Kim Harrison, geboren im Mittleren Westen der USA, wurde schon des Öfteren als Hexe bezeichnet, ist aber – soweit sie sich erinnern kann – noch nie einem Vampir begegnet. Sie hegt eine Vorliebe für Friedhöfe, Midnight Jazz und schwarze Kleidung und ist bei Neumond nicht auffindbar.
Die Nacht ist gefährlicher geworden … Nach einer weltumspannenden Seuche, ausgelöst durch ein fehlgeschlagenes Genexperiment an Tomaten in den 60er Jahren, hat sich das Leben auf der Erde grundlegend verändert: Die magischen Wesen, so genannte Inderlander, sind aus dem Schatten getreten – Vampire, Kobolde, Werwölfe und Pixies. Nun müssen sich Menschen und magische Wesen die Welt teilen, und das Zusammenleben erweist sich nicht immer als ungefährlich. Rachel Morgan ist eine Hexe, die für die Inderlander Security als Kopfgeldjägerin arbeitet. Sie ist in den nächtlichen Straßen Cincinnatis unterwegs, um kriminelle Inderlander zur Strecke zu bringen. Doch auch ihre eigene Vergangenheit birgt ein düsteres Geheimnis.
~ 6000 Jahre vor dem Wandel: Entstehung der Tiermenschen
~ 5000 Jahre vor dem Wandel: Geschätzte Auswanderung der Hexen aus dem Jenseits
~ 2000 vor dem Wandel: Geschätzte Auswanderung der Elfen
~ 1000 vor dem Wandel: Ceris Einsetzung als Dämonen-Familiaris
Unbekannt: Entstehung der Vampire
1953: Watson und Crick bauen das Modell der DNS. In Zusammenarbeit mit Rosalind Franklin leiten sie im Kalten Krieg Finanzierungsgelder für die Weltraumforschung und außergewöhnliche Waffen zu sich um und bereichern das Wissen über die Genmanipulation um ein Vielfaches, sodass die USA sich der Entwicklung genetischer statt nuklearer Waffen zuwenden. Die Weltraumforschung läuft sich tot.
1958: Rosalind Franklin setzt ihre Forschungen fort und hilft zwanzig Jahre lang dabei, das genetische Verständnis voranzutreiben, was in den 60er-Jahren zu einer reichen Auswahl an durch Genmanipulation gewonnenen Medikamenten führt.
1962: Durch Genmanipulation gewonnenes Insulin wird allgemein erhältlich.
1966–1969: Der Wandel beginnt und endet. Er wird ausgelöst vom T4 Angel Virus, das von einer Tomatensorte übertragen wird, die eigentlich gezüchtet wurde, um die Menschen in der Dritten Welt zu ernähren.
1979: Ivy und Trent werden geboren.
1980: Kisten wird geboren.
1981: Rachel wird geboren. Computer kommen in den Handel.
1995: Die Väter von Trent und Rachel sterben. Leon Barns verlässt die I. S. und wird ermordet, um seine Entdeckungen unter Verschluss zu halten.
1997: Rachel schließt die Highschool ab und beginnt ihre zweijährige Ausbildung.
2000–2004: Rachel macht ihr Praktikum bei der I. S.
2001: Ivy fängt nach dem Abschluss eines sechsjährigen Studiums als voller Runner bei der I.S. an.
2003–2004: Rachel und Ivy arbeiten in Rachels letztem Praktikumsjahr zusammen.
2006: Rachel kündigt bei der I. S.
Veröffentlicht in Zusammenarbeit mit
Cincinnatis FIB-Inderlander-Abteilung;
FIB Inderlander Handbuch, Ausgabe 7.23
Schon vor dem Wandel hatten Vampire in der Literatur ihren Platz als mächtige und schreckliche Figuren, die es sowohl nach Blut als auch nach dem Willen ihrer Opfer gelüstet. Sie sind ohne irgendein Gefühl von Reue zu entsetzlichen Taten fähig und flößen so sowohl Menschen als auch Inderlandern einen Respekt ein, der aus Angst geboren wird. Aber einem hungrigen Vampir entgegenzutreten ist weniger gefährlich als irgendeinem Vampir unwissend gegenüberzustehen. Aus dieser Erkenntnis heraus habe ich zugestimmt, die Unterschiede zwischen den Möchtegern-Bösen und den wirklich Bösen zu Papier zu bringen. Beide können einen töten, aber wenn man ihre Grenzen und Schwächen kennt, kann man diesen sehr mächtigen, manipulativen Zweig der Inderlander-Familie verstehen und erfolgreich mit ihm umgehen. Und falls das nicht gelingt, schießt auf sie, bis sie sich nicht mehr bewegen.
