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Die Dunkelelfen sind die bösen, skrupellosen Verwandten der im Licht lebenden Elfen. Nur einer von ihnen hat jemals ihr unterirdisches Reich verlassen, um eine bessere Zukunft zu suchen: Drizzt Do´Urden. Doch nun, nach so vielen Jahren, muss er zurückkehren. Denn die Dunkelelfen von Menzoberranzan haben einen höllischen Schrecken entfesselt, den sie nicht kontrollieren können und der auch die Oberflächenbewohner vernichten wird. Nur Drizzt kann dieser Bedrohung seiner neuen Heimat ein für allemal ein Ende setzen.

R. A. Salvatore wurde 1959 in Massachusetts geboren, wo er auch heute noch lebt. Bereits sein erster Roman »Der gesprungene Kristall« machte ihn bekannt und legte den Grundstein zu seiner weltweit beliebten Romanserie um den Dunkelelf Drizzt Do’Urden. Die Fans lieben Salvatores Bücher vor allem wegen seiner plastischen Schilderungen von Kampfhandlungen und seiner farbigen Erzählweise.

Die Legende von Drizzt bei Blanvalet:

Menzoberranzan

Die Dunkelelfen · Die Rache der Dunkelelfen · Der Fluch der ­Dunkelelfen

Das Eiswindtal

Der gesprungene Kristall · Die silbernen Ströme · Der magische Stein

Das Vermächtnis des Dunkelelfen

Das Vermächtnis · Nacht ohne Sterne · Brüder des Dunkels · Die Küste der Schwerter

Pfade der Dunkelheit

Kristall der Finsternis · Schattenzeit · Die Rückkehr der Hoffnung

Die Söldner

Der schwarze Zauber · Der Hexenkönig · Die Drachen der Blutsteinlande

Die Klingen des Jägers

Die Invasion der Orks · Kampf der Kreaturen · Die zwei Schwerter

Übergänge

Der König der Orks · Der Piratenkönig · Der König der Geister

Niewinter

Gauntlgrym · Niewinter · Charons Klaue · Die letzte Grenze

The Sundering – Die Gefährten

Das Buch der Gefährten

Die Nacht des Jägers · Der Aufstieg des Königs · Die Vergeltung des Eisernen Zwerges

Die Heimkehr

Meister der Magie · Meister der Intrige · Meister des Kampfes

Außerdem: Erzählungen vom Dunkelelf

R.A. SALVATORE

MEISTER
DER MAGIE

Die Heimkehr

I

Roman

Aus dem Englischen
von Imke Brodersen

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel
»Archmage (Legend of Drizzt 28, Homecoming 1)«
bei Wizards of the Coast, Renton, USA.


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Copyright der Originalausgabe © 2017
by Wizards of the Coast LLC 2014
FORGOTTEN REALMS, NEVERWINTER,
DUNGEONS & DRAGONS, D&D, WIZARDS OF THE COAST
and their respective logos are trademarks of Wizards
of the Coast LLC in the U.S.A. and other countries.
© 2019 Wizards of the Coast LLC. Licensed by Hasbro.
Published in the Federal Republic of Germany
by Blanvalet Verlag, München
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2019
by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Alexander Groß
Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft
nach einer Originalvorlage von Wizards of the Coast LLC
Umschlagillustration: Aleksi Briclot
HK · Herstellung: sam
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN: 978-3-641-23690-8
V002

www.blanvalet.de

Prolog

Bei jedem tiefen Atemzug schnaubte der massige Dämon Feuer. Seine krallenbewehrten Hände zuckten, denn er hätte nur zu gern nach der großen Flammenpeitsche gegriffen, die in einer Schlinge um seine Hüfte steckte. Es war Balor, der Mächtigste seiner Art, riesig und kraftvoll mit seinen großen ledrigen Flügeln, der Feuerpeitsche, dem Blitzschwert und langer Kampferfahrung. Die Dämonen, die seinen Namen und seine Gestalt annahmen, galten als Generäle des Abgrunds und wurden von den Dämonenlords eingesetzt, um deren Armee in die endlosen Kriege zu führen, die jene trostlose, rauchende Existenzebene verwüsteten.

Es juckte ihn in den Fingern, doch er wagte nicht, seine Waffe zu erheben. Das Wesen, vor dem er stand, halb Spinne, halb berückende Drow, war nicht hier, um ihn als General anzufordern.

Ganz und gar nicht, wie es schien.

»Du willst mich schlagen?«, bemerkte die Spinnenkönigin, deren acht Beine über die Steine klackerten, während sie den Dämon umrundete. Hinter ihr lag ein Haufen geringerer Dämonen – in Stücke gerissene Manen, zu Brei geprügelte Balguras, Schattendämonen, die ihrer Lebensenergie beraubt und nur noch rauchende Wolken in der sinnlosen Finsternis waren.

»Warum bist du zu mir gekommen, Lolth?«, fragte Balor. »Warum hast du mein Gefolge vernichtet? Ich führe keinen Krieg gegen dich oder andere, und ich stehe derzeit niemandem zu Diensten.«

Die Spinnenkönigin wandte ihren Drow-Oberkörper dem Gemetzel zu, das sie angerichtet hatte. »Vielleicht war mir langweilig«, entgegnete sie ungerührt. »Es spielt keine Rolle.«

Balor gab ein leises Knurren von sich, ließ sich ansonsten aber nichts anmerken. Er wusste, dass mehr dahintersteckte. Das alles hier war weitaus gefährlicher. Lolth hatte in letzter Zeit viel mit dem Balor Errtu zu tun gehabt, und Errtu war Balors größter Rivale.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, hakte Lolth nach. »Du willst mich schlagen?«

Balor konnte das begierige Zucken seiner Klauen nicht leugnen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte er natürlich allen Dämonenlords gedient, aber Lolth war ihm am meisten zuwider. Sie war mehr als die anderen Herren des Abgrunds, denn sie war eine Göttin, die sich auf die Gebete und die Ergebenheit kläglicher Sterblicher auf der Materiellen Ebene stützte – Wesen, die Balor als … Futter betrachtete. Ob Spinne oder Drow oder welche Form sie auch anzunehmen geruhte, ihre Augen richteten sich nicht hierher auf den Abgrund, sondern waren immer anderswo. Wie ihre Ambitionen.

»Tue es«, forderte Lolth ihn heraus.

Wieder entrang sich Balors Lippen ein Knurren. Wie gern er ihre Aufforderung befolgen würde!

»Ach, du kannst nicht«, fuhr Lolth fort. »Weil ich dich mit einem Wort vernichten oder in etwas viel Geringeres verwandeln kann.«

Balors Nüstern flammten auf, weil sich in ihnen Feuer sammelte. Nein, sie bluffte nicht. Sie war eine Dämonenkönigin, und auf dieser Ebene, dem Abgrund, hatte sie über Kreaturen wie Balor absolute Macht. Auf einer anderen Existenzebene würde er sie vielleicht tatsächlich angreifen – eine wahrlich verlockende Aussicht –, doch hier im Abgrund konnte er das nicht.

