Profitgier des medizinisch-industriellen Komplexes, staatliche Institutionen als Helfershelfer und die schändliche Rolle der Psychiatrie.

Krebs ist heilbar. Und vermeidbar.

Mit Methoden, die nicht in den Lehrbüchern der Schulmedizin zu finden sind, durch Erkenntnisse, die ähnlich umwälzend und bahnbrechend sind wie seinerzeit die von Kopernikus und Galilei.

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© 2014 Richard A. Huthmacher

Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH

ISBN: 978-3-7357-1186-1

»Dein Tod war nicht umsonst« ist ein Tatsachen- und Enthüllungsroman. Er beruht weitestgehend auf den Erlebnissen des Erzählers und enthüllt, spannend und anschaulich geschrieben, inwiefern Pharmakonzerne und sonstige Akteure des sogenannten medizinisch-industriellen Komplexes für den Tod von Millionen und Abermillionen von Menschen verantwortlich sind. Inwiefern sie deren Tod nicht nur billigend in Kauf nehmen, sondern ihn wissentlich und willentlich herbeiführen. Inwiefern sie auch nicht davor zurückschrecken, Menschen, die sich ihnen in den Weg stellen, zu ermorden.

Der Roman enthüllt, wie staatliche Institutionen, namentlich die Justiz, zu willfährigen Helfershelfern des medizinisch-industriellen Komplexes und seiner unersättlichen Profitgier werden.

Der Roman enthüllt, welch verbrecherische Rolle Psychiater und Psychiatrie in diesem kriminellen Geflecht von Geld, Macht und Interessen spielen.

Der Roman enthüllt schließlich, dass die »Volksseuche« Krebs heilbar ist. Jedoch nicht mit den Methoden, die uns die Schulmedizin als der Weisheit letzten Schluss vorgaukelt. Vielmehr mit Verfahren, denen Erkenntnisse zugrunde liegen, die unser gesamtes Welt- und Menschenbild auf den Kopf stellen werden. Erkenntnisse, die denen von Kopernikus vergleichbar sind, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Und nicht umgekehrt. Einsichten jedenfalls, die man – früher oder später – in den Geschichtsbüchern wiederfinden wird. Und deren Verbreitung Ursache und Anlass war, die Frau des Erzählers physisch zu eliminieren. Will heißen, sie zu töten. In Deutschland. Im Deutschland des 21. Jahrhunderts.

Der Autor des nun vorliegenden Tatsachen- und Enthüllungsromans war Chefarzt und Ärztlicher Direktor. Als er anfing, sich gegen die Machenschaften des medizinisch-industriellen Komplexes und seiner Helfershelfer aufzulehnen, ermordete man seine Frau und Mitstreiterin, um ihn zum Aufgeben zu zwingen. Gegen ihn gerichtete Anschläge hat er – bisher jedenfalls – überlebt.

In memoriam Dr. phil. Irmgard Maria Huthmacher, Philosophin, Germanistin, Theologin, Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Zu früh verstorben. Vor ihrer Zeit.

Auch all denen gewidmet, die an Krebs gestorben sind und noch sterben werden. Sinnlos. Bis endlich Vernunft und Menschlichkeit obsiegen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

»DUM SPIRO SPERO. DUM SPERO AMO. DUM AMO VIVO« (CICERO, EPISTULAE AD ATTICUM). »SOLANG ICH ATME, HOFFE ICH. SOLANG ICH HOFFE, LIEBE ICH. SOLANG ICH LIEBE, LEBE ICH« (CICERO, BRIEFE AN ATTICUS).

Lange habe ich überlegt, ob ich dieses Buch schreiben soll. Und in welcher Form ich es schreiben soll.

Nicht, dass ich nichts zu sagen hätte, nicht Wichtiges zu sagen hätte, das Millionen und Abermillionen von Menschen betrifft. Mehr noch: Nicht nur betrifft, sondern im wahrsten Sinne des Wortes über Leben und Tod, über ihr Leben und ihren Tod entscheiden könnte.

Aber ich fürchtete um mein eigenes Leben. In diesem Staat, der sich so freiheitlich gibt. Und dessen Stützen meine Frau, der dieses Buch in Liebe und Dankbarkeit gewidmet ist, ermordet haben.

Ich fürchtete mich vor eben diesen Stützen der Gesellschaft, die – vergleichbar den Figuren im gleichnamigen Drama von Ibsen – als hochehrenwert gelten, obwohl sie ihr lukratives Geschäft mit ebenso dubiosen wie skrupellosen Mitteln betreiben. Deren Triebkräfte, neben ihrer nicht zu sättigenden Geldgier, insbesondere Machthunger, Geltungsstreben, Karrieresucht, Eitelkeit oder schlichtweg Dummheit sind. Die wieder und wieder mein Leben bedrohten und weiterhin bedrohen. Und die mir alles, das mir wichtig war, auf verbrecherische Weise genommen haben.

Indes: Ich bin kein ängstlicher Mensch, bilde es mir zumindest ein. Gleichwohl singe ich sozusagen im Wald, um meine Angst zu vertreiben. Meine Angst, das nicht benennbar Bedrohliche, das Diffuse, oft nur schwer zu Konkretisierende, das, was die Luft zum Atmen nimmt, ohne dass es genau zu fassen ist.

Diese Angst, die so gerne ontologisch, d.h. als Grundstruktur des Seienden und des Möglichen, verklärt wird, obwohl sie im Allgemeinen doch nur die Herrschaft des Menschen über den Menschen widerspiegelt, diese Angst, die also durchaus keine Grundbegrifflichkeit des Seins ist, wie Heidegger uns weismachen möchte, diese diffuse, nicht greifbare Angst habe ich gleichwohl, jedenfalls weitgehend, überwunden.

Zurückgeblieben ist Furcht. Vor konkreter Bedrohung. Zurückgeblieben ist die Erinnerung an Menschen wie Gustl Mollath – wahrlich kein Einzelfall –, die man jahrelang, oft lebenslang, einsperrt, wegsperrt, psychiatrisiert. Denen man ihre Existenz nimmt, ihre Würde, ihre Selbstbestimmung, ihr Leben.