Lebende Vampire sind entweder aus einer hohen Kaste – Vampire, die von einem lebenden Vampir empfangen wurden und deswegen bereits in ihrem fötalen Genom ein inaktives Vampir-Virus trugen, das ihre weitere Entwicklung modifiziert, oder aus einer niedrigen Kaste – Menschen, die von einem untoten Vampir gebissen wurden und nun in einem angreifbaren, halb-verwandelten Zustand leben. Nur untote Vampire tragen die aktive Form des Virus, die Menschen infizieren kann. Das Virus nistet sich fröhlich in den Zellen des Blut produzierenden Rückenmarks seines neuen Wirtes ein und wird dann inaktiv. Der unglückselige Mensch entwickelt kaum Fähigkeiten, aber auch nicht die Schwächen eines Vampirs.
Halbverwandelte, gebissene Menschen stehen am untersten Ende der vampirischen Hierarchie. Sie bemühen sich ständig um das Wohlgefallen ihres untoten Erzeugers, in der Hoffnung, dass sie damit eine höhere Stufe des vampi-i-rischen Daseins erreichen, indem sie mehr von seinem oder ihrem Blut aufnehmen. Mit ihren menschlichen Zähnen, menschlichen Schwächen und ohne jeden Blutdurst – außer in ihrer Einbildung – sind sie wenig mehr als eine bereitwillige Blutquelle für die Untoten und ein Ziel von Hohn und Spott für den Rest der Inderlander.
Vampire der niederen Kasten leben berechtigterweise in der Angst, dass der Untote, der sie aussaugt, unvorsichtig wird und sie aus Versehen tötet, um dann einfach zu vergessen, den Job zu Ende zu bringen und sie als Untote wiederzuerwecken. Und während Vampire hoher Kasten schon mit einem Status geboren werden, den sie oder er mit in den vampirischen Tod nimmt, müssen die Vampire niederer Kasten um diesen Status kämpfen. Sie können sehr gefährlich sein, wenn sie anfangen überzukompensieren und in ihrem Bemühen, die Erwartungen ihres Erzeugers zu erfüllen, gnadenlos werden. Wenn man sie allerdings in den Bauch tritt, klappen sie zusammen wie jeder andere Mensch auch.
Das andere Extrem der vampirischen Existenz ist der wahre Untote. Dies sind die seelenlosen, verführerischen Vampire, die nur existieren, um ihre fleischlichen Gelüste zu befriedigen. Es ist ihre unglaubliche Stärke vereint mit ihrer völligen Missachtung des Lebens, die sie so gefährlich macht. Sie empfinden kein Mitgefühl und haben kein Einfühlungsvermögen, behalten aber all ihre Erinnerungen; sie erinnern sich an Bindungen aus Liebe, aber sie erinnern sich nicht, warum sie lieben. Es ist eine tote Emotion, und sie bringt – nach meiner eingeschränkten Erfahrung – unendliches Leid über die Lebenden, mit denen sie Umgang pflegen und um die sie sich einst gesorgt haben.
Die Untoten haben wenige Schwächen. Obwohl sie ihre Seelen verloren haben, empfinden viele das nicht als Nachteil, sondern als Geschenk. Geweihte Kreuze können wirklich Schaden auf untotem Gewebe hinterlassen, aber es ist ein Zauber, der den Schmerz verursacht, nicht ein religiöser Glaube. Ein Kreuz hervorzuziehen wird einen Vampir wahrscheinlich nur reizen und ihn nicht dazu bringen, zurückzuweichen, also sollte man noch etwas Schlagkräftigeres für hinterher dabeihaben.
Theoretisch kann der Zauber, der untotes Fleisch verbrennt, auf jedes Stück Rotholz oder Silber gewirkt werden, aber die Magie ist älter als der Ackerbau, und diejenigen, die den Zauber wirken – ob Mensch oder Hexe – bestehen darauf, dass der Zauber an nichts außer einem Kreuz hält. Ich persönlich würde auf nichts außer ein geweihtes Kreuz vertrauen, um einen Vampir in einer brenzligen Situation abzulenken.
Meiner Erfahrung nach sind ungeweihte Artefakte jedweder Religion kaum mehr als eine Irritation und verärgern den Untoten, weil sie ihn daran erinnern, dass seine Seele schon von ihm gegangen ist und es daher nichts gibt, was sein Bewusstsein zu einer höheren Ebene tragen kann, wenn ihr Körper ein weiteres Mal versagt. Untote Vampire sind sich der Tatsache deutlich bewusst, dass, wenn ihr Körper stirbt nicht nur ihr Lebensfunke erlischt, sondern es sein wird, als hätten sie niemals existiert. Dieser Gedanke ist dem nach Unsterblichkeit strebenden Vampir ein Gräuel.
Erst für Untote wird Tageslicht gefährlich. Das Virus, das es Vampiren erlaubt, ihr Leben nach dem Verlust ihrer Seele weiterzuführen, wird von Tageslicht deaktiviert, und sie sterben einen bemitleidenswert undramatischen Tod. Aber, wenn einer der Bösen in irgendetwas anderem als vollem Sonnenlicht zu Boden fällt, schießt man besser auf ihn, bevor man sich vergewissert, ob er tot ist. Sie bewegen sich, solange sie noch bei Bewusstsein sind. Vertraut mir – ignoriert den folgenden Papierkram und schießt einfach auf sie. Zweimal.
Nur die Untoten können eine unwillige Person bezaubern und sie durch hochkompliziert strukturierte Pheromone in einen Zustand der Glückseligkeit versetzen. Das ist der vielleicht gefährlichste Aspekt der Untoten und sollte mit äußerster Vorsicht behandelt werden. Macht euch nicht die Mühe, wegzuschauen; es wird nicht helfen und drückt nur die Knöpfe eines hungrigen Vampirs. Angst ist ein Blut-Aphrodisiakum; versucht, die Dinge nicht noch schlimmer zu machen.
Glücklicherweise wird der Untote – außer, ihr habt ihn verärgert oder schlottert vor Angst – euch wahrscheinlich als Blutquelle ignorieren. Die Untoten sind wählerisch in der Auswahl ihrer Blutpartner und wählen normalerweise lebende Vampire, um Gerichtsstreitigkeiten mit Menschen zu vermeiden. Ein Wort der Warnung: Menschen zu verführen und mit falschen Versprechungen in den Ruin zu treiben gibt den Untoten ein Gefühl lustvoller Beherrschung, das sie fast so sehr erregt wie Blut. Versucht, euch nicht in so etwas zu verstricken.
Die jungen Untoten können gegenüber denen, die sie nicht fürchten oder einst geliebt haben, sehr grausam sein, aber mit der Zeit legen sie sich eine Fassade von Moral und die meisten auch elegante Umgangsformen zu, mit denen sie Menschen charmant umgarnen. Das macht es nur leichter, euch auszusaugen, meine Lieben, also seid vorsichtig. Eine gute Faustregel ist: Je netter der Vampir, desto verkommener wird er oder sie wahrscheinlich sein.
Während sie immer mehr Raffinesse gewinnen, mischt sich die Lust des Vampirs an Beherrschung mit seiner Blutlust und sorgt dafür, dass das Blut Betrogener süßer schmeckt als das Blut von Narren. Je älter der Vampir, desto dauernder und emotional zerstörender kann die Jagd auf das Opfer sein. Die »lange Jagd« ist eine Fähigkeit, die sogar lebende Vampire unwissentlich trainieren.
Gefangen zwischen den lebenden und den untoten Vampiren sind die lebenden Vampire der hohen Kasten, die in einem Zustand der Gnade existieren, um den sie von anderen Vampiren beneidet werden. Sie tragen das Beste beider Welten in sich und sind die hoch geschätzten Kinder der Untoten, gleichzeitig beschützt und belagert, geliebt und missbraucht, verdreht, manipuliert und verhätschelt von den Untoten, die sie jagen und von ihnen trinken.
Lebende Vampire der hohen Kasten werden nicht gebissen, sondern mit dem Vampir-Virus geboren, das sie bereits zu einer Zwischenexistenz geformt hat. Das Ergebnis ist, dass lebende Vampire hoher Kasten stärker sind und bessere Reflexe haben, besser hören und einen unglaublich guten Geruchssinn besitzen. All diese Fähigkeiten stehen zwischen den menschlichen Vampiren und denen der Untoten. Noch aussagekräftiger ist, dass sie die Willigen bezaubern können und tödlich werden, wenn ihr Blutdurst ihre anderen Gefühle ausschaltet.
Glücklicherweise kommt der Blutdurst bei lebenden Vampiren der hohen Kasten erst mit der Pubertät zum Tragen. Obwohl sie kein Blut brauchen, um nicht wahnsinnig zu werden, wie es bei den Untoten der Fall ist, löst das Virus doch ein Verlangen nach Blut in ihnen aus. Man kann lebende Vampire an ihrer charismatischen Persönlichkeit und den scharfen Reißzähnen erkennen, sollte sich dabei aber nicht auf die Zähne verlassen, da diese überkappt werden können.
Da das Virus in ihrer DNA verankert ist, werden lebende Vampire der hohen Kasten garantiert zu Untoten, selbst wenn sie mit jedem einzelnen Tropfen Blut im Körper sterben. Falls ihr aus Versehen einen lebenden Vampir tötet, seid verantwortungsvoll und ruft einen Krankenwagen, bevor die Sonne aufgeht. Sie haben das Recht, ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, selbst wenn sie euch vielleicht hinterher umbringen wollen. Wenn ihr euch entschuldigt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass sie euch für die Beendigung ihres ersten Lebens sogar danken.
Lebende Vampire besitzen einen Rang, der sich sowohl von lebenden als auch von untoten Blutlinien ableitet, die manchmal Generationen zurückreichen. Das gibt vielen der reicheren lebenden Vampire einen »Kronprinzen«-Status, der von allen weisen Vampiren respektiert wird. Auch ihr solltet das tun. Ein Bluterzeuger zeichnet die Blutlinien seiner lebenden Nachkommen oft mit der Sorgfalt vor, die auch auf die Zucht von Rassepferden verwendet wird. Deswegen kann die Beleidigung eines lebenden Vampirs dazu führen, dass man von seinem Meister hört. Egal, ob ihr mit ihrer Lebensart klarkommt oder nicht, ihr solltet jemanden respektieren, der bei der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung anwesend war.
Über die Generationen hinweg haben lebende und untote Vampire viele Wege entwickelt, leicht zugängliche Quellen von Blut und Gesellschaft zu erjagen und zu behalten. Die meisten Möglichkeiten bieten ihnen hierbei die Pheromone, die sie sowohl bewusst als auch unbewusst verströmen. Die Pheromone werden von einem wahren Cocktail von Neurotransmittern und Endorphin ausschüttenden Verbindungen im Speichel eines Vampirs unterstützt. Bei jedem Biss sammeln sich die Verbindungen im Gewebe um die Wunde an. Wenn die Wunde berührt wird, sorgt das – sogar noch Jahre später – dafür, dass Schmerz als Vergnügen empfunden wird. Lasst euch nicht einwickeln. Es ist eine Falle.
Mit der Erfahrung lernt der Vampir, den Biss so zu sensibilisieren, dass er der Einzige ist, der die Narbe stimulieren kann. So verhindert er effektiv das Wildern anderer Vampire in seinem Revier. Die Person ist dann mental an den Vampir gebunden und wird Schatten genannt. Ein Schatten, der einem lebenden Vampir gehört, wird normalerweise gut behütet, erleidet aber einen erkennbaren Verlust an Willenskraft.
Bei einem Biss ohne Bindung gibt es keine Abhängigkeit von einem bestimmten Vampir, und das Opfer kann zur Normalität zurückkehren. Allerdings bleibt das Opfer, wenn eine ausreichende Menge Vampirspeichel in die Wunde gelangt ist, in einem gefährlichen Zustand zurück, in dem es hochempfindlich auf Vampirpheromone reagiert, ohne deswegen den normalen Willensverlust zu erleiden. Diese ungebundenen Schatten sind für den Blutdurst eines Vampirs fast unwiderstehlich. Wenn sie nicht unter dem Schutz eines starken Vampirs stehen, sind sie Freiwild für alle. Ungebundene Schatten haben eine sehr geringe Lebenserwartung. Sie werden von Vampir zu Vampir weitergereicht, bis sie erst ihre Persönlichkeit und dann ihre Lebenskraft verlieren, um schließlich allein und unbetrauert zu sterben.
Aber was auch immer geschieht, die Vampire existieren. Sie leben unter uns und doch für sich. Auf den Straßen ist Wissen die ultimative Waffe, und es liegt an euch, euch gegen die Gefahren zu wappnen, die der Kontakt zu Vampiren beinhaltet. Sie werden immer bereit sein, mit eurem Verlangen nach der perfekten Liebe zu spielen, und unwissend nach dieser Liebe zu suchen, könnte euren Tod oder Schlimmeres nach sich ziehen. Ich hoffe, dass ich euch genügend Angst eingejagt habe, dass ihr vorsichtig seid, und euch genügend Wissen vermittelt habe, um zu erkennen, dass Vampire die ultimativen Raubtiere von Geist und Körper sind. Die Gefahr liegt darin, dass sie menschlicher sind als Menschen, und dafür verdienen sie unseren Respekt und unser Verständnis.