Der Autor

Gertrud Höhler – Foto © Benno Kraehahn

Prof. Dr. Gertrud Höhler zählt zu den renommiertesten Business-Beratern in Europa. Nach langjähriger Tätigkeit als Universitätsprofessorin für Literaturwissenschaft und wirtschaftsnahen Publikationen wechselte sie in ihr neues Arbeitsfeld als Beraterin von Wirtschaft und Politik. Die Autorin zahlreicher Managementbücher ist Mitglied in Verwaltungsräten internationaler Konzerne und eine vielgefragte Rednerin. Sieben ihrer Titel waren auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Das Buch

War sie das nun, die Merkel-Sekunde in der Weltgeschichte? Wie lautet die wahre Geschichte? Und wer war sie in dieser Story: Trendsetter, Trendleader oder Pathfinder? War sie Vorläufer oder Mitläufer bei diesem Stresstest der europäischen Rechts- und Werteordnung? War Angela Merkel die Botin der Zukunft, die noch niemand verstand? Im Westen ging, was im Osten Illusion geblieben war: Parteiprogramme mischen, bis eine »Einheitspartei« neuer Spielart entstand.
Merkel ist keine Jeanne d’Arc. Rhetorisch auf Sparflamme, bescheiden und glanzlos absolviert sie ihr Geschäftsmodell: Omnipräsenz statt Omnipotenz. Eleganz in der optischen Performance interessiert sie nicht. Macron und Kurz, die beiden Nachbarn, stehlen ihr jeden Tag die Show.
Sie war die Kanzlerin, die aus der Kälte kam. Eher aus Putins als aus Gorbatschows Reich. Verstört von der Wende waren sie alle, aber die Systemwechslerin Angela lieferte den coolsten Übergang. Funktionärin im totalitären System gewesen zu sein, war das ideale Ticket, um auch in der Politelite des Systemnachbarn, Deutschland West, dazuzugehören.
Die Kanzlerin Merkel hat von Anfang an auf deutsche Schwächen gesetzt: Anpassungsbereitschaft, Ehrfurcht vor Autoritäten, Statusgehorsam, das Geltungsbedürfnis, das schon in früheren deutschen Höhenflügen ohne Fallschirm eine Rolle gespielt hat.
Merkel war ein Stresstest für die deutsche Demokratie.

Gertrud Höhler

Angela Merkel - Das Requiem

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-2252-0
© 2019 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Rudolf Linn, Köln
Illustration: © Rudolf Linn, Köln
Autorinnenfoto: © Benno Kraehahn
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Ehe wir es vergessen:
Das Geheiminis des Glücks ist die Freiheit.
Das Geheiminis der Freiheit aber ist der Mut.
Perikles

Prolog – Willkommen und Abschied

Präludium und Fuge: 
Ankunft und Abschied

Merkels Finale werden Merkel-Deutsche schreiben. Pro und Contra wird mit der Brainware einer Seitenwechslerin Dissonanz und Ratlosigkeit zu einem Cocktail mischen, der für die einen nach Heimweh schmeckt, den anderen auf der Zunge brennt wie flammende Wut – und für die vielen Wendedeutschen in Merkels Heer der Mitmacher Wehmut mit Nostalgie und halb wachem Verlustschmerz verbindet.

Merkel-Deutsche sind sie alle am Ende dieser Ära, die nicht ohne Schleifspur in die Bildergalerie der deutschen Nachkriegskanzler einrücken kann, wenn die verunsicherten Merkel-Jünger mit ihren Gegnern ein würdiges Finale planen wollen. »Der Wahrheit eine Bresche und Utopia eine Chance«, könnte das Motto dieses Abschieds von einer Kanzlerin lauten, die nichts unangetastet ließ, was den Rechtsstaat ausmacht, die nichts unversucht ließ, um ein neues Zeitalter mit einem neuen Menschenbild in die Mitte Europas zu tragen – und die mehr preisgab, als die Erträge ihrer Amtsführung ausgleichen können.

War sie das nun, die Merkel-Sekunde in der Weltgeschichte? Wie lautet die wahre Geschichte? Und wer war sie in dieser Story: Trendsetter, Trendleader oder pathfinder? War sie Vorläufer oder Mitläufer bei diesem Stresstest der europäischen Rechts- und Werteordnung?

War Angela Merkel die Botin der Zukunft, die noch niemand verstand? Changes and challenges, Chancen und Herausforderungen liefen immer mit, wenn Deutschland und Europa versuchten, das Wende-Talent der ewig Unvollendeten zu verstehen. Denn nichts, was sie anfasste und aus den Angeln hob, wurde vollendet. Aber alle Erwartungen, alle Langmut und alle Diplomatie der westlichen und der internationalen Kollegen gaben der Kanzlerin Raum für Experimente.

