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Textgrundlage: Werke, Band 2, herausgegeben von Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster, Piper Verlag, München 1982

ISBN 978-3-492-97455-4

Juni 2016

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 1978, 1983

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Wolfgang Kudrnofsky

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

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Das Honditschkreuz

Eine Erzählung aus dem Jahre 1813

I

Der Staub fuhr leicht auf und legte sich um die schelpernden Räder. Das Weib, das am schmalen Brett des Wagens hockte, hielt die Zügel lose und blickte, matt von der Sonne, ausdruckslos in die Gegend. Auf der braunen Stirn glänzten ein paar Tropfen. Die Hand des Weibes langte nach der Schürze und fuhr, langsam Kreise ziehend, über das derbe, knochige Gesicht, das schmal war und noch länger wirkte, da es eng von einem schwarzen Kopftuch umschlossen wurde. Die dunklen Augen lagen regungslos und ohne Spiel. Es war kaum zu denken, daß hinter dieser Stirn Gedanken lebten.

Das Roß ging oft unruhig, schlug mit dem Schweif und hatte Lust zu tänzeln, so peinigten es die leidigen Fliegen, und die Bremsen bissen obendrein.

Der Weg von Vellach nach Hermagor dehnte sich endlos an solchen heißen Tagen. Staub und überflüssige Windungen waren genug Qual, ein Ende der Fahrt herbeizuwünschen. Neben der staubenden heißen Unfreundlichkeit der Straße aber dehnten sich die Wiesen, die zur Linken ein wenig durch Quellen versumpft und dadurch doppelt leuchtend grün und saftig wuchsen, zur Rechten dagegen schon bräunlich und gelb von der Hitze waren, die gar nicht ablassen wollte, die Wiesen niederzubrennen. Die Wälder zogen dahinter in Mügeln; wunderschön stand das Holz. Das war in der Ferne, hinter den letzten Häusern Hermagors der Eckforst, entlang der Straße der Achforst, der jetzt, sehr knapp, wohltuende Schatten warf.

Erschreckend hörten sich in das eintönige Rattern des Wagens die Schritte an, die plötzlich laut hinterher gingen. Das Weib wandte sich:

»Ah, der Slowen … «, sagte sie wegwerfend.

Der dürre kleine Mensch war dabei schon mit einem Sprung neben dem Wagen und grinste behaglich:

»Naiin …«, er zog es genießerisch in die Länge. »Naiin, was ich sehe! Die Mölzer Waba unterwegs. Mit einem Wagen unterwegs … Ein schöner Wagen. Ist halt doch was Besonderes, so ein eigener Wagen, ha?«

Der Mund des Hausierers zog sich noch bedenklicher in die Länge.

»Mußt mir halt deinen leihen, wenn dir dem Kondaf seiner nicht paßt.«

»Ich täts wohl. Wär ja auch gern getan. Aber wenns zum Danken kommt, wird dir halt auch lieber sein, du kannst zum Kondaf ins Bett steigen als zu mir«, spöttelte er weiter und legte die Hand auf die stark vorgewölbte Hühnerbrust.

Die Mölzerin sah gleichmütig geradeaus, ließ dann nur die Zügel ein wenig schärfer fallen, so daß das Roß schneller ging und der Hausierer atemlos humpeln mußte, um ihr an der Seite zu bleiben.

Mate Banul, der Slowen, wie die Leute ihn kurzweg nannten, kam einige Male in jedem Jahr von Villach durch das Gailtal herauf. Seit wann, dessen konnte man sich nicht mehr erinnern. Er gehörte irgendwie zum Auf und Ab der Jahre. Die Weiber und Dirnen mochten ihn gern und freuten sich auf die schillernden Ketten und bunten Bänder, die Bauern kauften sich einen neuen Taschenfeitel, Schrauben, Nägel und Werkzeug; ebenso oder aber am meisten warteten alle auf die vielen aufregenden Geschichten und Geschehnisse, die er meisterhaft zu erzählen wußte, um die Neugier der in so abgelegenen Dörfern lebenden Bauern auf ihre Kosten kommen zu lassen. In den Märkten, wie etwa Hermagor, war er aber nicht weniger gern willkommen, denn man hatte hier auch ein offenes Ohr für Tratsch und Klatsch wie anderswo. Mate Banul war aber kein Slowene, sondern Windischer.

