Wenn Sie dieses Buch nach dem 21.12.2012 lesen, dann haben Sie überlebt!
Inhalt
Der malade Papagei
Als ich auf meine Vergangenheit als Käpt`n Ogli angesprochen wurde und mich freute
Der Bianglist
Puzzle
Die Hummeln mit den Kreuzschlitzschnauzen
Kein Thema
Das Pissgesicht
Mist
Tomatenbillard
Wellness
Die Badezimmerente
Ganoven-Ede
Auftragsmord
Die Ballonfahrt
Die sogenannte Teerfälscherbande
Der Tontechniker
Die Wespe mit der Frauentaille
Totschlag
Als Siggi plötzlich weg war
Die Grüß-Erna, der Bass-Joe, die Näh-Frau und der Scott
Ich liege im Gras und denke an Marie
Warum hassen Fliegen Salzgitter?
Hermann Hubers Hoden hüpften
Als die Fernbedienung noch Omma hieß
Der Biotonnenfachwirt mit Prädikat
Die Tango tanzende Telepromptertante
Die Frau, die man Guwer nannte
Otto, der Friseur
Der Streuwagenfahrer
Hedwigs Mann war kurz Maler
Als ich noch in Bielefeld wohnte, führte mich mein Weg zum Einkaufen häufig am Zoogeschäft von Kurt Seelmann vorbei. Den Laden gab es seit nunmehr über 80 Jahren. Immer im Familienbesitz. Dort kaufte mir meine Oma zum sechsten Geburtstag meinen ersten Goldhamster. Dort kaufte ich mir zum zwanzigsten Geburtstag mein erstes Aquarium und dort kauften sowieso alle Bielefelder Tierfreunde ihre Guppys, Katzen, Meerschweinchen oder gar so exotische Tiere wie Echsen oder Vogelspinnen.
Es gab kaum eine Gattung, die Kurt Seelmann nicht im Angebot hatte oder besorgen konnte. Und die Tiere fühlten sich wohl.
Seelmanns Laden war riesig groß. Die Fische schwammen im Teich, die Hamster drehten am Rad und die Vögel saßen in der geräumigen Voliere auf ihren Stangen und tirilierten vor sich hin.
Immer, wenn mich berufliche Verpflichtungen in die Nähe von Bielefeld führten, warf ich einen kurzen Blick in das beliebte Paradies für Zwei- bis Achtbeiner. So auch an diesem Samstagnachmittag im Juni.
Es war sehr warm und ich freute mich auf die Lesung, die ich am Abend in der Stadtbücherei von Dissen performen sollte. Hinter Seelmanns Geschäft befand sich ein großer Kundenparkplatz. Ich stellte meinen Wagen dort ab und ging zunächst in die Eisdiele von Federico Mancini, wo es das beste Eis weit und breit gab. Ich ließ mir dort einen Erdbeerbecher mit reichlich Sahne munden.
Danach schlenderte ich ein paar Schritte weiter, um die Zoohandlung von Kurt Seelmann zu betreten. Als der Inhaber mich kommen sah, begrüßte er mich freundlich und sagte: »Mensch, Juckel, gut siehst du aus. Wie geht es dir? Gibt es in diesem Jahr denn endlich den Literaturnobelpreis?«
Er klopfte mir auf die Schulter und lachte. Auch ich freute mich, mal wieder hier zu sein. Wir erzählten uns stundenlang alte Geschichten. Es schien so, als sei dazwischen die Zeit stehen geblieben. »Dazwischen«, welch ein Wort. Ähnlich blöd wie Übergangsmantel oder die La-Ola- Welle.
Seelmann führte mich durch den Laden und zeigte mir seine neuesten Errungenschaften.
Da war unter anderem eine Rieseneidechse aus Mexico, die im Terrarium unter einer Infrarotlampe liegend ein Mittagsschläfchen hielt.
»Die Eidechsen brauchen ganz viel Wärme. Wenn es denen im Hochsommer in Mexico zu kalt wird, begeben sie sich dort in den Schatten des Lagerfeuers.«
Ja, Kurt Seelmann war ein grandioser Geschichtenerzähler.
