de le Roi, Conny: Vom Buch zum Hörbuch: Zur literarischen Produktion und Rezeption ausgewählter Krimis in der Vertriebsstaffel Buch-Hörbuch. Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2014

Buch-ISBN: 978-3-8428-8778-7

ePub-eBook-ISBN: 978-3-8428-4608-1

Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2014

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Medium Hörbuch

2.1 Die Produktion

2.2 Möglichkeiten und Grenzen des Mediums Hörbuch

3 Vom Hörfunk zum Hörbuch

3.1 Die Entwicklung über den Rundfunk zum Hörbuch

3.2 Der Radio-Tatort

4 Besonderheiten des Sprechens

4.1 Zur sprecherischen Gestaltung

4.2 Kategorien der sprecherischen Analyse

4.3 Der Sprecher

4.4 Sprecherische Interpretation

5 Sprecherwahl

5.1 Irmgard Keun – Das kunstseidene Mädchen

5.2 Ildiko von Kürthy – Mondscheintarif

5.3 Ingeborg Bachmann – Simultan

5.4 William Peter Blatty – Der Exorzist

6 Zur Kürzungsproblematik

7 Der Krimi

7.1 Kriminalliteratur als Schemaliteratur

7.2 Merkmale des Thrillers

7.3 Der Thriller als Hörbuch

8 Wolf Haas

8.1 Komm, süßer Tod

8.1.1 Inhaltsangabe

8.1.2 Der Vergleich von Buch und Hörbuch

8.2 Silentium!

8.2.1 Inhaltsangabe

8.2.2 Der Vergleich von Buch und Hörbuch

8.2.3 Leser- und Hörerumfrage zu Wolf Haas – Silentium!

9 Andrea Maria Schenkel – Tannöd

9.1 Inhaltsangabe

9.2 Vergleich von Buch und Hörbuch

9.3 Vergleich von Film und Filmhörspiel (-buch)

10 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Siglenverzeichnis

Für die häufiger angeführten Werke werden folgende Abkürzungen verwendet, wonach die Seitenangabe oder die Angabe des Timecodes (bei Audio- und Videoaufnahmen) folgt:

KsTB = Haas, Wolf (1998): Komm, süßer Tod. Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (rororo-Thriller, 43287).

KsTH = Haas, Wolf; Seberg, Gregor (1999): Komm, süßer Tod. Ein österreichischer Krimi. Vorgelesen von Gregor Seberg und Wolf Haas. 2 CDs. BMG-Wort.

SilB = Haas, Wolf (2005): Silentium! Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

SilH = Haas, Wolf (2004): Silentium. Lesung. Vom Autor gekürzte Fassung. Vorgelesen von Wolf Haas. Hamburg: Hoffmann und Campe.

TanB = Schenkel, Andrea Maria (2005, 2006): Tannöd. Kriminalroman. 3. Aufl. Hamburg: Ed. Nautilus.

TanH = Schenkel, Andrea Maria (2006): Monica Bleibtreu liest Andrea Maria Schenkel: Tannöd. Sondered. zum 65. Geburtstag, ungekürzte Lesungen. Vorgelesen von Monica Bleibtreu. 3 CD. Hamburg: Hörbuch Hamburg.

TanF = Oberli, Bettina (2009). Originaltitel: Tannöd. Paramount Home Entertainment und Wüste Film West. Deutschland. 1 DVD, 89 Minuten.

TanFH = Schenkel, Andrea Maria (2009): Tannöd. Das Hörspiel zum Film. 1 CD. Hamburg: Hörbuch Hamburg.

