Bernadett Gera
Fuß Qigong
Einfache Energieübungen für die Füße
Einleitung
QIGONG FÜR DIE FÜSSE
Was ist Qigong?
Die Wirkungen des Fuß-Qigong
Wann sollte Fuß-Qigong nicht angewendet werden?
Die Anatomie unserer Füße
MERIDIANE UND AKUPUNKTURPUNKTE
Die Meridiane
Milzmeridian (großer Zeh, Yin-Energie)
Lebermeridian (großer Zeh, Yin-Energie)
Magenmeridian (zweiter Zeh, Yang-Energie)
Gallenblasenmeridian (vierter Zeh, Yang-Energie)
Blasenmeridian (kleiner Zeh, Yang-Energie)
Nierenmeridian (Fußsohle, Yin-Energie)
Die Akupunkturpunkte
Akupunkturpunkte auf den Meridianen
Weitere Akupunkturpunkte
ÜBUNGSGRUNDLAGEN
So wird geübt
Empfohlene Sitzhaltung
Vorübung
Entspannungsübungen
Füße kreisen
Fußgelenke lockern
Zehen aufsetzen und Fußgelenk kreisen
Fuß dehnen
Zehen ziehen
Gangbildanalyse
Füße groß werden lassen
Hauptübungen
Bewegte Übungen
Stille Übungen
Massageübungen
Nachübung
DIE HAUPTÜBUNGEN
Bewegte Übungen
1 Schnipsen mit großem und zweitem Zeh
2 Zehen heben
3 Fersen klopfen
4 Wippen
5 Gehen im Sitzen
6 Zusatzübung
7 Gehen auf der Stelle
8 Raupengang
9 Massage der »sprudelnden Quelle«
10 Schreiben mit den Zehen
11 Bogen formen
12 Zeichnen der Endlosschleife
13 Meridianmassage
14 Fuß-Stab-Übung
Stille Übungen
15 Honigtopf
16 Über Grashalme gehen
17 Kugel rollen
18 Meereswellen
19 Honig, Bach und See
20 Auf Watte stehen
21 Verwurzeln
22 Schwerpunkt im Bauch
23 Stehen auf einem Kanu
24 Knöchelfeder drücken
25 Band auseinanderziehen
26 Qifeld aufbauen
27 Zusatzübung Drachenstand
Kleine Tipps zum Schluss
ANHANG
Übungen bei speziellen Beschwerden
Quellen
Danksagung
Die Autorin
Impressum
Einleitung
Abgesehen vom Sitzen und Liegen gibt es in unserem Alltag kaum Bewegungen, an denen unsere Füße nicht beteiligt sind.
Nach unserem heutigen Wissensstand begannen die Menschen vor etwa sechs Millionen Jahren aufrecht zu gehen. Angeblich wurden sie erst vor knapp 10.000 Jahren sesshaft und vor wenigen Hundert Jahren zu »Sitzlingen«, leider meist zum Nachteil der Füße. Eingepackt in Socken und festes Schuhwerk, sehen sie meist sehr selten das Tageslicht. Wir verwenden sie teilweise nur noch achtlos als Fortbewegungsmittel, solange sie nicht beispielsweise durch Schmerzen auf sich aufmerksam machen, und verlieren die Wahrnehmung und Sensibilität für sie.
Wann sind Sie das letzte Mal barfuß gelaufen? Wie bewusst und achtsam stehen Sie in Ihrem Leben? Unsere Füße spiegeln viel mehr wider, als wir vielleicht im ersten Moment denken – unsere ganze Bewegung und Haltung speichert sich darin ab. Ja, man kann sogar Beschwerden und Erkrankungen an der Fußsohle ablesen, wie einen Ort auf der Landkarte. Es gibt Menschen, die Ihnen innerhalb weniger Augenblicke eine erstaunlich gute Beschreibung Ihres Gesundheitszustandes geben können, indem sie »einfach nur« die Schuhsohlen Ihrer Lieblingsschuhe begutachten.