Dann führte er mich in den Hinterhof. Dort hatte er drei Freiluftgehege und eine große Voliere errichten lassen. »Jetzt präsentiere ich dir mein Sorgenkind«, sagte er und zeigte mit dem Finger in die hinterste Ecke des Vogelkäfigs.
Dort stand ein knallbunter Papagei vor einem Wasserbehälter und trank daraus. Was heißt stand. Er hüpfte davor hin und her. Der Ara hatte nämlich nur ein Bein.
»Was ist denn mit dem armen Tier passiert. Warum hat der Vogel nur ein Bein?«, wollte ich von Seelmann wissen.
Doch ehe er antworten konnte, hinkte der Papagei bis an das Käfiggitter heran, schaute mir in die Augen und krächzte: »Halt die Fresse, du Drecksau, sonst tret ich dich in Arsch!«
»In den Arsch«, korrigierte Seelmann.
»Dir auch in Arsch!«, fauchte der Papagei den Tierhändler an.
Ja, was war das denn für ein komischer Vogel?
»Macht wegkommt, wegkommt«, schrie das exotische Federvieh.
Seelmann setzte sich auf die Bank, die neben dem Birnbaum an der Voliere stand, und seufzte: »Tja, Henke, das ist in der Tat mein Sorgenkind. Aber er ist ein Schätzchen. Obwohl er nur ein Bein hat, hält er mich den ganzen Tag lang auf Trab. Nicht nur, dass er potenzielle Käufer beschimpft, nein, er hackt auch. Erst gestern hat er einer älteren Dame fast ein Auge ausgepickt. Ich weiß nicht, was ich mit der Bestie anfangen soll. Keiner will ihn haben.«
»Wie heißt denn das Tier?«, wollte ich wissen.
»Ach, der Vogel hat keinen Namen. Selbst wenn er einen hätte und man ihn rufen würde, wäre das zwecklos. Er würde nicht darauf hören. Ein typischer Fall von Einzelkind. Er war jahrelang mit seinen Eltern auf einem Schiff unterwegs. Ständig beschimpften sich sein Vater und seine Mutter. Und als der alte Kapitän starb, waren die Papageien auf sich alleine gestellt und stritten sich weiterhin in einer Tour. Und immer zwischen Vater und Mutter: dieser Vogel hier. Es ging um Unterhaltszahlungen und bei dem Gerangel hat einer der Eltern dem armen Viech ein Bein herausgerissen. Er wurde auf der Straße aufgefunden. Danach kam er ins Vogelwaisenhaus. Dort muss man ihn wohl ständig gehänselt haben. Seitdem ist er so aggressiv. Als er es nicht mehr dort aushielt, hat er sich selbst nachts in meine Babyklappe für verstoßene Tiere geworfen. Tja, und nun ist er eben hier.«
Ich sah, dass Seelmann sich große Sorgen um das Tier machte.
Egal, wie frech es auch war. Der Papagei brauchte einen neuen Besitzer, sonst müsste ein Vormund bestellt werden.
»Das würde er nicht verkraften«, jammerte Seelmann.
»Wissen Sie was, Seelmann?«, fragte ich den alten Mann, »was halten Sie davon, wenn ich den Vogel kaufen würde?«
»Du?«, fragte er.
»Ja«, erwiderte ich.
Seine Miene erhellte sich und er sagte gleich zu.
»Das wird aber nicht leicht für dich werden«, bemerkte er.
»Das sehe ich genauso!«, krächzte es aus dem Käfig.
»Das werden wir dann sehen«, erwiderte ich und blickte dem Federvieh in seine blauen Augen.
Ich trank anschließend noch einen Kaffee mit Seelmann und nachdem wir das Finanzielle geregelt hatten, ging ich in die Voliere, um den Vogel aus dem großen Käfig einzufangen und ihn in einen kleinen Käfig zum Mitnehmen zu setzen.
»Birdy to go!«, scherzte ich, nachdem es mir gelungen war, den Vogel einzufangen.