„Alle Dichter und überhaupt alle Schriftsteller von Talent und Geschmack müssen laut gelesen werden, wenn nicht die Hälfte ihrer Schönheiten für den Leser verloren gehen sollen.“

Christoph Martin Wieland 1788/89

1 Einleitung

Was die Kriminalliteratur für den Buchmarkt ist, ist das Hörbuch mittlerweile für den Hörbuchmarkt. Das Hörbuch erfreut sich heute mindestens einer ebenso großen Beliebtheit wie das Buch. Das spiegelt sich auch in dem großen und beliebten Genre des Krimis wider. Kriminalliteratur ist so begehrt wie nie und kaum ein anderes Genre wird in solchen Massen produziert. Auf dem Hörbuchmarkt hat das Hörbuch die anderen Formate wie beispielsweise das Hörspiel bereits überholt. Dass es sich beim Hörbuch selten um die vollständige Lesung der literarischen Vorlage handelt, wirkt sich offenbar nicht negativ aus. Allerdings lassen Umfragen hinsichtlich der Rezeption von Hörbuch oder Hörspiel erkennen, dass Hörspiele noch immer bevorzugt werden. Woraus diese Diskrepanz resultieren könnte, soll in dieser Untersuchung ergründet werden.

Untersuchungsgegenstand sind insbesondere Krimihörbücher. Zunächst soll die Entstehung des Mediums Hörbuch kurz umrissen werden. Durch die Entwicklung aus dem Rundfunk heraus wird die Betrachtung eines aktuellen Phänomens notwendig: des Radio-Tatorts.

Zudem wird das Medium Hörbuch sowie ausgewählte Produktionsabschnitte hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen betrachtet. Es werden Analysekriterien aufgestellt, die bei der Auseinandersetzung mit den für diese Untersuchung ausgewählten Hörbüchern herangezogen werden. Die ausgewählten Hörbücher werden zudem einem direkten Vergleich mit den als Vorlage dienenden Büchern unterzogen. Der Vergleich umfasst die Analyse des Bearbeitungsgrades des Textes, Thesen zur Sprecherwahl und die Analyse der Sprecherleistung.

Die Auswahl der Primärliteratur erfolgt nach folgenden Gesichtspunkten: Zu den auch von Literaturwissenschaftlern geschätzten Krimiautoren lassen sich Wolf Haas und Andrea Maria Schenkel nicht nur deshalb zählen, weil sie mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurden. Wolf Haas lässt in seinen Romanen um den ehemaligen Polizisten Simon Brenner sowohl die Struktur der Detektivgeschichte erkennen, nicht nur weil der Tathergang zum Ende noch einmal rekonstruiert wird, sondern auch die Struktur des Thrillers, da die Ermittlung den Täter aufschreckt, eine, wenngleich kaum rasante, Verfolgungsjagd beginnt und weitere Morde folgen. Besonders beeindruckt er aber durch seine sprachlichen Experimente sowie die eigentümliche Instrumentalisierung des Erzählers. Die Hörbücher, die unter anderem vom Autor gesprochen werden, lassen gerade ob ihrer zeitlich nah beieinanderliegenden Produktion einen enormen sprecherischen Fortschritt erkennen.

Der Roman Komm, süßer Tod wurde von einem Schauspieler und dem Autor eingelesen, Silentium hingegen ausschließlich vom Autor. Hier wird erstens zu fragen sein, warum diese Koproduktion sinnvoll ist und was sie bewirkt und zweitens warum und in welchem Umfang die Romane gekürzt wurden. Weiterer Untersuchungsgegenstand ist das Hörbuch Tannöd. Die zweimalige Krimipreisträgerin Andrea Maria Schenkel schrieb mit Tannöd einen Kriminalroman, der vom ursprünglichen Schema der Detektivgeschichte enorm abweicht. Und dennoch sprechen wir von einem Kriminalroman. Er wurde vom Verlag als ungekürztes Hörbuch produziert, verfilmt und nicht zuletzt als Filmhörspiel produziert. Es bietet sich an, zu fragen, warum dieser Roman bei der Adaption zum Hörbuch nicht gekürzt wurde.

Abschließend soll geprüft werden, was genau ein Filmhörspiel (auch Filmhörbuch genannt) ist und wie sich dies im Fall von Tannöd von dem Film oder sogar dem Buch unterscheidet. Hierbei wird insbesondere auf die Erzählinstanz und den Grad der Inszenierung zu achten sein. In einer umfassenden Schlussbemerkung wird die Frage beantwortet, warum es Hörbücher (gegenüber den Hörspielen) so schwer haben und eine Zusammenfassung über die gewonnenen Erkenntnisse der einzelnen Untersuchungen gegeben.

