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MOZART: „Gothic Erotic – Erzählungen“
1. Auflage, September 2013, Edition Subkultur Berlin
© 2013 Periplaneta – Verlag und Mediengruppe / Edition Subkultur
Inh. Marion Alexa Müller, Postfach: 580 664, 10415 Berlin
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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
Lektorat: Marion Alexa Müller
Cover: Madeleine Le Roy, fotografiert von Mozart
Satz & Layout: Thomas Manegold
print ISBN: 978-3-943412-66-6
epub ISBN: 978-3-943412-07-9
Mozart
GOTHIC
EROTIC
Edition Subkultur
Die geschilderten Ereignisse in diesem Buch sind teilweise autobiografisch. Namen und Personen sind jedoch nicht identisch mit realen Namen und Personen bei mutmaßlich realen Ereignissen und Episoden. Lediglich die Person des Autors ist als real anzusehen.
Ich wurde so oft gefragt, wie wir dieses „Geschwister-Wörtchen“ denn erfunden hätten?
Gothic Erotic war der erste Hit von UMBRA ET IMAGO – und wenn man überhaupt von einem Hit reden kann, dann bestenfalls innerhalb einer Randgruppe.
Damals war dieses kleine harmlose Liedchen ein Skandal! Ja, wir mussten sogar mit Inbrunst darum kämpfen, dass dieser Titel überhaupt das zweite Album bereichern konnte. Ich hatte die Auflage, Belege vorzuzeigen, die bezeugen, dass das Wort MÖSE bereits von irgendeiner anderen Band auf einen Tonträger gepresst worden war.
Das war 1992, also noch vor dem Google-Zeitalter. Schon alleine die Recherche war mühevoll, letztendlich hatte ich ein Ergebnis vorzuweisen: EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN mit Nymphchen und Möschen – und das wurde natürlich nicht akzeptiert.
Alleine der huldvolle und siegreiche Kapitalismus rettete unseren Hit! Es wurde kurzerhand ein „Ballermann DJ“ einer Mainstream-Großraumdisco beauftragt, unser schmutziges Werk den narkotisierten, hirnlosen Zombies zum Fraß vorzuwerfen.
Der Pöbel hatte große Freude an diesem Liedgut. Der Kirmes-DJ wollte sofort eine Kopie für sein eigenes Etablissement, denn zur großen Freude aller Beteiligten konnte man in sämtlichen Aggregatzuständen mitsingen.
Das hat dann wirklich alle Hardcore-Abzock-Manager unseres damaligen „Halsabschneider-Labels“ (wir waren damals ehrlich über jeden Support froh) restlos überzeugt. Der Text wurde heiliggesprochen. Er war nun hip, sozusagen salonfähig.
Wer jetzt denkt, das sei schon ein wenig zu einfach – der Pöbel und so … – der beobachte die Springer-Presse, die seit Jahrzehnten die Propaganda-Maschine des „Volkes“ ist. Ein Bild von Zeitung schafft es doch auch jeden Tag, Meinungen zu bilden.
Reicht das als Beweis?
Um wieder zum eigentlichen Thema zu kommen: Das Lied beschreibt einen wirklich im gotischen Sinne astreinen Sex, nachts unter dem Sternenzelt, in einer Burgruine.
Natürlich habe ich das selbst erlebt! Auch und gerade darum gibt es bei mir meistens eine zweite, persönliche Ebene im Text. Ich schreibe oft und gerne „doppeldeutig“.
Wer diese mannigfaltigen Ebenen zu deuten vermag, der hat mein ausgesprochenes Wohlwollen. Wer es nicht will oder kann oder beides, auch der erfährt meine Zuneigung, denn heutzutage muss ja nichts mehr, alles kann nur noch!