Als er in dem kleinen Vogelbauer saß, machte er einen Riesenterz und hinkte wie wild durch den Käfig. Immer wieder schlug er mit den Flügeln gegen die kleine Eingangstür. Und tatsächlich. Er hatte sich befreit, flog direkt auf meine Schulter und biss mir mein linkes Ohrläppchen ab.
Das schmerzte.
Ich versuchte, den Vogel einzufangen, doch immer wieder entwischte er mir geschickt und hüpfte mit seinem einen Bein davon.
Aber letztendlich bekam ich ihn doch zu fassen und wir fuhren am nächsten Tag zu mir nach Hause.
In den ersten zwei Wochen war er sehr frech. Ständig beschimpfte er mich. Als ich an einem Abend nach Hause kam und Beethoven in den CD-Player legte, hörte ich plötzlich, wie der Papagei bei der 9. Symphonie plötzlich mitsang. »Freude schöner Götterfunken, Kernkraft voll Plutonium«, trällerte er den leicht veränderten Text.
Er schien auf einmal ganz friedlich zu sein. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte ihn, was ich Gutes für ihn tun könne.
»Ich will poppen, poppen, poppen! Jetzt gleich hier und sofort. Poppen, poppen, poppen.«
Ich schloss eilig das Fenster und legte das schwarze »Gutenacht-Tuch« über den Käfig. Aber er hörte nicht auf.
So blieb mir nichts anderes übrig, als noch am selben Abend zum Zoodiscounter zu gehen, um mich nach einem Freund für meinen Vogel umzusehen.
Es waren gerade geschlechtsreife Beos im Angebot. Ich ließ mir ein Tier einpacken. Es war leicht behindert. Der Beo hatte nur noch ein Auge. Dort, wo früher das andere Auge war, hatte er eine schwarze Augenklappe, die seine leere Augenhöhle verbarg.
Er war handzahm. Als ich ihn daheim zu meinem Rabauken in den Käfig setzte, hatte ich zunächst arge Bedenken.
Aber es war wohl Liebe auf den ersten Blick.
Ich goss den zwei Turtelvögeln einen Schluck Prosecco in den Wasserbehälter, worauf sie sogleich auf Brüderschaft tranken.
Nach vier Tagen waren sie bereits ein Herz, ein Bein, ein Auge und eine Seele. Man sah sie abends miteinander schnäbeln.
Und immer, wenn ich das »Gutenacht-Tuch« über den Käfig legte, sangen sie vor dem Schlafengehen: »Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt.«
»Tja«, dachte ich, »wenn das im Leben mal alles so einfach wäre.«
Eigentlich hatte ich es schon verdrängt. Ende 2007, als ich noch für mehrere Agenturen modelte – ich catwalkte unter anderem als Röhrenjeansmodell für eine hochwertige Hose aus Taiwan – war ich auch für drei Jahre ein richtiger Fernsehstar. Die Francesco-Ogli-Company suchte nach einem neuen Darsteller für ihren Fast-Food-Überflieger Fischstäbchen. Der bisherige Akteur des Käpt`n Ogli war in die Jahre gekommen und konnte sich keinen Text mehr richtig merken. Das war nicht weiter tragisch; was jedoch schlimmer war: Er beschimpfte während des Drehs die Kinderdarsteller, die schon genug gebeutelt waren, weil sie den ganzen lieben Tag lang Fischstäbchen essen mussten und darauf nun überhaupt keinen Bock hatten.
Und als dann, wenn die Kinder die Fischstäbchen in Remoulade tauchen mussten, der Alzheimer-Käpt`n ins Bild lief und schrie: »Mir reicht es so langsam, die fetten Blagen fressen mir mein Abendbrot weg.«, da musste sich Heinz-Peter Müller, Inhaber der Ogli Haus- und Hof-Werbeagentur »Food`n´fish-Advertising«, etwas einfallen lassen.
Ein neuer Käpt`n Ogli musste her. Beim Käpt`n-Stuss-Casting hatte ich es unter die besten 20 geschafft und später wäre ich fast als Hauptdarstellerin für die weiße Rammaelo-Frau engagiert worden, aber Synchronsprecharbeiten für den Ruhrgebietsfilmkracher »Der Prinz von Wanne-Eickel«, die ca. sieben Monate dauerten, verhinderten meine Karriere als »Ohne-Schokolade-Frau«.
