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© 2020 Wenzel Mylius (Hrsg. u. Bearb.)

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt.

ISBN: 978-3-75269-416-1

VERFALL

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,

Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,

Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,

Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten

Träum ich nach ihren helleren Geschicken

Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.

So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.

Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.

Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen

Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,

Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

MUSIK IM MIRABELL

Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn

Im klaren Blau, die weißen, zarten.

Bedächtig stille Menschen gehen

Am Abend durch den alten Garten.

Der Ahnen Marmor ist ergraut.

Ein Vogelzug streift in die Weiten.

Ein Faun mit toten Augen schaut

Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.

Das Laub fällt rot vom alten Baum

Und kreist herein durchs offne Fenster.

Ein Feuerschein glüht auf im Raum

Und malet trübe Angstgespenster.

Ein weißer Fremdling tritt ins Haus.

Ein Hund stürzt durch verfallene Gänge.

Die Magd löscht eine Lampe aus,

Das Ohr hört nachts Sonatenklänge.

FRAUENSEGEN

Schreitest unter deinen Frauʼn

Und du lächelst oft beklommen:

Sind so bange Tage kommen.

Weiß verblüht der Mohn am Zaun.

Wie dein Leib so schön geschwellt

Golden reift der Wein am Hügel.

Ferne glänzt des Weihers Spiegel

Und die Sense klirrt im Feld.

In den Büschen rollt der Tau,

Rot die Blätter niederfließen.

Seine liebe Frau zu grüßen

Naht ein Mohr dir braun und rauh.

DIE SCHÖNE STADT

Alte Plätze sonnig schweigen.

Tief in Blau und Gold versponnen

Traumhaft hasten sanfte Nonnen

Unter schwüler Buchen Schweigen.

Aus den braun erhellten Kirchen

Schaun des Todes reine Bilder,

Großer Fürsten schöne Schilder.

Kronen schimmern in den Kirchen.

Rösser tauchen aus dem Brunnen.

Blütenkrallen drohn aus Bäumen.

Knaben spielen wirr von Träumen

Abends leise dort am Brunnen.

Mädchen stehen an den Toren,

Schauen scheu ins farbige Leben.

Ihre feuchten Lippen beben

Und sie warten an den Toren.

Zitternd flattern Glockenklänge,

Marschtakt hallt und Wacherufen.

Fremde lauschen auf den Stufen.

Hoch im Blau sind Orgelklänge.

Helle Instrumente singen.

Durch der Gärten Blätterrahmen

Schwirrt das Lachen schöner Damen.

Leise junge Mütter singen.

Heimlich haucht an blumigen Fenstern

Duft von Weihrauch, Teer und Flieder.

Silbern flimmern müde Lider

Durch die Blumen an den Fenstern.

IN EINEM VERLASSENEN ZIMMER

Fenster, bunte Blumenbeeten,

Eine Orgel spielt herein.

Schatten tanzen an Tapeten,

Wunderlich ein toller Reihn.

Lichterloh die Büsche wehen

Und ein Schwarm von Mücken schwingt,

Fern im Acker Sensen mähen

Und ein altes Wasser singt,

Wessen Atem kommt mich kosen?

Schwalben irre Zeichen ziehn.

Leise fließt im Grenzenlosen

Dort das goldne Waldland hin.

Flammen flackern in den Beeten.

Wirr verzückt der tolle Reihn

An den gelblichen Tapeten.

Jemand schaut zur Tür herein.

Weihrauch duftet süß und Birne

Und es dämmern Glas und Truh.

Langsam beugt die heiße Stirne

Sich den weißen Sternen zu.

DER GEWITTERABEND

O die roten Abendstunden!

Flimmernd schwankt am offenen Fenster

Weinlaub wirr ins Blau gewunden,

Drinnen nisten Angstgespenster.

Staub tanzt im Gestank der Gossen.

Klirrend stößt der Wind in Scheiben.

Einen Zug von wilden Rossen

Blitze grelle Wolken treiben.

Laut zerspringt der Weiherspiegel.

Möwen schrein am Fensterrahmen.

Feuerreiter sprengt vom Hügel

Und zerschellt im Tann zu Flammen. -

Kranke kreischen im Spitale.

Bläulich schwirrt der Nacht Gefieder.

Glitzernd braust mit einem Male

Regen auf die Dächer nieder.

GEISTLICHES LIED

Zeichen, seltne Stickereiʼn

Malt ein flatternd Blumenbeet.

Gottes blauer Odem weht

In den Gartensaal herein,

Heiter ein.

Ragt ein Kreuz im wilden Wein.

Hörʼ im Dorf sich viele freun,

Gärtner an der Mauer mäht,

Leise eine Orgel geht,

Mischet Klang und goldenen Schein,

Klang und Schein.

Liebe segnet Brot und Wein.

Mädchen kommen auch herein

Und der Hahn zum letzten kräht.

Sacht ein morsches Gitter geht

Und in Rosen Kranz und Reihn,

Rosenreihn

Ruht Maria weiß und fein.

Bettler dort am alten Stein

Scheint verstorben im Gebet,

Sanft ein Hirt vom Hügel geht

Und ein Engel singt im Hain,

Nah im Hain

Kinder in den Schlaf hinein.

IM ROTEN LAUBWERK VOLL GITARREN

Im roten Laubwerk voll Gitarren

Der Mädchen gelbe Haare wehen

Am Zaun, wo Sonnenblumen stehen.

Durch Wolken fährt ein goldner Karren.

In brauner Schatten Ruh verstummen

Die Alten, die sich blöd umschlingen.

Die Waisen süß zur Vesper singen.

In gelben Dünsten Fliegen summen.

Am Bache waschen noch die Frauen.

Die aufgehängten Linnen wallen.