Die Windischen leben im Gailtal, ebenso wie überall im Süden Kärntens inmitten von Deutschen, sie haben ihre eigene Sprache, die weder von Slowenen noch von Deutschen so richtig verstanden wird. Mit ihrem Dasein ist es, als wollten sie die Grenze verwischen, die Grenze des Landes, aber auch der Sprache, der Bräuche und Sitten. Sie bilden eine Brücke, und ihre Pfeiler sitzen gut und friedlich drüben und herüben. Und es wäre gut, immer so zu bleiben. Sie nennen die Gail Zila und haben noch viel Wundersames und Geheimnisvolles in ihrem Tun. Ihre Lieder sind wie vom Traum einer größeren Weite getragen und klingen über die überall nahen Berge weg, so bestrickend und mit dem Wasser der Zila fließend, wie es die Lieder des unendlichen Rußlands täten. Abends lehnen die Gitschen in ihren roten Kitteln am Ufer, und man hört diese Weisen noch weit außer den Weidenbüschen verklingen.

Es war eine besondere Eitelkeit von Mate Banul, sich als Slowenen zu bezeichnen, um als Fremder, wie etwa als seltenes Tier, bestaunt zu werden. Dieses Staunen der leichtgläubigen Bauern nahm jedoch nach einiger Zeit ab, und als man einmal erfuhr, er sei so nur ein Windischer aus der Arnoldsteiner Gegend, frozzelte man ihn gehörig, ein Umstand, den er, überlegen handelnd, lächelnd überging und bald zum Einschlafen brachte. Trotz alledem blieb er der Slowen.

Jetzt schritt er schweigend neben dem Wagen und blickte, dauernd Grimassen reißend, auf die dünnen, dreckigen Beine, die in viel zu großen schwarzen Bergschuhen schwankten. Die Schuhe waren vom vielen Gebrauch formlos geworden, wie denn auch dieses ganze zaundürre Gestell ohne Form war und man fürchten konnte, daß es im nächsten Augenblick gleich einem Skelett klappern würde. Der Oberkörper war von einem zerschlissenen grauen Rock umschlossen, ein von Schmutz starrendes Hemd, dessen ursprüngliche Farbe nicht mehr ergründbar war, wurde am Hals sichtbar. Die Hose, eng anliegend und bis zum Knie reichend, war noch ziemlich neu und das Schwarz des Stoffes funkelte wie der Sonntagsrock einer Bäuerin. Dann wurden die nackten Füße sichtbar, auf deren Krusten die vorquellenden Augen des Slowenen lagen. Die Hakennase, schmal wie ein Messerrücken, sah am gebeugten Kopf noch vorsteigender aus.

Nach einiger Zeit drehte er schnell den Kopf zur Frau nach oben. Die dünnen Lippen zuckten:

»Bist nicht neugierig, von wo ich herkomme?«

Auf ihre wieder schweigende Gleichmütigkeit blieb er eine Weile stumm, um aber bald mit verschlagener Miene zu seufzen.

»Wenn man so weit geht … Ganz hin bin ich heut.«

»Sitz halt auf«, ärgerte sich die Waba. Sie beutelte den Kopf unwillig, als wollte sie einen Quälgeist abtun. Der sprang derweil schon von hinten auf den Ast und fuchtelte mit Beinen und Armen, wobei die einen beschäftigt waren, Fuß zu fassen und die anderen sich mühten, die flimmernden Habseligkeiten, jetzt von zwei grobleinenen Säcken umschlossen, in den Wagen zu bringen. Die Frau rückte zur Seite, so daß er noch Platz am Brett fand. Seine Augen gingen unruhig, spähten nach allen Seiten, bis er einen Sack unter dem Brett entdeckt hatte. Darauf setzte er sich ruhig zurecht und strich das schöne schwarze Tuch der Hose zu sich her glatt, bis nicht das kleinste Fältchen mehr bockte. Dann griff er unter das Brett, verfing sich dabei ein wenig in den Röcken der Frau und zerrte den Sack hervor. Er war in der Hälfte mit einem schmalen Fetzen abgebunden, der obere Teil sank leer und lose zu Boden. Mate Banul bohrte den Zeigefinger durch die festgewürgte Öffnung und lachte glucksend. Er luchste endlich mit viel Mühe ein paar goldgelbe Körner hervor, schob sie im Handteller zusammen und schupfte sie ein paarmal in die Höhe, um sie darauf der Waba hinzuhalten.