Nun gibt es sicher wieder einige Zweifler, die einwenden werden: „Ach, solch eine Klischee-Scheiße, meine Fresse, was bitteschön soll an den UMBRAS denn toll sein?!“
Darauf habe ich eine umstrittene, höchst subjektive kurze Antwort: „Wer sein Leben lang, im gewohnten Bette, vorzugsweise untenliegend seine periodischen Turnübungen durchzieht, der möge weiterhin viel Freude haben! Aber den anderen kann man doch bitteschön mal etwas Abwechslung beim Sex, neidlos und vor allem in stummer Bescheidenheit, gönnen!“
Der Sex, also dieser Gothic-Klischeesex, er hat was – eine gewisse Aura.
Es ist nicht die Gefahr ertappt zu werden, Blödsinn, das ist es wirklich nicht! Dann macht man’s im Hotelaufzug. Auch nicht das Gruselige ist berauschend. Ich finde Fußgängerzonen viel erbarmungsloser. Das alles wäre wirklich etwas pubertär.
Es ist die gewisse Ästhetik, die einen in den Bann zieht! Es ist irgendwie animalisch, eine „Zeitreise“ zurück zu unseren Wurzeln. Das ist die pure Steinzeit, die da ganz lasziv durchschimmert.
Ich erinnere mich genau! Es war eine frostig-kalte Januar-Nacht, damals. Wir zogen uns völlig nackt aus, wir praktizierten unsere Session und haben die Kälte nicht gespürt. Es war leicht bewölkt, der Vollmond verschwand zwischendurch immer wieder zwischen tiefschwarzen Wolken, die gegen den schwarzen Hintergrund Paroli boten.
Wir zogen immer bei Vollmond los. Nicht weil das so „vampiral“ wäre, nein, aus einem ganz profanen Grund: Nur bei Vollmond findet man überhaupt die Burgruine, die Altes Schloss genannt wird. Weil eben der Weg zu diesem Kultplätzchen schlicht und einfach durch den – der Name ist Programm – Black Forrest führt.
Lampen oder ähnliche Hilfsmittel waren aus unserem Ritual verbannt! Warum solch eine „zwielichtige“ Regel? Das möchte ich, mit Verlaub versteht sich, gerne für mich behalten!
Ich kann euch aber gerne verraten, wir sind beide zusammen gekommen! Um korrekt zu bleiben: ich einen Tick vorab, aber meine erotische Restenergie war in dieser Nacht glücklicherweise zuverlässig. Genau beim, um nur einen Tick zeitlich versetzten, gemeinsamen Orgasmus, kam der Mond mit seiner magnetischen Kraft hinter einer sehr dichten Wolkendecke hervor. Er war groß und hell, er war so mächtig! Es war mir, als hätte Gott mich geküsst, aber so richtig, mit Zunge und so …
Wenn so etwas passiert, dann ist das wirklich kein Sex mehr. Das ist eine Vision! Das war der eigentliche Kick, der Auslöser, diese Nacht in ein Lied zu bannen.
Ich sollte aber der Ehrlichkeit halber noch erwähnen, dass wir wenige Minuten nach unserem fulminanten Höhepunkt so froren, dass wir vor Zähneklappern kein Wort beim Abstieg wechselten. Es war ein stummer Abstieg in die „profanere Welt“. Die magischen Kräfte, die dunkle Macht, der Heilige Geist … Alles Quatsch, die Kälte zeigte uns deutlich das Memento Mori!
Ein weiterer Grund war meine Naivität und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen, die solch ein unvollkommener Geist zu ziehen vermag. Ich dachte, der Sex – nein, die komplette alles umfassende Sexualität – müsste doch in einer Randgruppe wie der Gothic-Szene – die von mir wahrhaftig, um nicht zu sagen „freiwillig monotheistisch“ geliebt wurde, wie eine Religion, die man wählt und der man bis in den Tod treu bleibt – so ganz anders sein. Also irgendwie „gruftig“, frei von Vorurteilen und Intoleranz.
Ich lag so was von daneben! Hass haben wir geerntet, anders kann man es nicht formulieren.