»Ich werde dich nicht vernichten«, versprach Lolth. »Ich will dich nicht zertreten. Nein, Feuerungetüm, ich bin neugierig. Ich frage mich schon lange, wie deine Peitsche beißen mag. Wie heiß die Flammen brennen. Sie können die Haut eines Manen schmelzen. Aber die Haut einer Göttin? Ich fürchte dein Feuer nicht, Balor.«

Der Dämon rührte sich nicht.

»Ich werde dich nicht vernichten«, wiederholte Lolth. »Du bist ein Günstling von Baphomet und Kostchtchie, und so sehr mir das Spektakel gefallen könnte, wie der mächtige Balor ruhmlos zu Staub wird, bist du den Ärger nicht wert, den so ein Vorgehen auslösen würde.«

Balors Gedanken überschlugen sich. Baphomet hatte ihn tatsächlich erst vor Kurzem als Anführer seiner Legionen eingesetzt, und Kostchtchie, der Fürst des Zorns, hatte Balor immer zuallererst angefordert. Aber worum ging es hier? Was machte Lolth überhaupt hier in Balors Schloss?

»Ich hatte keinen Anteil daran, dass Tiamats Aufstieg gescheitert ist«, teilte der Dämon ihr mit. Vielleicht war das der Grund für ihren Besuch? Gerüchten zufolge unterstützte Lolth das Gefolge der großen Katastrophe – Tiamat – darin, ihr Schloss und ihren Körper in der Materiellen Ebene neu aufzubauen. Das war ein immenser Aufwand für die Drachen jener Ebene, der, wie es hieß, spektakulär fehlgeschlagen war. »Ich wäre froh, das Biest los zu sein.«

»Ich habe keine Anklage erhoben«, sagte Lolth verschlagen.

»Warum dann?« Bei Balors wütendem Aufbegehren drang das Feuer wie Geifer aus seinem Maul. »Warum bist du hier, Dämonenkönigin der Spinnen? Warum verhöhnst du mich?«

»Seit wann betrachtet Balor eine Herausforderung als Verhöhnung?«

»Eine Herausforderung? Oder eine Finte. Die am Ende nur als Ausrede dient!«

»Schlag mich!«

»Nein!«

»Dann werde ich dich vernichten!« Bei diesem Versprechen flackerten Lolths böse Augen auf.

Balor dachte keine Sekunde über seine Bewegung nach, denn schon hielt er in der einen Hand sein Schwert, dessen Spitze Blitze sprühte, und in der anderen seine Peitsche, deren gesamte Schnur sich in eine lebende Flamme verwandelt hatte.

Lolth bäumte sich auf, löste die vorderen vier Beine vom Steinboden, wedelte damit und erhob auch die Arme. Ihr Gesicht war zu einer grausamen Maske verzogen und der laut fauchende Mund weit aufgerissen.

Balor hob den Peitschenarm, um mit der Feuerschnur weit über die Schulter auszuholen. Es fühlte sich an, als stecke sein Arm unter Wasser. Etwas hatte ihn gepackt und verlangsamt.

In den Schwefeldunst des Abgrunds mischte sich ein neuer Geruch. Ein jähes, zischendes Auflodern verriet Balor, auch ohne dass er sich umdrehen musste, dass es hinter ihm lichterloh brannte. Trotzig aufbrüllend riss er den Arm zurück und schlug mit laut knallender Peitsche nach Lolth.

Ihre Beine blockierten die Waffe, die einen roten Riss in ihrer Haut hinterließ, wo sofort Brandblasen entstanden. Doch der Aufschrei der Spinnenkönigin war eher erfreut als schmerzerfüllt, auch wenn sich beide Emotionen darin mischten.

Sie schnellte vor. Aus jeder Fingerspitze der Drow-Hände schoss ein Blitz, und die vier Spinnenbeine traten nach Balor.

Doch da kam noch mehr, stellte der Dämon fest. Die Luft um ihn herum füllte sich mit schwebenden Spinnweben, die Lolth erzeugt hatte, und auf jedem einzelnen Faden schien eine ausgehungerte, beißende Spinne zu sitzen.

Wieder knallte die Peitsche. Balor stieß das Schwert nach vorn, dessen Klinge durch einen krachenden Lichtblitz verlängert wurde, dessen schiere Wucht Lolth zurückweichen ließ.

Dann aber war sie wieder an der Reihe und beschoss Balor mit grellen Blitzen aus ihren Fingern, immer wieder. Ihre Augen loderten, und sie spie Säure und Gift, die sich über Balor ergossen.

Erneut zog er den Peitschenarm zurück. Dieses Mal erfasste das Gespinst den Arm wie eine rauchende Wand, die Lolths Befehl gehorchte. Es rollte sich vor, um ihn zu umschlingen. Balor breitete seine Flügel weit aus, um sich loszureißen, doch es gelang ihm nicht. Die Wand schloss sich fast gänzlich um ihn, und dann sprangen Millionen Spinnen auf ihn über und bissen in sein Fleisch.

Wieder stieß er sein Schwert vor. Er spürte, wie es in Lolths Fleisch eindrang, aber ihr Aufschrei zeugte erneut von Ekstase. Und als er die Klinge zurückziehen wollte, konnte er es nicht.

Er blickte nach unten und sah, dass die Spinnenkönigin die Klinge festhielt.

Mit der Hand!

In seiner Verzweiflung sandte er einen weiteren Blitzschlag durch das Schwert, den womöglich gewaltigsten, den er je erzeugt hatte. Er sah, wie der Blitz in Lolths Hand fuhr, aus der Klinge in die klaffende Wunde, die sein Schwert geschlagen hatte. Lolth nahm ihn mit ihrem ganzen Körper hin, und aus ihrer freien Hand drang ein Blitz, der ihre Kraft und die von Balor zu kombinieren schien, den Dämon traf und ihn zurückwarf.

Er entrang ihr sein Schwert, und diesmal hörte er doch Schmerz in Lolths Schrei, denn nun hatte sie eine Hand verloren. Aber jedes Frohlocken über diesen Punkt war von kurzer Dauer, als Balor etwas kissenartig Weiches hinter sich spürte. Die Wand aus Spinnfäden langte nach ihm, und je mehr er um sich schlug, desto fester schloss sie sich um ihn.

Hasserfüllt warf er Lolth einen Blick zu. Sie lächelte, obwohl aus ihrem erhobenen, zerfetzten Armstumpf Blut spritzte.

Wieder erbrach sie ihren giftigen, ätzenden Geifer über ihn, bis Balor ganz davon bedeckt war. Sie gebot ihrem Gespinst, den Dämon vollständig einzurollen. Eifrig spannen die Millionen Spinnen ihre Fäden und bissen noch grausamer zu.

Balors Peitsche schnellte umher, ohne zu treffen. Die zu dicke Decke aus Spinnweben und Spinnen erstickte seinen Schwung.

Er verlor das Gleichgewicht, konnte sich nicht mehr rühren, spürte nur noch das Gift von Lolth und die unablässigen, winzigen Bisse ihrer Horden.