Ein Freund meines Vaters hatte manchmal die Schuhe, die die Gäste am Eingang im Flur zurückließen, hochgehoben, die Augen zusammengekniffen und dann angefangen, Geschichten zu erzählen, während er mit dem Zeigefinger auf bestimmte Stellen der Schuhsohle zeigte. Wir Kinder standen daneben und lauschten gespannt, während er uns aus der Sohle eine Geschichte »vorlas« – die Geschichte des Schuhbesitzers, Hinweise auf seinen Charakter und seine Gesundheit. Das hört sich wie ein netter Zeitvertreib an, aber wenn man auf die Stellen achtet, die am meisten abgenutzt sind, kann man tatsächlich viele Rückschlüsse auf den Schuhträger ziehen, nicht zuletzt auch auf das Energiegleichgewicht in den Meridianen, von denen einige an unseren Füßen verlaufen. So ist bei vielen Menschen, deren Absatz stark abgetreten ist, der Nierenmeridian schwach, was Beschwerden im unteren Rücken begünstigen kann. Eine abgetretene Außenkante könnte auf ein Ungleichgewicht im Leber- oder Gallenblasenmeridian hinweisen.
Natürlich sind dies keine ärztlichen Diagnosen, aber es ist dennoch interessant, welche Hinweise selbst unser Schuhwerk über uns geben kann. In unseren Füßen spiegelt sich sehr vieles über uns wider. Wie auch mit anderen Körperstellen verhält es sich so, dass im Kleinen das Große sichtbar werden kann. Fußbeschwerden entstehen manchmal durch schlechte Angewohnheiten und Bewegungen oder auch durch die Wahl des falschen Schuhwerks. Es sind oft mehrere Aspekte, die zusammenkommen und eine Rolle spielen. Daher ist es gut, an verschiedenen Stellen anzusetzen und – wie das alte Sprichwort sagt – den Brunnen nicht erst dann zu graben, wenn man schon durstig ist.
In der chinesischen Lehre findet man auch die Ansicht, dass Alterungsprozesse in den unteren Extremitäten beginnen und schwache Knie und Füße die Alterung begünstigen. Auch in unseren Breiten hat man beobachtet, dass sich der Gesundheitszustand von Menschen teilweise drastisch verschlechtert, sobald sie bettlägerig werden.
Aber auch ohne diese Zusammenhänge sind gesunde Füße etwas sehr Erstrebenswertes, denn sie tragen uns durch unser Leben. Ich hoffe, dass die vorliegenden Übungen Sie dabei unterstützen und Sie auf Ihrem Weg begleiten. Auf dass Sie gesund in Ihrem Leben stehen und voller Kraft in Richtung Ihrer Ziele marschieren können!
Herzliche Grüße
Bernadett Gera
QIGONG FÜR DIE FÜSSE
Was ist Qigong?
Das Werk Huangdi Neijing Suwen (dt. Titel: Der innere Klassiker des gelben Kaisers) aus dem 2./3. Jahrhundert v. Chr. gilt als die älteste schriftliche Aufzeichnung, in der Qigong im heutigen Verständnis erstmals erwähnt wird, wobei eine Beschreibung bestimmter Qigong-Übungen bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. niedergeschrieben wurde. Bei Qigong handelt es sich um eine Energiearbeit, die Zugang zu feinstofflichen Energien bietet und bei regelmäßiger Übung ein physisches, emotionales und mentales Wohlergehen herzustellen vermag. Der Körper wird gereinigt und gekräftigt, der Geist zur Ruhe gebracht und der Mensch in seiner Gesamtheit harmonisiert. Viele der großen und bekannten Ärzte in der Geschichte Chinas waren gleichzeitig große Qigong-Meister.
Qigong offenbart ein umfangreiches und detailliertes Wissen über die zentrale Kraft allen Lebens, seine Aktivierung, Stärkung und ausgeglichene Verteilung im physischen Körper. Die Fähigkeit zur Selbstheilung wird dadurch unerschöpflich. Der freie Energiefluss im Körper wird gefördert und gestärkt und Yin- und Yang-Kräfte des Körpers in ein dynamisches Gleichgewicht gebracht. Hierauf weisen auch die Schriftzeichen hin, aus denen der Begriff Qigong besteht. Qi bedeutet Lebenskraft, Gong weist auf Arbeit und regelmäßiges Üben hin. Qigong bedeutet somit frei übersetzt die Fähigkeit, mit der Lebensenergie zu arbeiten.
