Lesen was ich will!

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Übersetzung aus dem Englischen von Andreas Brandhorst

 

 

ISBN 978-3-492-97602-2

März 2017

© Terry and Lyn Pratchett, 2016

Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Witch’s Vacuum Cleaner« bei Doubleday Childrens/Random House UK, London 2016.

© der Illustrationen: Mark Beech, 2016

Deutschsprachige Ausgabe:

© ivi, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2017

Covergestaltung: zero-media.net, München

Covermotiv: Mark Beech

Datenkonvertierung: Tobias Wantzen, Bremen

 

 

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Vorwort

Anmerkung des Übersetzers

Die staubsaugende Schreckschraube

Der große Eisenbahnraub

Wahrhaft wahnsinnige Zahnschmerzen

Die eisige Fehde

Darby und das U-Boot

Der Schafrodeo-Skandal

Eine Ameise namens 4179003

Der Feueropal

Lord Kuchen und der Kampf um Banwens Bake

Der zeitreisende Fernseher

Die Parkstatuen von Blackbury

Krieg der Zauberer

Hündchens außergewöhnliche Abenteuer

Reinmangel, der Wicht von Even Moor

 

Und so beginnt die Reise, junger Terry.
Wer weiß, wohin sie dich führen wird?
Los geht’s!

Terry Pratchett
Salisbury, Vereinigtes Königreich

Vorwort

Glauben Sie an Magie? Können Sie sich einen Krieg zwischen Zauberern vorstellen? Eine aufregende Reise an Bord eines Luftschiffs oder in einem U-Boot? Hätten Sie Lust, dem schnellsten Knüppel im Wilden Westen zu begegnen?

Wenn Ihre Antwort Ja lautet, sind die folgenden Geschichten das richtige Lesefutter für Sie. Außer den oben genannten Abenteuern präsentieren sie eine Hexe, die mit einem Staubsauger herumfliegt, wandelnde sprechende Statuen, eine rebellische Ameise – und eine Riesentorte! Eine der Geschichten war sogar die Geburt einer Idee, die später zu meinem längeren Buch Trucker führte.

Die Storys stammen aus meiner Zeit als junger Reporter, und sie wurden auf wöchentlicher Basis in der Zeitung veröffentlicht, für die ich damals gearbeitet habe. Die jungen Leser in jener Zeit waren anders als Sie heute – sie hatten weder PCs noch Tablets oder Spielkonsolen, von Smartphones ganz zu schweigen. Aber sie teilten Ihr Interesse an Geschichten über fremde Welten, seltsame Geschöpfe und Figuren, außergewöhnliche Reisen und magische Schlachten.

Ich habe hier und dort einige Details verändert und einige Zeilen oder eine Notiz hinzugefügt, nur deshalb, weil ich es kann. Die zusätzlichen Jahre haben mir zusätzliche Phantasie geschenkt, wodurch die Versuchung, ein paar Kleinigkeiten hinzuzufügen, einfach zu groß ist. Dennoch sind die Geschichten in diesem Buch fast genauso beschaffen wie damals, als sie zum ersten Mal erschienen.

Sie fanden großen Anklang.

Bei allen Lesern mit genug Vorstellungskraft …

 

Terry Pratchett, Wiltshire, 2015

Anmerkung des Übersetzers

Mit den ersten Texten von Terry Pratchett habe ich mich vor mehr als etwa dreißig Jahren befasst. Damals, in den Achtzigerjahren, begann ich mit der Übersetzung von Die Farben der Magie (The Colours of Magic) und Das Licht der Phantasie (The Light Fantastic). Es waren die ersten Scheibenweltromane, und niemand wusste – vermutlich nicht einmal Terry Pratchett selbst –, wohin die Reise gehen würde. Jetzt, drei Jahrzehnte später, lebt Terry Pratchett nicht mehr, aber mit seinen Romanen hat er sich ein großartiges Denkmal gesetzt – seine Scheibenwelt wurde weltweit zu einem riesigen Erfolg.

Doch wie begann alles? Die Scheibenwelt kam keineswegs aus dem Nichts. Terry Pratchett wachte nicht eines Morgens mit der Vision einer flachen Welt auf, die von vier riesigen Elefanten getragen wird, die ihrerseits auf dem Rücken einer nicht minder großen Sternenschildkröte stehen. Es gibt einen schriftstellerischen Weg, der zur Scheibenwelt führte, und das vorliegende Buch zeigt einige dieser Etappen.

