Zwillinge der Finsternis

erzählt von Marco Sonnleitner

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 - 24. Dezember 2009)

 

 

 

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© 2008, 2009, 2011 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

 

Based on Characters by Rober Arthur.

 

ISBN 978-3-440-12900-5

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

 

Der Albtraum

»25 Dollar zum Ersten, 25 zum Zweiten und ...«, der Auktionator machte eine kurze Pause und ließ seine Augen durch den holzvertäfelten Salon schweifen, »25 Dollar zum Dritten!«, verkündete er schließlich und knallte den Hammer auf die Platte seines Stehpults. »Die beiden Stühle gehen an den Herrn dort hinten mit dem beeindruckenden Schnurrbart. Gratuliere!«

Titus Jonas zwirbelte zufrieden und auch ein bisschen stolz seinen mächtigen, schwarzen Schnauzbart, als sich einige der Anwesenden nach ihm umdrehten. Dann wurde aber schon der nächste Gegenstand, der nun zum Verkauf kommen sollte, hereingebracht, und alle wandten sich wieder Mr Peastone zu. Der trotz seiner schütteren Haare noch recht jugendlich wirkende Notar, dem die Versteigerung des Nachlasses von Horace Vanderbilt übertragen worden war, rückte seine schmale Nickelbrille zurecht, räusperte sich kurz und gab dann lautstark bekannt: »Als Nächstes sehen Sie hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, einen wunderschönen, mit echtem Sterlingsilber überzogenen Toilettenpapierhalter, der dereinst in Mr Vanderbilts WC hing. Das Anfangsgebot liegt bei 150 Dollar.«

»150 Dollar für einen Klopapierhalter!«, raunte Justus seinem Onkel zu. »Wer braucht denn so was?«

»Ein reicher Hintern«, antwortete Titus trocken und zuckte gleichgültig die Achseln. Silbernes Klogeschirr interessierte ihn nicht.

Seit seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, lebte Justus bei seinem Onkel und seiner Tante. Beide betrieben ein florierendes Gebrauchtwarencenter in Rocky Beach, wo man all das fand, was Titus bei Geschäftsauflösungen, Sperrmüllsammlungen, Zwangsverkäufen und so weiter preisgünstig ergattern konnte.

Diesmal hatte es ihn zu einer Haushaltsauflösung in einer prächtigen Villa verschlagen. Sie lag etwas außerhalb von Rocky Beach einsam in einem kleinen Tal zwischen den küstennahen Bergen. Die Vanderbilts, eine hoch angesehene Familie aus Rocky Beach, hatten hier gewohnt. Mit Horace Vanderbilt hatte diese Familie jedoch ihren letzten Sprössling verloren, als der vor Kurzem im stolzen Alter von 98 Jahren ankündigungslos einfach vom Stuhl gekippt und danach nie mehr aufgestanden war. Und da keine Erben vorhanden waren, hatte Mr Vanderbilt schon vor Jahren seinen Nachlassverwalter und Notar Alfred Peastone zu sich kommen lassen und ihn angewiesen, den ganzen Ramsch zu verhökern, wenn er in die Grube gefahrensei – Mr Vanderbilt liebte es, sich derb auszudrücken –, und den Erlös dann dem Verein der anonymen Alkoholiker zu spenden.

Titus hatte gehofft, bei der zu diesem Zweck veranstalteten Versteigerung das eine oder andere Schnäppchen machen zu können. Tatsächlich hatte er inzwischen außer den beiden viktorianischen Stühlen, die aber sicher nicht echt waren, schon eine alte Blumenvase, zwei Bettvorleger aus Lamafell, einen Türklopfer und eine Kiste mit alten Büchern erstanden. Und da Titus sich nicht sicher gewesen war, wie viel er von hier fortschaffen würde, hatte er seinen Neffen mitgenommen, der ihm beim Transport helfen sollte.

Justus war zwar nicht unbedingt der geborene Möbelpacker, sondern mit seiner etwas fülligeren Statur eher dafür geeignet, auf dem Sofa zu liegen, anstatt selbiges herumzuschleppen. Aber mit solchen Arbeiten verdiente er sich sein Taschengeld, und außerdem waren sie Teil einer Abmachung zwischen ihm und Titus. Dafür, dass sein Onkel ihm einst einen alten Campinganhänger auf dem Schrottplatz überlassen hatte, musste ihm Justus ab und zu zur Hand gehen.