Beginnt man, ein sensibles Empfinden für feine Energien zu entwickeln, ist es möglich, Krankheiten und Beschwerden bereits im subklinischen Stadium, wenn noch keine messbaren Symptome festgestellt werden können, entgegenzuwirken. Einen Zusammenhang zwischen erkrankten Organen und den jeweiligen Leitbahnen wies unter anderem der Arzt Dr. Ioan Dumitrescu in seinen interessanten Forschungen nach. Einige dieser wichtigen Leitbahnen beginnen und enden an den Füßen. Daher verwundert es nicht, dass in verschiedenen Qigong-Arten stets Übungen für die Füße enthalten waren. Ein besonderes Augenmerk wurde insbesondere auch deshalb auf die Füße gelenkt, weil eine Schwäche in den Füßen Beschwerden, Krankheiten und Alterserscheinungen begünstigen soll. Ebenso stören Blockaden im Fuß das Yin- und Yang-Gleichgewicht des Körpers und können beispielsweise Bluthochdruck begünstigen. Das Fuß-Qigong selbst besteht aus einer Sammlung wichtiger bewegter und sogenannter stiller Übungen aus verschiedenen traditionellen Quellen, mit denen positiv auf die Gesundheit eingewirkt werden kann.
Seit den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts nahm die Verbreitung von Qigong-Stilen, von denen heutzutage mehrere Hundert existieren, immer mehr zu. Begünstigt wurde dies unter anderem dadurch, dass sich China dem Westen gegenüber immer mehr öffnete. Heutzutage erfreut sich Qigong einer immer größer werdenden Beliebtheit und wird sowohl prophylaktisch als auch bei bestehenden Beschwerden für die körperliche Gesundheit sowie zur Harmonisierung von Geist und Körper unterstützend eingesetzt.
Auch im deutschsprachigen Raum ist das Interesse an Qigong seit den späten 1980er-Jahren, als die ersten Bücher zum Thema erschienen, sehr groß. Nicht nur Volkshochschulen und Sportvereine bieten Kurse an – Qigong hat sogar seinen Eingang in Therapiekonzepte schulmedizinisch orientierter Rehabilitationseinrichtungen gefunden. Qigong als Bestandteil der jahrtausendealten Medizinkultur Chinas stellt eine wichtige Bereicherung unseres vergleichsweise jungen westlichen Medizinsystems dar. Besonders die hier vorgestellten Übungen des Fuß-Qigong erfreuen sich wie auch das Finger-Qigong immer größerer Beliebtheit. Sie können entweder eigenständig praktiziert oder mit anderen Formen der Energiearbeit kombiniert werden und ohne viel Zeit- und Kraftaufwand mühelos in den Alltag integriert werden.
Die Wirkungen des Fuß-Qigong
Unser ganzer Körper ist ein komplexes Meisterwerk. Unten und oben, innen und außen, Skelett und Organe, alles hängt miteinander zusammen. Selbst kleine Veränderungen an einer Stelle – beispielsweise in der Fußhaltung – können eine nachhaltige Wirkung auf den gesamten Organismus haben – sie können zum Beispiel Kopfschmerzen bewirken. Möglich wäre dies unter anderem über muskuloskeletale Beziehungen: Werden die Füße falsch belastet, wirkt sich dies auf die Knie und in der Folge auf die Hüftgelenke aus. Zum Ausgleich kann das Becken aus seiner natürlichen Haltung herausgeraten, was wiederum Auswirkungen auf die Wirbelsäule und den Nacken hat. Der verspannt sich, wodurch die Kopfschmerzen entstehen. Aber auch auf anderem Wege können die Füße »wirken«, zum Beispiel wenn sie in ihrer Bewegung eingeschränkt werden und damit die Venenpumpe in den Beinen behindert wird. Und nicht zuletzt haben Füße, die schmerzen oder nicht natürlich belastet werden (können), auch Auswirkungen auf die Psyche: Wenn Sie sich den Unterschied zwischen kleinen, langsamen, unsicheren Schritten und einem gesunden, kraftvollen Ausschreiten auf festem Fuß vorstellen, wird dieser Zusammenhang schnell klar.
Wie gut ist es da, dass man die Wechselwirkungen zwischen unseren Füßen, unserem Körper und unserer Psyche auch umgekehrt nutzen kann. Denn die Effekte, die man über die Füße auf den gesamten Organismus ausüben kann, sind ausgesprochen vielfältig und wurden inzwischen durch viele wissenschaftliche Studien bestätigt. Besonders die Fußreflexzonen-Massage erfreut sich auch im Westen großer Beliebtheit. Sie basiert auf dem Wissen, dass über bestimmte Bereiche auf der Fußsohle einzelne Organe positiv beeinflusst werden können.