Nach der Maxime: Alle, die nicht so sind wie wir, sind krank. Alles, was unsere Interessen, unsere Profitgier stört, ist krank. Was krank ist und deshalb ausgegrenzt und letztlich ausgemerzt werden muss, bestimmen wir. Dabei hilft uns im Zweifelsfall die Justiz. Dabei helfen uns willfährige Psychiater, die mittlerweile ein derart krudes System dessen, was im psychiatrischen Sinne krank oder gesund sein soll, aufgebaut haben, dass man sich fragen muss, ob die Ver-rückten innerhalb oder außerhalb der Mauern der psychiatrischen Kliniken sitzen. Ähnlich dem Bäumchen-wechsel-dich-Spiel in Dürrenmatts »Die Physiker«.

Als ehemals in der Psychiatrie tätiger Arzt weiß ich, wovon ich rede. Als Arzt, der die Karriere, die man ihm im Psychiatrie-Wahnsinn anbot, ausschlug. Weil er eben diesen Wahnsinn nicht mehr ertragen konnte und wollte.

Größer jedoch als diese meine Furcht ist der Wille, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Nicht, dass ich glauben würde, diese gepachtet zu haben. Ich kann nur schildern, beschreiben, analysieren, was ich in Jahrzehnten ärztlicher Tätigkeit erlebt, erfahren und auch persönlich erlitten habe. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist Aufgabe des Lesers, dies zu werten und zu gewichten. Sich sein eigenes Urteil zu bilden. Nachdem ihm Zusammenhänge, Hintergründe und Ungeheuerlichkeiten bewusst geworden sind. Oder auch nicht einleuchten.

Ich bin kein Mahner, kein Rufender in der Wüste. Ich will niemanden bekehren. Allenfalls aufklären. Und hoffentlich überzeugen.

Davon, dass wir auf einem Irrweg sind. Auf einem sehr fatalen Irrweg. Der Milliarden (!) von Menschen betrifft. Der Milliarden (!) von Menschen das Leben kostet.

Denn jeder zweite Mensch auf der Welt (jedenfalls in den Industriestaaten, für die einschlägige Statistiken vorliegen) erkrankt an Krebs. Und jeder zweite davon, also summa summarum jeder vierte Mensch weltweit (!), stirbt an Krebs.

Wahrlich eine Geißel der Menschheit. Aber keine, die Pandora aus ihrem Füllhorn der Plagen über uns ausgeschüttet hätte. Die uns zufällig, schicksalshaft trifft. Weil wir beispielsweise defekte Gene ererbt, uns mit ominösen Viren infiziert haben. Und uns nicht, sozusagen in einem Akt von Selbstmord als Angst vor dem Tode, wie Angelina Jolie gleich vorab die Brüste abschneiden lassen, damit wir nicht an Brustkrebs erkranken. Vielmehr eine Geißel, die Menschen schaffen, eine Geißel, für die Ignoranz und Profitgier verantwortlich sind.

Maßgebender als meine Furcht und als Maxime meines Handels – auch um des eigenen Überlebens willen – wichtiger als diese ist zudem die Erkenntnis, dass ich mich nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen, meine Forschung unter dem Motto »Noli turbare circulos meos« betreiben und mich dann wundern darf, wie weiland Archimedes von römischen Marodeuren, so heute von denen gemeuchelt zu werden, deren Kreise ich meinerseits störe.

Als ich mich schließlich dazu durchgerungen hatte, das nun vorliegende Buch zu schreiben, stellte sich die Frage, in welcher Form ich es schreiben wollte oder sollte.

Als Sachbuch? Als (Auto-)Biographie? In der literarischen Form eines Romans?

Letzte Form hätten meine Feinde als bloße Fiktion diskreditiert.

Erste Variante würden willfährige akademische Schreiberlinge (die durchaus auch auf Professoren-»Niveau« angesiedelt sind) als unglaubwürdig abwerten und abtun.

Hätte ich mich indes zu einer (Auto-)Biographie entschlossen, wäre das Buch wohl nie auf den Markt gekommen, weil die Akteure, die unrühmliche Erwähnung finden, ein Erscheinen durch formaljuristische Maßnahmen verhindert hätten.

Deshalb habe ich sozusagen eine Mischform aus Belletristik sowie dokumentarischen und wissenschaftlichen Ausführungen gewählt; letztere sind derart gehalten, dass sie auch ein (medizinischer) Laie, der des Begreifens willens ist, verstehen kann.

Folgerichtig tauchen Fantasienamen auf, wie Frau Prof. M. Tausendschön, Prof. H. Neunmalklug oder Dr. G. Großkotz. Dadurch werden Namensgleichheiten oder -ähnlichkeiten mit real existierenden Personen vermieden. Gleichwohl: Sofern die Akteure, ihre Komplizen und Sympathisanten sich wiederzuerkennen glauben, bin ich der Letzte, der sie daran hindert. Aus rechtlichen Gründen bin ich jedoch gehalten, zu versichern, dass Gleichheiten oder Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen rein zufällig und nicht gewollt sind.

Durch die Form der Darstellung hoffe ich außerdem, den verschiedenen Aspekten dessen, was ich auf intellektueller wie emotionaler Ebene vermitteln will, besser gerecht zu werden. Denn das, was Menschen erleben, dulden und erleiden, lässt sich eher mit belletristischen Mittel vermitteln; die Erörterung von Zusammenhängen und Hintergründen indes erfordert mehr den wissenschaftlich und analytisch geschulten Blick.

So entstand eine Art von Schlüssel- und Tatsachenroman, der nicht nur die erforderlichen Einblicke liefert, sondern auch Schutz vor Verfolgung bietet. Und zwar insofern, als die in der Sache gleichwohl Benannten und deren Helfershelfer, auch die in staatlichen Verfolgungsorganen, nur schwerlich beweisen können, was nun tatsächlich geschehen und was bloße literarische Fiktion, wer gemeint oder auch nicht gemeint ist. Wobei ich versichern kann, dass dem Roman weitestgehend (auto-)biographische Erlebnisse sowie Schilderungen der tatsächlichen Ereignisse zugrunde liegen.

