werde ich sterben, um sie zu beschützen.« Sie blickte Feuerherz in die Augen und er erkannte in ihrer gelben Tiefe die Kraft ihrer Gefühle. »Ich habe Angst um sie, Feuerherz«, fuhr sie fort. »Der Clan wird Tigerkralle nie verzeihen und das sollte er auch nicht. Aber Brombeerjunges und Bernsteinjunges haben nichts Unrechtes getan, und ich werde nicht zulassen, dass sie für Tigerkralle büßen müssen. Ich werde ihnen noch nicht einmal sagen, wer ihr Vater ist, nur dass er ein tapferer und mächtiger Krieger war.«
Feuerherz empfand Mitgefühl für die besorgte Königin. »Sie werden hier in Sicherheit sein«, versprach er, aber als Goldblüte sich abwandte, spürte er noch immer ein unangenehmes Prickeln in seinen Pfoten.
Hinter ihnen zwängte sich Weißpelz aus der Kinderstube. »Buntgesicht meint, ihre beiden verbliebenen Jungen seien so weit, um mit ihrem Training zu beginnen«, sagte er Feuerherz.
»Weiß Blaustern Bescheid?«, fragte der.
Weißpelz schüttelte den Kopf. »Buntgesicht wollte es Blaustern selbst mitteilen, aber die hat schon seit Tagen die Kinderstube nicht mehr besucht.«
Feuerherz runzelte die Stirn. Die Anführerin des Clans zeigte gewöhnlich ein Interesse für alle Seiten des Clan-Lebens, besonders für die Kinderstube. Jede Katze wusste, wie wichtig es für den DonnerClan war, prächtige, gesunde Junge zu haben.
»Ich denke, das ist nicht so überraschend«, fuhr Weißpelz fort. »Sie erholt sich noch von ihren Verletzungen aus dem Kampf mit den Streuner-Katzen.«
»Soll ich jetzt gleich gehen und es ihr erzählen?«, erbot sich Feuerherz.
»Ja. Eine gute Nachricht heitert sie vielleicht auf«, meinte Weißpelz.
Feuerherz durchfuhr der Gedanke, dass der alte Krieger wegen ihrer Anführerin ebenso besorgt war wie er selbst. »Davon bin ich überzeugt«, stimmte er zu. »Der DonnerClan hat mondelang nicht so viele Schüler gehabt.«
»Übrigens«, miaute Weißpelz plötzlich, »wo ist eigentlich Wolkenpfote? Ich dachte, er holt Beute für die Ältesten?«
Feuerherz wandte betreten den Blick ab. »Äh, ja, das tut er. Ich weiß nicht, warum er so lange wegbleibt.«
Weißpelz hob eine massige Pfote und leckte sie. »Die Wälder sind nicht mehr so sicher, wie sie es einmal waren«, murmelte er, als könne er die besorgten Gedanken des Zweiten Anführers lesen. »Vergiss nicht, dass der WindClan und der SchattenClan uns nach wie vor zürnen, weil wir Braunschweif beherbergt haben. Sie wissen noch nicht, dass er tot ist, und sie könnten uns erneut angreifen.«
Braunschweif war einmal der Anführer des SchattenClans gewesen. Beinahe hätte er durch seine Gier nach einem größeren Territorium die anderen Clans im Wald vernichtet. Der DonnerClan hatte dem verzweifelten SchattenClan geholfen, seinen Anführer zu vertreiben, ihm später jedoch Asyl gewährt. Braunschweif war zu der Zeit bereits ein blinder und hilfloser Gefangener gewesen. Trotzdem hatte diese barmherzige Entscheidung seine einstigen Feinde empört.
Feuerherz verstand, dass Weißpelz ihn so behutsam wie möglich warnen wollte – der Krieger hatte noch nicht einmal ausgesprochen, dass Tigerkralle sich noch in der Gegend aufhalten könnte. Aber aus dem Schuldgefühl, weil er Wolkenpfote allein hatte gehen lassen, nahm Feuerherz unwillkürlich eine Verteidigungshaltung ein.