»Nein, was ich sehe!« Er tat, geheimnisvoll und achtsam in die Gegend schauend, als ob sie niemand beobachten sollte.

»Tust du schon Türken ernten, wenn er bei den anderen kaum Tschurtschen macht?«

»Paßt es dir gar nicht?« staunte sie.

»Aber, aber … Ich werd ja wohl fragen dürfen. Wie hätt ich mir denken können, der Kondaf hat noch im Juli Türken übrig, wo andere schon lang nimmer Sterz essen können, weil er im Frühjahr zu Ende gegangen ist. Aber reiche Leute soll es ja auch geben.«

»Wird ja nimmer lang so bleiben«, meinte sie ablenkend.

»Wenn die Abgaben auch kein End nehmen, wirst bald nicht ärmer sein als die anderen.«

»Immer gleich seufzen; das schaut euch gleich. Hast denn vergessen, was für ein Segen war, daß die Franzosen unser miserabliges Geld abgeschafft haben. Seit wir den Bankozettel los sind, geht das Geschäft wieder besser.«

»Ha, bei dir vielleicht«, fuhr die Waba auf. »Bei so etwas kannst du nur an dich denken. Das schaut dir wieder gleich, du windischer Slowen. Ob sie uns das letzte Körndl nehmen oder nicht, ist dir ja gleich. Beutelst dich ab wie ein nasser Hund und denkst dir, wenns nur mir nichts tut und ich mein Fressen krieg.«

»Sind dir am End die paar Krapfen zuviel, die ich dir wegiß? Brauchst mir nur sagen und ich werd daran denken.«

»Hö …«, machte sie und drehte sich unwirsch weg.

»Vor einem halben Jahr warst noch nicht so schlecht auf die Franzmandeln zu sprechen.«

»So, nicht daß ich wüßt.«

»Aber ich weiß.«

»Da weiß aber jemand was.«

Damit schien das Gespräch für das erste einzuschlafen. Mate Banul raffte sich jedoch bald ungebrochen auf und fing der Unzugänglichen von neuem zu reden an. Er gehörte zu den Menschen, die alles Erlebte, Erschaute, ja selbst die geringfügigsten Dinge anderen mitteilen müssen, am liebsten neugierig dazu aufgefordert. Wenn er jedoch die Last, die ihm das Herz abdrücken wollte, nicht wißbegierig gefordert anbrachte, fing er zu blicken an, bald traurig, bald lachend, oder seufzte weh, bis er, gefragt nach den Ursachen, gerne berichtete. Der Mölzerin gegenüber versagten ihm alle listigen Gesten und Versuche. So begann er, sich freiredend, eindringlich munter zu erzählen, stockte öfters, hielt an, sich selbst in brennender Erwartung haltend.