Und er kannte die teuflischste Wirkung dieses Gifts. Das Gift von Lolth erzeugte Verwirrung, eine unüberwindbare Benommenheit, die jeden Ansatz zu Gegenmagie und jeden Fluchtversuch so sicher zunichtemachte wie eine Kugel der Unverwundbarkeit.

Balor war gefangen. Vollständig umsponnen hing er mit dem Kopf nach unten da wie eine Trophäe.

Während Lolths Spinnen weiter zubissen. Und das würden sie noch zehn Jahre fortsetzen, versprach ihm die Göttin.

Oberinmutter Quenthel Baenres rote Augen glühten auf, womit sie ihr äußerlich gefasstes Auftreten Lügen strafte. Gromph staunte über ihre Selbstbeherrschung angesichts des Bildes, das er ihr gerade in der Schale des Sehens gezeigt hatte. Ihr großer Erfolg auf der Oberfläche der Silbermarken, die Verfinsterung, war geplatzt. Über den Silbermarken schien die Sonne, und die Orks flohen in ihre Löcher in den Bergen.

»Die Agenten von Bregan D’aerthe sagen, Drizzt Do’Urden hätte die Auflösung von Tsabraks Zauber bewirkt«, fuhr Gromph fort, um gründlicher in der Wunde zu stochern. Gromph wusste sehr wohl, was tatsächlich mit der magischen Verfinsterung geschehen war, denn er war dort gewesen, als der Zauber gebrochen worden war. Schließlich hatte er selbst den nichts ahnenden Drizzt als Kanal benutzt und die Magie höchstpersönlich aufgelöst. »Drizzts Menschenfrau, angeblich eine weitere Erwählte der Mielikki, hat Freudentränen vergossen. Die Herrin Lolth hat den Kampf um das Gewebe verloren, und jetzt wurde sie auch in den Silbermarken geschlagen.«

»Hütet Eure Zunge, Bruder«, mahnte Oberinmutter Baenre in mörderischem Ton. Ihre Augen verengten sich und betonten damit die harten Konturen, die ihr eckiges Gesicht so abweisend erscheinen ließen.

»Selbstverständlich. Ein guter Rat, Oberinmutter«, räumte Gromph mit einer höflichen Verneigung ein. »Ich hätte sagen sollen, dass die Armeen der Herrin Lolth von denen der Mielikki besiegt wurden. Das Scheitern liegt …«

»Nicht an uns!«, unterbrach die Oberinmutter ihn scharf. »Wir sind abgezogen. Wir hatten alles vollbracht, was wir vollbringen wollten. Unsere Aufgabe dort war erfüllt. Wir haben unsere Siege den vertrottelten Orks überlassen, obwohl wir wussten, dass sie das Erreichte bald wieder verlieren würden. Das ist nicht unsere Sorge. Und es war sie auch nie.«

»Zweifellos geht es Oberinmutter Zeerith und ihre noch junge Stadt etwas an«, sagte der Erzmagier. »Tsabrak Xorlarrin hat die Macht der Herrin Lolth kanalisiert und wurde von einem abtrünnigen Häretiker geschlagen, der nicht einmal in der Kunst der Magie geschult ist. Ihre Familie und ihre Stadt haben bei diesem Feldzug großen Schaden erlitten. Meiner Zählung nach wurden im Silbermarkenkrieg fast einhundertzwanzig Drow getötet. Und rund einhundert von ihnen waren aus dem Haus Q’Xorlarrin.«

»Sie wird uns um Hilfe ersuchen«, stellte Oberinmutter Baenre fest, als wäre dies durchaus in ihrem Sinne.

So leicht jedoch ließ Gromph Quenthel nicht vom Haken. »Auch Eure Position leidet darunter.«

Bei diesen Worten richtete sich die Oberinmutter ruckartig auf. Erneut leuchteten ihre roten Augen bedrohlich.

»Die Herrin Lolth wird nicht Euch die Schuld geben«, erklärte Gromph eilig. »Aber die anderen Oberinmütter, nun … Ihr habt die Schlinge um ihren Hals fester zugezogen. Tos’un Armgo ist tot. Seine Iblith-Tochter ist verschollen. Oberinmutter Mez’Barris hat ihren einzigen Zugriff auf das Achte Haus von Menzoberranzan eingebüßt. Deshalb wird sie das neu konstituierte Haus Do’Urden mit großem Argwohn und Abscheu beobachten.«

»Ich werde ihr erlauben, einen anderen Adligen von Barrison Del’Armgo in den Dienst von Haus Do’Urden zu stellen.«

»Das wird sie ablehnen.«

Die Oberinmutter wollte widersprechen, doch offensichtlich fehlte ihr ein überzeugendes Gegenargument.

»Haus Hunzrin hasst Haus Xorlarrin«, erinnerte Gromph sie. »Und was noch wichtiger ist: Sie hassen die Vorstellung von Q’Xorlarrin, einer Stadt, die ihre Vormachtstellung im Handel bedroht. Und Haus Melarn hasst einfach alles. Wenn die fanatischen Melarni-Priesterinnen auf die Idee kommen, dass Tsabrak Xorlarrins Versagen und die Verluste von Haus Xorlarrin ein Zeichen für das Missfallen der Herrin Lolth sind, werden sie sich sicher mit Haus Hunzrin verbünden und …« Er hielt inne und seufzte tief. »Nun, sagen wir, sie könnten das Experiment einer Schwesterstadt so dicht an der Oberfläche womöglich unwiderruflich beenden.«

Die betont vorsichtige Ausdrucksweise schien seine Schwester nicht zu beeindrucken, doch das wollte er auch gar nicht. Er wollte Quenthel nur ärgern, indem er ihr so lange verbale Nadelstiche versetzte, bis sie sich vergaß.

Und einen Fehler beging.

»Glaubt Ihr, ich wäre mir dieser Gefahren nicht bewusst, Erzmagier?«, entgegnete die Oberinmutter kühl. Jetzt hatte sie sich wieder vollkommen im Griff. »Oder glaubt Ihr, ich wäre unfähig, sie gebührend einzuschätzen? Euer Mangel an Vertrauen ist ebenso rührend wie beleidigend. Ihr solltet diese Tatsache lieber berücksichtigen.«

Gromph verbeugte sich noch einmal und verabschiedete sich. Am Ausgang sah er sich kurz nach ihr um und sagte: »Nicht zu vergessen der Verlust des Drachen. Und dass Tiamats Jünger es nicht fertigbrachten, ihre Drachenmutter auf die Materielle Ebene zurückzuholen.«

Trotz aller Selbstbeherrschung ballte Oberinmutter Baenre kurz die Fäuste. Die farbigen Drachen – die roten, blauen, weißen, grünen und schwarzen – hatten einen solch gewaltigen Schatz zusammentragen wollen, dass sie damit ihre Göttin Tiamat und ihr großes Schloss auf die Materielle Ebene zurücklocken könnten, um unvorstellbare Verwüstungen über das Land zu bringen.

Doch sie waren gescheitert, und bei diesem Versuch hatte das Vorgehen von Oberinmutter Baenre persönlich den Tod des weißen Drachen Aurbangras zur Folge gehabt. Daraufhin war sein Vater, der große Arauthator, in seine Berge zurückgekehrt.