Zugleich können sich auf der Fußsohle körperliche und seelische Beschwerden und Erkrankungen widerspiegeln, sodass sogar Diagnosen über die Fußsohle möglich sind. Zusätzlich zu diesem System entdeckte Rudolf Siener in den 1980er-Jahren, dass sich an den Beinen und Füßen wirksame Therapiepunkte befinden, so beispielsweise Punkte am Knie, die eine Wirkung auf Kopforgane wie Stirnhöhlen, Augen, Nase, Kiefer oder Ohren haben, sowie Punkte an der Ferse, die bei Beschwerden im unteren Rücken, der Bandscheiben oder im Rektum empfindlich reagieren.
Obwohl die Übungen des Fuß-Qigong unglaublich einfach und sanft sind, ist ihre heilende Kraft bei regelmäßigem Üben enorm. Durch Stimulieren wichtiger Energiepunkte (Akupunkturpunkte) und Energieleitbahnen (Meridiane) ist es möglich, bei Beschwerden gezielt auf die entsprechenden Organe und Körperbereiche einzuwirken und schnell Linderung zu schaffen. Selbst weit entfernte Körperregionen lassen sich auf diese Weise erreichen. Der Qi-Fluss, der Fluss der stärkenden Lebensenergie, wird verstärkt. Dadurch ist es möglich, den Körper allgemein und prophylaktisch zu kräftigen sowie mit bestimmten Übungen gezielt gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen entgegenzuwirken und sie zu lindern. Zugleich beleben die Übungen das Immun- und Kreislaufsystem, fördern die Durchblutung und entspannen – unter anderem über die daraus resultierende Wärmeentwicklung. Sie stärken den Stoffwechsel und aktivieren den Lymphfluss.
Fuß-Qigong kann grundsätzlich von jedem Menschen zu jeder Tages- und Jahreszeit praktiziert werden. Lediglich die Massageübungen sollten während der Schwangerschaft nicht fest, sondern nur sehr leicht und sanft und in Rücksprache mit einem Arzt oder Therapeuten durchgeführt werden. (Gleiches gilt auch für Krebserkrankungen.)
Übungen, die mit dem Akupunkturpunkt Niere 1 arbeiten, sollten während der Menstruation und während der Schwangerschaft vermieden werden. Auch Kinder sollten diese Übungen noch nicht durchführen. Alle anderen Übungen sind uneingeschränkt empfehlenswert, unterstützen das Energiegleichgewicht des Körpers und damit auch die gesunde Entwicklung des Kindes im Mutterbauch. Lediglich bei Risikoschwangerschaften lassen Sie die Massagetechniken bitte ganz weg.
Liegen schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor, sollten Sie, falls Sie unsicher sind und Ihr Arzt oder Therapeut nichts Gegenteiliges empfiehlt, ebenfalls auf die bewegten und stillen Übungen ausweichen. Lediglich bei Risikoschwangerschaften lassen Sie die Massagetechniken bitte ganz weg. Bei infektiösen Hautkrankheiten oder Verletzungen des Fußes sollten Sie die Massagetechniken und bewegten Formen des Fuß-Qigong nicht praktizieren.
Die Anatomie unserer Füße
Unsere Füße bestehen aus sehr kompakten Knochen, stützenden Bändern und Halt gebenden Muskeln, die sie beweglich machen und das Längs- und Quergewölbe spannen. Das Längsgewölbe liegt auf der Innenseite des Fußes und sorgt für seine Stabilität. Seine beiden Hauptauflageflächen, die Ferse und der Vorfuß, sind jeweils durch eine Fettschicht gepolstert, welche die beispielsweise beim Gehen oder Laufen entstehenden Belastungen dämpft. Das Quergewölbe, zwischen dessen Knochen sich Bänder und Sehnen spannen, überspannt das Längsgewölbe – wie der Name schon sagt – quer.
Das Fußskelett unterteilt sich in die Fußwurzel (Tarsus) mit sieben Fußwurzelknochen, den Mittelfuß (Metatarsus) mit fünf Mittelfußknochen und jeweils fünf Zehen, von denen der große Zeh aus zwei und alle anderen Zehen aus jeweils drei Knochen bestehen. Insgesamt befinden sich 26 Knochen (und zwei Sesambeine) der knapp über 200 Knochen des menschlichen Körpers in den Füßen.
Zudem ziehen sich die Waden- und Schienbeinmuskeln bis in die Füße und ergänzen die kurzen Fußsohlenmuskeln (die dem Fußgewölbe Halt geben) und die Ballenmuskulatur (die unter anderem für die Kraft beim Abstoßen sorgt).