Die Geschichten in diesem Buch – wie auch die in Dralle Drachen (ebenfalls im Piper Verlag erschienen) – wurden von einem sehr jungen Terry Pratchett verfasst, der seine Kurzgeschichten in der Zeitung veröffentlichte, für die er als Reporter arbeitete, geschrieben für sehr junge Leser. Die Geschichten zeigen uns einen Terry Pratchett am Anfang seiner Laufbahn als Autor, und deshalb haben sie einen ganz besonderen Reiz. Es sind keine perfekten Geschichten, man merkt ihnen die Unerfahrenheit des Verfassers an, und doch blitzt hier und dort schon jener Terry Pratchett auf, der Jahre später ein Millionenpublikum begeistern sollte. Einige kleine Einfälle dienten als Grundlage für Romane. So sehen wir die Wichte in Reinmangel, der Wicht von Even Moor in der Nomen-Trilogie (Trucker, Wühler und Flügel) wieder, und dem Konzept winziger Leute, für die menschliche Dinge riesenhaft sind, begegnen wir erneut in dem Roman Die Teppichvölker.

Terry Pratchetts enormes Talent wird bereits in diesen Kurzgeschichten deutlich, sein Hang zum Skurrilen, die besondere Fähigkeit, einer Szene mit wenigen Sätzen Gestalt zu geben und Atmosphäre zu schaffen. Als Übersetzer der vorliegenden Geschichten habe ich mich gefragt, ob ich die gelegentlichen Logikfehler und stilistischen Schwächen des jungen Autors korrigieren soll. Ich habe mich bis auf einige wenige Ausnahmen dagegen entschieden, denn diese kleinen Fehler gehören einfach dazu. Sie zeigen uns ein komplettes Bild von den Anfängen, und man kann trotzdem (vielleicht auch gerade deswegen) viel Spaß an den Geschichten haben.

Andreas Brandhorst, Nordhorn, 2016

Die staubsaugende Schreckschraube

Geburtstage gefielen Herrn Ronald Onkel Ron Swimble, weil sie Partys bedeuteten, und da er Teilzeitzauberkünstler war, bedeuteten sie auch Aufträge für ihn. Er konnte Eier aus dem Nichts erscheinen lassen und den Leuten Fahnen aller Nationen aus den Ohren ziehen. Außerdem beherrschte er fünfzig Kartentricks und verstand sich insbesondere gut auf jene Art von Zauberei, die viel Übung vor einem Spiegel erfordert.* Außerdem war er Präsident des Magischen Karrees von Blackbury.

Onkel Ron hatte einen Papagei, der Mimms hieß, Karten aus einem Hut ziehen konnte und gern schrie, außerdem eine Tochter namens Lucy, die für gewöhnlich auf der Bühne stand und kaum etwas sagte – sie nahm seinen Mantel, reichte ihm Mimms in einem Käfig und so weiter.

Alle drei führten ein ruhiges, zufriedenes Leben, bis zum Abend des Tages, an dem Jimmy Waddle zehn Jahre alt wurde. Aus diesem Anlass fand im Rathaus eine Party statt.

Onkel Ron betrat die Bühne, und alle Kinder riefen »Hallo, Onkel Ron!«, und dann rutschte ihm der Hut vom Kopf, und drei Kaninchen fielen heraus.

Er bückte sich, um sie aufzusammeln, woraufhin Tauben unter seiner Jacke hervorflatterten, eine Narzisse aus seinem Ohr kam und seine Fliege sich zu drehen begann. Es war alles sehr unterhaltsam, und der junge Jimmy Waddle beobachtete das Geschehen fasziniert, aber noch überraschter als alle anderen war Onkel Ron. Dies waren nicht seine Tricks, und außerdem mochte er keine Kaninchen.

Er versuchte weiterzumachen, doch mit seinen Darbietungen stimmte etwas nicht. Ihm gelangen viele Kunststücke, zum Beispiel die Verwandlung eines Zylinderhutes in eine Blumenvase und das Verschwinden eines Tisches. Aber es steckte keine Absicht dahinter. Jedes Mal, wenn er die Hände bewegte, erschien oder verschwand etwas. Er war den Tränen nahe, als er sein Kartenspiel hervorholte, und als es sich in ein Glas verwandelte, verließ er fluchtartig die Bühne.

»Das waren viele neue …«, begann Lucy.

»Es sind nicht meine Tricks! Ich weiß überhaupt nicht, was los ist! Ich habe gar keine Kaninchen!«

»Kuchen!«, kreischte Mimms.