Zu unserem Glück wurden wir aber von einigen Wenigen auch innig geliebt. Meist von Frauen, das hat uns dann doch sehr motiviert, weiterzumachen. Wir haben volle Kanne polarisiert. Bis wir das endlich gemerkt hatten, war es viel zu spät, um da noch ungeschoren herauszukommen.
Wir mussten dieses Joch auf uns nehmen und stur diesen Weg weiterverfolgen. Das war nicht geplant, ich wollte auch kein Sex-Papst werden – nein, wollte ich nie.
Ich wollte den Sex in die Kunst zerren, was dieser auch verdient hat. Mehr wollte ich anfänglich wirklich nicht!
Später kamen dann die SM’ler dazu, so nach und nach. Am Anfang, weil es da nun Lieder und vor allem Texte gab, die zu den zu zelebrierenden SM-Sessions passten! Denn der Vollzug erotischer Tätigkeiten war auch das Thema der Musik, die Texte waren für die Szene eine gewaltige Inspiration!
Vorher hatte man Techno, bestenfalls Kuschelrock gehört. Das machen heute auch wieder viele. Ich habe den leisen Verdacht, dass diejenigen grundsätzlich keinen so großen Wert auf Texte legen.
Langsam, sehr langsam wurden wir zum Kult erhoben. Heute kennt uns fast jeder, auch die Mainstreamler wissen, das sind DIE mit dem „Mösenlied“. Ob das wirklich so gut ist, soll der geschätzte Leser selbst beurteilen.
Ich habe es aufgeschrieben, damals, dieses Lied. Wir haben es live so oft gespielt, bis es still und heimlich aus dem Set flog. Etliche Bands haben uns bis zum heutigen Tag kopiert. Wir werden gerne kopiert, aber gleichzeitig möchte man uns dafür keine Huld zollen!
Das ist ein bisschen so, wie der Einkauf im Sexshop. Da bekommt man auch Tüten ohne Werbung, in allen anderen Läden wäre das undenkbar. Ich finde, das ist zu verkraften, man kann ja nicht alles haben.
Ich habe das meiste, was ich erleben durfte, nicht aufgeschrieben. Es war, in der Rückschau betrachtet, zu ungeheuerlich, zu privat, zu intim, aber es hat stets meinen Geist beflügelt und so manche Zeile geht trotzdem heimlich darauf ein, in jener besagten zweiten Ebene meiner Texte. Ich liebe Herausforderungen, Grenzbereiche, ich bin immer noch wissbegierig, das sind die Gründe, weshalb ich überhaupt noch Texte oder Lieder schreibe.
Ich habe damals dieses Doppelwörtchen kreieren dürfen, in dieser frostigen Januar-Nacht! Falls ihr es einmal irgendwo lesen solltet, es euch unbedarft begegnen sollte, möglicherweise im Netz – es taucht dort mannigfaltig auf – dann wisst ihr jetzt auf alle Fälle, es gibt wirklich eine Geschichte dazu.
Am liebsten wäre es mir aber, ihr würdet am Gothic-Klischeesex höchst selbst und in Farbe teilnehmen!
Um in den erlauchten Kreis zu treten, der Wissen durch praktische Erfahrung zu bereichern und zu kultivieren vermag.
Viel Freude wünsche ich nun vor allem den Mutigsten unter euch, den aktiven und kreativen Schlüsselreizausprobierern, bei den glorreichen gotisch-erotischen Grenzerfahrungen!
Gute Unterhaltung!
Euer Mozart
Meine Kindheit verlief wie jede andere Kindheit auch, also im positiven Sinne. Natürlich gibt es da feine Unterschiede, meist beeinflusst von den Eltern.
Sind die Eltern fähig, einem Aufmerksamkeit zu schenken? Halten sie durch, oder bricht diese natürliche Zeugungs- und Aufzuchtgesellschaft wegen Unstimmigkeiten auseinander? Sind die Eltern ausgeglichen und stolz oder ist der Nachwuchs genau das, was man ganz und gar nicht erwartet hat? Hat man überhaupt etwas erwartet?