2 Das Medium Hörbuch

Was genau ist eigentlich ein Hörbuch? Mit dieser Frage haben sich in jüngster Zeit viele Wissenschaftler auseinandergesetzt.{1} Erst einmal ist das Hörbuch ein relativ neues Medium, das als solches einerseits neue Möglichkeiten bietet, andererseits, so Kritikern zufolge, aber viele Gefahren in sich birgt. Während die Vorteile dieses Mediums zunächst von ihnen ausgeblendet werden, wird an anderer Stelle erneut der ‚Tod der Literatur‘{2} ausgerufen. Das Hörbuch wird dabei unter anderem als Konkurrenz zum Buch und als Förderer eines Analphabetentums angesehen. Es markiere den Anfang vom Ende der Lesekultur. (Hennig 2002: 108) Vorschnelle Urteile sind schnell gefällt. Wenn man bedenkt, dass die meisten Hörbücher nur gekürzte Adaptionen von literarischen Texten sind, ist eher davon auszugehen, dass das Buch noch zusätzlich zum Hörbuch rezipiert werden wird. Ein Ende der Lesekultur und ein wachsendes Analphabetentum sind daher nicht zu befürchten.

„Hörbücher werden dabei die Hegemonie des gedruckten Buches nicht unterminieren, werden der ‚Gutenberg-Galaxis‘ nicht das Ende bereiten. Im Gegenteil: Das Buch bleibt Referenzmedium der Hörbücher. Insofern sind diese als eine bereichernde Ergänzung und Verstärkung auf dem heutigen Medienmarkt anzusehen – als Konkurrenz zum gedruckten Buch allenfalls unter marktstrategischen Gesichtspunkten.“ (Seibert/Hachenbach 2004: 5)

Auffällig ist auch, dass man diese Vorwürfe nicht auch an Hörspiele richtet, denn auch sie können auf literarischen Vorlagen beruhen.{3}

Aber zurück zur Ausgangsfrage. Wenn man streng nach der Semantik der einzelnen Wortbestandteile geht, aus denen dieses Kompositum gebildet wird, handelt es sich um ein Buch zum Hören. Dass es allerdings äußerst schwierig ist, eine präzise Definition von Hörbuch aufzustellen, wird sich im Folgenden zeigen.

Die Produktionen, die in deutschsprachigen Ländern Hörbücher genannt werden, sind sehr vielfältig. Der häufigste Typ ist die Lesung. Hier liest ein Sprecher einen Prosatext. (Häusermann 2010a: 11) „Wem das Medium bekannt ist, der weiß, daß sich hinter dem Begriff ebenso Hörspiele als auch Lesungen kompletter oder gekürzter Bücher verstecken können.“ (Hennig 2002: 15) Tatsächlich wird die Bezeichnung Hörbuch oft als Oberbegriff für Lesungen, Hörspiele und Features verwendet. Susanne Noack beginnt ihren Versuch der Definition wie folgt: „Das Hörbuch ist demnach ein auf ein analoges oder digitales Speichermedium, z.B. Kassette, CD oder DVD gespeichertes Werk.“ (Noack 2007: 3) Auffällig ist hier, dass Noack offenbar versucht, das Hörbuch bzw. den gesprochenen Text an das Trägermedium zu binden. Wir haben es hier also im Grunde mit zweierlei Arten von Medialität zu tun. Zum einen mit dem Trägermedium und zum anderen mit der medialen Mündlichkeit in Form von vorgelesenen gesprochenen Texten. Der definitorische Ansatz Noacks erscheint zunächst zwar logisch, ist jedoch grundlegend falsch.