Die Herrin Lolth war mit dem Auftauchen der farbigen Drachen und ihren Plänen für Tiamat durchaus einverstanden gewesen. Sie hatte die weißen Drachen über die Oberinmutter in die Schlacht gerufen und darauf bestanden, Arauthator und seinem Sohn für ihre Dienste große Anteile an den Schätzen zuzusprechen.

Und nun war auch dies gescheitert.

Gromph nickte und verbarg geschickt seine Befriedigung über Quenthels ersichtliches Unbehagen. Dann verließ er ihre Gemächer, aber nicht Haus Baenre, denn es wartete noch eine Angelegenheit, die seiner dringenden, vollständigen Aufmerksamkeit bedurfte.

Er bewegte sich auf seine eigenen Privatgemächer zu, in denen er sich selten aufhielt und in denen jetzt die neueste Hohepriesterin von Haus Baenre residierte, Minolin Fey Baenre. Sie war nicht nur Gromph Baenres Frau, sondern auch die Mutter seiner überaus wichtigen kleinen Tochter.

Kaum hatte Gromph den Raum verlassen, prüfte Oberinmutter Quenthel Baenre auch schon ihre Schutzrunen und sonstigen Maßnahmen gegen Spionage, ehe sie eine Schimpftirade und Magiekanonade auf ihre Dienerschaft losließ, sodass zwei der Dienerinnen sich vor Qual am Boden wanden. Eine dritte war tot.

Oberinmutter Zeerith hatte Quenthel Baenre bereits kontaktiert und sie um Hilfe und Informationen gebeten. Sie fürchtete genau das Bündnis von Hunzrin und Melarn, vor dem Gromph gerade gewarnt hatte. Ihr Haus und die Stadt von Q’Xorlarrin waren gründlich dezimiert. Die Liste der toten und angeschlagenen Xorlarrins war beeindruckend, und unter ihnen waren mit dem Zauberer Ravel und der Hohepriesterin Saribel, die eigentlich in Haus Do’Urden gedient hatte, auch zwei Adlige. Erst vor Kurzem hatten Drizzt und seine Freunde Zeeriths älteste Tochter, die Hohepriesterin Berellip, getötet. Der Waffenmeister ihres Hauses, der große Jaerthe, war auf einer aberwitzigen Mission in der bitterkalten Wildnis des Eiswindtals umgekommen, und in den Silbermarken hatten hundert ihrer Krieger und Zauberer den Tod gefunden.

Im Grunde waren Oberinmutter Zeeriths Probleme nicht das Schlechteste für Oberinmutter Baenre. Schließlich hatte sie Q’Xorlarrin stets nur als Außenstelle von Haus Baenre betrachtet, so laut auch von der »Schwesterstadt« für Menzoberranzan gesprochen wurde. Im Verein mit Bregan D’aerthe sollte Q’Xorlarrin dem Haus Baenre ermöglichen, Haus Hunzrin im Handel mit der Oberfläche das Wasser abzugraben. Das war die einzige Schwachstelle in Baenres Panzer und der einzige Trumpf, den die anderen Häuser gegen das mächtige Erste Haus von Menzoberranzan ausspielen konnten.

Quenthel war auch nicht sonderlich besorgt wegen des angeblichen Todes von Tos’un Armgo, einem Abtrünnigen und Deserteur, der ohnehin nicht hoch in der Gunst von Oberinmutter Mez’Barris Armgo gestanden hatte. Schließlich war er nur ein einfacher Adliger aus dem Haus Barrison Del’Armgo gewesen.

All diese Dinge zusammen jedoch – und obendrein der Tod eines weißen Drachen und die Zerstörung der Verfinsterung der Herrin Lolth – konnten erhebliche Schwierigkeiten nach sich ziehen. Sie fürchtete, Oberinmutter Mez’Barris könnte sich mit den Häusern Hunzrin und Melarn zusammenschließen, womit Haus Baenre bei der Verteidigung von Q’Xorlarrin allen dreien trotzen müsste. In diesem Fall würde sich das Siebte Haus von Menzoberranzan, Haus Vandree, sicher auf die Seite der Verschwörer schlagen.

Oberinmutter Baenre ging davon aus, dass der Rest des herrschenden Konzils auf ihrer Seite war. Aber würden sie sich mit all ihren Kriegern, Priestern und Zauberern offen zu ihr bekennen?

Immerhin ging es um Drow-Häuser, deren einzige Zuverlässigkeit darin bestand, dass man nicht zuverlässig mit ihnen rechnen konnte. Die Bindungen untereinander waren keine Bündnisse, sondern eher praktischer Natur, und Quenthel hatte die Daumenschrauben gegenüber den anderen Oberinmüttern sowohl bei ihrem Vorgehen in den Silbermarken als auch bei der Neuerrichtung von Haus Do’Urden – samt der Ernennung einer Darthiir-Elfe von der Oberfläche zur Oberinmutter dieses Achten Hauses – schon fest angezogen.

Oberinmutter Baenre hatte sämtliche Grenzen ausgereizt und sie alle brüskiert, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Damit hatte sie die anderen eingeschüchtert. Bisher hatte sie damit auch Erfolg gehabt, doch jetzt, nachdem die Silbermarken wieder an ihre vorherigen Herren zurückgefallen waren, war die Lage kritisch.

»Aber es wäre ohnehin so gekommen«, sagte sie sich, womit sie die Aufhebung der Verfinsterung und den Tod des weißen Drachen einschließlich der Zerschlagung von Tiamats Plan elegant überging.

Quenthel nickte und schloss die Augen. Sie war Oberinmutter Baenre, und sie glaubte, dass Lolth immer noch bei ihr war. Was sie jetzt auch intensiv spürte.

Sie hatte ganz Menzoberranzan ihrem eisernen Griff unterworfen, genau wie es Lolth von ihr verlangt hatte.

Aber wie sollte sie diesen Griff in diesen gefährlichen, unsicheren Zeiten aufrechterhalten?

Mit geschlossenen Augen versenkte sich Quenthel in tiefe Meditation und tauchte dabei in Erinnerungen ein, die nicht ihre eigenen waren. Es waren die Erinnerungen ihrer Mutter, Yvonnel der Ewigen, die sie jetzt anzapfte, jene Erinnerungen, die ihr der Gedankenschinder mit seinen Tentakeln übertragen hatte, der einst der engste Berater ihrer Mutter gewesen war.

Und so sah sie Menzoberranzan nun in einem ganz anderen Licht. Die große Höhle, in der die Stadt lag, wirkte natürlicher, weit weniger von den Drow-Handwerkern bearbeitet, weit weniger von den Drow-Lichtern wie dem Feenfeuer entlang der großen Häuser oder der Glut des Narbondel ausgeleuchtet, der heißen Zeitmesssäule.

Sie wusste, dass sie in die turbulenten Anfänge der noch jungen Stadt zurückkehrte, die noch nicht vollständig besiedelt war.

In dieser Atmosphäre war Haus Baenre der Aufstieg geglückt. Diese Aufbruchsstimmung hatte Haus Baenre am besten zu nutzen gewusst.