Ich hatte Glück. Mit einer bodenständigen, religiösen und konservativen Erziehung versuchten meine Erzeuger, all die Freuden des „Gammlerlebens“ noch etwas auf die lange Bank zu schieben.
Doch es kam der Tag, als ich meinen Piephahn entdeckte. Auch das war eigentlich völlig normal, mit einem Unterschied: Ich war ein wenig früh dran. Meine Eltern wollten eigentlich diese Entdeckung so lange krampfhaft verhindern, bis eine Heirat diese Sache legitim machen würde. An Heirat war aber mit 12 Lenzen nicht zu denken, deshalb musste die Aktion Piephahn auch völlig geheim vonstattengehen.
Es war ein Wunder, ja ich würde sogar behaupten, es war ein Schlüsselerlebnis, als ich zum allerersten Mal entdeckte, was man mit diesem Teil machen kann! Welche gewaltigen Chancen und welche widersprüchlichen, aber unendlich variierbaren Möglichkeiten im unerforschten vorpubertären Gliedchen steckten! Schon alleine die Vorfreuden waren gewaltig – in der Rücksicht betrachtet, eine Ungeheuerlichkeit, denn was ich mit diesem Teil seit damals alles angestellt habe, das ist schon gewaltig! Doch nie war die Sache spannender und verlockender als damals in der elterlichen Toilette, ohne Hilfsmittel, ohne eine inspirierende Vorlage und ohne eine Gespielin. Nicht im Traum hätte ich an Mädchen gedacht! Das Universum kreiste damals spartanisch um diesen kleinen Piephahn.
Die Toilette und der Piephahn: Das wurde zur Obsession. Schon damals neigte ich nicht dazu, mit zunehmender Erfahrung irgendwie die Lust zu verlieren. Grenzbereiche wollte ich erleben, niederreißen wollte ich die Hürden! Bis ich wieder einmal im selbstverlorenen Spiel bemerkte, dass diese verflixte Vorhaut irgendwie nicht über meine Eichel ging. Sämtliches Zerren und Schieben, Drücken und Quetschen hatte nicht geholfen. Ich war mir aber auch nicht sicher, wie das genau aussehen muss, so eine Befreiung aus der engen Epidermis, dieser hinderlichen Vorhaut da unten. Trotzdem merkte ich irgendwie, es ist was faul an diesem neuen Spielzeug!
Da erfasste mich die erste Penis-Panik. Das alles war nicht so, wie das die Jungs in der Schule geschildert hatten. Ich war ernsthaft verkrüppelt. Gerade da unten! Was für eine Schande, bitte nicht hier … oh Gott!
Ich beschloss, mich selbst aufzuklären, ein Pornoheft musste her! Das war früher nicht leicht, heute kann jeder Teenie unverschämt einfach einen Porno (bewegte Bilder … unvorstellbar damals …) auf sein Handy laden. Ich finde das immer noch aufs Tiefste ungerecht, dass ich solche Mittel nicht hatte und wie in der Steinzeit, durch List und Tücke sowie mit einer Engelsgeduld, mir diverses Bildmaterial hart erarbeiten musste. Es dauerte ewig, bis ich zu dieser wirklich wichtigen Information kam, um mein Selbstbewusstsein und das Schicksal meines ganzen, noch glorreichen Lebens, zu retten.
Mein Schulfreund Ralf K. hat mir dann unwissentlich sehr geholfen, als er beim trögen Spiele in der elterlichen Wohnung unwillkürlich vorschlug, ihm zu folgen. Er klappte die Sitzfläche des wuchtigen Klumpsofas, das damals wirklich trendy war, hoch. Es kamen abertausende von Pornoheften zum Vorschein. Wie Kinder halt so übertreiben, wenn etwas so Unglaubliches zur richtigen Zeit passiert. Wahrscheinlich waren es nur einige Dutzend, für mich war es das finale Ziel meiner harten Bemühungen.