Sie war die Kanzlerin, die aus der Kälte kam. Eher aus Putins als aus Gorbatschows Reich. Das Mädchen, das der großäugigen Hera aus dem antiken Götterhimmel glich, schien sich hereinzustaunen in das westliche Politpersonal. Verstört von der Wende waren sie alle, aber die Systemwechslerin Angela lieferte den coolsten Übergang. Funktionärin im totalitären System gewesen zu sein, war das ideale Ticket, um auch in der Politelite des Systemnachbarn, Deutschland-West, dazuzugehören: Merkel war nicht als Panzerknackerin des Warschauer Pakts aufgetreten; sie hatte abgewartet. Als Dissidentin hätte sie nicht so geräuschlos Karriere machen können, wie es dann gelang.

Das Zauberwort von der deutschen »Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit« schluckte den gesamten Systemkontrast weg, der beim Wechsel aus einem totalitären in einen freiheitlich-demokratischen Staat zur Debatte steht: Immerhin war es ein politisch beiderseits beschlossenes »Gleichgewicht der Abschreckung«, das die Unvereinbarkeit beider Systeme der bipolaren Welt bis dahin in sensibler Hochspannung koexistieren ließ.

Kommentarlose und bekenntnisfreie Systemwechsel waren und sind bis heute weder üblich noch möglich. Das Mädchen Angela wechselte unter dem Schutzschirm eines Gewährsmanns aus der sozialistischen DDR die Seite; Lothar de Maizière war es, der seiner Sprecherin das Bekenntnis ersparte, das sie auch später noch vermied: in einer christlich-demokratischen Partei als Überzeugungstäterin dabei zu sein. Helmut Kohl, Bundeskanzler der Einigung, lieferte den Anschlussjob: Die stellvertretende Regierungssprecherin der letzten DDR-Regierung wurde Ministerialrätin im Presse- und Informationsamt der gesamtdeutschen Regierung Kohl. »Kohls Mädchen« unterlief so mit den Zertifikaten zweier Wendemänner aus West und Ost die tiefergehende Nachfrage nach ihrem politischen Bekenntnis zum freiheitlichen Rechtsstaat.

Integration? Ein Fremdwort. Schon damals, vor der Schwelle zum Jahrtausend der wandernden Völker, galt in Deutschland die tollkühne Annahme, dass jeder, der »zu uns kommt«, auch ein willkommener Mitgestalter unserer Verfassungsgeschichte sein werde. Dennoch darf man nach anderthalb Jahrzehnten Merkel-Macht in Gesamtdeutschland fragen, wer in dieser langen Zeit wen integriert hat: Hat die politische Kultur des vereinigten Deutschland Angela Merkel integriert, oder hat, umgekehrt, Angela Merkel der demokratischen Tradition Deutschlands ein Integrationsprogramm verordnet, das den freiheitlichen Rechtsstaat und seine Gewaltenteilung aus den Angeln hebt? Wenn es so war, dann bleibt die Frage weiter akut: War Merkels Agenda ein Projekt ihrer metademokratischen Trendleadership, oder schwamm die Kanzlerin Merkel mit in einem Megatrend, den andere mit Leadership-Energie versorgten? Hatte die deutsche Kanzlerin eine tauglichere Zukunftswitterung als die meisten Deutschen, als sie sich für ein Menschenbild entschied, in dem die Normen und Werte der westlichen Allianz ebenso wenig Raum behalten werden wie in den Weltkonzernen der unbestrittenen Trendleader der digitalen Netzwerke?

Merkel führt häufig Mischformen der nun plötzlich alt aussehenden Welt und der europäischen wie der transatlantischen Tradition verbal weiter. Sie überspannt den Bogen anderswo, nämlich in ihren Alleingängen. Wo Konsens für Ruhe sorgt und den Wandel nicht aufhält, agiert die deutsche Kanzlerin wie gewohnt: intransparent und entscheidungsscheu, also, im Bürgerfeeling, ungefährlich. Genau das macht ihren Regierungsstil gefährlich. Dass keiner rauskommt aus der Falle des neuen Menschenprofils, umschrieb Merkel mit der Formel »alternativlos«. Eine andere Formel für den Satz: »Du hast keine Chance, also nutze sie.«

Dass es in ihrer gesamten Regierungszeit um Wandel ging, zeigt die Einführung der Vokabel »Wende«, wo andere Politmanager vielleicht von »Innovation« oder »Reform« gesprochen hätten. In Merkels Schicksalsmanagement sollen einsame Entscheidungen als schicksalswendende objektive Großereignisse erscheinen, denen sich niemand entziehen kann. Völkerschicksal mit dem unpathetischen Wort »Wende« zu beschreiben, hatte die deutsche Gesellschaft ja seit der spektakulären Maueröffnung zwischen West und Ost begonnen. Damit konnten alle weiteren Wendemanöver der übergesetzlich agierenden Kanzlerin im gleichen Sprachbaukasten Platz finden. Was immerhin bedeutet, dass Eurorettung oder Verstaatlichung der Energiewirtschaft oder Open-door-Regime für Migranten ohne Erkennungsansprüche des Gastlandes wie evolutionäre Großereignisse behandelt werden, eben »höhere Gewalt«.