Hinsichtlich Form und Gestaltung war mithin mancherlei Kunstgriff erforderlich. Rein optisch ist der literarisch-erzählende Teil im Allgemeinen in Normalschrift, der wissenschaftlich-dokumentarische in Kursivschrift gehalten.

Bezüglich Inhalt und Botschaft hoffe ich, möglichst viele Leser betroffen zu machen und aufzurütteln.

Betroffen zu machen und aufzurütteln, damit sich der Titel des Buches erfülle: Dein Tod war nicht umsonst.

Landshut, den 01.03.2014

Dr. med. Richard A. Huthmacher

Arzt und Facharzt, Chefarzt und Ärztlicher Direktor i.R.

Wissenschaftler und Autor, der sich zeitlebens mit den

unterschiedlichsten humanwissenschaftlichen Disziplinen

beschäftigte und u.a. Medizin, Psychologie und Soziologie studierte

Vor allem aber Mensch, der mit anderen Menschen hofft, fühlt und leidet

Jeder stirbt für sich allein

DURCH DEINE LIEBE NEU BESEELT

FÜHL ICH DES EIGNEN WESENS WEITEN

DURCH DEINE LIEBE NEU BELEBT

WERD ICH ZU UNBEKANNTEN UFERN SCHREITEN DURCH DEINE LIEBE NEU ERFÜLLT

MIT HOFFNUNG WELCHER ANGST BEREITS DIE FLÜGEL LÄHMTE

DURCH DEINE LIEBE

MEINER SEELE BLEICHE SONNE

IHR DÜRFTIG LABSAL

DENNOCH EINZIG EWIG WONNE

(Pertristis Desiderans – der Protagonist,
sehr traurig, gleichwohl hoffnungsvoll)

Ihre Augen strahlten geradezu. Groß. Blau. Ihr Gesicht schien milde zu lächeln. Wollte sie im Sterben denen vergeben, die ihr so viel Leid angetan hatten? Mit offenen Augen lag sie auf dem Sterbebett, in den gefalteten Händen einen grotesk anmutenden Lorbeerkranz. Aus Plastik. Der lässt sich wiederverwenden. Man muss sparen in den Palliativstationen und Hospizen, die nur durch Spenden finanziell überleben. Unheilbar Kranke und Sterbende sind nicht viel wert in unserer Gesellschaft. Jedenfalls so wenig, dass man ihnen häufig kein Blut mehr transfundiert. Viel zu teuer. Stattdessen erhalten sie Morphin-Präparate. Viel billiger. Die nehmen ihnen zwar nicht die Luftnot, letztendlich ersticken die Sterbenden. Aber beim Ersticken empfinden sie – so jedenfalls wird behauptet – keine Schmerzen. Denn sie werden ja mit hochwirksamen Schmerzmitteln behandelt. Kann man das als »Euthanasie« bezeichnen (εθανασία:: eu = »gut«; thánatos = »Tod«) – ein guter Tod?

Reinhard betrachtete ihr Gesicht, das nur noch aus Haut bestand, welche den knöchernen Schädel überspannte, und musste unweigerlich an einen Schrumpfkopf denken. An den eingeschrumpften Kopf eines getöteten Menschen. In der Tat: getötet hatte man seine Frau. Ohne dass irgendjemand außer ihm aufgeschrien hätte. Ähnlich bizarre Gedanken wie der Vergleich mit einem Schrumpfkopf kamen Reinhard fortwährend in den Sinn. So dachte er an Hölderlin und dessen über alles geliebte Susette, welche er, Hölderlin, vom Totenbett gerissen, in seinen Armen gehalten, in unsäglicher Verzweiflung umhergeschleppt, durchs Totenzimmer geschleift hatte. Bis man ihn gewaltsam entfernte. Im Nachhinein wusste Reinhard nicht mehr, ob auch er seine Maria in schierer Verzweiflung aus dem Bett gezerrt und in den Armen gewiegt hatte; jedenfalls konnte er sich deutlich an ihren ausgezehrten Körper erinnern, an ihre Arme, die nur noch knöcherne Röhren, an ihre Rippen, die so spitz waren, dass er sich daran geradezu hätte stechen können.

Ihm fiel ein, dass man Maria eine parenterale Ernährung verweigert hatte. Um ihren Leidensweg zu verkürzen. Angeblich. Hatte man sie schlichtweg verhungern lassen? Denn parenterale Ernährung ist teuer. Und muss man vorhandene Ressourcen nicht vornehmlich denen zugutekommen lassen, die sich, im Gegensatz zu unheilbar Kranken und Sterbenden, noch an der Gesellschaft »verdient« machen können?

In diesem Moment schämte sich Reinhard geradezu, dass er zu den Mitbegründern der Hospizbewegung in Deutschland gehörte, die sich in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts etablierte. Maßgeblich beeinflusst, getragen von den wunderbaren Gedanken einer Elisabeth Kübler-Ross, die in ihrem eigenen Sterben so alleine war wie ein verjagter räudiger Hund.

Er wollte sich indes nicht wie Hölderlin in den Irrsinn flüchten. Seine Feinde würden sich vor Freude auf die Schenkel schlagen. Zumal sie ohnehin versuchten, ihm eine psychische Erkrankung anzudichten, um ihn, den kritischen Arzt, den unliebsamen Querdenker, den Renegaten, der immer wieder seinen Finger in die Wunden des Medizinbetriebs legte, aus dem Verkehr zu ziehen. Mundtot zu machen. Hinter Psychiatriemauern verschwinden zu lassen. Für immer und ewig.

In den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte und etablierte sich in weiten Teilen Europas und der USA die sogenannte »Antipsychiatrie«, eine politische und soziale Bewegung, welche die Existenzberechtigung der Psychiatrie in Frage und die soziale Bedingtheit psychischer »Erkrankungen« in den Fokus ihres Interesses stellte. Dem interessierten Laien sind einschlägige Filme wie »Einer flog über das Kuckucksnest« (USA, 1975) bekannt.