Nach außen hin strahlte ich eine bewundernswerte Ignoranz aus! Ja, man könnte es schon fast Desinteresse nennen. Das enttäuschte Ralf sehr, ich vermute, er hatte mit seinen anderen Freunden mehr Freude bei diesem Trick. Ziemlich zügig verlor er das Interesse an dem geheimen Inhalt des elterlichen Wundersofas und schlug dann etwas gekränkt vor, doch lieber draußen weiterzuspielen.
Diese Sau, er besaß das, was ich so vermisste und schätzte es nicht einmal! Er trottete aus dem Zimmer. Das war meine Chance! Ich krallte mir an Heften, was ich zu schnappen vermochte und stopfte alles unter meinen Pulli. Das alles ging in Sekundenbruchteilen, in Lichtgeschwindigkeit vonstatten. Heute weiß ich, ich hätte es auch in extremer Zeitlupe machen können. Ralf scherte sich nicht mehr darum, was ich hinter seinem Rücken tat, er war enttäuscht. Ein Erwachsener würde sagen: „So ein verlogener Heuchler, als ob ihn das kaltlassen würde, dieser Spießer!!“ Seid versichert, auch Kinder können mitunter ganz schön analytisch sein.
Endlich war ich wieder auf der Toilette. Der Piephahn blieb im Versteck, es ging nun um Forschung. Ich musste Klarheit über mein Schicksal gewinnen. Trotzdem hat mich das ganze, vor mir ausgebreitete Spektrum zwischenmenschlicher Variationen erst einmal von meinen Nöten abgelenkt. Alter Schwede, das war meine Lektüre, das war ein Gefühl! Ähnlich einem Büchermönche, der in der Reife seiner Jahre die aramäischen Urschriften der Bibel entdeckt!
Sowas muss man erst einmal verkraften. Fasziniert sah ich mir die brutalen, aufgeblasenen und gewaltigen Schwänze an. Das hat mich zwar beeindruckt, aber auch ziemlich unsicher gemacht!
Wäre ich nicht so ein verbissener Forscher gewesen, hätte mich der Vergleich zwischen dem, was ich in den Magazinen sah und dem, was ich da unten hängen hatte, sofort zu einer selbstbefreienden Zerstörung dieser Literatur und einem unmittelbaren Verdrängen des bisher erlangten geheimen Wissens veranlasst.
Ich blieb tapfer und alle Befürchtungen waren wahr. Es gab keine Ausreden mehr. Meine Vorhaut war degeneriert, ich war ab-normal, ich war ein Krüppel, ich war untröstlich!
Nach angemessener Trauerarbeit war ich bereit zu etwas Unerhörtem. Zu einem Schritt, der nur gewagt wird, wenn es nicht mehr anders geht. Ich traf eine Entscheidung, die man immer und immer wieder aufschiebt, weil es eigentlich undenkbar ist, weil es peinlich ist, weil die Umsetzung so viel Kraft kostet und allein der Gedanke daran wie ein unendlicher Alptraum ist:
Ich sprach mit meinem Vater darüber!
Natürlich mit aller Verschlagenheit und sämtlicher, zur Verfügung stehenden rhetorischen Kenntnisse, denn wie hätte ich je wieder in Ruhe – falls das Unheil doch noch irgendwie wieder gutzumachen wäre – an meinem Zipfel spielen können?
Also habe ich mit größter Naivität in Stimme und Gebaren, eine herzzerreißende Geschichte erfunden. Ich hätte beim Wasserlassen gemerkt, dass ich so ein Brennen verspürte und dann beobachtet, dass meine Haut da unten so spannen würde.
Mein Vater hatte angebissen. Zwischen der Sorge um die Gesundheit seines Erstgeborenen und der Unsicherheit, aus der für ihn völlig überraschenden, heiklen Situation heraus, sagte er, ohne überhaupt mal nachzusehen: „Da müssen wir ins Krankenhaus!“
Oh Gott, es kommt immer noch schlimmer, als man sich das in den schauerlichsten Vorahnungen ausmahlt. Das erlebe ich heute noch! Das ist eine Konstante im Leben! Darauf kann man sich wirklich verlassen!