»Du hast Maispfote heute Morgen auch allein jagen lassen«, erwiderte er.
»Ja. Ich habe ihr gesagt, dass sie in der Schlucht bleiben und zu Sonnenhoch zurück sein soll.« Weißpelz’ Ton war mild, aber er unterbrach seine Wäsche und blickte Feuerherz beunruhigt in die Augen. »Ich hoffe nur, Wolkenpfote entfernt sich nicht zu weit vom Lager.«
Der Zweite Anführer wandte den Blick ab und murmelte: »Ich sollte Blaustern Bescheid sagen, dass die Jungen so weit sind.«
»Gute Idee«, antwortete Weißpelz. »Ich kann Maispfote ausführen und mit ihr etwas trainieren. Sie ist eine gute Jägerin, aber in ihren Kampftechniken braucht sie noch Übung.«
Feuerherz trottete los zum Hochstein. Insgeheim verwünschte er Wolkenpfote. Vor Blausterns Bau fuhr er sich mit der Pfote rasch über die Ohren und wandte die Gedanken von seinem Schüler ab. Dann rief er eine Begrüßung durch den Flechtenvorhang vor dem Eingang. Nach einem leisen »Herein« schob er sich langsam ins Innere.
Es war kühl in der kleinen Höhle, die vor Urzeiten von einem Bach aus dem unteren Teil des Felsens herausgewaschen worden war. Das Sonnenlicht, das durch die Flechten hereindrang, verlieh den Wänden ein warmes Leuchten. Blaustern kauerte auf ihrer Lagerstatt wie eine brütende Ente. Ihr langes, graues Fell war schmutzig und verfilzt. Vielleicht schmerzen ihre Wunden noch so sehr, dass sie sich nicht richtig waschen kann, dachte Feuerherz. Er scheute vor dem Gedanken an die andere Möglichkeit zurück – dass seine Anführerin sich nicht mehr pflegen wollte.
Die Sorge, die er in Weißpelz’ Augen gesehen hatte, bedrückte auch ihn. Er konnte nicht übersehen, wie mager Blaustern geworden war, und er dachte an den Vogel, den sie am Vorabend halb gegessen zurückgelassen hatte. Sie war allein in ihren Bau gegangen und nicht geblieben, um sich mit ihren älteren Kriegern die Zungen zu geben, wie das früher ihre Gewohnheit gewesen war.
Die Clan-Anführerin hob die Augen, als Feuerherz eintrat, und erleichtert bemerkte er darin einen Funken von Interesse.
»Feuerherz«, begrüßte sie ihn, setzte sich langsam auf und hob das Kinn. Sie hielt den breiten, grauen Kopf mit der gleichen ruhigen Würde, die er schon damals bewundert hatte, als er sie zum ersten Mal im Wald nahe bei seinem alten Zweibeiner-Heim getroffen hatte. Von ihr war er eingeladen worden, sich dem DonnerClan anzuschließen, und ihr Vertrauen in ihn hatte schnell ein besonderes Band zwischen ihnen hergestellt.
»Blaustern«, begann er und neigte respektvoll den Kopf. »Weißpelz war heute in der Kinderstube, und Buntgesicht hat ihm gesagt, ihre Jungen seien so weit, als Schüler anzufangen.«
Blausterns Augen weiteten sich langsam. »Schon?«, murmelte sie.
Feuerherz wartete auf ihre Anweisungen für die Schüler-Zeremonie, aber die Kätzin starrte ihn bloß an.
»Also … wen möchtest du als ihre Mentoren haben?«, half er ihr weiter.
»Mentoren«, wiederholte sie schwach. Plötzlich zeigte sich in ihren blauen Augen eine steinerne Härte. »Gibt es überhaupt eine Katze, der wir trauen können, diese unschuldigen Jungen auszubilden?«, fauchte sie. Feuerherz zuckte erschrocken zusammen. Mit blitzenden Augen fragte die Anführerin weiter: »Kannst du sie übernehmen? Oder Graustreif?«
Feuerherz schüttelte den Kopf. Er versuchte, die Angst abzuschütteln, die auf ihn zufuhr wie eine Natter. Hatte Blaustern vergessen, dass Graustreif nicht mehr zum DonnerClan gehörte?