Ein auf (ein Trägermedium) Kassette, CD oder DVD gespeichertes Werk wäre dieser Definition nach ein Hörbuch. Tatsächlich sind die meisten auf Kassette, CD oder DVD gespeicherten Werke Lieder, Filme und alle möglichen Arten von Dateien. Hörbücher, die im Internet herunterzuladen sind oder sich bei einer beliebigen Person auf einem USB-Stick befinden, sind immer noch Hörbücher, auch wenn diese nicht mehr an ein physisches Medium gebunden sind. Das gängigste Trägermedium von Hörbüchern ist zweifelsohne die CD. Die Vorteile dieses Mediums gegenüber der altbekannten Kassette liegen jedoch nicht so eindeutig auf der Hand. Man könnte annehmen, dass die mögliche Spieldauer einer CD wesentlich länger ist. Man könnte weiterhin annehmen, dass die CD länger haltbar ist als die Kassette und man könnte annehmen, dass die Speichersektoren der CD nicht so schnell verschleißen wie das Tonband der Kassette. Doch schnell ist festzustellen, dass die Kassette in ihrer beidseitigen Bespielbarkeit je nach Tonbandlänge Aufnahmen von bis zu 120 Minuten speichern kann. Eine herkömmliche CD lässt nur Aufnahmen mit einer Dauer von bis zu 80 Minuten zu.

Je nach Handhabung und Aufbewahrungsform unterscheidet sich die Haltbarkeit einer Kassette nicht von der einer CD. Witterungseinflüsse und unpfleglicher Umgang mit den Trägermedien wirken sich in etwa gleichermaßen auf die Lesbarkeit der Daten aus. Lediglich in puncto Verschleiß kann die CD überzeugen. Denn das Springen von Track zu Track wirkt sich nicht auf die Speichersektoren aus, wohingegen das Tonband der Kassette eindeutig durch sogenanntes ‚Leiern‘ erkennen lässt, welche Stellen besonders oft angehört wurden.

Auch ist es bei der CD möglich, die einzelnen Tracks anzuwählen{4}, wohingegen bei der Kassette lediglich zum Kassettenende (oder zum Anfang) gesprungen werden kann, ohne lange zu raten. Andererseits kann die Kassette an einer bestimmten Stelle gestoppt und in ein anderes Abspielgerät eingelegt werden. Man kann also direkt weiterhören, wohingegen man eine CD nach Laufwerkwechsel immer nur von vorn starten kann. Der ausschlaggebende Aspekt ist jedoch, dass die CD unterschiedliche Formate abspeichern kann. Noack (2007: S.16) vermittelt den Eindruck, bei der Differenzierung von Trägermedium und Medienformat an die Grenzen zu stoßen. Tatsächlich könnte man annehmen, MP3 sei ein eigenständiges Medium. Doch im Grunde ist es lediglich ein Datenformat, das nichts anderes als eine Kompression von digitalen Audiodaten ist. Durch die Konvertierung in das MP3-Format können Audiodaten sehr stark komprimiert werden. Dies hat den Vorteil, dass eine MP3-CD eine vielfach längere Abspieldauer zulässt als die herkömmliche Audio-CD.

An folgendem Beispiel wird dieser Vorteil deutlich. Das Hörbuch „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“{5}, gelesen von Rufus Beck, ist auf exakt zweiundzwanzig Audio-CDs gepresst, die insgesamt eine Abspieldauer von ca. 1539 Minuten ausmachen. Die entsprechende MP3-Variante besteht lediglich aus zwei CDs. Natürlich gibt es momentan weiterentwickelte Formate, beispielsweise MP4, und auch weiterentwickelte Trägermedien wie DVDs. Doch wie bei allen Medien muss der Hörer erst einmal über das entsprechende Abspielgerät verfügen. Vor nicht allzu langer Zeit ist das MP3-Format bei konventionellen CD-Playern gerade mal zum Standard geworden. Für DVDs und MP4 gibt es derzeit keinen Markt, da sich die Vorgänger gerade erst etabliert haben.{6} Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Hörverlag in Zusammenarbeit mit dem Rundfunk Berlin Brandenburg die akustische Adaption von Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit als vollständige, ungekürzte Lesung entsprechend des Marktes als Audio- und MP3-CDs produziert hat.

Möglicherweise ist eine Definition zunächst ohne die Berücksichtigung des jeweiligen Trägermediums anzustellen.