Ist die deutsche Kanzlerin Getriebene einer Weltenwende, die den Menschen von seinen Erfolgserlebnissen eines auslaufenden Äons trennt, um ihn neu zu definieren, ohne passion- und mission-Statements, die das Vertrauen der Abhängigen binden? Oder gehört Merkel zu den Treibern eines neuen Auftritts der westlichen Allianz am Ufer neuer Aufbrüche, in Allianzen mit Systemen, die im Weltbild der erfolgreichen Zivilisationen der westlichen Welt bis dahin als Gegner und Akteure eines konträren Menschenbildes verzeichnet waren?

Kurz und klar gefragt: Führte Merkel die deutsche und die europäische Politik nur einfach dahin, wohin ohnehin die Reise ging? Unterscheidet die Kanzlerin Merkel von ihren Kollegen im In- und Ausland vor allem dies: dass sie einen Megatrend in Richtung autokratischer Herrschaftsformen unter Preisgabe traditioneller Werte- und Normenkataloge früher als andere Politiker für unausweichlich hielt? Ihre Herkunft aus einem totalitären System befähigte Merkel zu einer Sicht auf Staatsentwürfe, deren Vergänglichkeit schon im ideologischen Konzept angelegt war. Vielleicht kam sie mit dem Wissen, dass der Zusammenbruch des DDR-Staates auch als Auftakt für die Entdeckung weiterer Systemermüdungen zu begreifen sei, auf die der Blick sich zunächst wie auf das rettende Ufer gerichtet hatte. Die West-CDU sah sich erst einmal als das rettende Ufer. Das rettende Ufer ist unterdessen zur Rettungsinsel ausgebaut und in offenes Wasser geschwommen: ein Refugium der Anti-Merkel-Deutschen.

Dass Merkel den Megatrend zu Staatenkonglomeraten wie der EU bedient, war einer der Hauptgründe für ihre hohe Akzeptanz bei den Brüsseler EU-Managern. Eine deutsche Führung ohne das konservative deutsche CDU-Profil aus der Ära Kohl war auch deshalb hochwillkommen bei den Top-Europäern, weil diese unbelastete Neudeutsche die verlockenden Versuchungen wiederbelebte, die das Kolonialherrenprofil der Geldverteiler schon bald bei der sogenannten Eurorettung schärfen sollten. Die deutsche Dominanz in EU-Fragen wurde durch Merkels ballastfreien Auftritt in Brüssel das Ticket, auf dem die deutsche Kanzlerin auch Experimente einer neuen Couleur durchsetzen würde. Noch ehe das jemand ahnte, hätte die Frage aufkommen müssen, ob die deutsche Führungsposition in der heraufziehenden EU-Krisenkette anders und nachhaltiger hätte genutzt werden können. Die strafende Hand der deutschen Kommandeurin im Drama um Südeuropas Währungsdilemma – starre Einheitsdecke über heterogene Volkswirtschaften, der Euro als »falsche« Währung – hat immerhin das Virus der Spaltung in den europäischen Traum eingeschleppt. Aus Partnern wurden laut Gipfelbeschluss der Euro-Profiteure Gläubige und Schuldner. Damit war die Spaltung Europas besiegelt – ein Preis, den Gewinner und Verlierer noch heute und morgen weiterzahlen. Sah das niemand voraus? Oder war die Demütigung der schwächeren Volkswirtschaften ein Vorgriff auf das Kerneuropa der Stärkeren?

Hätte Deutschland, so die Frage, unter anderer Führung eine andere Gangart im Kapitel »Eurorettung« durchsetzen können? Wie viel Mitläuferqualitäten brachte Angela Merkel mit? Wie viel Anpassung an Merkels hybrides Strafprogramm für Südeuropa lieferten die staunenden Kollegen? Die später eingeführte Optik auf Merkels Stil sprach und spricht bis heute eher von Soft Power, wenn es um das Image von Angela Merkel geht. Soft Leadership – ein Imagefaktor allererster Güte – strategisch ein Meisterstück, wenn wir an die grandiosen Volten und furiosen Alleingänge der »Soft«-Playerin Merkel denken. War sie Erfüllungsgehilfin bei den Großbrüsseler Fantasien der EU-Führungsriege, oder radikalisierte sie die Sanktionskataloge gegenüber Nationen wie Griechenland, Portugal und anderen in den Schuldnerrang versetzten Partnerländern?