Die Kleine, die mir lang gefallen,

Kommt wieder durch das Abendgrauen.

Vom lauen Himmel Spatzen stürzen

In grüne Löcher voll Verwesung.

Dem Hungrigen täuscht vor Genesung

Ein Duft von Brot und herben Würzen.

MELANCHOLIE DES ABENDS

– Der Wald, der sich verstorben breitet –

Und Schatten sind um ihn, wie Hecken.

Das Wild kommt zitternd aus Verstecken,

Indes ein Bach ganz leise gleitet

Und Farnen folgt und alten Steinen

Und silbern glänzt aus Laubgewinden.

Man hört ihn bald in schwarzen Schlünden –

Vielleicht, daß auch schon Sterne scheinen.

Der dunkle Plan scheint ohne Massen,

Verstreute Dörfer, Sumpf und Weiher,

Und etwas täuscht dir vor ein Feuer.

Ein kalter Glanz huscht über Straßen.

Am Himmel ahnet man Bewegung,

Ein Heer von wilden Vögeln wandern

Nach jenen Ländern, schönen, andern.

Es steigt und sinkt des Rohres Regung.

HEITERER FRÜHLING

1.

Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt,

Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr.

Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar,

Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist.

An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind,

Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat.

Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt,

Ein Kind steht in Konturen weich und lind.

Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch,

Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst.

Hell Grünes blüht und anderes verwest

Und Kröten schliefen durch den jungen Lauch.

2.

Dich lieb ich treu, du derbe Wäscherin.

Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last.

Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;

Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin.

In Gärten sinken Glocken lang und leis,

Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.

Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt

Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.

Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!

In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.

Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl

Und Knospen knistern heiter dann und wann.

3.

Wie scheint doch alles Werdende so krank!

Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;

Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist

Und öffnet das Gemüte weit und bang.

Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht

Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.

Die Liebenden blühn ihren Sternen zu

Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.

So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;

Und leise rührt dich an ein alter Stein:

Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.

O Mund! der durch die Silberweide bebt.

DER SPAZIERGANG

1.

Musik summt im Gehölz am Nachmittag.

Im Korn sich ernste Vogelscheuchen drehn.

Holunderbüsche sacht am Weg verwehn;

Ein Haus zerflimmert wunderlich und vag.

In Goldnem schwebt ein Duft von Thymian,

Auf einem Stein steht eine heitere Zahl.

Auf einer Wiese spielen Kinder Ball,

Dann hebt ein Baum vor dir zu kreisen an.

Du träumst: die Schwester kämmt ihr blondes Haar,

Auch schreibt ein ferner Freund dir einen Brief.

Ein Schober flieht durchs Grau vergilbt und schief

Und manchmal schwebst du leicht und wunderbar.

2.

Die Zeit verrinnt. O süßer Helios!

O Bild im Krötentümpel süß und klar;

Im Sand versinkt ein Eden wunderbar.

Goldammern wiegt ein Busch in seinem Schoß.

Ein Bruder stirbt dir in verwunschnem Land

Und stählern schaun dich seine Augen an.

In Goldnem dort ein Duft von Thymian.

Ein Knabe legt am Weiler einen Brand.

Die Liebenden in Faltern neu erglühn

Und schaukeln heiter hin um Stein und Zahl.

Aufflattern Krähen um ein ekles Mahl

Und deine Stirne tost durchs sanfte Grün.

Im Dornenstrauch verendet weich ein Wild.

Nachgleitet dir ein heller Kindertag,

Der graue Wind, der flatterhaft und vag

Verfallne Düfte durch die Dämmerung spült.

3.

Ein altes Wiegenlied macht dich sehr bang.

Am Wegrand fromm ein Weib ihr Kindlein stillt.

Traumwandelnd hörst du wie ihr Bronnen quillt.

Aus Apfelzweigen fällt ein Weiheklang.

Und Brot und Wein sind süß von harten Mühn.

Nach Früchten tastet silbern deine Hand.

Die tote Rahel geht durchs Ackerland.

Mit friedlicher Gebärde winkt das Grün.

Gesegnet auch blüht armer Mägde Schoß,

Die träumend dort am alten Brunnen stehn.

Einsame froh auf stillen Pfaden gehn

Mit Gottes Kreaturen sündelos.

SEELE DES LEBENS

Verfall, der weich das Laub umdüstert,

Es wohnt im Wald sein weites Schweigen.

Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen.

Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.

Der Einsame wird bald entgleiten,

Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden.

Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden,

Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.

Der blaue Fluß rinnt schön hinunter,

Gewölke sich am Abend zeigen;

Die Seele auch in engelhaftem Schweigen.

Vergängliche Gebilde gehen unter.

KLEINES KONZERT

Ein Rot, das traumhaft dich erschüttert –

Durch deine Hände scheint die Sonne.

Du fühlst dein Herz verrückt vor Wonne

Sich still zu einer Tat bereiten.

In Mittag strömen gelbe Felder.

Kaum hörst du noch der Grillen Singen,

Der Mäher hartes Sensenschwingen.

Einfältig schweigen goldene Wälder.

Im grünen Tümpel glüht Verwesung.

Die Fische stehen still. Gotts Odem

Weckt sacht ein Saitenspiel im Brodem.

Aussätzigen winkt die Flut Genesung.

Geist Dädals schwebt in blauen Schatten,

Ein Duft von Milch in Haselzweigen.

Man hört noch lang den Lehrer geigen,

Im leeren Hof den Schrei der Ratten.

Im Krug an scheußlichen Tapeten

Blühn kühlere Violenfarben.

Im Hader dunkle Stimmen starben,

Narziß im Endakkord von Flöten.

ROMANZE ZUR NACHT

Einsamer unterm Sternenzelt

Geht durch die stille Mitternacht.