Sie sah die Drow.

Sie sah die Dämonen.

So viele Dämonen, von den armseligen Manen, dem Kanonenfutter des Abgrunds, bis hin zu den großen Glabrezu, Marilith, Nalfeshnee und sogar den mächtigen Baloren. Scharenweise durchstreiften sie die Straßen, plünderten, fraßen, forderten die Drow zum Kampf, veranstalteten Orgien mit ihnen und taten alles, was ihren chaotischen, zerstörerischen Gelüsten in den Sinn kam.

Es herrschte das pure Chaos!

Doch das war oberflächlich, wie Oberinmutter Baenre erkannte, wie Tavernenschlägereien in einer Stadt voller Kriegsfürsten und Armeen.

Und dieses oberflächliche Chaos reichte aus. Die Dämonen erzeugten genug Ärger und Chaos, um die niederen Häuser vollauf zu beschäftigen. Sie konnten sich nicht gegen das ehrgeizige Haus Baenre verbünden und Intrigen spinnen, solange buchstäblich Dämonen an ihre Türen klopften.

Belustigt sah Oberinmutter Baenre zu, wie sich in ihren geborgten Erinnerungen ein Balor gegen eine Gruppe fliegender, insektenähnlicher Chasme zur Wehr setzte.

Für die größeren Häuser von Menzoberranzan waren die Dämonen selbst damals, in den Anfängen der Stadt, ungefährlich. Sie konnten sich nie ausreichend organisieren, um die Ordnung von Menzoberranzan zu bedrohen, eine Ordnung, die Haus Baenre und Haus Fey-Branche geschaffen hatten.

Da es von Dämonen jedoch nur so wimmelte, mussten sich die Oberinmütter der niederen Häuser durchaus mit ihrer Selbsterhaltung auseinandersetzen. Diese Häuser hatten alle Hände voll zu tun, ihre eigenen Zäune und Mauern zu sichern, und konnten sich nicht damit befassen, andere Bewohner anzugreifen.

Oberinmutter Baenre schlug die roten Augen auf und dachte über diese herrlichen Enthüllungen nach.

»Chaos erzeugt Ordnung«, flüsterte sie.

Die Erinnerungen von Yvonnel der Ewigen wiesen Quenthel den Weg.

»Nein«, sagte sie kopfschüttelnd und etwas lauter. Denn diese diabolische Aussicht war zweifellos göttlich inspiriert. »Die Herrin Lolth weist mir den Weg.«

Nicht einmal die hinterlistige Verhöhnung seiner Schwester konnte Gromph von seiner Verbitterung befreien. Selbst wenn er sie stürzen und jede Oberinmutter und Hohepriesterin der Stadt töten würde, was hätte er damit erreicht?

Schließlich war er nur ein Mann, und obwohl die Herrin Lolth sich dem Gewebe zugewandt hatte, einer Sphäre, die er besser beherrschte als jeder Dunkelelf der vergangenen Jahrhunderte oder Jahrtausende, vielleicht besser als jeder andere in der langen Geschichte seines Volkes, hatte Lolth dafür bisher weder ihm noch den anderen Zauberern gedankt.

Die Akademie Sorcere, die Drow-Schule der Magie, die Gromph unterstand, hatte früher fast ausschließlich Männer unterrichtet. Zu den bemerkenswerten Ausnahmen zählten einige wenige Priesterinnen, die ihr magisches Repertoire erweiterten, indem sie ihre heilige Magie durch arkane Zaubersprüche ergänzten. Doch nachdem das Gewebe zu einem Netz geworden war und es so aussah, als würde die Herrin Lolth das Reich der Göttin Mystra stehlen können, hatten die Adelshäuser Sorcere mit ihren Töchtern überschwemmt.

Mit Lolths Segen wollten die Oberinmütter keine Männer mehr in den obersten Reihen der arkanen Magiekundigen von Menzoberranzan dulden.

Wäre Gromphs Titel als Erzmagier langfristig sicher gewesen?

Inzwischen hatte er erfahren, dass Lolth bei dem Versuch, das Gewebe für sich zu beanspruchen, gescheitert war, auch wenn er die Einzelheiten nicht kannte. Sie hielt das Gewebe nicht mehr in ihren Spinnenfingern, und in Stadt und Schule würde vielleicht wieder der gewohnte Gang einkehren. Gromph würde Erzmagier von Menzoberranzan bleiben und zugleich – wie ihm jetzt noch klarer war – weiterhin »bloß ein Mann«.

Oder auch nicht, überlegte er, während er die Tür zu seinen privaten Räumen öffnete, wo Minolin Fey im Lehnstuhl saß. Die kleine Yvonnel saugte an der Brust der Hohepriesterin.

»Ihr seid schon lange überfällig«, sagte das Baby mit gurgelnder Stimme. Es wandte dem Erzmagier den Kopf zu und starrte den Erzmagier böse an. Der drohende Blick seiner Tochter wurde durch den Milchfaden und den Speichel, der seitlich aus dem winzigen Mund rann, kaum abgemildert.

Ihre Augen! Diese Augen!

An diesen Blick erinnerte sich Gromph nur zu gut. Mit diesem einen mürrischen Blick versetzte seine Tochter Yvonnel ihn über tausend Jahre in die Vergangenheit, an den Hof seiner Mutter Yvonnel.

»Wo ist Methil?«, schimpfte das Kind. Es meinte den hässlichen Illithiden, der dem formbaren Verstand dieses Winzlings noch vor seiner Geburt die Erinnerungen und das Wissen von Gromphs Mutter, Yvonnel der Ewigen, eingeimpft hatte, der Oberinmutter, die in der Geschichte von Menzoberranzan am längsten geherrscht hatte. »Ich habe gesagt, Ihr sollt Methil holen!«

»Methil wird bald da sein«, versicherte Gromph seiner Tochter. »Ich war bei der Oberinmutter.«

Das leise Fauchen des Kindes erinnerte an eine Raubkatze.

Gromph verbeugte sich höflich vor seinem Baby.

In diesem Moment schwang die Seitentür des Zimmers auf, und eine Zofe trat ein – eine abstoßende Yochlol, die wie eine riesige, halb geschmolzene graue Kerze mit wedelnden Tentakeln aussah.

»Der Illithide für Eure Lektionen ist eingetroffen, Yvonnel«, sagte das Dämonenwesen mit verwaschener, blubbernder Stimme, die irgendwie dennoch zu kreischen schien. Als die Zofe zu dem Kind hinüberglitt, hinterließ sie eine schmutzige Schleimspur. Aus mehreren Fuß Abstand von Minolin Fey langten ihre Tentakel nach dem Kind, das die Mutter sehr bereitwillig, ja, glücklich abgab.

Damit glitt die Yochlol aus dem Raum, nicht ohne mit einem Tentakel die Tür hinter sich zuzuschlagen.

Minolin Fey sank in den Stuhl mit der hohen Rückenlehne zurück, ohne sich auch nur zu bemühen, das Kleid über ihrer entblößten, noch tropfenden Brust zu schließen. Ihr Atem ging etwas keuchend, wie Gromph feststellte, und mehr als einmal warf sie mit einem an Panik grenzenden Gesichtsausdruck einen Blick auf die nun geschlossene Tür.