Im Rahmen dieser kritischen Auseinandersetzung mit der Institution Psychiatrie veröffentlichte Bertaux 1978 seine Hölderlin-Biographie, in welcher er die These vertrat, Hölderlin sei durch die ihm drohende politische Verfolgung nachgerade gezwungen gewesen, seine »Ver-rücktheit« zu spielen (Bertaux, Pierre: Friedrich Hölderlin. Eine Biographie. Frankfurt a. M. 1978).

Die These, dass Hölderlin sich seines tatsächlichen seelischen Zustands durchaus bewusst, also keinesfalls geisteskrank war (müsste wohl eher »seelenkrank« heißen – jedenfalls eine gleichermaßen interessante wie bezeichnende Begriffskonfusion), diese These lässt sich jedenfalls mit seinem bekannten Gedicht von 1811 trefflich untermauern:

»Das Angenehme dieser Welt hab ich genossen,

Die Jugendstunden sind, wie lang! wie lang! verflossen,

April und Mai und Julius sind ferne,

Ich bin nichts mehr; ich lebe nicht mehr gerne.«

(Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente. Bremer Ausgabe.

Hrsg. von D. E. Sattler. München 2004. Bd. 12, S. 4.)

Jedenfalls wurde Hölderlin 1805 im Auftrag des Kurfürsten von Württemberg verhaftet und des Hochverrats angeklagt. Zwar stellte man die Ermittlungen gegen ihn bald ein, erklärte ihn jedoch für wahnsinnig und verbrachte ihn unter Anwendung von Zwang ins Tübinger Universitätsklinikum. Wegen einer »Manie als Nachkrankheit der Krätze«. (Zwar müssen solch abenteuerliche Diagnosen im medizinhistorischen Kontext gesehen werden; sie sind indes – bezeichnender für die, welche sie stellen, als für die, denen sie angedichtet werden – durchaus heute noch, zudem kaum seltener und nicht weniger bizarr als vor 200 Jahren, anzutreffen; hierzu später mehr.)

Die Behandlung Hölderlins – u.a. durch den Psychiater (die passendere Bezeichnung wäre wohl »Folterknecht«) Autenrieth, der traurige Berühmtheit durch seine gleichnamige Maske zur Knebelung unruhiger Patienten erlangte – muss in höchstem Maße traumatisch und dem seelischen Zustand Hölderlins nicht gerade zuträglich gewesen sein. (Gonther, Uwe/Schlimme, Jann E.: Hölderlins Behandlung im Tübinger Klinikum. In: Gonther, Uwe/Schlimme, Jann E. (Hrsg.): Hölderlin und die Psychiatrie. Schriften der Hölderlin-Gesellschaft, Bd. 25. Bonn 2010, S. 51–110; hier S. 104 ff.) Er wurde dann unter Vormundschaft gestellt und bis zu seinem Lebensende in den berühmten Tübinger Turm gesperrt.

Hölderlin jedenfalls ist nur eines von unzähligen Beispielen dafür, wie durch Gesellschaften und Jahrhunderte hindurch mit Abweichlern, politisch Missliebigen, Widerspenstigen, geistigen Aufrührern und Neuerern jedweder Couleur verfahren wird.

Reinhard jedenfalls schrie auf, ob der Verbrechen, die an seiner Frau und ihm begangen wurden.

Indes: Zu groß war die Feigheit derer, die davon wussten, jedoch nichts taten – »Freunde« ebenso wie Amnesty International (»In Deutschland können Sie doch die Gerichte bemühen, wir leben schließlich in einem Rechtstaat«), Human Rights Watch (die sich nicht einmal die Mühe machten, ihm zu antworten) geradeso wie investigative Journalisten oder Künstler und Schriftsteller. Von Wecker bis Walser, von Wallraff bis Grass oder Jelinek.

Seine Presseerklärungen waren Legion, interessiert hatten sie (fast) niemand. Einmal wollte das Schweizer Fernsehen ein Interview mit ihm senden. Kurz vor dessen Ausstrahlung wurde der zuständige Ressortleiter ohne Angabe von Gründen gefeuert. Das Geld der Anzeigen-Auftraggeber war zu wichtig, der politische Einfluss »von oben« zu groß, sein »Vergehen« (Krebskranken für wenig Geld zu helfen) zu verwerflich, als dass sich eine helfende Hand gerührt hätte.

»Öffentlicher Aufruf

Ich bin Arzt, vorm. Chefarzt und Ärztlicher Direktor. Und habe u.a. neue, alternative Methoden der Krebsbehandlung entwickelt. Die erfolgreich, den Patienten schonend und zudem extrem kostengünstig sind.

Dadurch störe ich die Kreise derer, die durch die Medizin möglichst viel Geld verdienen wollen und – auch deshalb – kategorisch eine Unterordnung unter schulmedizinisches (Pseudo-)Wissen verlangen.

Aufgrund vorgenannten Sachverhalts hat man meine Frau und Mitstreiterin, eine international bekannte Philosophin – psychisch zeitlebens völlig gesund und niemals zuvor in irgendeinem Kontakt mit dem Psychiatrieapparat –, zwangsweise psychiatrisiert. Ohne Grund, ohne Diagnose, ohne rechtliche Grundlage. Mit Polizeigewalt aus unserem Haus verschleppt. In einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung zwangsbehandelt. Ende letzten Jahres ist meine über alles geliebte Frau gestorben. Man kann natürlich auch sagen, man hat sie ermordet.

Nun will man auch mich psychiatrisieren. Mit denselben Methoden, wie in (kommunistischen oder faschistischen) Diktaturen üblich. Deshalb brauche ich dringend den Schutz einer informierten Öffentlichkeit.

Darum meine Bitte: Informieren Sie die Medien (Internet, Presse, Verlage, Fernsehen, Rundfunk). Versuchen Sie, den Kontakt zu kritischen Journalisten und sonstigen nicht absolut systemgläubigen ‚Personen des öffentlichen Lebens‘ (Musiker, Schauspieler, Künstler allgemein etc.) herzustellen. Berichten Sie über die Vorgänge, wenn Sie als ‚Medienmacher‘ die Möglichkeit dazu haben.

Dadurch, dass Sie verhindern, dass neue, bahnbrechende Behandlungsmethoden unterdrückt werden, retten Sie vielleicht irgendwann Ihr eigenes Leben oder das eines geliebten Angehörigen.