»Ich … ich habe schon Wolkenpfote. Und Graustreif …« Er verstummte, holte dann kurz Luft und begann von Neuem. »Blaustern, der einzige Krieger, der nicht geeignet ist, diese Jungen auszubilden, ist Tigerkralle, und den hast du verbannt, erinnerst du dich? Jeder andere Krieger des DonnerClans wäre ein guter Mentor für Buntgesichts Junge.«
Er suchte Blausterns Miene nach einer Reaktion ab, aber sie starrte nur auf den Boden. »Buntgesicht hofft, dass bald eine Zeremonie für die Namensgebung stattfindet«, fuhr er fort. »Ihre Jungen sind mehr als bereit dafür. Wolkenpfote war mit ihnen in einem Wurf und er ist jetzt schon einen halben Mond lang Schüler.«
Feuerherz beugte sich vor und versuchte, Blaustern mit seinem Willen zu einer Antwort zu zwingen. Schließlich nickte die Kätzin kurz und schaute ihn an. Voller Erleichterung sah er, wie die Anspannung aus ihren Schultern wich. Obwohl ihr Blick noch fern und eisig wirkte, war er jetzt doch ruhiger.
»Wir werden die Zeremonie heute Abend vor dem Essen abhalten«, miaute sie, als hätte sie nie Zweifel daran gehabt.
»Wen willst du dann als ihre Mentoren einsetzen?«, fragte Feuerherz vorsichtig. Er spürte, wie ein Zittern durch seinen Schwanz lief, als sich Blaustern wieder versteifte und ihr Blick ängstlich in der Höhle herumirrte.
»Das entscheidest du.«
Ihre Antwort war kaum zu hören, und Feuerherz beschloss, sie nicht weiter zu drängen. Er neigte den Kopf und miaute: »Ja, Blaustern.« Dann verließ er ihren Bau.
Einen Augenblick lang blieb er im Schatten des Hochsteins sitzen und versuchte seine Gedanken zu sammeln. Tigerkralles Verrat musste sie noch tiefer erschüttert haben, als er geahnt hatte, wenn sie jetzt keinem ihrer Krieger mehr trauen mochte. Er senkte den Kopf und leckte sich beruhigend die Brust. Der Angriff der Streuner-Katzen lag noch kaum einen Viertelmond zurück. Blaustern würde damit schon fertig werden, sagte er sich. In der Zwischenzeit musste er ihre Angst vor den anderen Katzen verbergen. Wenn der Clan ohnehin schon beunruhigt war, wie Weißpelz gesagt hatte, dann würde Blausterns jetziger Anblick sie nur noch mehr verängstigen.
Feuerherz ließ die Schultermuskeln spielen und trabte auf die Kinderstube zu.
»Hallo, Glanzfell«, miaute er. Die hellgraue Königin lag auf der Seite vor dem Brombeerdickicht, das die Jungen beherbergte, und genoss die Wärme der Sonne.
Als Feuerherz neben ihr stehen blieb, hob sie den Kopf. »Hallo, Feuerherz. Wie lebt es sich so als Zweiter Anführer?« Ihre Augen waren milde neugierig und ihre Stimme freundlich, nicht herausfordernd.
»Gut«, erwiderte Feuerherz. Es würde sich gut leben, wenn mir nicht dieser Schüler auf die Nerven ginge, dachte er frustriert, oder sich die Ältesten nicht über den Zorn des SternenClans beklagten oder die Anführerin sich entscheiden könnte, wer die Mentoren von Buntgesichts Jungen sein sollen.
»Freut mich zu hören«, schnurrte Glanzfell. Sie drehte den Kopf, um sich den Rücken zu waschen.