Man muss sich jedoch an mich erinnert haben, denn an einem Samstagmorgen im Juni 2006 fand ich eine Einladung zum Käpt`n-Ogli-Casting in meinem Briefkasten vor. Ich war erstaunt, als ich zwei Wochen später im Studio von Heinz-Peter Müllers »Food`n´fish-Advertising« eintraf. Außer mir saßen nur noch Frank Sobolewski, der ehemalige Herr-König-Darsteller von der Frankfurt-Wannheimer Versicherung, ein Double vom Double des Schibu-Kaffeexperten und natürlich Rudi Schluszinski, die Stimme der Werbung schlechthin, in dem kleinen Vorraum zum TV-Studio.
Heinz-Peter Müller öffnete die Tür, zeigte auf mich und lud mich zum Einsprechen ein. Das heißt, im Prinzip brauchte ich gar nicht zu sprechen, ich musste nur die Lippen bewegen. Das Einsprechen hatte Rudi Schluszinski bereits eingesprochen. Mein Part bestand darin, vor der Bluebox stehend, lippengerecht den Spruch vom Teleprompter abzulesen und freundlich zu lächeln.
»Wir machen dann mal eine Testaufnahme«, sagte Müller.
Das Laufband lief ab, ich blickte in die Kamera und bewegte meine Lippen.
»Ja, liebe Kinder, wer so lange auf Piratenfang war, der hat natürlich Hunger. Und wer Hunger hat und mir den Piratenarm mit dem Fleischerhaken dran vor die Füße wirft, der soll belohnt werden. Mit den leckeren Fischstäbchen von eurem Käpt`n Ogli.«
»Cut«, schrie Müller, »fantastisch, Sie haben den Job.«
Und damit auch die Verkleidung. Alle zwei Wochen musste ich nun für die neuen Filme ins Studio und die Lippen zu Rudi Schluszinskis Stimme bewegen. Ich war der stumme Käpt`n Ogli. Aber ich war ja nicht allein. Nein!!
»Dann ist es das Auto!« »Viel Spaß mit der Fußballnationalmannschaft wünscht Ihnen Pattburger alkoholfrei.« »Solarstrom? Ein Muss!«
Kornas Cola, Patti-Tütensuppen, Bleugot und Krausthaler, alle redeten plötzlich wie ich, wie Käpt`n Ogli. Eigentlich brauchte man keine Prominenten mehr in der Werbung, eigentlich reichte Schluszinskis Stimme. Aber die Gefahr, die ich sah, war eine ganz andere. Das Publikum – also die Konsumenten – konnte anhand der immer gleichen sonoren Stimme gar nicht mehr unterscheiden, wer für wen oder was warb. Es musste etwas geschehen.
Zunächst sollte ich mir einen 30 Zentimeter langen Bart wachsen lassen. Ein Jahr später: der Spot, in dem Käpt`n Ogli das Bundesverdienstkreuz am Band an seine Matrosenuniform genagelt bekam. Dann wurde der Obermatrose gar militant. Er und seine Rasselbande schossen mit unaufgetauten Fischstäbchen auf böse Piraten. Dadurch wurden die Piraten natürlich natürlich erlegt.
Alle Kinder schrien »Hurra!!«, warfen mich in die Luft und ließen mich hochleben. Das »Hurra!!« der Kinder war natürlich Playback. Rudi Schluszinskis Stimme wurde 14 Mal gesamplet und per Computersupersoundsoftware kinderschluszinskimäßig eingespielt.
So langsam hatten auch die Kinder den Kaffee auf. Eine große Anzahl von Gelegenheitsseifenpulverdarstellern und Oppa-Darsteller von Kürbiskernprodukten müpften auf. Die Stimmung in der Werbefilmdarstellerszene war nicht die beste. Überall, wo Schluszinski auftauchte, herrschte angespannte Atmosphäre.