Nähere Informationen und Kontakt:

Dr. med. R.A. H…

Arzt, Facharzt, Chefarzt und Ärztlicher Direktor i. R.

www.sanfte-heilmethoden.de, dort Kontakt und Impressum …«

Reinhard hatte das System von Herrschaft und Unterwerfung, das sie ihn »Demokratie« zu nennen gelehrt hatten, in Frage gestellt, indem er sich dessen Gestaltungs- und Ordnungsprinzipen nicht mehr kritiklos unterwarf; dadurch war er zum Ausgestoßenen, sozusagen vogelfrei geworden. Und konnte nur hoffen, dass man ihn nicht zugrunde richten würde. Denn Renegaten, Abtrünnige werden seit jeher aufs Schwerste bestraft. Weil sie grundsätzlich in Frage stellen: bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse, den Irrsinn vorhandener Ordnungsstrukturen, die Vergewaltigung des Denkens, Fühlens und Seins. Weil sie – wie Fromm – ein richtiges Leben im falschen nicht für möglich halten und sehen und kundtun, wie die Menschen an diesem ihrem falschen Leben zerbrechen. Seelisch. Physisch. Existentiell.

Worin bestand nun sein Verstoß gegen die »geltende Ordnung«? Schlichtweg darin, dass er heilen konnte, wo die Schulmedizin versagt. Dann heilen konnte, wenn die Schulmedizin hilflos war. Wenn sie Schwerstkranken mehr schadete als nützte. Beispielweise bei Krebserkrankungen. Aber nicht nur dort. Was er natürlich anhand von Patientenakten beweisen konnte. Und weshalb »man« (will heißen: die instrumentalisierte Staatsgewalt, der Erfüllungsgehilfe entsprechender Interessengruppen wie der Pharmaindustrie) bei ihm regelmäßig Hausdurchsuchungen machte, um Unterlagen zu beschlagnahmen und seiner Forschungsergebnisse habhaft zu werden. Die er zwischenzeitlich natürlich im Ausland und sonst wo in Sicherheit gebracht hatte. Hausdurchsuchungen, Überfälle, Bedrohungen und Ähnliches mehr. Wohlgemerkt auch durch den Staatsapparat. Wider jedes – formale – Gesetz natürlich.

Auch wollte man ihn für verrückt erklären. Per Ferndiagnose, denn niemals hatte ihn ein Psychiater, einer dieser Schandflecke der medizinischen Zunft, auch nur zu Gesicht bekommen. »Ver-rückt« war er tatsächlich, indes nicht im Sinne von psychiatrisch krank. Vielmehr hatte er sich selbst aus der gängigen Ordnung »ge-rückt«, war damit in der Tat tatsächlich »ver-rückt«. Weil er nicht mehr das Profitspiel der Pharmaindustrie spielte, sondern mit alternativen, will heißen, nicht-schulmedizinischen Methoden seine Patienten heilte. Für einen verschwindend kleinen Bruchteil der Kosten, welche die Schulmedizin verursacht. Sodass er sich des Verbrechens schuldig machte, das überaus profitable Geschäft des medizinisch-industriellen Komplexes zu stören.

Jedenfalls war dieser Versuch, ihn zu psychiatrisieren, um ihn unter Bruch sämtlicher formaler Gesetze wegzusperren, eine elegante Art, sich seiner zu entledigen. Ihn umzubringen hätte möglicherweise zu viel Aufsehen erregt. Einen Kennedy, eine Marilyn Monroe, eine Lady Di, auch einen Johannes Paul I. kann man nicht einfach wegsperren, die muss man eliminieren. Bei einem kleinen Arzt verhält es sich umgekehrt.

Trotz alledem würde Reinhard niemals freiwillig aufgeben. Bis er den Tod seiner Frau »gerächt«, will heißen, die Täter benannt und in der Öffentlichkeit bloßgestellt hatte: als eitel, dumm – im Sinne von ignorant, also nicht-wissend, nicht erkennend, kritiklos bejahend, ohne je zu hinterfragen; auch im landläufigen Sinne gebildete Menschen können durchaus dumm im Sinne von ignorant sein –, als egoistisch, machthungrig und skrupellos. Bis er ihnen die ehrenwerte Maske vom weniger ehrenwerten Gesicht gerissen und sie als Protagonisten einer Spezies bloßgestellt hatte, wie diese in vielen gesellschaftlich führenden Positionen und nicht minder selten im Gesundheitswesen anzutreffen ist.

Ihm fielen die Gedichtzeilen des »Trotz alledem«-Gedichts von Freiligrath ein, geschrieben nach der gescheiterten Revolution von 1848:

»Denn ob der Reichstag sich blamiert

Professorhaft, trotz alledem!

Und ob der Teufel regiert

Mit Huf und Horn und alledem –

Trotz alledem und alledem,

Trotz Dummheit, List und alledem,

Wir wissen doch: die Menschlichkeit

Behält den Sieg trotz alledem!«

Und ihm fielen Dr. Großkotz, Prof. Neunmalklug und Frau Prof. Tausendschön ein, die in unheilig dreifaltiger Einigkeit seine Frau auf dem Gewissen hatten – und nicht nur auf dem Gewissen, sondern tatkräftig, im wahrsten Sinne des Wortes, Hand an sie gelegt hatten.

Die Stille im Totenzimmer der Palliativstation war unerträglich, schnürte ihm die Kehle zu, hinderte ihn zu schreien. Zu schreien, bis er außer Atem war. Zu schreien, bis sein Gesicht anschwoll, seine Augen rot unterliefen, sein Kopf zu platzen drohte. Hinderte ihn, sein Elend, seine Verzweiflung, seine nicht in Worte zu fassende Not aus sich heraus zu brüllen.

Stattdessen schrie er stumm. Wie Edvard Munch. Der seine eigene Seelenpein in vier nahezu identischen expressionistischen Meisterwerken zum Ausdruck brachte. Und von denen er, Reinhard, vor vielen Jahren eines – soweit er sich erinnern konnte, dasjenige, welches Munch 1893 malte und das heute in der norwegischen Nationalgalerie in Oslo hängt – zum Titelbild seiner Dissertation gewählt hatte.