»Ist Buntgesicht in der Nähe?«, fragte Feuerherz.
»Sie ist drin«, miaute Glanzfell und leckte sich weiter das Fell.
Feuerherz schob sich durch die Brombeerranken. Drinnen war es überraschend hell. Sonnenlicht strömte durch große Lücken zwischen den gebogenen Zweigen. Er würde vor den kalten Winden des Blattfalls die Löcher flicken lassen müssen, nahm er sich vor.
»Hallo, Buntgesicht«, miaute er. »Gute Nachrichten! Blaustern sagt, die Zeremonie der Namensgebung für deine Jungen wird heute Abend stattfinden.«
Die Königin lag auf der Seite, während ihre beiden hellgrauen Jungen auf ihr herumkletterten.
»Dem SternenClan sei Dank!«, keuchte sie, als das Schwerere ihrer Jungen mit dem gesprenkelten Fell von der Flanke seiner Mutter sprang und sich auf seine Schwester warf. »Die beiden werden zu groß für die Kinderstube.«
Die Jungen rollten und kugelten in einem wirren Knäuel von Pfoten und Schwänzen gegen den Rücken ihrer Mutter. Buntgesicht schob sie sanft von sich weg und fragte: »Weißt du, wer ihre Mentoren sein werden?«
Feuerherz war auf diese Frage vorbereitet. »Blaustern hat das noch nicht entschieden«, erklärte er. »Gibt es Krieger, die du dir wünschst?«
Sie wirkte überrascht. »Blaustern wird es am besten wissen, sie sollte das entscheiden.«
Feuerherz wusste so gut wie jede andere Katze, dass nach der Tradition die Mentoren von der Anführerin ausgewählt wurden.
»Ja, da hast du recht«, sagte er zögernd.
Sein Fell kribbelte, als eine Brise den Duft von Tigerkralles gestreiftem Jungen an seine Geruchsknospen wehte.
»Wo ist Goldblüte?«, fragte er Buntgesicht schärfer als beabsichtigt.
»Sie hat ihre Jungen zu den Ältesten gebracht.« Dann verengten sich ihre Augen. »Du erkennst Tigerkralle in seinem Sohn wieder, nicht wahr?«
Feuerherz nickte betreten.
»Er sieht seinem Vater ähnlich, aber das ist auch alles«, beruhigte ihn Buntgesicht. »Er ist richtig sanft mit den anderen Jungen und seine Schwester hält ihn offenbar im Zaum.«
»Nun, das ist gut.« Feuerherz wandte sich ab. »Ich sehe dich später bei der Zeremonie«, miaute er und schob sich durch den Eingang hinaus.
»Heißt das, Blaustern hat entschieden, wann die Namensgebung stattfindet?«, rief ihm Glanzfell zu, als er aus der Kinderstube auftauchte.
»Ja«, antwortete er.
»Wer werden ihre Men…?«
Aber Feuerherz trabte davon, bevor er den Rest ihrer Frage hören konnte. Die Nachricht von der Zeremonie würde sich im Lager wie ein Waldbrand verbreiten und jede Katze würde das Gleiche wissen wollen. Er musste bald entscheiden, aber in seiner Nase steckte noch der Geruch von Brombeerjunges. Seine Gedanken rasten, als finstere Vorahnungen ihre dunklen Flügel ausbreiteten.
Instinktiv lief er auf den Farntunnel zu, der auf die Lichtung der Heilerin führte. Gelbzahns Schülerin Rußpelz würde dort sein. Seit Graustreif im FlussClan lebte, war sie seine engste Freundin geworden. Er wusste, dass die sanfte graue Kätzin die wirren Gefühle verstehen würde, die in seinem Herzen kochten.
Er beschleunigte seine Schritte durch den kühlen Farn und betrat die sonnige Lichtung. Auf einer Seite erhob sich die glatte Oberfläche eines großen Felsens mit einem Spalt in der Mitte. Die Höhlung darin war gerade groß genug, dass Gelbzahn dort leben und ihre Heilkräuter lagern konnte.