Als Heinz-Peter Müllers »Food`n´fish-Advertising«-Agentur dann auch noch auf den Bolzen kam, mich gegen Rudi Schluszinski auszutauschen, war endgültig Schluss mit lustig. Nicht nur für mich. Es kam zum Generalstreik der Mitglieder der Gewerkschaft »WSF« (Werben, Sprechen, Filmen). Wir, die stummen Sprecher, rebellierten. Überall tauchte Schluszinski nun auf, trotz des – oder gerade wegen des – Generalstreiks.
Er war nun nicht mehr »Das Auto«, er war »Der Werber«. Ohne ihn lief nichts. Schade nur, dass sich alles verkannibalisierte. Schluszinski war die Allzweckwaffe für dies und das. Keiner wusste mehr, für welchen Unfug Schluszinski zuständig war. Aber die Stimme kam gut an. Und so wurden nach und nach auch die Nachrichten von Rudi Schluszinski gesprochen und präsentiert. Zunächst im ZDF um 19 Uhr. Damit er auch die Tagesschau im Ersten lesen konnte, wurde in Mainz eigens ein Tagesschaustudio nachgebaut. Nach dem Schluszinski-Wetter zeigte RTL dann »Schluszinski – Der Restauranttester«. Und zum Ausklang des Tages moderierte er dann auf TELE 5 die Sexanimationsshow »Ruf mich an – 666 geile Rentnerinnen warten auf dich«.
Heute, vier Jahre später, gibt es immer noch »Das Auto«. Ich hatte mir im Urlaub einen Bart wachsen lassen und wandelte mit einer Kapitänsmütze als Sonnenschutz auf dem Kopf auf Hiddensee am FKK-Strand lang.
Plötzlich rief ein junger Mann: »Schaut her, der sieht aus wie einst Käpt`n Ogli.«
Er kam auf mich zu und fragte mich, ob ich tatsächlich das Werbeidol aus seiner Kindheit sei.
»Nun ja«, sagte ich geschmeichelt, »so ist es, ja ich war Käpt`n Ogli.«
Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, schüttelte er den Kopf und sagte zu seiner Freundin: »Schade, ich dachte tatsächlich, ich hätte den echten Käpt`n Ogli getroffen. Aber seine Stimme. Die klingt so anders. So viel natürlicher.«
Das war für mich späte Genugtuung. Hinter einer Sandburg tauchten plötzlich Kinder mit Piratenmützen, Augenklappen und Schnellfeuerwaffen auf. Eine Maschinengewehrsalve ratterte durch die Luft. Immer mehr Piraten kamen hinter der Sandburg aus den Dünen auf mich zu.
Sie hoben mich in die Luft und schrien fast hysterisch »Käpt`n Ogli, Käpt`n Ogli – Hurra, hurra!!«
Ich versuchte krampfhaft herauszubekommen, ob es ihre eigenen Stimmen waren. Ja, so musste es gewesen sein. Die Kinder trugen mich, begleitet mit lautem Gejohle bis vor die Fischbude, die sich unterhalb des Strandaufganges Nummer 5 befand. Hinter der Theke der Fischbude stand Rudi Schluszinski und wendete panierte, rechteckige Fischstücke in einer gusseisernen Pfanne. »Willkommen im Leben, Käpt`n Ogli!«
Seine Stimme klang plötzlich ganz anders als im Fernsehen.
Hermine Bottler stand vor dem blauen Sofa. Sie hielt eine Säge in der Hand. Auf dem Sofa lag Harry, ihr Mann. Bis gestern war Harry noch Triangelspieler bei den Leipziger Symphonikern gewesen. Eine chronische Sehnenscheidenentzündung im linken Daumen trug jedoch dazu bei, dass Harry nun nicht mehr Triangel spielen konnte. Die Leipziger Symphoniker versuchten lange Zeit geheim zu halten, dass Harry nicht mehr in der Lage war, seinen geliebten Beruf weiter auszuüben. Aber nun war es ihm nicht mehr möglich, zu musizieren. Nachdem der Leiter des sächsischen Orchesters, Kurt Famuhr, Harry zunächst noch halbtags hatte spielen lassen, sah auch er ein, dass es so nicht weitergehen konnte. Es musste dringend ein Ersatztrianglist her. Und so geschah es.