Merkels Omnipräsenz, nicht mit Omnipotenz zu verwechseln, das Geheimnis ihres internationalen Erfolgs, ist zugleich das Anti-Erfolgsprogramm für jeden Versuch, den Anteil der deutschen Kanzlerin an Debatten und Entscheidungen zu taxieren. Deshalb gilt auch: Nicht überall, wo am Ende »Merkel« draufsteht, ist auch Merkel drin. Ein Teil der Stabsarbeit scheint dieser strategischen Herausforderung zu gelten: den Namen der Kanzlerin nur auf erfolgreichen Abschlüssen lesbar zu halten.

Die Regie der deutschen Kanzlerschaft in Merkels Händen teilte sich von Anfang an die Brüsseler Führung mit dem deutschen Kanzleramt. »Königin von Europa« musste die deutsche Mischfigur aus Warschauer Pakt und Wirtschaftswunderland schon deshalb heißen, weil sie den Übergang der bipolaren Spaltung in ein aufgeklärtes Miteinander von Freund und Feind zu verkörpern schien.

Merkel ist nie durch Europa-Leidenschaft aufgefallen. Sie stieg in das Lieblingsspiel der Westeuropäer so emotionslos ein wie früher in die FDJ-Projekte. Disponibel wie keiner ihrer neuen Partner, erleichterte die deutsche Wende-Kanzlerin jedes kühne Vorhaben, weil sie keiner Parteidoktrin verpflichtet war. Ihr Business war der Abbau von Parteistrukturen.

Eher groß als klein zu denken, hatte Angela Kasner schon in den Diskussionsrunden ihres Elternhauses gelernt, wo die Vorläufigkeit aller politischen Bekenntnisse und die Zerbrechlichkeit von Staatsentwürfen und politischen Höhenflügen zur Sprache kam. Sie hörte zu, ohne sich selbst zu Wort zu melden.

Was man »metademokratisch« nennen kann, mag damals, zwischen gescheiterten Reichen, tollkühnen Botschaften neuer Machthaber und den guten Absichten ihrer sozialistischen FDJ-Kollegen als Brainware der Kopfproviant gewesen sein, mit dem die junge Ostpolitikerin, gefördert von einem Übergangspolitiker (de Maizière), in die privilegierte Anschlussposition als Schützling des deutschen Kanzlers Helmut Kohl versetzt wurde, den sie dann sehr bald sturmreif schießen würde.

Wenn das soft leadership ist, dann wird der Irrtum aller arglosen Beobachter offenkundig: Sie verkannten die perfekte Tarnung einer aufstrebenden Machtpolitikerin.

Die deutsche Kanzlerin betrat die europäische Bühne als Solistin eines neuen Politikstils, dessen Inhalte und Ziele sie bis heute als ihr Geheimnis hütet. Merkels Ziele zu kennen, hätte die gastgebende Partei CDU als Erste in den Identitätsverlust geführt, der inzwischen alle Parteien erfasst hat. Die Newcomerin Merkel sah spätestens nach ihrem liberaldemokratischen Anpassungsversuch an westdeutsche Politiktraditionen beim Parteitag 2003 ihre metademokratische Vision bestätigt. Sie legte Hand an das vorgefundene Szenario der Parteien von gestern und vorgestern, mission statements und Wahlversprechen aus der Steinzeit der Demokratie Schritt für Schritt abzuräumen, um für überstaatliche Großsysteme mit autokratischem Geschäftsmodell Raum zu schaffen. Ihre Herolde: die globalen Lenker der digitalen Datenkonzerne, in denen Demokratie keinen Platz mehr hat, weil Menschen dort als Datenprodukte mit einer neuen Identität ausgestattet werden.

Angela Merkel, die künftige deutsche Kanzlerin, nahm ihren Sonderstatus als Zeugin des »anderen« Deutschland mit nach Brüssel. Dort entfaltete ihre Herkunft eine viel stärkere Wirkung als im einigungsgestressten neuen Deutschland. Für die EU-Szene war sie so etwas wie eine Kronzeugin, die aus dem Welt- und Menschenbild der »anderen Seite« emotionslos Folgerungen zog. Dass der »Massenknast«, der seinen eigenen Bürgern den Fluchtweg mit Mordwerkzeugen abschnitt, nach einem quasi Gefangenenaufstand den Eisernen Vorhang öffnen musste, war dramatisch genug. Dass aber eine Nichtdemokratin, eine gut angepasste Bürgerin des Unrechtsstaates, zur Repräsentantin eines freiheitlichen Rechtsstaates westlicher Prägung wurde, durfte jeden EU-Politiker überraschen.