»Sie ist hübsch, nicht wahr?«, sagte Gromph. Als die Hohepriesterin ihn überrascht ansah, fügte er hinzu: »Unser Kind.«

Minolin Fey schluckte hörbar, und Gromph lachte. Unabhängig von ihren Gefühlen würde Minolin es nicht wagen, Yvonnel etwas anzutun. Sie würde tun, was ihr befohlen wurde und was Lolths Avatar verlangt hatte, denn in Wahrheit war Minolin Fey zutiefst feige. Selbst bei ihrer Intrige zum Sturz von Oberinmutter Quenthel – vor dem Ende der Zauberpest, vor der Verfinsterung, bevor Methil Quenthel die Erinnerungen von Yvonnel eingepflanzt hatte, so wie er es mit dem Kind in Minolins Leib getan hatte – hatte Minolin im Schatten verharrt. Aus dem Hintergrund heraus hatte sie andere vorgeschoben, die für sie im Abgrund nach K’yorl Oblodra suchen sollten, und mit den übrigen Häusern konspiriert, die den Großteil des Zorns von Oberinmutter Baenre auf sich ziehen würden, wenn die ganze Sache schiefging.

»Ihr versteht das nicht!«, fuhr Minolin Fey den Erzmagier an. So schrill war sie gegenüber Gromph Baenre noch nie geworden.

»Ich?«

»Dass etwas derart in den eigenen Körper eindringt …«, sagte die Hohepriesterin, schlug die Augen nieder und bot nun einen wirklich erbärmlichen Anblick. »Diese Illithiden-Tentakel, die in mein Fleisch gedrungen sind, mich abgetastet haben …« Ihr Tonfall verriet, dass sie diese Worte kaum auszusprechen vermochte. »Das könnt Ihr nicht nachvollziehen, Gatte.«

Als sie wieder aufsah, blickte Gromph sie wütend an.

»Ihr wisst nichts von dem, was ich weiß oder nicht weiß, Minolin von Haus Fey-Branche.« Sein Hinweis auf ihr rangniederes Haus, anstatt sie eine Baenre zu nennen, war eine ebenso klare wie scharfe Zurechtweisung.

»Ihr seid keine Frau«, sagte Minolin Fey leise. »Es gibt nichts … Persönlicheres.«

»Ich bin keine Frau«, bestätigte Gromph. »An diese Tatsache werde ich an jedem Tag meines Lebens erinnert.«

»Das Kind …« Angewidert schüttelte Minolin Fey den Kopf.

»Wird Oberinmutter von Menzoberranzan«, erklärte Gromph.

»In fünfzig Jahre? Hundert?«

»Wir werden sehen.« Gromph drehte sich um und hielt auf die Tür zu.

»Und dann wäre da noch K’yorl«, wagte Minolin Fey zu bemerken, ehe er verschwand. Damit erinnerte sie ihn an ihren gemeinsamen Plan, Quenthel loszuwerden.

Gromph blieb stehen und starrte die Tür an. Dann fuhr er erbost herum. Seine Augen blitzten. »Es ist nicht mehr Quenthel, die Menzoberranzan als Oberinmutter dient«, warnte er sie. »Jedenfalls nicht nur Quenthel. Sie weiß, was Yvonnel wusste und was unser Kind Yvonnel bald wissen wird.«

»Sie weiß …?«

»Sie kennt die Geschichte unseres Volkes, die lebendige Wahrheit des Vorgehens der Spinnenkönigin, die unzähligen Intrigen und Ränke der vielen, vielen Häuser vor unserer Zeit. Ihr tätet gut daran, Euch dies bewusst zu machen, Minolin Fey. Unsere Verbindung hat mir gute Dienste geleistet.« Er schaute zu der Tür, hinter der die Yochlol mit der kleinen Yvonnel verschwunden war. »Wenn Ihr jedoch eine Verschwörung anzettelt und den Zorn von Quenthel auf Euch zieht, von Oberinmutter Baenre, dann werde ich Euch nicht beschützen. Im Gegenteil. Ihr solltet wissen, dass ich Euch vernichten werde, um meiner geliebten Schwester zu dienen.«

Minolin Fey konnte seinem Blick nicht standhalten. Sie senkte den Kopf.

»Behandelt unser Kind gut, Gattin«, warnte Gromph. »Als ob Euer Leben davon abhinge.«

»Sie erniedrigt mich«, murmelte Minolin Fey kaum hörbar, während Gromph sich erneut zum Gehen wandte.

Wieder fuhr der Erzmagier herum. »Was?«

»Das Kind«, erklärte die Hohepriesterin.

»Das Kind erniedrigt Euch?«

Die Hohepriesterin nickte, und Gromph lachte erneut.

»Ihr begreift, wer dieses Kind geworden ist?« Gromphs Frage war rein rhetorisch. »Neben ihr habt Ihr Erniedrigung und Spott verdient. Aber fürchtet Euch nicht«, fügte er hinzu. »Wenn Ihr sie gut behandelt und mit Euren Brüsten großzügig nährt, wird sie Euch vielleicht nicht mit einem Zauber der Lolth zermalmen.«

Belustigt brach der Erzmagier auf, obwohl es ihm kaum besser ging als zuvor.

Irgendwann im Laufe dieses Tages bemerkte Gromph dann einen höheren Dämon, einen riesigen vierarmigen Glabrezu mit Hundekopf, der in der Nähe von Haus Baenre durch die Straßen von Menzoberranzan wanderte. Danach kam ein Kurier der Oberinmutter, der ihm mitteilte, dass weitere Dämonen folgen würden und dass er sie nicht töten oder verbannen durfte, sofern es nicht um sein eigenes Leben ging.

Worauf die Miene des Erzmagiers noch finsterer wurde.

Am rechten Vorderbein des spinnenförmigen Ratstisches erzitterte Oberinmutter Mez’Barris Armgo, nachdem Hohepriesterin Sos’Umptu Baenre zum Abschluss ihres umfassenden Berichts zum Ausgang des Krieges um die Silbermarken verkündet hatte, dass ihre Späher einen höchst lebendigen Tiago Do’Urden gesichtet hatten. Ausgelassen hatte sie lediglich das nicht ganz nebensächliche Detail, dass die Sonne in diese Region der Oberflächenwelt zurückgekehrt war, der Verfinsterungszauber gebrochen und ihre Worte über Tiago gelogen waren. Sie wollte damit lediglich Oberinmutter Mez’Barris Armgo vom Zweiten Haus vor den Kopf stoßen.

»Fragen, Oberinmutter Mez’Barris?«, hakte die Oberinmutter nach, als Sos’Umptu wieder an das andere Ende des Tisches zurückkehrte, um ihren Platz auf dem neuen Neunten Sitz im herrschenden Konzil zwischen den Oberinmüttern von Haus Vandree und Haus Do’Urden einzunehmen.

»Vermutlich zu viele für die verbleibenden Stunden«, erwiderte die Oberinmutter von Haus Barrison Del’Armgo.

»Dann äußert bitte die aktuellsten.«

»Habt Ihr die Worte Eurer eigenen Schwester nicht vernommen?«

Oberinmutter Baenre zuckte abfällig mit den Schultern.

»Es wurden Drow-Adlige getötet«, sagte Mez’Barris.

»Es werden häufig Drow-Adlige getötet«, stellte Oberin Miz’ri Mizzrym vom Vierten Haus gehorsam fest. Miz’ri war mittlerweile praktisch das Echo dessen, was Oberinmutter Baenre nicht laut aussprechen mochte. Als Mez’Barris’ Blick von Miz’ri zu den Oberinnen Vadalma Tlabbar und Byrtyn Fey wanderte, dachte sie wieder an die gefährliche, erstarkende Allianz zwischen Haus Baenre und dem Dritten, Vierten und Fünften Haus von Menzoberranzan.

In diese Allianz musste Mez’Barris einen Keil treiben, wenn sie je aus dem erstickenden Schatten der verwünschten Quenthel Baenre heraustreten wollte. Sie musterte Miz’ri noch einmal mit hartem Blick, dem ein wissendes, böses Lächeln folgte, während sie betont das edelsteinbesetzte Geschmeide anstarrte, das Miz’ri für die heutige Sitzung angelegt hatte. Gerüchten zufolge handelte Haus Mizzrym mit den Feinden von Menzoberranzan einschließlich der Tiefengnomen von Blingdenstein, was eine gute Erklärung für die Kostbarkeiten um Miz’ris Hals wäre.

Vielleicht erklärte das auch den Einfluss von Baenre auf Oberinmutter Miz’ri, überlegte Mez’Barris. Dass Haus Mizzrym jenseits von Menzoberranzan einen Markt aufbauen wollte, der sich mit dem stets gefährlichen Haus Hunzrin messen konnte, war kein Geheimnis. Vielleicht duldete die Oberinmutter wissentlich Miz’ris unverfrorene Beziehungen zum Feind, sogar zu den verhassten Tiefengnomen.

Bisher war das nur eine Vermutung, aber sie würde ihr nachgehen und sie nach Möglichkeit zu nutzen wissen.

»Immerhin ist es erstaunlich, dass – nachdem Tiago lebend entdeckt wurde – von allen Do’Urden-Adligen nur zwei getötet wurden«, stellte Mez’Barris fest. »Und beide aus derselben Ursprungsfamilie.«

»Sollen wir ernsthaft glauben, dass Ihr die Darthiir-Tochter von Tos’un je als vollwertiges Mitglied von Haus Barrison Del’Armgo akzeptiert habt?«, fragte Dahlia, die Oberin Darthiir Do’Urden.

Die übrigen Anwesenden mit Ausnahme der beiden Baenres schnappten überrascht nach Luft – nicht nur wegen der Unverfrorenheit, sondern weil die armselige Elfe, die alle, auch die Verbündeten von Haus Baenre, bisher lediglich als Echo von Oberinmutter Baenres Entscheidungen betrachteten, diese Anklage offen ausgesprochen hatte.

Hohepriesterin Sos’Umptu Baenre, die neben Dahlia saß, lächelte ungeniert, als würde es ihr überhaupt nichts ausmachen, dass alle sahen, wer hier die Fäden zog.

»Tos’un Armgo ist ehrenhaft gestorben«, verkündete Oberinmutter Baenre kühn, um die Aussage abzuwehren, ehe ein offener Schlagabtausch daraus wurde. »Er ist auf Aurbangras, dem Sohn von Arauthator, in die Schlacht gezogen. Und Tiago flog neben ihm auf Arauthator. Dort, hoch über dem Schlachtfeld, haben sie sich in einem grandiosen Kampf den Feinden der weißen Drachen gestellt, zwei Kupferdrachen. Wenn Eure Bemerkung etwas anderes impliziert, Oberinmutter Mez’Barris, solltet Ihr zuvor gewiss bedenken, dass weder ich noch andere aus Menzoberranzan die Macht über Drachen haben. Am allerwenigsten über solche aus der Metallfraktion.«

»Und Doum’wielle?«, fuhr Oberinmutter Mez’Barris auf, obwohl sie es im gleichen Moment bereute. Besonders angesichts der Bemerkung von Oberin Darthiir Do’Urden.

Sieben der neun Mitglieder des herrschenden Konzils lachten offen über ihre Worte. Nur Zhindia Melarn vom Sechsten Haus verzog keine Miene, weil sie zweifellos denselben Verdacht hegte wie Oberinmutter Mez’Barris. Es war kein Zufall und auch kein Schicksalsschlag, dass weder Tos’un Armgo noch seine Tochter Doum’wielle vom Feldzug an der Oberfläche zurückgekehrt waren, während alle anderen Beteiligten – Tiago von Haus Baenre, Ravel von Haus Xorlarrin und Saribel von beiden Häusern – erneut zum neu konstituierten Haus Do’Urden zählen sollten.

Jede Hoffnung auf Einfluss, der sich Mez’Barris bezüglich Do’Urden hingegeben hatte, war eindeutig dahin.

Die Stadt gehörte Oberinmutter Baenre.

Vorläufig.

Mez’Barris sah zu Zhindia Melarn hinüber. Sie hatte die fanatischen Melarni-Priesterinnen nie gemocht, doch offenbar waren sie angesichts des anhaltenden Machthungers von Oberinmutter Baenre zu Verbündeten bestimmt.

Dann schweifte ihr Blick zu Miz’ri Mizzrym, deren Bündnis mit Haus Baenre auf wackligen Füßen stand. Miz’ri bewegte sich auf dem schmalen Grat zwischen rivalisierenden Händlergruppen und Haus Baenre, das sowohl über die Räuberbande Bregan D’aerthe als auch über die junge Stadt Q’Xorlarrin, die sich zunehmend zu einem reinen Außenposten von Haus Baenre entwickelte, den Handel mit der Oberfläche an sich reißen wollte.

Doch Haus Hunzrin, das weitaus mächtiger war, als sein Rang im Konzil vermuten ließ, würde darüber nicht erfreut sein. Vielmehr war man dort außer sich, dass die Oberinmutter wie aus dem Nichts Haus Do’Urden neu errichtet hatte und so nach Haus Xorlarrins Abzug aus Menzoberranzan den logischen Aufstieg anderer Häuser vereitelt hatte. Und Bregan D’aerthe war lange nicht so kontrollierbar und berechenbar, wie die Oberinmütter nach außen hin gern vorgaben.

Ja, es gab Risse in Oberinmutter Baenres Plänen. Und das galt besonders jetzt, nachdem die Spinnenkönigin vergeblich nach dem Netz der Magie gegriffen hatte. Allen Berichten zufolge hatte Q’Xorlarrin in diesem Krieg große Verluste erlitten. Einerseits würde Oberinmutter Zeerith jetzt zerknirscht unter Oberinmutter Baenres Fittiche kriechen – aber konnte Haus Baenre Zeerith wirklich die nötigen Soldaten schicken, um sich gegen eine geballte Attacke mehrerer Drow-Häuser zu verteidigen?

Gleich darauf bestätigte sich ihr Verdacht, als Oberinmutter Byrtyn Fey, die allenfalls vor Kurzem in Oberinmutter Baenres Kreis der Verbündeten übergewechselt sein konnte, unerwartet das Thema wechselte.

»Warum haben wir nichts davon gewusst, dass die Metalldrachen kommen?«, fragte sie in neutralem Ton. Dennoch traf ihre Frage ins Schwarze. »Es war ein Segen, dass wir Arauthator und Aurbangras für unsere Sache gewinnen konnten, unsere und die der Göttin Tiamat. Dass diese Allianz zerbrochen wurde und Aurbangras dabei umkam, ist allerdings ein Drama.«

»Oberinmutter, Ihr werdet sicher verstehen, dass der Wille und das Handeln von Drachen …«, begann Oberinmutter Baenre.

»Selbstverständlich«, fiel Byrtyn Fey ihr ins Wort. Nach dieser Unverschämtheit fuhr sie fort: »Aber unsere eigenen Truppen waren bereits auf dem Rückzug nach Menzoberranzan, als die Kupferdrachen Aurbangras töteten. Das wird Lolth im Umgang mit der Göttin Tiamat nicht sonderlich helfen.«

»Einer dieser weißen Drachen in der letzten Schlacht wurde vom Enkel von Dantrag Baenre geritten«, erwiderte Oberinmutter Baenre giftig.

»Außer ihm war nur eine Handvoll unserer Leute in den Silbermarken verblieben«, beharrte Byrtyn. »Wenn unten unsere Armee gestanden hätte …«

»Am Ausgang des Drachenkampfes hätte das nichts geändert«, fuhr Oberinmutter Baenre ihr über den Mund.

»Aber es hätte die Position der Spinnenkönigin gegenüber Tiamat gestärkt. Ein Fehler ist ein Fehler, Oberinmutter. Sollten wir nicht gemeinsam überprüfen, wie wir der Herrin Lolth besser hätten dienen können?«

Jetzt war es heraus. Am liebsten hätte Mez’Barris gekichert. Wenn eine Oberinmutter einer anderen eine »gemeinsame Überprüfung« vorschlug, und das ausgerechnet am Konziltisch, so war dies in erster Linie ein Vorwurf, versagt zu haben, nicht etwa ein Angebot. Diese Formulierung zählte zu den ältesten verbalen Dolchstößen der Drow. Drow-Oberinnen überlegten nie gemeinsam – allenfalls wenn es darum ging, den Leichnam einer dritten Oberinmutter verschwinden zu lassen, gegen die sie sich vorübergehend verbündet hatten.

Augenblicklich waren alle im Ratssaal auf der Hut, wie Mez’Barris entzückt feststellte. Selbst die durchtriebene Quenthel wirkte erschüttert und ähnelte mit einem Mal wieder der lächerlichen, alten, schwachen Quenthel Baenre, die Mez’Barris vor deren kürzlicher und immer noch unerklärlicher Verwandlung gekannt hatte.

Quenthels Nervosität währte nur einen Herzschlag lang, dann setzte sie sich bequemer zurecht und warf einen amüsierten Blick zu Byrtyn Fey. Sie kam sich vor wie eine seidenglatte Katze, die in ein Rattenloch spähte und dabei genau wusste, dass deren Bewohner ihr nicht mehr entwischen konnten.

Da flog die Tür zum Saal krachend auf, und zwei gewaltige Zweibeiner mit dicken Muskeln, Hundekopf und Ziegenhörnern stürmten in die Kammer. An einem zweiten Paar Arme saßen scharfe Scheren, die einen Drow in zwei Stücke schneiden konnten.

Hinter ihnen folgte eine naga-ähnliche Kreatur, auf deren Schlangenleib der Oberkörper einer wohlgeformten nackten Frau saß, die mit sechs Armen zugleich gefährliche Schwerter und Äxte aller Art führte.

Die Oberinmütter erschraken; einige erhoben sich, andere intonierten Magie – ausgenommen die Oberinmutter, Sos’Umptu, und natürlich die machtlose Marionette, Darthiir Do’Urden.

Angesichts der Dämonen beruhigte Mez’Barris sich schnell wieder. Es waren zwei Glabrezu, und die wehrhafte Frau musste Marilith oder Aishapra sein – diese beiden mächtigen Dämoninnen waren einander so ähnlich, dass sie nie ganz sicher war.

»Sie kommen mit dem Segen der Lolth«, erklärte Sos’Umptu.

»Vergebt mir mein Eindringen«, sagte die Dämonin.

Ihrer Stimme entnahm Mez’Barris, dass es tatsächlich Marilith war, die größte ihrer Art. Dabei fiel ihr ein, dass Marilith auch diejenige war, deren linke Brust aus irgendeinem symbolischen Grund, den kein Drow je entschlüsselt hatte, beträchtlich größer war als die rechte. Derart mächtige Dämonen konnten solche körperlichen Deformationen auf Wunsch problemlos beheben. Tonfall und Auftreten der Dämonin verrieten Mez’Barris, dass diese gefährliche, bösartige Kreatur keine Gnade kannte und diese niemals gewähren würde.

»Ich habe von eurem Rat erfahren und wollte sehen, wie viele der herrschenden Oberinmütter mir noch bekannt sind«, fuhr Marilith fort. »Es ist über hundert Jahre her … Ein flüchtiger Zeitraum, ohne Zweifel, doch die Drow sind mir so gleichgültig, dass ihr in meinen Gedanken nicht ständig präsent seid.«

Aus der Halle hinter ihr und ihren Glabrezu-Leibwächtern ertönte grelles Kreischen wie von großen Vögeln. Dann stolzierten merkwürdige Wesen herein, die halb Mensch, halb Geier zu sein schienen. Es waren Vrocks, breit gebaut, tückisch und fast so groß wie die zehn Fuß hohen Glabrezu, die sich an zwei verständlicherweise höchst nervösen Dunkelelfenwachen vorbeischoben.

»Dennoch ist es gut, wieder hier zu sein«, sagte Marilith. Sie schlängelte sich in weitem Bogen an ihnen vorbei und zog sich wieder zurück, dicht gefolgt von den beiden riesigen Glabrezu.

Als die Tür sich schloss, hörten die Oberinmütter den entsetzten Schmerzensschrei eines Drow. Womit alle davon ausgingen, dass der heilige Ratssaal nun einen Wachposten weniger hatte.

Dämonen waren nun einmal so.

Teil 1

Ist Rache wirklich süß?

Noch nie habe ich so deutlich begriffen, dass ich nicht weiß, was ich nicht weiß.

Ich hatte nicht erwartet, mitten auf dem Schlachtfeld, inmitten der Zwergenarmee, in die Luft aufzusteigen. Als die Lichtstrahlen aus meinen Fingerspitzen, meinen Füßen, meiner Brust und meinen Augen drangen, geschah dies ohne bewusste Entscheidung. Ich war nichts weiter als ein Kanal. Und ich war genauso überrascht wie alle anderen, als diese Lichtstrahlen in den Himmel schossen und die wabernde Schwärze schmolzen, die das Land verdüsterte.