Villach sei nach einem verschlafenen toten Winter in eine neue patriotische Erregung gestoßen worden. Die unwirklichsten Gerüchte gingen um, woraus man mit gutem Gewissen entnehmen konnte, daß zwar die Hälfte die übereifrige Überlieferung durch den Volksmund vom Norden bis zum tiefsten Süden Österreichs beigetragen, einiges dagegen festen Boden hatte. Die einstweilen noch kleinen Erfolge Preußens waren auf Österreich nicht ohne Wirkung geblieben, man hörte auch in Kärnten schon von einem Bündnis zwischen Berlin und Wien, das jedoch nicht annähernd imstande war, in den entlegenen Tälern des Landes solchen Widerhall zu entfachen, wie es die Freiheitsbestrebungen Tirols taten, die Kärnten in den letzten Jahren in den Strudel der Weltgeschehnisse mitgerissen hatten. Die Gründung der Landwehr, die Verbreitung von vaterländischen Schriften, die heimlichen Werber waren die Anstiftungen des kaiserlichen Nachbarlandes, dessen Unglück nun nach vergeblichen Kämpfen voll zu sein schien, während Kärnten sich von Anfang an, zwar nicht ohne Erregungen, aber doch mit einer gewissen Ergebenheit in sein Schicksal gefügt hatte. Vielleicht war das auch ein Irrtum und es mangelte nur an der guten Organisation, die Baptist Türk mannhaft, aber ohne weitgehende Entschlüsse in den Händen hielt. Das erste Besatzungsjahr zeigte noch wechselreiche Kämpfe, bis die Niederlage von Wagram alle Unternehmungen lähmte. Ausgenommen davon blieben die werktätigen Hilfeleistungen der Obergailtaler und Lesachtaler an ihre westlichen Nachbarn. Aber des Generals Broussier Maßnahme, der die Einwohner des Kantons Greifenburg, genauer genommen des Arondissements Kötschach und Mauthen zur Verantwortung zog und sie zwang, ihre Teilnahme an der Insurrektion der Tiroler zu rechtfertigen, rief großen Schrecken hervor. Die Deputierten überstanden jedoch die Tage eines zweifelvollen Schicksals und wurden zu ihrem größten eigenen Glück ohne Verurteilung, nur gegen eine bürgende Ehrenerklärung, entlassen.

Die Winter waren schwer. Die Abgaben drückten die Bevölkerung. Zahlungen und Streifzüge der Feinde machten sie arm. Brot, Wein, Branntwein und Fleisch mußten in großen Mengen geliefert werden. Eine Erlösung aus dieser unverdienten Lage wurde von den meisten schwer erwartet.

Das waren jedoch keineswegs die Überlegungen Mate Banuls. Sein Blick war, wenn auch dem der Bauern weit überlegen, nicht so umfassend. Ihm blieb es auch gleichgültig, ob die Franzosen da waren oder nicht. Sein Geschäft ging immer gleich gut, die Füße waren ihm immer gleich müde, ob Franzos oder nicht, und das Essen der Bäuerinnen wartete auch auf ihn, wenn es auch ein wenig kärglicher als früher war. Oder nicht einmal das. Denn so arm konnte ein Bauer gar nicht werden, daß einmal nicht alles satt wurde. Nur jetzt kreischten die Weiber oft ganz entsetzt, wenn er ein großes Trum Speck wegaß wie nichts. Es war also gleich, ob der verfluchte Franzos da war oder nicht. Einen Vorteil gab es sogar. Seine Neuigkeiten brauchte er nicht mehr so mühsam zusammenkratzen. Sie fielen ihm zu wie der Staub, den ihm der Wind um Augen, Mund und Nase legte in der Straßen Einsamkeit seiner Wanderungen. Früher war das sehr schwer gewesen. Denn wie soll man etwas Neues reden, wenn nichts, aber auch schon nichts los ist. Da gehört schon ein großer Kopf dazu, um aus ein paar lächerlichen Dingen etwas Aufregendes zu erfinden. Teufel, war das oft ein mühsames Zusammenkratzen. Man hat, mußte er immer denken, das scheußliche Gefühl, im neunzehnten Jahrhundert in den Tauern nach Gold graben zu müssen. Aber all das, diese scheußlichen Gefühle und Anstrengungen, denen kaum ein so großer Kopf wie seiner gewachsen schien, war vorbei. Und es ist gut, wenn man wenig an unangenehmes Vergangenes denken muß.

Augenblicklich aber erzählte Mate Banul von Gerüchten aus Villach, von seinem Weg, den er bald zu Fuß, bald auf einem Wagen mitfahrend, zurückgelegt hatte. – St. Paul konnte die letzte Zahlung nicht auftreiben, und die Bitte, die Abgaben in Getreide oder Vieh zu leisten, sollte General Ruska abgeschlagen haben … Ha, und daß man nicht lacht, die Liesa Matuk in Förolach hat trotz den zwei ledigen Barnsen vor zwei Tagen geheiratet. Den Ältesten vom Bürgermeister … vom Maire, wiederholte er, um zu zeigen, daß ihm das fremde Wort ebenso geläufig sei … und der Franz, der Tepp, glaubt, es sind seine zwei.