Das Publikum klatschte noch immer, und Ronald musste auf die Bühne zurück und sich verbeugen. Alle schüttelten den Kopf und fragten sich, wie er es angestellt hatte.

Schließlich erreichte er seinen Umkleideraum und schloss hinter sich ab.

»Ich weiß nicht, wie es passiert ist«, sagte er. »Plötzlich brauchte ich nur noch den Finger auf etwas zu richten wie den Schrank dort und ›Werde zu einem Hutständer!‹ zu sagen …«

Der Schrank wurde zu einem Hutständer.

»Marmelade!«, rief Mimms.

Ronald wies mit dem Finger auf seinen Hut.

»Verschwinde!«, sagte er heiser. Der Hut verschwand.

Sie fuhren mit dem Taxi nach Hause. Gelegentlich zielte Ron mit dem Finger auf Gegenstände am Straßenrand, nur um zu sehen, ob die Magie noch funktionierte. Das Ergebnis: Drei Laternenpfähle verwandelten sich in einen Storch, einen kleinen gelben Elefanten auf Rädern und einen Kinderwagen.

Schwierig wurde es bei der Bezahlung des Taxifahrers. Zwar konnte Onkel Ron Dinge in andere Dinge verwandeln, aber er hatte keine Kontrolle darüber, was sich verwandelte und in was. Als er seine Brieftasche hervorholte, wurde plötzlich ein Käsebrötchen daraus. Lucy musste mit ihrem Milchgeld bezahlen, und der Taxifahrer fuhr eilig davon.

»Der Türschlüssel steckt in meiner Westentasche«, brachte Ron zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich glaube, ich sollte besser nichts mehr anrühren. Schließ du bitte die Tür auf, damit ich sie nicht in etwas Schreckliches verwandle!«

»Handschuhe«, sagte Lucy. »Das ist die Lösung! Mit Handschuhen kannst du wieder Gegenstände anfassen.«

»Ich habe keine«, erwiderte Ron kummervoll. »Und selbst wenn ich welche hätte, sie würden sich bei der ersten Berührung in etwas anderes verwandeln.«

Lucy holte ein Paar von ihren Handschuhen, aus roter Wolle, die oben mit albernen Kaninchen bestickt waren. Und tatsächlich: Als Ron sie berührte, verwandelten sie sich – in Socken. Das brachte Lucy auf einen Gedanken. Sie holte zwei Socken ihres Vaters, und als Ron sie überstreifte, wurden rote Wollhandschuhe daraus.

Ron sank in einen Sessel und griff nach dem Telefon. Er rief seine Zauberkünstlerkollegen in Blackbury an, alles Mitglieder des Magischen Karrees, und bat sie zu sich. Es dauerte nicht lange, bis sein Haus voller Leute war.

»Seht euch das an!«, sagte Ron, nahm die Handschuhe ab und deutete auf einen kleinen Kaktus. Er verwandelte sich in eine Schüssel mit Murmeln. Alle rangen erwartungsgemäß nach Luft, bis auf eine Frau, die gerade aus dem Fenster gesehen und einen kleinen Elefanten mit Rädern beobachtet hatte, im Schlepptau einen Kinderwagen mit einem Storch darin.

»Es ist kein Zaubertrick, sondern echte Magie«, sagte Ron.

»Marmelade!«, schrie Mimms.

»Es gibt keine Magie«, sagte Amir Raj, der für seine magischen Kartentricks bekannt war.

»Es ist alles Illusion«, fügte Presto Changeo hinzu, der jeden Abend seine Assistentin zersägte.

»Brötchen!«, heulte Mimms und rieb seinen Schnabel am Käfig.

Ronald verwandelte den Tisch in einen Rasenmäher.

»Was soll ich tun?«, fragte er. »Ich schätze, ich könnte ein Vermögen verdienen, aber mir liegt nichts daran, die ganze Zeit Handschuhe zu tragen. Außerdem … vielleicht verwandle ich etwas Gutes in etwas Scheußliches.«

»Könnte es etwas sein, das du gegessen hast?«, fragte Presto. »Ist heute irgendetwas Ungewöhnliches passiert?«

»Mal überlegen … Nein, eigentlich nicht. Mein einziges ungewöhnliches Erlebnis hatte ich heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit, als ich gegen den Staubsauger einer alten Frau stieß. Er stand auf dem Parkplatz, warum auch immer. Regte sich fürchterlich auf, die Alte, aber sie hatte das Ding an meinen Wagen gelehnt.«

»War es eine kleine Frau mit braunem Mantel und einem Blumentopfhut voller Nadeln?«, fragte Lucy, die sich alles angehört hatte. »Ja? Na so was, na so was … Hätte ich nie gedacht. Das ist Frau Riley, die Hexe.«**

»Kekse! Chips! Eiscreme!«, rief Mimms.