Und genau in diesen Campingwagen wünschte sich Justus im Moment sehnlichst zurück. Die Auktion langweilte ihn allmählich, und er dachte schon voller Schrecken an die bevorstehende Plackerei, wenn es galt, die diversen Stühle, Vasen, Tische, Kisten und den ganzen anderen Trödel aufzuladen. Dieser Wohnwagen war nämlich kein gewöhnlicher Wohnwagen. Es war die Zentrale ihres Detektivunternehmens. Er und seine Freunde Peter Shaw und Bob Andrews hatten sich hier über lange Zeit und mit sehr viel Mühe eine Art Büro eingerichtet, das bei jedem ihrer Fälle die Schaltstelle ihrer Ermittlungen war. Hier liefen die Fäden zusammen, von hier aus wurden die Nachforschungen gestartet.

Ein Telefon mit Faxanschluss und Anrufbeantworter sowie ein Computer mit Internetzugang gehörten dabei genauso zum Inventar wie ein Kopierer, ein winziges Labor und sogar eine kleine Dunkelkammer zur Entwicklung von Filmen. Eine Spüle, ein Kühlschrank und etliche Regale mit hunderten von Ordnern, Zeitschriften und losen Blättern komplettierten die Einrichtung und sorgten dafür, dass es reichlich eng, aber auch sehr gemütlich in der Zentrale war.

Und dort in dieser Zentrale lag im Moment ein brandneues Magazin auf dem Schreibtisch, das sich Justus erst gestern gekauft hatte und in dem über die neuesten Entwicklungen auf dem Computermarkt berichtet wurde. Justus hatte sich heute Morgen gerade voller Eifer auf die Zeitschrift gestürzt und eben die erste Seite aufgeschlagen, als Tante Mathilda lauthals nach ihm rufend über den Schrottplatz gestürmt war. Nichts Gutes ahnend war er wieder aufgestanden und hinausgegangen, und tatsächlich bewahrheiteten sich kurz darauf seine schlimmsten Befürchtungen: Sein Onkel hatte ihn für den ganzen Tag verplant, weil er unbedingt zu dieser stinklangweiligen Auktion fahren musste.

Schwer seufzend verdrängte der Erste Detektiv die Gedanken an einen durchschmökerten Vormittag und tröstete sich damit, dass die Sommerferien ja noch lange genug waren. Dann lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Versteigerung, in der Titus gerade dabei war, eine Tüte voller altertümlicher Mausefallen zu erwerben.

»Ja!«, jubelte er, als ihm der Zuschlag erteilt wurde, und meinte dann zu Justus gewandt: »Damit können wir diesen lästigen Viechern auf dem Schrottplatz mal ein bisschen auf den Pelz rücken.«

Justus nickte skeptisch und hoffte, dass nicht er die Fallen aufstellen musste. Denn so antik wie sie aussahen, musste man befürchten, dass sie einem eher beim Aufbauen die Finger abhackten, als einer Maus den Garaus zu machen.

Kurz darauf war die Auktion zu Ende, und die Käufer wurden aufgefordert, ihre Neuerwerbungen zu bezahlen. Die Sekretärin des Notars regelte diese Angelegenheit, während Mr Peastone selbst aufpasste, dass jeder wirklich nur das mitnahm, was er auch ersteigert hatte.

»Hol mal bitte den Rollwagen vom Pick-up«, forderte Titus Justus auf, während er der Sekretärin ein paar Scheine über den Tisch reichte. »Ich stell schon mal alles zusammen.«

»Ist gut«, murmelte Justus und trabte davon. Er lief zu der gekiesten Einfahrt des Herrenhauses, wo alle ihre Fahrzeuge kreuz und quer geparkt hatten. Als er bei ihrem altersschwachen Pick-up angekommen war, öffnete er die hintere Klappe der Ladefläche, zog den Rollwagen zu sich heran und hob ihn auf den Boden. Er wollte sich schon wieder auf den Weg ins Haus machen, als sein Blick zufällig auf den hinteren, rechten Reifen des kleinen Lasters fiel.

»Oh nein!«, stieß Justus entnervt hervor. »Auch das noch! Das kostet uns noch mal eine halbe Stunde!«

So lange würde es nämlich seiner Einschätzung nach dauern, bis man den Platten behoben hatte, der sich dort unten schlaff auf dem Kies ausbreitete. Und das hieß, dass er sich weitere 30 Minuten gedulden musste, bis er endlich wieder vor seiner Zeitschrift saß.

»Einen Platten?«, regte sich dann auch Titus auf, als ihm Justus von dem Malheur erzählte. »Wie kommt denn so was? Die Reifen sind doch nagelneu! Die hab ich von der letzten Sperrmüllsammlung!«

Justus ließ die Kiste mit den Büchern demonstrativ auf den Rollwagen fallen und schaute seinen Onkel ungläubig an. »Ach, das nennst du neu?«

»Na ja«, verteidigte sich Titus und deutete mit dem Daumen hinaus auf den Parkplatz, »im Vergleich zu der alten Mühle schon.«

Der Erste Detektiv schüttelte fassungslos den Kopf und verzog den Mund zu einem ironischen Lächeln. Dazu fiel ihm einfach nichts mehr ein. Schicksalsergeben lud er den Rest des erstandenen Krimskrams auf den Rollwagen und schob ihn dann ächzend Richtung Parkplatz, während Titus vor ihm herlief und den Weg freimachte.

Aber als sie sich den platten Reifen schließlich genauer ansahen, machten beide eine erstaunliche Entdeckung.

»Da hat ja einer«, Justus beugte sich noch weiter zu dem Reifen hinab und runzelte die Stirn, »reingestochen! Sieh doch!« Der Erste Detektiv zeigte aufgeregt auf eine Stelle. »Hier an der Seite ist ein vollkommen regelmäßiger Schlitz zu sehen, wie von einem ... Messerstich!«

»Tatsächlich!«, polterte Titus los, als er den Einschnitt sah. »Da hat einer ein Messer reingerammt! Hol mich der Teufel! Welcher Lumpenkerl hat das getan?« Titus richtete sich auf und blickte sich erzürnt um, so als würde der Schurke noch irgendwo herumstehen und nur darauf warten, dass man ihn ergriff. Aber der schwarze Schnurrbart konnte noch so aufgeregt auf und ab wippen und das Gesicht noch so rot anlaufen – von dem Reifenmörder war weit und breit nichts zu sehen.

»Unglaublich! Was sind das nur für Zeiten!«, schnaubte Titus schließlich noch einmal wütend und kletterte dann grummelnd auf die Ladefläche, wo der Ersatzreifen verstaut war.

»So ein Idiot!«, schimpfte auch Justus erbost und stieg ins Führerhäuschen, um den Wagenheber herauszuholen.

Doch gerade, als er unter dem Beifahrersitz nach dem Werkzeug suchte, hörte er plötzlich seinen Onkel aufschreien: »Hey! Was machen Sie da? Das ist doch ... Finger weg!«

Blitzschnell richtete sich Justus auf und sah durch die Heckscheibe nach hinten. Zuerst nahm er nur seinen Onkel wahr, der mit hoch erhobener Faust über den rechten Rand der Ladefläche hinabschimpfte. Er folgte dessen Blick und erkannte gerade noch einen schwarzen Schatten, der dort im nächsten Moment unter der seitlichen Ladeklappe verschwand.

Justus wirbelte herum, stieß die Fahrertür auf und stürzte eine Sekunde später ins Freie. Er rannte um die Motorhaube herum, rief auf Verdacht einfach »Stehen bleiben!« – und verharrte mit einem Mal wie versteinert.

Ein Paar dunkler Augen starrte ihn böse an. Unter einer schwarzen Kapuze hervorstechend, die sich in einen langen, wallenden Umhang fortsetzte, der außen ebenfalls pechschwarz und innen mit einem purpurroten Futter besetzt war, bannte ihn ihr feindseliger Blick förmlich an Ort und Stelle fest.

Unfähig zu handeln, registrierte Justus nur noch wie paralysiert, was sich da vor ihm abspielte. Es kam ihm vor, als würde sich alles unendlich langsam zutragen, als würde eine dickflüssige, zähe Masse die Bewegungen lähmen, ganz wie er das aus den schweren Albträumen kannte, die ihn als Kind manchmal heimgesucht hatten und denen er nie hatte entkommen können.

Wie in Zeitlupe sah Justus die Gestalt sich aufrichten und die schwarze Hand aus der Kiste mit Büchern ziehen, die ganz oben auf dem Rollwagen stand. Fast bedächtig verschwand eines der Bücher, ein in schwarzes Leder gebundenes, unter dem Mantel der Erscheinung, die sich daraufhin langsam umdrehte. Einer schwarzen Wolke gleich schwebte der wallende Umhang durch Justus’ Gesichtsfeld und zerteilte mit einem gedämpften, bedrohlichen Rauschen die Luft. Dann griff die Kreatur träge aus und flog mit schwerelos langen Schritten davon.

Der Schatzsucher

Peter zielte mit der Schraube auf die Blechdose, die etwa zwei Meter von ihm entfernt auf dem Boden stand, und warf. Ein blechernes Scheppern bestätigte ihm einen Wimpernschlag später, dass er getroffen hatte.

»Ja!«, freute sich der Zweite Detektiv und ballte die Faust. Dann wandte er sich wieder Justus zu. Der war gerade dabei, die am Vortag auf der Versteigerung erstandenen Gegenstände auf dem Schrottplatz zu verstauen. »Und du konntest gar nichts machen?«, fragte er ihn erstaunt über das, was ihm sein Freund gerade über die merkwürdige Begebenheit am Pick-up erzählt hatte. »Du bist ihm nicht nachgelaufen, oder so?«

»Ich sagte doch, ich konnte nicht!«, antwortete Justus unwirsch. »Es war einfach ... verrückt! Als hätte mir jemand den Stecker rausgezogen! Ich konnte nur noch dastehen und zuschauen.«

»Und Titus?« Bob blies den Holzstaub von seinem Klotz und schnitzte dann konzentriert weiter. »Was hat Titus getan?«

»Der schimpfte wie ein Bierkutscher, konnte aber auch nicht schnell genug von der Ladefläche herunterklettern. Denn eigentlich passierte der Diebstahl ja innerhalb von zwei oder drei Sekunden. Nur mir kam es, wie gesagt, so vor, als stünde ich mitten in einem bösen Albtraum, dem ich nicht entrinnen konnte. Ihr wisst schon, die Sorte, die man als Kind oft –«

»Schon klar«, winkte Peter beschwichtigend ab. Er wollte gar nicht so genau daran erinnert werden, wie sich Albträume anfühlten. Der Zweite Detektiv war nicht unbedingt der nervenstärkste der drei Jungen. Und prompt schmiss er auch die nächste Schraube weit neben die Dose.

»Ist schon irgendwie komisch die Sache«, meinte hingegen Bob nachdenklich und betrachtete sein primitives Schnitzwerk, das irgendwann einmal eine Art Teufelskopf werden sollte.

»Ich kann es mir nur so erklären«, überlegte Justus und rollte den staubigen Lamateppich neu auf, »dass mich die ganze Szene an irgendein frühkindliches Trauma erinnert hat, das bei mir sozusagen eine emotionale Urangst ausgelöst hat. Vielleicht habe ich als Kleinkind einmal ein Bild von einer Gestalt gesehen, die der gestrigen sehr ähnlich war und die mich damals furchtbar erschreckt hat. Dann wäre es gewissermaßen eine Art schockhaftes Déjà-vu-Erlebnis gewesen, das mich auf dem Parkplatz so paralysiert hat.«

Peter hielt mitten im Wurf inne, und auch Bob hörte verdattert mit dem Schnitzen auf. Beide sahen sie ihren Freund für einen Moment an, als hätte er sich urplötzlich in ein Wesen von einem anderen Stern verwandelt. Zwar kannten sie Justus’ Angewohnheit, sich geschwollener als nötig auszudrücken, zur Genüge, aber diese unverständliche Aussage eben schoss doch den Vogel ab. Keiner von beiden hatte auch nur die geringste Ahnung, was ihr Freund da gerade zusammengefaselt hatte.

Daher verzog Peter auch nach einer Weile den Mund zu einem angedeuteten Grinsen und meinte scheinbar verständnisvoll: »Vielleicht haben sie dich als Kind aber auch einfach nur mal zu heiß gebadet, Erster. Hast du darüber schon mal nachgedacht?«

Justus lächelte hämisch zurück und warf mit einer der alten Mausefallen, die Titus ersteigert hatte, nach Peter. Der Zweite Detektiv duckte sich lachend unter dem Geschoss hinweg und sagte dann: »Nein, jetzt mal wieder im Ernst. Was hat der Typ jetzt noch mal geklaut? Ein Buch, sagtest du?«

Justus nickte. »Ein schwarzes Buch, ja. Es war da drin.« Er deutete auf eine große Pappschachtel voller Bücher, die wenige Meter von ihnen entfernt stand. »Onkel Titus hat die ganze Kiste einfach mal auf Verdacht für ein paar Dollar gekauft. Wir wissen beide noch nicht, was da eigentlich drin ist.«

»Aber wertvoll kann das Zeug doch im Grunde nicht sein«, gab Bob zu bedenken und wandte sich, während er weitersprach, wieder seinem Kunstwerk zu. »Ich meine, wenn ihr nur ein paar Dollar dafür bezahlt habt, dann gehe ich davon aus, dass man die wirklich kostbaren Bücher der Vanderbilts vorher aussortiert hat, um sie einzeln zu verkaufen, und dass ihr hier einfach den ganzen wertlosen Ramsch erstanden habt.«

»Seh ich auch so«, stimmte ihm Justus zu.

»Aber wer«, hakte Bob nach, »treibt sich in einem teufelsähnlichen Faschingskostüm auf einer Auktion herum und stiehlt Plunder?«

»Und wieso tut er das?«, ergänzte Peter, nachdem er wieder einmal klappernd in die Dose getroffen hatte.

»Genau das«, entgegnete Justus, »habe ich vor herauszufinden. Denn da wir im Moment keinen anderen Fall haben, bietet es sich doch geradezu an, dass wir uns dieses Diebstahls annehmen. Was meint ihr, Kollegen?«

»Hm, na ja«, meinte Bob wenig begeistert.

»Dem Dieb eines zerfledderten Groschenromans nachjagen?«, fragte Peter skeptisch. »Ist das wirklich dein Ernst?«

Justus funkelte Peter missbilligend an und wollte gerade etwas erwidern. Aber plötzlich hielt er inne, richtete sich auf und schaute seine beiden Freunde scheinbar überrascht an. Offensichtlich hatte er jetzt erst bemerkt, was die zwei da eigentlich die ganze Zeit taten. Er stellte einen der beiden ersteigerten Stühle, den er eben hatte wegräumen wollen, wieder ab, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte dann vorwurfsvoll: »Abgesehen davon, dass mir dieser Fall aus persönlichen Gründen durchaus einiger Nachforschungen wert erscheint, würde es mich brennend interessieren, was ihr beiden da eigentlich die ganze Zeit treibt. Wieso, zum Teufel, bin ich hier eigentlich der Einzige, der schuftet? Sitzen hier herum, bewerfen Dosen und schnitzen Männlein, während mir der Schweiß in Strömen herunterrinnt! Darf ich euch daran erinnern, dass auch ihr euren Beitrag zu leisten habt für die Nutzung jenes Campinganhängers, der da unter dem Schrottberg liegt und der bei unserem neuesten Fall durchaus wieder zum Einsatz kommen könnte?« Justus drehte sich um und deutete übertrieben förmlich auf einen riesigen Haufen Altmetall, unter dem der Wohnwagen versteckt lag.

Aber als er sich wieder mit einem kritischen Blick seinen Freunden zuwandte, schauten die ganz woanders hin, nämlich zur Einfahrt des Gebrauchtwarencenters. Denn da war eben ein äußerst merkwürdiger Kunde aufgetaucht.

Als hätte es sich verlaufen, stolperte dort ein zierliches Männchen unsicher über den gekiesten Vorplatz, linste hierhin und schaute dorthin, drehte sich öfters um und brabbelte dabei unablässig vor sich hin. Ein gewaltiger Hut thronte auf dem kleinen Kopf, den ein voluminöser Bart umrahmte. Und da der Mann auch noch eine dunkle Sonnenbrille aufhatte, sah man von seinem Gesicht fast gar nichts.

Schließlich näherte sich das Männchen den drei Jungen mit kleinen Schritten und blieb nervös von einem Bein aufs andere tretend vor ihnen stehen. Es klopfte sich umständlich den Staub aus dem viel zu großen, etwas antiquiert wirkenden Anzug, deutete dann eine Verbeugung an und begann endlich mit einer dünnen Fistelstimme zu sprechen: »Ist das hier das, äh, das ... oh! Entschuldigung! Wie unhöflich!«, unterbrach es sich plötzlich selbst und riss erschrocken den Mund auf.