Die Verabredung hieß ja nicht – was für Merkel durchaus ein akzeptables Tableau gewesen wäre –, Deutschland wolle nun die beiden deutschen Spieler im Kalten Krieg, die zusammenkamen, in einem guten Kompromiss in ein Integrationsmodell führen. Vielmehr trafen die DDR-Flüchtlinge, wie ihre Vorgänger aus Jahrzehnten der Spaltung, auf ein westdeutsches Demokratiemodell, das den Markt dem Plan überlegen entgegenstellte, Meinungsfreiheit und Entfaltungsrechte als Grundrechte zu schützen versprach. Viele DDR-Bürger wollten in diesem System leben. Die Seitenwechslerin Angela Merkel hinterlässt kein leidenschaftliches Bekenntnis zu der sozialen Marktwirtschaft und der Gewaltenteilung des neuen Staates, den sie relativ zügig als ihr Berufsfeld erschloss.

Die Brüsseler EU-Spitze sah den Aufstieg der jungen Politikerin mit DDR-Wurzeln als ein schönes Symbol dafür, dass es den Deutschen ernst sei mit der wechselseitigen Integration. In den beiden Hälften Deutschlands mischten sich Willkommen und Abschied, Aufbruchsglück und Verlustschmerz. Ein flammendes Bekenntnis zur endlich erreichten Freiheit gibt es von Angela Merkel nicht. Eine offene Debatte, wie viel Training in sozialistischen Grundwerten 35 Lebensjahre in einem frisch als Kriegsbeute an die Sowjetunion gefallenen Satellitenstaat zum Schüler- und Studentenleben als Mitglied der allmächtigen Einheitspartei des Großen Bruders in Moskau gehört, wurde in Wendedeutschland nicht geführt.

Merkel im Olymp
der Metademokraten

Im Götterhimmel der metademokratischen Wendezeit haben neue Götter Platz genommen. Ihre Botschaft: Es gibt neue Allianzen für den Megatrend, der mehr ist als die Wende-Soli der Kanzlerin Merkel und ihrer EU-Kollegen.

Die Idealfigur in der future community für ein Weltregime jenseits aller bisher gültigen Verabredungen und Vertrauensreserven der westlichen und der transatlantischen Welt ist Angela Merkel. Ohne vertiefte Kenntnis der deutschen kollektiven Gemütslage sahen die Brüsseler EU-Strategen ein Qualifikationsprofil, das idealer gar nicht hätte erdacht werden können: Kennerin des Warschauer Paktes, Bürgerin eines totalitären Systems, Neubürgerin des marktwirtschaftlich mächtigen Schwergewichts in der EU, könnte sie zur Symbolfigur für das Ende des Kalten Krieges werden.

Gleichzeitig entdeckten die Europamanager ein Potenzial in der Vita Merkel, das den deutschen Förderern und Gegnern der Ost-West-Karrieristin zunächst entgangen war: Merkel wurde zur »Königin von Europa«, weil sie eine brainware mitbrachte, die den Brüsseler Träumen von einer Weltmacht Europa bei ihren westlich geprägten Kollegen fehlte: das Denken in Großsystemen und die reale Erfahrung, dass groß angelegte Reiche vergänglich sind und überwunden werden von noch größeren Konzepten.

Von Anfang an beruhte Merkels Akzeptanz bei den Topmanagern des europäischen Projekts auf diesem Potenzial: Bindungslos im Parteiensystem unterwegs, emotionslos im Ausbeuten moralischer Befangenheiten und wertbeschwerter Bekenntnisse der Westpolitik, steht Merkel im europäischen Kontext der ehrgeizigsten Kollegen für ein Talent zum fahrlässigen Idealismus, der bei allen spektakulären Rechtsbrüchen ihrer Karriere-Soli eine anarchische Mischung ergab, die bis heute von den deutschen Politfunktionären in ihrer Nähe pflichtgemäß unterschätzt wird. Merkel ist in der Europapolitik für die Erfolgsziele der dort tätigen Toppolitiker die Figur der Stunde gewesen, weil sie deutsche Positionen umformte, um den Einspruch der Staats- und Verfassungsrechtler regelmäßig zu übereilen oder zu überstimmen. Mit Merkel wurde der europäische Traum konkreter, weil sie die Stoppschilder im Kopf der Westler einfach ignorierte. Niemand fand die Zeit, über totalitär kontaminierte brainware nachzudenken, wenn es galt, den Euro zu »retten« und den südeuropäischen Vertragspartnern in der EU Fesseln anzulegen, die mehr als eine junge Generation bis heute ihre Lebenschancen kostet. Merkel war nicht nur Sendbotin dieser Strafkonzepte, sie war die Galionsfigur eines Flächenbrands in den originellsten Regionen Europas, die bis heute mit einer falschen Währung erfolglos bleiben müssen.

Merkels Kairos bei ihrem Einstieg in die gesamtdeutsche Politik ergab sich aus der Lage der CDU. Die CDU war vaterlos geworden. Sie tat, was Kinder tun, wenn sie Streit mit dem Vater haben: Sie laufen zur Mutter. Dass die Mutter in diesem Fall den Vater vom Sockel geholt hatte, trübte den Blick auf die Vorgeschichte der Aufsteigerin nicht: Schließlich war sie ein Zögling des Kanzlers gewesen. Eine Ostkarriere so geschmeidig in gesamtdeutsche Bahnen zu lenken, gelang niemandem besser als Angela Merkel. Dass die Kontrollsysteme nicht ansprangen, die einen Wechsel aus einem totalitären Staat in ein demokratisches Gemeinwesen begleiten müssten, fällt deshalb auf, weil heute bereits das Betreten eines Raumes, in dem Staatsfeinde sich aufhalten, dazu führt, dass man als »kontaminiert« gilt und einen untilgbaren Reputationsschaden davonträgt: Die Frage, ob eine Funktionärin der DDR im Westen als kontaminiert mit Meinungs- und Urteilsusancen des andern Staates zu betrachten sei, führt im Gegenteil bis heute zur Verdächtigung des Fragers und beschädigt dessen Ruf.

Dass die Nachfolgerin des Kanzlers Schröder eine andere Bildungsgeschichte mitbrachte als Westpolitiker, blieb im von ihr regierten Deutschland ein unerledigtes Thema. Die Beweise, dass Angela Merkel mit brainfood einer antidemokratischen Politkaste aufgewachsen ist, häufen sich unterdessen. Sie zeigen Angela Merkel als eine Trendleader-Figur beim Umsteuern der westlichen Erfolgsgrundlagen und der Ziele, die in den westlichen Bündnissen besiegelt waren. Was mit Angela Merkel seinen Kairos hatte, ist ein verändertes Menschenbild, mit dem sie im Gleichklang zu den aufbrechenden asiatischen Diktaturen und den als Weltmächte bereits etablierten Medienkonzernen unterwegs ist. Der Erfolg der neuen Riesenreiche mit menschlicher brainware als Premiumprodukt entfaltet eine Gegenwelt zum demokratischen Modell, das mit einem Menschenbild unterwegs ist, das Träumer metademokratisch nennen könnten. Merkel weiß, dass es sich beim multilateralen Modell dagegen um einen globalen Entwurf handelt, der Weltherrschaft anstrebt und die Kategorien der westöstlichen Gleichgewichte der Abschreckung überwinden soll. In der neuen Weltordnung verändert sich der Platz des Menschen radikal. Das Endspiel läuft, und der Treiber ist wieder ein altbekannter: der Wille der wenigen, die Macht mit noch weniger Menschen als bisher zu teilen.

Auf der Epochenfuge:
Die Merkel-Sekunde –
im Krieg der
Menschenbilder

Integration als Tauschgeschäft:
Auftakt für die Durchmischung
vorher unversöhnlicher Welt-
und Menschenbilder

Die Zukunft, der Angela Merkel zuarbeitet, gilt einem anderen Menschenbild. Der Dissens zu diesem Hauptthema der digitalen Welt, in die wir gehen, wurde in der CDU und bald dann auch in der gesamten deutschen Politik unter Tabu gestellt. Das Bekenntnis, die Top-Führungsposition im ehrgeizigen Deutschland für eine Supernova geräumt zu haben, war und ist nicht zumutbar. Der originelle Ostimport als verkappter Coach, der die Integrationsidee einfach umkehrt: »Ihr müsst erst mal laufen lernen!«, setzte von Anfang an auf Trendleadership statt Tradition. Ganz sacht begann die Absolventin des Grundkurses in Weltgeltung, wie ihn jede Diktatur anbietet, den stolzen Besitzern westlicher Menschenbilder made in Germany, den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Fassungslos hörten sich die jungen CDU-Funktionäre die präpotente Idee der Nachbarin an, das westliche Parteiensystem zu »modernisieren«. Grenzen schleifen war schon früh ein Leitmotiv in Merkels politischer Vita. Es wurde zum Selbstläufer, weil überall Grenzen übertreten und übersprungen wurden, hinter denen die eingeschlossenen Menschen die ganz große Freiheit vermuteten. Für Merkels Umgang mit Grenzen könnte es eine Rolle gespielt haben, dass sie in einem Staat gelebt hatte, dessen Befehlshaber den Grenzübertritt von drinnen nach draußen mit Todesurteil belegte. Grenzen öffnen, um Menschen einzulassen, das könnte im Stammhirn der DDR-Bürgerin Angela das leuchtende Gegenbild zur Herrschaftspraxis in ihrer Heimat DDR gewesen sein. Merkels Geringschätzung staatlicher Gewalt als Schutzversprechen könnte ähnlich im Steinzeitgehirn der Heranwachsenden eingeschrieben worden sein. Deutlich ist ihr Vorsprung beim Wissen um die Endlichkeit und systembegleitende Vergänglichkeit aller Regelwerke im Vergleich zu den Wohlstandskindern der Bundesrepublik West.