»Du meinst, sie hat mich verzaubert?«, fragte Ron, ohne auf den Papagei zu achten.

»Das ist doch lächerlich, es gibt keine Zauberei«, sagte Presto Changeo und bekam große Augen, als Ron einen Bleistift in eine kleine Banane verwandelte.

»Ich glaube, dies beweist das Gegenteil«, sagte Ron, nahm die Banane und schälte sie geistesabwesend. »Die Frage lautet: Was sollen wir unternehmen?«

»Such die Hexe auf und bitte sie, dich von dem Zauber zu befreien!«, schlug Presto vor.

Also machten sich Onkel Ron und die anderen Zauberkünstler auf den Weg zu Frau Riley, die in der Dahlienstraße Nummer drei wohnte und deren Haus gar nicht nach dem einer Hexe aussah. Zum Beispiel gab es viele bunte Blumen im Vorgarten.

Lucy klingelte zweimal, und Presto klopfte an die Tür. Sie spähten durchs Fenster, konnten jedoch nicht viel erkennen, da zu viele Topfpflanzen auf der Fensterbank standen.

»Hat keinen Zweck«, sagte Ron. »Sie schläft oder ist nicht da.«

Über ihnen erklang ein Geräusch wie von einem Staubsauger. Es war ein Staubsauger, und er schwebte in der Luft, mit Frau Riley im Reitsitz. Staub wirbelte auf.

»Ah, Sie sind’s, Swimble!«, sagte sie. »Vermutlich wollen Sie mich bitten, den Zauber von Ihnen zu nehmen.«

»Wenn Sie nichts dagegen hätten …«, begann Ron und starrte auf den Staubsauger.

»Und ob ich etwas dagegen habe! Sie sind doch Zauberkünstler und geben mit Ihrer angeblichen Magie an. Befreien Sie sich selbst von dem Zauber!«

»Mit der Art von Magie befassen wir uns nicht, Teuerste«, sagte Presto.

Frau Riley richtete einen verärgerten Blick auf ihn. »Sie glauben nicht einmal daran!«, blaffte sie. »Potz Blitz! Kartentricks und Kaninchen aus Hüten? Ihr seid ein Haufen arroganter Usurpatoren!«

»Wie bitte?«

»Sie meint, ihr dringt in etwas ein, wo ihr unerwünscht seid«, sagte Lucy. »Komm, Vater, bevor sie richtig zornig wird!«

Der Staubsauger dröhnte und stieg auf.

»Welch erstaunliche Frau«, sagte Ron in bewunderndem Ton und beobachtete, wie die Hexe über die Dächer flog. »Gibt es einen Herrn Riley? Oh, er ist auf See geblieben? Na so was. Wirklich ein Prachtweib, keine Frage.«

In jener Nacht schlief Ron mit Handschuhen, was er unangenehm fand, aber er konnte sie nicht abnehmen, denn sonst hätte sich das Bett vielleicht in einen Messerhalter oder ein Pferd verwandelt.

Was soll ich nur machen?, fragte er sich.

Den nächsten Tag musste sich Ron wegen seiner magischen Hände freinehmen. Lucy rief die Fabrik an, in der ihr Vater arbeitete, und meinte, er habe Grippe – die Wahrheit hätte ihr niemand geglaubt.

Presto Changeo kam gegen Mittag vorbei. »Ich habe eine Idee«, sagte er. »Wie wär’s, wenn wir den Pfarrer um Hilfe bitten?«

»Frau Riley singt im Chor und hat Tausende von Kniebänken bestickt«, seufzte Lucy. »Hochwürden Betegut würde nie glauben, dass sie eine Hexe ist. Und überhaupt, im Grunde genommen ist sie eine gute alte Seele, nur ein bisschen übellaunig. Eigentlich mag ich sie.«

»Vielleicht verzeiht sie mir, wenn ich sie mit einer Schachtel Pralinen und einem Blumenstrauß besuche«, sagte Ron und errötete.

»Bananen!«, kreischte Mimms.

»Wie seltsam, dass ich sie jede Woche sehe, wenn sie kommt, um sich neue Bücher auszuleihen«, sagte Presto, der in der Bibliothek arbeitete. »Es sind nicht einmal Zauberbücher, sondern Romane über Ärzte. Ihr wisst schon, Doktor Schneidgut und der Engel von Station Zehn oder Liebe unter Bettpfannen. Und sie mag Bücher über Gärtnerei, zum Beispiel Meine schwierigen Rosen und andere dornige Sorgen. Wenn ich sie nicht auf ihrem Staubsauger gesehen hätte, wäre ich auf keinen Fall bereit gewesen, sie für eine Hexe zu halten.«

»Pizza!«, fügte Mimms hinzu.***

»Gärtnerei, wie?«, murmelte Ron, der keine Nesseln vom Nachtschatten unterscheiden konnte.**** »Ich habe da eine Idee …«

Nach dem Mittagessen zog er seinen besten Anzug an, putzte seinen Zylinderhut, steckte ein paar Zaubertricks ein und machte sich auf den Weg zu Frau Rileys kleinem Haus.

Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit, nachdem er mehrmals angeklopft hatte.

»Oh, Sie sind’s!«, sagte sie. »Verschwinden Sie, bevor ich …«

»Ich möchte Sie sprechen, Frau Riley«, sagte Ron. »Bitte lassen Sie mich herein, wenn Sie nicht wollen, dass ich die Handschuhe ausziehe und den Türknauf in einen Pinguin verwandle!«

»Na schön. Treten Sie die Schuhe ab!«

Als sie zwischen kleinen Tischen und blitzblanken Möbeln saßen, umgeben von einem Dschungel aus Topfpflanzen aller Art, sagte Ron: »Frau Riley, Sie sehen einen verwirrten Mann vor sich. Was auch immer ich berühre, es verändert sich. Es geht mir auf die Nerven und äh … äh, äh … … würden Sie mich heiraten?«

»Meine Güte!«, sagte Frau Riley, als Ron eine Kreuzblume, auch Purple Passion genannt, aus der leeren Luft zog.

»Seit dem Tod meiner Frau suche ich eine andere Dame, die etwas von Magie versteht«, sagte Ron und entnahm seinem Hut eine Schachtel Pralinen. »Bitte heiraten Sie mich, Frau Riley, dann bin ich der glücklichste Zauberkünstler in Blackbury. Und wenn Sie die Güte hätten, den Zauber von mir zu nehmen, wäre ich noch ein kleines bisschen glücklicher.«

Frau Riley schnäuzte sich. »Na ja, es kommt etwas plötzlich.«

»Sagen Sie Ja, Frau Riley, oder ich springe in den Bootssee von Blackbury!«, jammerte Ron.

»Ja«, sagte Frau Riley.

Die Hochzeit wurde in kleinem Kreis gefeiert, und der Brautführer Presto Changeo verlor den Ring, aber dafür zog er dies aus seinen Taschen: eine Schnur mit den Fahnen aller Staaten der Welt, einen Eierkarton, mehrere Tauben, ein Kartenspiel, eine Brille und einige Tischtennisbälle.

Anschließend verließ das glückliche Paar die Kirche und schritt durch einen Bogen aus Zylinderhüten und Besenstielen. Pastor Arnold Betegut hielt die Veranstaltung für etwas ungewöhnlich, sagte aber nichts. Er schwieg selbst dann, als Ron und seine neue Ehefrau auf einem mit Blechdosen und bunten Bändern geschmückten Staubsauger fortflogen.

Lucy und alle anderen klatschten.

Mimms klatschte nicht.

»Rosenkohl!«, kreischte er.*****

* Und noch mehr Übung vor Zuschauern, denn es gibt nicht viele Spiegel, die »So ein Unsinn!« rufen. Wenn der Spiegel, vor dem man übt, dazu imstande ist, braucht man sich über das Lernen von Zauberkunststücken keine großen Gedanken mehr zu machen. Zu wissen, wie man schnell wegläuft, wäre nützlicher.

** Alle Kinder in der Stadt wissen über so etwas Bescheid, aber seltsamerweise kein einziger Erwachsener.

*** Leider gehörte es nicht zu Rons neuen magischen Fähigkeiten, einen Napf mit Sonnenblumenkernen in eine Pizza zu verwandeln. Oder auch nur in eine Banane.

**** Er wusste auch, wie man Rhododendron und Rhabarber schreibt.

***** Traurigerweise winkte Amir Raj mit einer Hand und ließ auf diese Weise einen großen Beutel erscheinen, der Rosenkohl als besonderes Geschenk enthielt. Hätte Mimms doch nur Torte gerufen!