„Hörbücher sind nicht ausschließlich nach einer sogenannten ‚Buchvorlage‘ vorgelesene Bücher. Dies zeigt das Marktsegment der inszenierten Lesungen und der Hörspielproduktionen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die den Weg der (Zweit-)Vermarktungsform des Hörbuchs gehen. […] Hörbücher sind häufig Nebenprodukte von Buchverlagen oder Ausgründungen von Buchverlagen unter eigenen Labels. Das Hörbuch lässt sich in seiner physischen Form wie ein Buch handeln; es hat in den meisten Fällen eine ISBN. Im Unterschied zum Buch unterliegt es aber nicht der Buchpreisbindung und hat keinen festen Ladenpreis.“ (Rautenberg 2007: 9)

Eine solche Definition geht also von marktspezifischen Aspekten wie der Stellung auf dem Buchmarkt und der Stellung in der Produktion aus. Auch zeigt sie, dass der Begriff Hörbuch zunächst nur ein Sammelbegriff ist, unter den auch Produkte wie Lesungen, Hörspiele, Features, Gedichtsammlungen oder Sachbücher fallen.{7}

Es bleiben daher nur zwei Möglichkeiten einer adäquaten Klassifizierung. (Häusermann 2010a: 12) Entweder wird die Definition sehr weit gefasst, wie im Falle des Oberbegriffs oder sie wird sehr eng gefasst und korreliert nicht mehr mit dem, was im Handel als Hörbuch tituliert wird.

Ein weiteres Problem, dem nachgegangen werden muss, ist die Benennung von gelesenen Gedichten, die aber gleichzeitig an einen musikalischen Rhythmus angepasst sind wie beispielsweise die Produktion Rilke Projekt. Die Produzenten wählen die Gedichte, suchen dann einen passenden Sprecher aus und lassen die Gedichte einlesen. Die Musik wird jedoch unabhängig von der Lesung komponiert. Beides wird erst im letzten Schritt zusammengebracht. Hier verschwimmen die Grenzen von Musik und Hörbuch.

Ein Hörbuch ist in erster Linie ein akustischer Text, der allerdings auch Geräusche oder Musik enthalten kann. In dieser Untersuchung wird eine Zweiteilung des Begriffs Hörbuch vorgenommen, um die Übersichtlichkeit zu wahren. Die Teilung erfolgt in Hörbucher im engeren Sinne und Hörbücher im weiteren Sinne. Als Hörbücher im engeren Sinne gelten Lesungen von bereits existierenden literarischen Vorlagen{8}. Als Hörbücher im weiteren Sinne gelten Hörspiel, Features und Filmhörbücher/-spiele.

Häusermann (2010b: 141 f.) versucht Kriterien zur Beschreibung und Beurteilung von Hörbüchern aufzustellen. Er versteht das Hörbuch (im engeren Sinne) als „Resultat einer Auseinandersetzung mit einem bereits existierenden Werk“. Auch er verfolgt das Ziel, zu untersuchen, „was ein Hörbuch aus der literarischen Vorlage macht“. Es wird also vor allem zu fragen sein, was sich verändert, was weggelassen oder hinzugefügt wird, welche akustischen Mittel oder welche Stimmen eingesetzt werden und wie sie eingesetzt werden.

In dieser Untersuchung wird von einer engeren Definition ausgegangen, die sich fast genau mit der von Häusermann deckt, demnach ist das Hörbuch im engeren Sinne mein Untersuchungsgegenstand. Natürlich werden einige Zugeständnisse gemacht. Für diese Definition ist es jedoch unerheblich, ob der Text bereits als Buch vorliegt oder ein geringer Anteil musikalischer oder geräuschvoller Komponenten hinzugefügt ist. Wichtig ist, dass eine epische Struktur vorliegt. Sobald eine deutlich dramatische Struktur erkennbar wird, wird die Produktion dem Hörspiel zugeschrieben. Neben aller Konfusion, die hinsichtlich der eindeutigen Begriffsbestimmung entstanden ist, bietet das Hörbuch eine Vielzahl von Möglichkeiten und ‚Unmöglichkeiten‘.

2.1 Die Produktion