Schloss sich hier ein Kreis? Konnte man den Bogen spannen, von dem engagierten jungen Arzt, der sich bereits vor Jahrzehnten mit den nach wie vor tabuisierten Themen von Sterben und Tod beschäftigte, zu dem desillusionierten, gleichwohl weiterhin kämpferischen Chefarzt im vorzeitig-unfreiwilligen Ruhestand, den man zum Teufel gejagt hatte, weil er das Spiel von Profit, Betrug und Lüge nicht mehr mitspielen wollte?

Kälte drang durch das geöffnete Fenster. Der Dezember-Frost sollte das Kühlhaus ersetzen. Schließlich wollte man den Angehörigen »eine schöne Leich« präsentieren. Hatte man die Tote zu Lebzeiten mit Füßen getreten, bis aufs Blut gequält, so sollte wenigstens jetzt der Mantel des schönen Scheins über sie gebreitet werden. Welche Verlogenheit, welch Heuchelei.

»‚Und keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber‘ (Römer, 14, 7).

Lebensbedrohliche Erkrankungen, Sterben und … Tod stören das psychische Gleichgewicht nicht nur der Person, die davon direkt betroffen wird, sondern gleichermaßen das der Gruppe, in der sie lebt. … Die Weise, wie sowohl … Erkrankte als auch deren Angehörige mit diesen existentiellen Ereignissen umgehen, steht wiederum in einer Wechselbeziehung zu der jeweils üblichen Art in einer Gesellschaft … Das Schweigen im Umfeld Sterbender ist auch Folge der Tabuisierung des Todes … Dieser wurde nach und nach ähnlich mystifiziert wie in der Viktorianischen Ära die Sexualität, was …zu einer Pornographie des Todes geführt hat … Möglicherweise ist die Tabuisierung des Todes nicht nur eine Folge der Angst vor dem Tod, sondern Ausdruck einer viel umfassenderen Angst, welche den einzelnen hindert, seine sozialen Zwänge wahrzunehmen: ‚Die gesellschaftliche Verfassung duldet … kein ‚memento mori‘, an dem die … Angst vor dem Sterben in eine kollektive Bewegung umschlagen und … unserer … Existenz ihre Selbstverständlichkeit nehmen könnte‘ … Befreiung aus dieser Angst dürfte Voraussetzung eines ‚emanzipierten‘ Sterbens als folgerichtiger Entwicklung eines von sinnlos oktroyierten gesellschaftlichen Zwängen weitgehend freien Lebens sein; ‚Orthothanatos‘, d.h. ein ‚aufrechter und wahrhafter Tod‘, ist so gesehen nur in der Kontinuität eines selbstbestimmten Lebens vorstellbar.« (Huthmacher, Richard A.: Die Angehörigen schwerst- und lebensbedrohlich Kranker sowie sterbender Erwachsener. Würzburg 1991, Neuauflage 2002, S. 1 ff.)

Natürlich durfte in diesem Szenario der Heuchelei der Pastor nicht fehlen. Jedenfalls nicht in einem religionsgebundenen Krankenhaus der erzkatholischen Stadt München, wo die Uhren langsamer ticken, bisweilen Dekaden der Gegenwart hinterher.

Angewidert verließ Reinhard das Zimmer, als seine Schwiegermutter, diese alte, heuchlerische Betschwester, auf die Knie fiel, um mit dem Geistlichen zusammen um Vergebung für die Sünden der Toten zu beten. Vergebung für die Sünden der Toten? Wer hatte hier gesündigt? Seine verstorbene Frau gewiss nicht. Allenfalls diejenigen, die sie, die blitzgescheite, hochintelligente Philosophin und Theologin, mit Gewalt aus ihrem Haus ins Universitätsklinikum der Weltstadt mit Herz verschleppt, sie wochenlang in der psychiatrischen Abteilung gefangen gehalten und misshandelt, sie gegen ihren Willen und völlig überflüssig operiert und ihr bei dieser Operation eine sogenannte »Krankenhausinfektion« gesetzt hatten, weshalb sie in den folgenden Monaten dann mehr als 30 Mal nachoperiert wurde, bis sie elendiglich verstarb.

Reinhard musste an den mittelalterlichen Hymnus vom Jüngsten Gericht denken, Ursprung des Requiem, Grundlage zahlloser literarischer Verarbeitungen und musikalischer Vertonungen:

»Dies irae, dies illa

Solvet saeclum in favilla:

Teste David cum Sibylla.

Quantus tremor est futurus,

Quando iudex est venturus,

Cuncta stricte discussurus!

Liber scriptus proferetur,

In quo to turn continetur,

Unde mundus iudicetur.

Iudex ergo cum sedebit,

Quidquid latet apparebit:

Nil inultum remanebit.«

»Tag der Rache, Tag der Sünden,

Wird das Weltall sich entzünden,

wie Sibyll und David künden.

Welch ein Graus wird sein und Zagen,

Wenn der Richter kommt, mit Fragen

Streng zu prüfen alle Klagen!

Und ein Buch wird aufgeschlagen,

Treu darin ist eingetragen

Jede Schuld aus Erdentagen.

Sitzt der Richter dann zu richten,

Wird sich das Verborgne lichten:

Nichts kann vor der Strafe flüchten.«

»Verstarb« ist eine euphemistische Formulierung; man ließ seine Frau schlichtweg verrecken. Auch, indem man ihr nach einiger Zeit die kostenintensive Behandlung der Schäden, die man selbst verursacht hatte, verweigerte. Denn selbstverständlich unterliegen Krankenhäuser, unterliegt auch das »Gesundheitswesen« – besser, genauer: »Krankheitsverwaltungswesen« – der gesamtgesellschaftsgültigen Kosten-Nutzen-Relation. »Es ist doch besser, wenn Sie sterben«, hatte ihr ein junger nassforscher Oberarzt gesagt, »Ihr Leben hat doch keinen Wert mehr.«

Wert hat offensichtlich nur, was sich in Mark und Pfennig, in Euro und Cent belegen lässt.