Merkels Witterung für den Wind des Wandels, unter dessen Regie sie ihre Karrierepläne gestellt hat, hat sie für ihre Westpartner zur Black Box gemacht. Schon Merkels Start in der westlich geprägten Demokratie war für die Westkollegen von dieser erstmaligen Erfahrung begleitet: Ostimport als Mutprobe für den Westen. Eine Mutprobe, der man sich stellte, weil der Parteichef der CDU, Helmut Kohl, das »Mädchen« an seiner Seite allen Zweifeln entzog. Als sich das änderte, war Kohl nicht mehr an der Macht. Machtworte in Sachen Black Box konnte es also nicht mehr geben. Die Westpolitiker Kohl’scher Schule sahen sich durch das Placet ihres Vorsitzenden von jeder Frage zum ideologischen Profil der aufstiegsverdächtigen Ostkollegin befreit. »Integration« zu planen, Bekenntnisse abzufragen, erschien nach dem soft von oben gemanagten Zutritt des DDR-Teams, dem Angela Merkel angehörte, geschmacklos. So funktioniert obrigkeitlich gelenktes Vertrauen. Funktionsvertrauen, das Kohl für sich erarbeitet hatte, sprang über auf seinen Schützling, weil seine Autorität ausstrahlte. »Wenn man’s Vertrauen hat«, war einer seiner Lieblingssätze, wenn er ein Interview freigab. Er meinte sein Vertrauen zum Interviewer. Kohls Enttäuschung über die Amtsführung der späteren Parteivorsitzenden und danach der Kanzlerin Merkel war auch eine Enttäuschung über seinen Irrtum zum Potenzial des »Mädchens« an seiner Seite.

Deutschland-West, übermächtig in den Volksparteien CDU und SPD, traute sich einen fugenlosen Transfer von Ostbiografien in das westlich dominierte Parteiensystem Westdeutschlands zu. An dieser Selbstüberschätzung beteiligt war ein Toleranzideal, das Angela Merkel schon früh als eines der moralischen Handicaps der friedensverliebten Wessis erkannt haben muss. Das beweist der entschlossene Zugriff, mit dem sie den Integrationsverzicht der Westkollegen in eine Integrationsagenda unter ihrer eigenen Führung umwandelte. Im Westen ging, was im Osten Illusion geblieben war: Parteiprogramme mischen, bis eine »Einheitspartei« neuer Spielart entstand, unter deren metademokratischer Sprengkraft das Deutschland der späteren Merkel-Jahre leidet. Erst in der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin Merkel begannen ihre Gefolgsleute zu ahnen, dass ihre nie ganz verstummten heimlichen Vermutungen zur Black Box Merkel einem dramatischen Befund auf der Spur waren.

Die politische Laufbahn Angela Merkels folgt einem Menschenbild, das wir in der digitalen future community unserer Tage im Spätlicht der Merkel-Karriere wiedererkennen: Die Chance, es etwas früher, womöglich sogar rechtzeitig zu erkennen, zeigt sich schon an frühen Hotspots ihres Wirkens wie dem Freispruch für den Betrüger Karl-Theodor zu Guttenberg, einen Freispruch, der den hybriden Positionshochmut der Kanzlerin bezeugt. Ähnliche Durchblicke boten sich bereits bei der Eurorettung mit Merkels menschenverachtender Südeuropa-Politik. Die Merkel-Vasallen gingen hier wie an anderen Wegmarken einer Spaltung der Menschenbilder wie Mitschuldige vorbei. Erst als es direkt an die Menschenbilder aller, der Deutschen wie der Europäer, ging, als die Völkerwanderung ihr Gelobtes Land, den europäischen Kontinent, entdeckte und das Schleuserbusiness begann, mit unerfüllbaren Versprechungen an der Zerrüttung Hunderttausender Lebensgeschichten mitzuwirken, explodierte der verdrängte Konflikt der Menschenbilder, mit denen die Retter unterwegs sind. In Deutschland aber liegt der Riss zwischen den Menschenbildern mitten im Traumagelände der Nation. Die Differenz zwischen dem Menschenbild der Kanzlerin und dem wissenschaftlich gesicherten Wissen über die Schicksalsempfindlichkeit des zart besaiteten homo sapiens überall in der Welt ist allein schon dramatisch, weil sie die Fehlerquoten, die alle treffen, erhöht. Das Trauma der Deutschen aber, buchstäblich »vererbt« und vorerst unentrinnbar, verzerrt auch die Vernunftechos, mit denen wir, als Wissenschaftler und natürliche Anwälte für menschliches Gelingen, die Fehlerquoten in der Migrationspolitik schneller senken könnten. Das Menschenbild der future community, das die deutsche Kanzlerin als Trendleaderin teilt, steht danach zur Debatte, weil es dem metademokratischen Überwachungskapitalismus zuarbeitet – ob gewollt oder ungewollt, ist einstweilen offen. Die Kanzlerschaft Angela Merkels begann und endet auf einer Epochenfuge, in einem unerklärten Krieg der Menschenbilder, der weltweit Systemverschiebungen auslöst, die als Nachbeben überstandener Abschiede und als Vorbeben kommender Eroberungen neuen Stils durch neue Kolonialherren erscheinen. Der Abschied von der bipolaren Welt hinterlässt erstarkende osteuropäische EU-Mitglieder, die ihr Quantum Freiheit nun auch dort anmelden. Deutschland kämpft gegen ungeheilte Spaltungswunden, die beim Take-over der DDR durch Westdeutschland unterschätzt wurden.

Die USA versuchen, das Sendungsbewusstsein der Nachweltkriegsära abzuwerfen, auch um den undankbaren Streber Deutschland, immerhin Auslöser des verlustreichsten Krieges der Weltgeschichte,1 auf die Höhe der Zeit zu bringen und an NATO-Pflichten zu erinnern.

Aufsteiger der weltgeschichtlichen Stunde ist Asien. Mit Chinas Projekt »Neue Seidenstraße« kommt ein Menschenbild nach Europa, das sich im Geschäftsmodell der neuen Kolonialherren aus China widerspiegelt. Es ist das Bild des überwachten Menschen in einem neuen Aggregatzustand: als Datenpackage. Die neue Weltachse, um die sich die Märkte der Zukunft drehen, ist bereits in der Realwirtschaft zur mächtigsten Branche aufgestiegen: Die Datenkonzerne arbeiten global mit demselben demokratieaversen Menschenbild, auf das uns die Ära Merkel undercover vorbereitet hat. Auch die Völkerwanderungen dieser Fugenzeit werden gemanagt im Namen eines unausgesprochenen Konsenses der hoch entwickelten Kulturen, die sich als Invasionsopfer sehen, mit einem Menschenbild, das der interkulturellen Herausforderung durch Kulturkollisionen entgegenwirken soll: Es vereinfacht in abenteuerlicher Weise die Kulturdifferenzen in einem universalistischen Menschenbild. Auch Angela Merkel legt diese abenteuerliche Vereinfachung ihrer Weichzeichnung der Schicksalsmächtigkeit zugrunde, mit der die hoch entwickelten Staaten vor menschenwürdigeren Lösungen fliehen.

Die Merkel-Sekunde in der Weltgeschichte dehnt sich naturgemäß in der Nahsicht der Jahre zu einem gefährlichen Experiment aus Machthybris, Selbstüberschätzung und einer schweren Balancestörung beim Umgang mit den Ressourcen des Staates und seiner Menschen. Die Merkel-Sekunde ist obendrein von Machtwagnissen gekennzeichnet, die in Zeiten des Umbruchs die Rechtsunsicherheit erhöhen und dem Rechtsstaat Vertrauen entziehen. Rechtsbeugung und Rechtsbrüche schwächen auch den Veranstalter dessen, was die Regierenden nur verwalten: die res publica, und damit den Souverän, dem sie gehört.

Die deutsche Kanzlerin war in ihrer Weltsekunde erstaunlich risikobereit unterwegs. Leichtfertig wie ein elternlos spielendes Kind kommentierte sie ihren folgenreichsten Rechtsbruch 2015 mit der Bemerkung, man habe doch nur ein »freundliches Gesicht« gezeigt. Ist es fahrlässiger Idealismus, der diese tragische Verwechslung von Egotrip und Staatsräson zulässt? Die Ursachen für Angela Merkels Erfolg als Kanzlerin Deutschlands liegen bei den Deutschen selbst. Ihr Trauma verlangte diesen Therapieversuch.