Nach diesen Worten lachte er recht herzhaft, riß dabei den Mund immer weiter auf, als es der Lacher brauchte, und fing an nach Luft zu ringen. Die Mölzerin schupfte nur die Achseln, und Mate Banul begann also wieder, besann sich jedoch schon nach den ersten Worten und sah die Waba herausfordernd an.

Da habe er nun beinahe das Wichtigste vergessen. Nun werde sie aber schauen: Da geht er schon ganz müde und schwitzend von der Sonne den ersten Häusern St. Stefans zu, als er die Postkutsche sieht. Und die fahrt nicht, sondern er kommt ihr immer näher, und nein, wirklich, das Luder rührt sich nicht von der Stelle. Er kommt näher, schaut hin, ... ist ein Rad gebrochen. Heraußen steht, das heißt liegt oder hockt halb auf der Straße der Postkutscher Tomale und ein feiner Herr daneben. Ein ganz junger feiner Herr. Denkt er sich, wie der nur in solchen Zeiten da herauf kommt. Vielleicht ein Franzos, ein geschniegelter. Weil unsere Männer sind auswärts beim Militär oder bei der Arbeit, aber bei Gott nicht auf der Gailtaler Straße, wo einen am nächsten Eck ein Posten schnappt. Das hatte er, Mate Banul, am ersten Anblick erfaßt. Bei allem aber war er kein weit- und herrenscheuender Bauer, sondern ein den Umgang mit allen Schichten der Bevölkerung gewöhnter Mann. Trotz einer gewissen hündischen Unterwürfigkeit Reicheren, besser Gestellten, vor allem Stadtmenschen gegenüber kannte er keine Scheu. Zumal dann nicht, wenn er nicht von der Gnade, genauer genommen dem Geld derselben abhängig war.

Sieht er also den feinen Herren da stehen und weiß nicht gleich, wo er ihn hintun soll. Es ist ihm, als müßte der irgendwo schon einmal seine, Mate Banuls, Wege gekreuzt haben. Und nun geht er so, als ginge ihn der feine Herr gar nichts an, als stünde er gar nicht da, zum Tomale hin, gibt ihm die Hand und will zum reden anfangen. Es kommt ihm aber gar nicht so weit. Da lacht der feine Herr und streckt ihm gemütlich, wie unsereins, ein gewöhnlicher Mensch, gleich beide Hände hin, als wüßte er vor einer großen Freude nicht, ob er nicht gleich den ganzen Mate Banul, ihn, mit seinen Händen umfassen sollte. Aber als es so weit ist, blitzt es auf einmal bei ihm. Jetzt weiß er, wer es ist.

Mate Banul beugte sich weit vor und drehte den Kopf seitlich zurück zur Frau. Seine Lider zuckten fragend auf und nieder. Die Hände hielt er ineinander verkrampft.

»Der Brandstetter Franzl war es«, stieß es ihm heraus.

Die Mölzerin rückte herum und sah ihn mit aufgerissenen Augen an. Sie ließ nicht die Zügel fallen, tat auch sonst keine Bewegung, aber sie war doch durch und durch erschreckt, wie durch einen einzigen scharfen Stich. Der Slowen sog diese Erstarrung geradezu in sich hinein, trank mit allen Poren dieses Erschrecken.

Er sah sie immer noch an, sehr eindringlich, vorn übergebeugt, den Kopf zurück. Er kostete eine Begierde satt. Während dieses Ineinanderstarrens erstand die Vergangenheit in beiden durch ein paar Worte. Stark und nah durchtobte sie beide Hirne und machte sich breit wie auf einer Schaubühne.

Da war schnell die Zeit, wo die Waba noch Dirne beim Brandstetter war und dort der einzige Sohn ins Alter kam. Wie es kam, daß der junge Bursch der Waba so ins Blut stach, darum wußte niemand Genaues. Nur einmal schrie die Brandstetterin, damals als die Waba so Knall und Fall vom Hof mußte: Von einem solchen Mensch ließe sie ihren Buben nimmer verderben, und wenn der Bursch Lust auf ein Dirndl hätt, gab es andere für ihn als ein solches schieches hergelaufenes Weibsbild.