Nosokomiale Infektionen (νόσος, nósos = »Krankheit« und κομεĩν, komein = »pflegen«), auch »Krankenhausinfektionen« (νόσοκóμε?ov, nosokomeion = »Krankenhaus«) genannt, sind solche Infektionen, die in einem Krankenhaus durch Aufenthalt und/oder Behandlung erworben werden. Laut Daschner erleiden in Deutschland auf Allgemeinstationen fast 5 Prozent aller Patienten, auf Intensivstationen nahezu 15 Prozent eine Krankenhausinfektion (Daschner, Franz: Hygiene. Hysterie in Deutschland. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 109, H. 25, 2012, S. A1314). Schätzungen gehen von 10.000 bis 15.000 Todesfällen pro Jahr aus (Gastmeier, P./Geffers, C.: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich? Eine Schätzung für das Jahr 2006. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift, Bd. 133, Nr. 21, 2008). Andere Schätzungen, wie beispielsweise die der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, besagen, dass bis zu 40.000 Menschen pro Jahr allein in Deutschland infolge einer Krankenhausinfektion versterben. Wohlgemerkt versterben, weil zum Teil die primitivsten Hygieneregeln und -vorschriften nicht beachtet und eingehalten werden. Und weil durch einen unverantwortlich hohen Einsatz von Antibiotika – selbst dort, wo Viren die Krankheitsursache und Antibiotika mithin völlig nutzlos sind – Erreger mit Vielfachresistenz gezüchtet wurden und werden, gegen die nicht selten sämtliche Antibiotika wirkungslos sind.

So stand nun Reinhard am Totenbett seiner über alles geliebten Frau. Und ihm fiel das Brechtsche Gedicht »An die Nachgeborenen« ein: »In Zeiten« – und diese Zeiten sind seit Anbeginn unserer Zivilisation und Kultur, dachte Reinhard –, »wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt«, kann Kunst niemals l’art pour l’art sein – so dachte er. Vielmehr muss sie Hoffnungen und Wünsche, Sehnsüchte und Ängste ausdrücken, muss mit der Kettensäge die Verzweiflung des Geistes, mit dem Pinselstrich die Narben der Seele zum Ausdruck bringen. Wie könnte also der Künstler sein, der nie wirklich Zweifel und Verzweiflung gespürt hat? Wie kann Kunst entstehen ohne Leid? Wie viel Leid indes kann der Künstler, kann der Mensch schlechthin ertragen?

Wer ist ver-rückt?

Die Wände des Zimmers kamen näher und näher, bebend, schwankend, taumelnd. In der Ferne ertönte Musik, Maria konnte nur einzelne Fetzen erkennen und glaubte, eine Sequenz aus Mozarts Requiem zu hören: »Dies irae, dies illa … solvet saeclum in favilla.« Fratzen, grell und bunt, mit grotesk verzerrten Zügen, die sie gleichwohl an Prof. Neunmalklug und Frau Prof. Tausendschön erinnerten, drangen aus allen Richtungen auf sie ein und verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Grellbunte Kreise und neonfarbene Spiralen tauchten die Zimmerwände in ein gespenstisches Licht. Über ihre Arme krabbelte Ungeziefer und verbiss sich in ihrer Haut. Ihr Kopf war leer, ihre Gedanken waren aus Watte und ihre Arme und Beine aus Gummi; sie konnte sich weder bewegen noch einen halbwegs klaren Gedanken fassen, war eingeschlossen, weggesperrt in sich selbst. Schreien wollte sie, brüllen, oder auch nur jaulen und winseln; indes erstickte jeder Ton in ihrer Kehle. Immer größere Angst kroch in ihr hoch, breitete sich aus, durchdrang sie, legte sich wie ein Reif um ihre Brust, hinderte sie zu atmen, erstickte sie, mehr und mehr. Ihre Panik wuchs ins Unermessliche, und plötzlich entrang sich doch ein Schrei ihrer Kehle, laut, durchdringend, aus Verzweiflung bebend.

Maria wachte auf. Und nahm mit Bestürzung wahr, dass sie in einem fremden Bett und in einem fremden Zimmer lag. An Armen und Beinen gefesselt, einen Schlauch im Hals und eine Kanüle in der Luftröhre. Langsam dämmerte die Erinnerung an das, was in den letzten Tagen geschehen war.

Psychosen sind Störungen, die mit einem zeitweiligen Realitätsverlust einhergehen (ψυχή, psyché = »Seele«, »Geist« und -οσις, -osis = »[krankhafter] Zustand«). Psychotische Störungen treten häufig im Zusammenhang mit einer Schizophrenie auf, können indes auch sehr unterschiedliche sonstige Ursachen haben. Offensichtlich spielen Neurotransmitter (Botenstoffe im Nervensystem), namentlich spielt der Neurotransmitter Dopamin eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Psychosen; genaue Zusammenhänge und Wirkmechanismen sind jedoch nach wie vor unbekannt. Psychosen finden ihren Ausdruck in Wahnvorstellungen und Halluzinationen optischer, akustischer, zönästhetischer Art (Zönästhesien sind Leibempfindungen ohne reale Grundlage, beispielsweise die Wahrnehmung krabbelnder Insekten, die tatsächlich gar nicht vorhanden sind).

Nicht selten haben Psychosen rein organische Ursachen wie Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen; auch können sie die Folge von Drogenmissbrauch oder Medikamentennebenwirkungen sein (z.B. vermögen Neuroleptika, die psychotische Zustände dämpfen sollen, ihrerseits Psychose-Symptome hervorzurufen); (post-)operative Sauerstoffminderversorgung und die Nachwirkungen intra- und postoperativ verabreichter Medikamente können, im Rahmen eines sogenannten Durchgangssyndroms, ebenfalls zu psychotischen Erscheinungen führen, die von selbst wieder verschwinden.