An alles habe ich gedacht, aber nicht im Geringsten daran, dass mein Vater das Zipfelproblem galant an einen Akademiker und seine wüste Bande weitergibt.
Dann war es so weit. Mein Vater saß mit mir im Wartezimmer und nur auf Drängen des medizinischen Fachpersonals folgte er mir ins Behandlungszimmer. Im Vergleich zu der mir bekannten und gefürchteten Tatkraft trottete mein Vater eher zaghaft und ungewohnt zurückhaltend hinter mir her.
Im Beisein zweier unverschämt junger, maulaffenfeilhaltender Assistentinnen setzte der Arzt mich auf die Liege, zog mir eigenhändig meine Hosen runter und untersuchte abgebrüht, professionell und fast mürrisch mein erbärmlich geschrumpeltes Teil. Nachdem er mich in unwürdigster Weise demütigend, seinen unverschämt indiskret glotzenden Beisteherinnen vorgeführt hatte, sagte er zu meinem verunsicherten Vater: „Das muss operiert werden, so bald als möglich, denn der Eingriff ist am unproblematischsten, wenn er in jungen Jahren durchgeführt wird. Der Eingriff ist Routine, der Aufenthalt im Krankenhaus beträgt ungefähr fünf bis sechs Tage. Die Operation ist unproblematisch. Aber sie ist in diesem Falle notwendig … Es ist eine klassische PHIMOSE!“
Ich vermute, heute macht man das ambulant. Damals war eine stationäre Behandlung der Standard. Ich fand mich in einem Fünf-Bettzimmer wieder, absolvierte meine OP, wachte auf und hatte ein tierisches Ziehen um meinen Piep–hahn herum.
Als ich aufstehen wollte, stellte ich fest, dass man mir ein Drahtgeflecht über meinen Leistenbereich gebastelt hatte. So ein Gestell, das aussah wie eine Brücke oder ein Tonnengewölbe. Dabei ging es einzig und alleine darum, so glaubte ich ganz fest, mich zum Deppen zu machen – oder gar zu demütigen.
Ich hätte das sicher sehr schnell verarbeitet. Aus heutiger Sicht wäre es eine bald vergessene Episode gewesen, nicht der Rede wert – hätte es nicht am folgenden Morgen eine Visite gegeben.
Noch vor dem Frühstück wurde die Türe aufgerissen und ein Bataillon von Ärzten, Schwestern und Schwesternschülerinnen stürmte ins Krankenzimmer. Wenn ich behaupte, es waren insgesamt mindestens 25 Menschen, dann wäre das stark untertrieben.
Da ich gegen den Uhrzeigersinn, also von der Türe aus linker Hand, das erste Bett zugewiesen bekommen hatte, war ich das erste Opfer einer widerlichen, psychisch grausamen Visite.
Nun kam ein Trauma über mich, als wäre es ein Exempel, das an mir statuiert werden sollte, als Übungsstück für das Leben!
Der Oberarzt riss mit einem beherzten Schwung meine Decke weg, noch in der Bewegung nahm er flink und durch ständige Übung geschickt in seinem Tun, meine Brücke, also mein Feigenblatt, in Lichtgeschwindigkeit von diesem zugedachten Platze hinweg.
Alle Anwesenden stierten auf mein stark lädiertes, mit Schrunden versehenes und erbärmliches kleines Zipfelchen. Der Oberarzt erfasste fachmännisch mein Glied, zog es nach oben, drehte und wendete es nach Belieben und dozierte dabei monoton mein Krankheitsbild, dessen Verlauf und die zukünftigen Maßnahmen zur Steigerung der erfolgreichen Heilung.
Am Ende seines Exkurses zwinkerte er mir väterlich zu, um dann laut und direkt seinen Jüngern zu verkünden, dass dieser Zipfel seine Pflicht im Leben noch vielseitig unter Beweis stellen würde! Nun herrschte eine gelöste Stimmung am Krankenbette! Es wurde gegaggert, gewiehert, gespottet, getuschelt … es brach über mich herein, so früh am beginnenden Tage, unvorbereitet, vor dem Frühstück, auf meine Kosten! Ich war nur noch ein kleines, in sich zusammengefallenes Häufchen Elend.
So muss eine Vergewaltigung sein, dachte ich! Ich war aufs Tiefste beleidigt, gekränkt, beschämt, ich wäre am liebsten im Boden versunken.
Ihr werdet nun zu Recht denken, mein Gott es gibt wirklich Schlimmeres im Leben! Da habt ihr wirklich Recht, aber damals war das für mich das Entsetzlichste, was mir in meinem bisherigen Leben passiert ist!
Wenn ich mal Zeit zum ernsthaften Reflektieren finde, denke ich, dass mich das wirklich geprägt hat. Diese Phimose, die hat mich zu dem werden lassen, was ich heute bin!
Freud würde vielleicht dazu sagen: „Durch diese devote Erfahrung, dieser traumatischen Visite, ist etwas passiert, was bis ins späte Leben nicht beleuchtet noch verarbeitet wurde!“ Die Verdrängungstheorie, ihr wisst Bescheid! Vielleicht wurde mir auch ein unterbewusster Frauenhass eingetrichtert, erzeugt vom Gefühl der Hilflosigkeit. Erwuchs da ein verschüttetes Trauma, durch das nackte Ausgeliefertsein?
Ich weiß beim besten Willen nicht genau, was Freud dazu gesagt hätte. Ich habe Freud damals nur einmal flüchtig gesehen, auf einem vergilbten Buchrücken! Was ich weiß, ist, dass ich nach einer kurzen Trauerphase im Krankenhaus, mindestens fünf bis sieben mal am Tag onaniert habe und mit Freuden feststellte, dass dies jetzt wie geschmiert funktionierte und dass ein Erguss auch mit Karacho aus der Röhre zu spritzen vermag. Das war neu und unverschämt interessant! Ich war richtig fixiert auf diese autoerotische Wollust! Ich steigerte mein vorpupertäres Potenzgehabe enorm.
An diesem besagten Tag aber war ich erst mal froh, dass diese Visite vorbei war und besorgt, ob am nächsten Tag wieder eine derartige Folter anstand und überlegte, wie ich angemessen reagieren könnte.
Ich hatte aber auch erlebt, dass es eigentlich auch eine verdeckt lustvolle Erfahrung ist, wenn alle auf mein Geschlecht stieren. Unterschwellig hatte ich im schmutzigen Hinterkopf irgendwie auch ein Fünkchen Kummer bei der Vorstellung, dass ich bei kommenden Visiten auch noch n’en Harten bekommen könnte.
Da hätte ich mir aber keine Sorgen machen müssen, denn die Finger des Oberarztes, waren wie geschaffen dafür, dass dies nie passieren würde.
Alsbald reifte dann sogar eine Idee, diese Visite doch mal im privaten Rahmen zu inszenieren und dann ohne diesen Oberarzt! Diese wissenschaftliche Studie nur mit den angelernten Schwesternschülerinnen nach meinen Gutdünken fortzusetzen.
Das scheiterte aber von vornherein an meinem nötigen Fachwissen, das Personal professionell bei dem ersonnenen Experiment anzuleiten, als auch daran, eine dafür nötige Dialektik zu beherrschen, die solch einen Coup, exzellent verpackt, verbal einzufädeln vermag.
Was ich sehr genau erkannte war die Tatsache, dass ich eigentlich nie mehr defensiv solch eine, oder besser gesagt, überhaupt irgendeine erotische Situation erleben möchte.
Daher habe ich nun, eine offene, zudem auch überwiegend dominante, manche meinen, eine doch sehr forsche Art, mit sich anbahnenden sexuellen Gelegenheiten umzugehen.
Kurz gesagt: „Besser progressiv und stahlhart eine peinliche, vermeintlich defensive oder verwirrende sexuelle Situation meistern, als seinen Penis in einer erbärmlichen höchst unvorteilhaften Stellung nach unten hängenzulassen.“
Diese Weisheit hat mich im späteren Leben meistens sogar ans Ziel gebracht, oft sogar darüber hinaus! Was nun für jeden Einzelnen als Ziel erstrebenswert erscheinen mag, das überlasse ich Ihnen, geschätzter Freund. Aber ich glaube, wir haben uns schon verstanden.
All das ging mir durch den Kopf, während man von außen, abgesehen von der hochroten Farbe meines Schädels, keine wesentliche Veränderung wahrnahm. Hätte ich diesen damaligen Ansatz weiter verfolgt, wäre ich Pokerspieler geworden! Aber meine prägende Betrachtungsweise war weit weg von einem Kartenspiel.
Ich wurde durch diesen Eingriff – ich sage es gerade heraus – ein Mann, durch Demütigung gestählt! In sexuellen Fragen, fast fanatisch … ein Kontrollfreak, ein wollüstiger kleiner Fratzke! Seht ihr, was die Gesellschaft aus einem unschuldigen Knaben machen kann?
Jahre später, machte ich meinen Zivildienst in diesem Krankenhaus, ratet mal, wo ich da wohnte?
Genau, im Schwesternwohnheim! Immer wenn ich mich durch die neun Stockwerke vögelte wie ein Geisteskranker, so war das die Rache an den Schwesternschülerinnen, die nun meinen beschnittenen, abgehärteten Penis ertragen mussten, stellvertretend für die mir angetane Schmach der Schwestern-Generationen vorher, dieser versauten Brut, mit ihrem Gelächter, den Zoten und den Nötigungen. Sie hatten es darauf abgesehen, meine Lust am Sexuellen zu töten. Da war ich ganz sicher! Doch mein Piephahn verkündete das Evangelium, mit dem fanatischen Glauben, den nur ein in Drangsal geläuteter Geist aufbieten kann! Zeitweise, ich gebe es heute zaghaft zu, betrachtete ich dies im übertragenen Sinne sogar als einen christlichen Gedanken.
Ich freute mich über mich selbst, mich haben sie nicht klein gemacht, ich habe es allen gezeigt. Freud hätte eine Freud’ an mir! Ich habe mich befreit von allem Ballast, von Scham und Penisneid! Ich bin geheilt, dachte ich mir, ich habe mich höchst selbst geheilt … ich ficke euch alle!!
Natürlich habe ich später auch diesen Irrweg erkannt, manche Frauen haben mir dabei sehr geholfen … Das war nicht immer schön für mich, oder schmerzfrei, aber es war ein heilsamer Dämpfer, den ich vielen, vor allem männlichen Mitmenschen – ich bin da mal ganz ehrlich – auch einmal wünschen würde.
Ich bin Künstler geworden, Psychologie zu studieren, war mir zu anstrengend. Ich habe schnell erkannt, dass ein Künstler dieselben Chancen hat, wie ein Psychologe zu brillieren, beim begehrten Geschlecht! Vorausgesetzt, den unabdinglichen Fleiß – gerade in erotischen Dingen – begleitet auch ein gewisses Talent!
Es geht immer nur um Sex – das wissen wir doch alle … oder? Auch wenn man vordergründig gar keinen Sex im Kopf hat, auch dann geht es trotz allem immer wieder um Sex! Ich bin doch das beste Beispiel!
Das Gehirn ist immer schneller, es ist auch unbestechlich ehrlich, wenn man es lässt. Eine Phimose hat mit Sex rein gar nichts zu tun, aber ich glaube, ich konnte einleuchtend darlegen, dass unser Unterbewusstsein schon lange weiß, worum es geht, auch während wir selbst noch leugnen und hadern. Da hilft kein Heucheln, auch kein Verdrängen.
Seit dieser Episode weiß ich es. Ich habe es akzeptiert. Das Unterbewusstsein, mit Verlaub gesagt: Es ist wirklich eine alte Sau!