Sie saßen am Kaffeetisch, es war ein schöner Tag im Juni. Marias Mutter war zu Besuch. Sie freute sich, dass ihre Tochter wieder wohlauf und von ihrer Krebserkrankung weitgehend genesen war. Auch Reinhard schaute glücklich drein. Plötzlich hämmerte es gegen die Haustür. Maria staunte, umso mehr, als sie sehr zurückgezogen lebten, kaum Besuch empfingen. Und schon gar keinen, der sich auf solch unangemessene Art bemerkbar machte. Unwirsch erhob sich Reinhard und ging zur Tür. »Aufmachen! Polizei!«, schrie es von draußen. Völlig irritiert öffnete er die Tür. Und erhielt unversehens einen Schlag gegen die Brust, sodass er rückwärts taumelte. Grünuniformierte, an der Aufschrift auf ihren Jacken als Polizei erkennbar, damit man sie nicht mit einem Rollkommando verwechsele, stürmten ins Haus. Ihnen folgte ein Milchbart, dessen Wichtigkeit daran zu erkennen war, dass er die Aufschrift »Notarzt« trug. Zwei kräftige Bauernburschen, dem Anschein nach nicht bösartig, eher einfältig und ebenso dreinblickend, folgten ihm; sie waren als Sanitäter zu identifizieren.

»Was ist hier los? Was geht hier vor?«, presste Reinhard heraus, weil ihm der Stoß gegen die Brust noch immer den Atem nahm. »Wir bringen Ihre Frau in die Klinik«, kam kurz und knapp die Antwort. »Das muss ein Irrtum sein. Meine Frau will nicht in die Klinik. Warum auch? Sie ist nicht, jedenfalls nicht mehr krebskrank. Außerdem bin ich selbst Arzt.« »Wir haben den Auftrag, Ihre Frau in die Klinik zu bringen.« »Wer hat Sie beauftragt? Mit welchem Recht?« »Dazu sagen wir nichts.« »Haben Sie irgendeinen richterlichen Beschluss?« »Brauchen wir nicht.« »Wieso nicht?« »Gefahr im Verzug.« »Welche Gefahr? Welcher Verzug?« »Halten Sie endlich die Fresse.«

Es war nicht zum ersten Mal, dass sich die Hüter von Recht und Ordnung gewaltsam bei Reinhard Einlass verschafften. Einige Jahre zuvor hatten Bundes- und mehrere Landeskriminalämter zwei Hundertschaften losgeschickt, um seine Klinik, die Zentralen seiner Firmen und private Wohnsitze auf den Kopf zu stellen. Wegen vermeintlichen Abrechnungsbetrugs, wegen angeblicher Rezeptfälschungen, wegen geradezu irrwitzig behaupteter Drogenschiebereien. Wie die Vandalen waren die Hüter staatlicher Gewalt eingefallen – der Vergleich sei gestattet, ohne die Vandalen beleidigen zu wollen. Keinen Stein hatten sie auf dem anderen gelassen, mit Transportern hatten sie die beschlagnahmten Unterlagen weggeschafft. Nur wenige Stunden später wurden Reinhards angebliche Missetaten im Radio publik gemacht; entsprechende Informationen waren den Medien offensichtlich durch Polizei und Staatsanwaltschaft zugespielt worden. Kein Hund hätte in der Kleinstadt, in der Reinhard damals lebte, anschließend noch ein Stück Brot von ihm genommen.

Anlass des martialischen Großeinsatzes waren falsche eidesstattliche Versicherungen von Dr. G. Großkotz, zuvor Geschäftspartner von Reinhard, dann, aufgrund geschäftlicher und privater Zerwürfnisse, dessen Todfeind.

Ursache des Habereitreibens gegen Reinhard waren jedoch dessen Auseinandersetzungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer.

Auseinandersetzungen, weil Reinhard bedürftige Patienten, auch aus dem angrenzenden Ausland, umsonst behandelte. Auseinandersetzungen, weil Reinhard in seiner Klinik Organisationsstrukturen geschaffen hatte, die deutlich werden ließen, wie viel Geld im Gesundheitswesen zum Fenster hinausgeworfen wird. Auseinandersetzungen, weil Reinhard seine Patienten besser und gleichzeitig kostengünstiger behandelte als seine Kollegen. Was indessen nicht deren Anerkennung, vielmehr ihren Neid und ihre Missgunst zur Folge hatte.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass die mehr als zehn Strafverfahren, die gegen Reinhard dann eingeleitet worden waren, nach fast zehn Jahren eingestellt wurden.

Zu Lasten der Staatskasse. Nachdem die fleißigen Ermittler fast fünfzigtausend Seiten Ermittlungsergebnisse zusammengetragen hatten. Nachdem Verfahren eingestellt und wieder eröffnet, nachdem Hauptverhandlungstermine anberaumt und wieder aufgehoben worden waren. Nachdem Reinhard ein halbes Dutzend Anwälte beauftragt und wieder entlassen hatte. Weil deren vornehmliche Tugend darin bestand, für ein horrendes Honorar möglichst wenig zu leisten. Nachdem die Banken all seine Kredite gekündigt und ihn in den Ruin getrieben hatten. Und zwar aufgrund weiterer eidesstattlicher Versicherungen seiner Todfeindes Dr. Großkotz. Eidesstattlicher Versicherungen, die sich im Nachhinein als erwiesenermaßen falsch herausstellten.

Weshalb Großkotz indes nie verurteilt wurde. Denn er stand »auf der richtigen Seite«. Wie die Staatsanwältin, die im Ermittlungsverfahren gegen das Recht verstieß. Was der zuständige Leitende Oberstaatsanwalt bestätigte. Ohne jedoch ein Verfahren wegen dieser Rechtsverstöße einzuleiten. Denn die Staatsanwältin habe nicht gewusst, was sie tat, Rechtsbeugung indes setze Vorsatz voraus.

Dann aber, mit Verlaub, hätte man die treue Staatsdienerin wegen Unzurechnungsfähigkeit aus dem Verkehr ziehen müssen.

»Generalstaatsanwaltschaft …

GStA Js…

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Herrn Dr. R... H…

Ihre Strafanzeige gegen Frau Staatsanwältin … wegen Rechtsbeugung …

Sehr geehrter Herr Dr. H…,

auf Ihre Strafanzeige, die der Leitende Oberstaatsanwalt in S… zuständigkeitshalber der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt hat, habe ich das Verfahren nach Beiziehung der Akten … und Anhörung der Staatsanwältin gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt …