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2. Auflage © 2019 Daniel Illy

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www.daniel-illy.de

Zugrundeliegendes Bild auf dem Cover (Flocke):

© Alexey Kljatov/123rf.com (Comprehensive Extended License)

Cover (gesamt): © Daniel Illy (Gestaltung: Wolfram Machinek)

Autorenfoto: © Daniel Illy

Lektorat: Sabine Hatzfeld

Buchsatz: Youndercover Autorenservice; Daniel Illy

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7504-4727-1

Für Maya

Was im ersten Teil geschah:

Im Jahr 2017 entdecken Wissenschaftler, dass die Sonne bald nicht mehr existieren wird. Regierungen beginnen weltweit mit dem Bau geheimer unterirdischer Anlagen, um dort das Überleben weniger, auserwählter Menschen sichern zu können.

Dr. Emil Heuser ist Psychiater und lebt in der Einrichtung Berlin-III unterhalb der einstigen Hauptstadt. Eines Tages im Jahr 2020 wird er bei einem Außeneinsatz von seinem Freund und Arbeitskollegen Hannes, einem Chirurgen, halbtot auf der eisigen Oberfläche in der Nähe der Anlage aufgefunden. Aufgrund eines Gedächtnisverlustes ist er nicht in der Lage, sich vollständig an die zurückliegenden Ereignisse zu erinnern.

Zeitgleich ist das medizinische Labor nach einem terroristischen Brandanschlag zerstört worden. Emil begibt sich in den folgenden Nächten mithilfe luzider Träume auf eine Reise in seine Vergangenheit, um sich so an seine Forschungsergebnisse erinnern zu können. Die wiedererlebten Passagen erzählen seine Vorgeschichte aus der Zeit vor der Katastrophe und stehen im Gegensatz zu der lebensfeindlichen Realität, in der alles Leben auf der Erde durch die extreme Kälte ausgelöscht wurde.

Nach dem Verschwinden der Sonne wurde der vormals blaue Planet aus seiner Umlaufbahn geworfen und trudelt seitdem ohne Atmosphäre durch das All, bewohnt lediglich von den wenigen, im Untergrund ausharrenden Menschen.

Emil ist Entdecker einer besonders schweren Form von Depression, die sich durch den Mangel an Sonnenlicht erklären lässt. Eine in der Anlage zirkulierende Droge namens Sunburn gibt den Konsumenten das Gefühl von Sonne auf der Haut. Sie ist weit verbreitet, da sich viele nichts sehnlicher wünschen als dies. In hohen Dosen kann der Konsum tödlich sein, in niedrigen Dosen ist er jedoch in der Lage, die schwere Depression zu heilen. Emil gerät in Konflikt mit dem Leiter von Berlin-III, Martin Sammler, der die Verbreitung von Sunburn strikt ablehnt.

Schließlich erschüttert ein weiterer Terroranschlag die Anlage, für den die Dunkelsucher verantwortlich zeichnen, eine ideologische Vereinigung, die den Überlebensplan der verbliebenen Menschen für die Zukunft ablehnen und lieber für immer ein Leben in Dunkelheit führen wollen. Sammler will ein Exempel statuieren und lässt nicht nur die Terroristen, sondern auch gleich alle an der Produktion der Droge beteiligten Personen verhaften und hinrichten.

Das Ärzteteam ist nach dem Brandanschlag auf ihr Labor auf die Herstellung von Sunburn in einem geheimen Drogenlabor angewiesen. Die Verhaftungen erschweren ihnen die Arbeit, zudem wird klar, dass die Krankenschwester der Anlage, Anna, eine gute Freundin von Emil und Hannes, ebenfalls abhängig von der Substanz ist.

Über 35.000 Jahre nach dem Erlöschen der Sonne wird die durch das All trudelnde Erde auf eine neue Sonne namens ELYA-49 treffen. Der Überlebensplan sieht vor, dass die Bewohner der Anlagen mittels Kälteschlafkammern die Zeit überdauern, um die in der Zukunft wieder lebensfreundliche Erde erneut zu besiedeln. Als Martin Sammler Probanden vorführt, die sich bereits haben einfrieren lassen, stellt Emil die These auf, dass die Substanz Sunburn auch während des Kälteschlafs notwendig ist. Denn die aufgetauten Testpersonen reagieren ohne die Zufuhr der Droge aggressiv, und auch die Bevölkerung verwandelt sich aufgrund des fehlenden Nachschubs an Sunburn in einen wütenden Mob. Die Anlage unterhalb von Berlin versinkt im Chaos.

Emil kann sich aufgrund der Traumsequenzen inzwischen wieder an die Zusammenarbeit mit Laura, einer italienischen Forscherin und Ärztin, erinnern. Im Zuge ihres Kontaktes über Videotelefonie hatte er obendrein Gefühle für sie entwickelt. Er begibt sich mit Hannes und Anna auf die Reise nach Italien. Dies ist aufgrund der extremen Kälte und Dunkelheit ein schwieriges Unterfangen und bedarf eines speziellen Außenfahrzeugs, das die drei aus Berlin-III entwenden und auf den Namen »Dante« taufen.

Auf dem Weg begeht Anna Selbstmord, als sie nach einem technischen Defekt kein Sunburn mehr zu Verfügung hat und an Nebenwirkungen leidet. Emil und Hannes setzen die Reise fort, geraten unterwegs allerdings in einen Konflikt untereinander, wer die Verantwortung für Annas Tod trage.

In der Frankfurter Anlage, die sie aufsuchen müssen, um ihre Vorräte aufzustocken, werden beide von einem aggressiven Mob angegriffen. Auch hier hat die fehlende Substitution mit der Droge die Menschen verändert. Sie fliehen nach München, wo in einer eigentlich untergegangen geglaubten Anlage eine Gruppe von Freiheitskämpfern das Sagen hat. Die Münchner, repräsentiert durch ihre Anführerin Julia, lehnen die Entdeckung einer zweiten Sonne und damit einen Kälteschlaf entschieden ab, was Emil in tiefe Zweifel über die Echtheit von ELYA-49 stürzt. Hannes entscheidet sich, in der Münchner Anlage zu bleiben und auf seine Rettung zu verzichten, um dort sein restliches Leben als Arzt helfen zu können.

Emil zieht es weiter, er ist nun auf sich alleine gestellt, den Weg zur Anlage nach Florenz zurückzulegen. Er zweifelt stark, denkt sogar darüber nach, sich mit einer aus Frankfurt mitgenommenen Pistole das Leben zu nehmen, beschließt dann aber, den ursprünglich gefassten Plan durchzuziehen. Unterwegs trifft er weitere Mitglieder der Terrororganisation der Dunkelsucher, mit denen er sich eine rasante Verfolgungsjagd über die vereiste und dunkle Autobahn in Italien liefert. Er schafft es, ihnen zu entkommen, allerdings ist sein Fahrzeug nur noch bedingt funktionstüchtig. Aufgrund schwindender Sauerstoffreserven gibt für ihn nun keinen anderen Ausweg mehr, als die Anlage von Florenz schnellstmöglich zu finden.

Dort trifft er erneut auf die Dunkelsucher, die versuchen, die Schleuse in den Untergrund zu öffnen, um alle, bereits ihrer Zukunft entgegenschlafenden Florentiner zu töten. Er liefert sich einen Kampf mit einem der Angreifer namens Karl, den er zufälligerweise von früher kennt. Emil gelingt es, Karl bewusstlos zu schlagen und eine Harpune und Sprengstoff zu erbeuten. Im Anschluss schleicht er unbemerkt in die Anlage und platziert die Sprengladungen. Durch die Zerstörung des obersten Stockwerks kann er den Rest der Fanatiker davon abhalten, ihm zu folgen. Emil findet Laura im Kälteschlaf liegend vor und kann ihre Forschungsergebnisse einsehen. Laura konnte die anderen Anlagen aufgrund eines Kommunikationsausfalls vor ihrem langen Schlaf nicht mehr informieren, wie man Sunburn während des Kälteschlafes applizieren muss. Emil holt dies nach und gibt ihr Wissen weiter.

Da keine freie Kältekammer mehr für ihn bereitsteht, ermordet Emil einen alten, bereits schlafenden Bewohner und nimmt dessen Platz ein. Er weiß nicht, dass es sich dabei um Lauras Onkel handelt. Um den Mord zu vertuschen, überschreibt er den Namen des Mannes im Computersystem mit »Dante«. Von Schuldgefühlen geplagt, fängt Emil an, Stimmen zu hören, und zweifelt erneut an der Existenz von ELYA-49. Schlussendlich begibt er sich jedoch in den Kälteschlaf, um in über 35.000 Jahren hoffentlich wieder gesund aufzuwachen. Sofern es die zweite Chance für die Menschheit überhaupt gibt.

»This is a present from a small distant world, a token of our sounds, our science, our images, our music, our thoughts, and our feelings. We are attempting to survive our time so we may live into yours.«

Jimmy Carter, 1977.

Auszug der Grußbotschaft

auf den Golden Records der Voyager-Sonden.

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel

Die Nacht vor ihrem zehnten Geburtstag verbrachte Tea auf den kühlen Steinstufen vor dem Haus ihrer Mutter. In einem unermüdlichen Kreislauf schichteten ihre kleinen Fußzehen die dunkle Erde zu Häufchen auf, die schnell an Höhe gewannen. Ihre zarten, aber in dieser Hinsicht erbarmungslosen Fersen planierten das Konstrukt im Anschluss. Das Spiel konnte aufs Neue beginnen.

Sie pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ließ den Blick über das Dorf schweifen, das nur spärlich von vereinzelten Lagerfeuern erhellt wurde. Teas Haus stand abseits der Gemeinschaft, die anderen Häuser waren von hier aus nicht mehr als im Lichtschein aufflackernde alte Steine. Gleichwohl Inseln des Lebens in einem Meer aus Schatten. Man hatte mal wieder den Strom abgeschaltet, um die in letzter Zeit zunehmend anfälligen Solarzellen zu schonen.

Tea lauschte in die Dunkelheit. Nicht ein einziges Geräusch war zu vernehmen. Früher mussten solche lauen, frühsommerlichen Nächte vom unablässigen Zirpen der Grillen erfüllt gewesen sein. Unter großem Gelächter hatte ihre Mutter erst kürzlich versucht, das auf diese Weise ausgedrückte Balzen, Singen oder vielleicht auch wehmütige Klagen dieses Tieres nachzuahmen, das Tea nur aus vergilbten Büchern kannte. Ein Unterfangen, das dazu geführt hatte, dass sie irgendwann beide vor Lachen mit Schluckauf am Boden lagen. Als Zweitgeborene kannte Tea keine zirpenden Grillen. Nie hatte sie das nächtliche, Allwissen vermittelnde Rufen einer Eule oder den mahnenden Schrei eines Käuzchens vernommen. Die Welt, in der die Zweitgeborenen die Augen aufgeschlagen hatten, war ungleich stiller als die sogenannte Alte Welt. Ganz so, als wäre sie in Teilen noch immer im ewigen Eis gefangen.

Tea und die anderen Zweitgeborenen teilten je nach Sichtweise die Bürde oder das Privileg, nur diese Welt zu kennen. Doch die Geschichten und Lieder ihrer Eltern und Großeltern, ihrer Geschwister, manche von ihnen nur wenige, aber doch so viele Tausend Jahre älter, zeichneten ein gleichsam fremdes wie faszinierendes Bild. Gurrende Taubenschwärme in den vor Menschen zu platzen scheinenden Städten. Das Hupen unzähliger Motorroller, das durch die verstaubten Straßen hallte. Das charakteristische und an Musik erinnernde Heulen der Krankenwagensirene, die sich verzweifelt wehklagend den Weg durch den dichten Feierabendverkehr bahnte. Längst hatte die Fantasie des Mädchens die nahe Stadt mit den Erinnerungen ihrer Vorfahren angefüllt.

Wenn Tea und ihre Mutter in den klapprigen Bus des örtlichen Transportunternehmens stiegen oder aufgrund des Mangels an Ersatzteilen und Benzin mal wieder auf die Pferdewagen angewiesen waren, erreichten sie nach holpriger und endlos erscheinender Fahrt irgendwann den Rand der Stadt. Dort schichteten sich vor Teas innerem Auge die fast menschenleeren Straßen und teilweise verfallenen Häuser zu der lauten, stinkenden und lebendigen Metropole auf, die Florenz einst gewesen war.

Die Welt war dabei keinesfalls so leer, wie von einigen der Erstgeborenen verschrien. In den nun beinahe elf Jahren seit dem »Exodus« war es gelungen, viele Tierund Pflanzenarten erneut anzusiedeln. Dank der vorausschauenden Arbeit der Biologen streiften sowohl Wildschweine als auch Rehe durch die toskanischen Wälder, die sich weiterhin im Stadium der Aufforstung befanden. Auf der Weide hinter Teas Haus grasten Kühe und Pferde. Mit großer Freude schienen die Hähne des Nachbarn allmorgendlich den Sonnenaufgang zu begrüßen, als wäre ihnen dessen Wichtigkeit bewusst. In den dunklen Verschlägen nahe der Schule grunzten die Schweine, und wo sich die Menschen des Dorfes versammelten, sei es zum Markt oder zur Andacht, da konnte man auf den ersten Blick fast keinen Unterschied zur Alten Welt erkennen.

Doch entscheidende Details fehlten hier und da. Im Puzzle des Lebens, dieser zweiten Chance für sie alle, schienen einige Teile auf ewig verschwunden. Unerreichbar, ganz nach hinten unter den Schrank gerutscht, Tausende Jahre und so viel Dunkelheit zwischen ihren papierenen, ausgestanzten Rändern und den nach ihnen tastenden Fingern.

Keine Fliegen, die sich betört vom Duft wie Sturzkampfbomber auf die Kuhfladen der Weiden stürzten. Keine Eidechsen, die ihren Stoffwechsel von warmen Steinen ankurbeln ließen, keine übervollen Straßencafés, in denen ins Büro eilende Menschen dasselbe mit Espresso versuchten. Manches fehlende Puzzleteil war willkommen. Schnaken, Bremsen und Schlangen vermissten wohl die wenigsten von ihnen. Einige frei gewordene Nischen waren von vorher unscheinbaren Tieren besetzt worden. Nahrungsketten mussten neu gezeichnet werden und die Blütenpflanzen sehnten sich nach all den Jahren noch immer nach den weichen Pollen-Pinseln der Botaniker. Sie kamen einfach regelmäßiger vorbei als die wenigen Bienen und anderen Insekten. Einige Lücken hatte das Leben auch selbst ergänzt. Wie die Samenkapseln mancher Farne, wie die omnipräsenten Flechten hatten auch Kakerlaken die Apokalypse überdauert. Die Algenteppiche der Ozeane produzierten schon seit vielen Hundert Jahren ihren kostbaren Lebensspender Sauerstoff.

Der Zoo namens Erde hatte bereits blutüberströmt und angezählt am gefrorenen Boden gelegen, inzwischen hatte er sich erhoben, die Knie noch etwas wackelig, aber siegessicher. Seit dem Exodus hatte man einige Tier- und Pflanzenarten aus dem Kälteschlaf in ihr zweites Leben holen können. Den Rest würden die kommenden Jahre und die weltweiten Austauschprogramme für Flora und Fauna erledigen.

Tea ließ ihren Blick zum sternenübersäten Nachthimmel wandern. Wie unfassbar schön diese fernen Sonnen um die Wette funkelten. Die alten Sternbilder gab es nicht mehr. Mit ihnen waren auch die davon abgeleiteten Tierkreiszeichen verschwunden, miteinander verbundene Lichtpunkte, dem inneren menschlichen Bedürfnis entsprechend, den Dingen einen tieferen Sinn zu geben. Sie alle waren nicht mehr. Waren ebenso wie die Grillen auseinanderfallende Seiten in einem vergilbten Atlanten auf einem wackeligen Regal in ihrem Vorratskeller. Relikte der Vorzeit. Tea, Zweitgeborene des Sternzeichens Weizen, fasste den riesigen, rötlichen Vollmond in ihren Blick. Ein Asteroidentreffer hatte ihn während »des langen Schlafes« ein kleines Stück näher an die Erde befördert. Um den treuen Begleiter herum ein zartes, an dünne Seide erinnerndes Ringsystem. Staub und kleinere Felsbrocken, Relikte des Einschlages, von der geringen Gravitation des Mondes festgehalten, den ungleich stärkeren Anziehungskräften ihrer wieder aufblühenden Heimat gerade noch trotzend.

Die Menschheit hatte all diese Entbehrungen wahrlich nicht auf sich genommen, um während des Schlafes heimtückisch von einem rasenden, gefrorenen Schneeball ausgelöscht zu werden. Der Mond, ihr stiller und vernarbter Wächter, hatte sie nicht im Stich gelassen. Unzählige Schulstunden hatte sich Tea mit diesem Thema schon beschäftigt. Neben dem ideologiegeschwängerten Schulfach »Staatskunde« und den vielen praktischen Fächern zum Wiederaufbau der Zivilisation, wie »Agrarwissenschaften« und »Ruinologie«, hatte die Astronomie einen festen Stellenwert.

Tea begann zu frösteln und bedeckte die von den Bauarbeiten im Sand müde gewordenen Füßchen unter der mitgebrachten Wolldecke. Morgen war der große Tag, ihr zehnter Geburtstag. Initiationstag. Sicher, es war für alle Zweitgeborenen aufregend, das Heiligtum zum ersten Mal betreten zu dürfen. Tea stand darüber hinaus jedoch eine gleichsam freudige wie schmerzhafte Begegnung bevor. Es war die in ihr nagende Sorge vor der morgigen Stunde, die sie aus ihrem Bett auf die vom Mondlicht beschienenen Stufen geführt hatte. Eines war sicher: Man würde sie morgen sehr genau beobachten, jeden ihrer Schritte beurteilen, jede Gefühlsregung, jedes Zucken ihrer Mundwinkel bewerten. Mit großer Schadenfreude mussten die Verantwortlichen bemerkt haben, dass das morgige Fest auf ihren Geburtstag fiel.

Die Gemeinschaft war hinsichtlich ihrer zukünftigen Rolle gespalten. Man hatte ihr sogar den Zutritt zum Heiligtum verwehren wollen. Viele Male hatte der Hohe Rat ihretwegen tagen müssen und seine Entscheidung, Tea wie die anderen Zweitgeborenen zu behandeln, hatte hier und da für Unverständnis, ja sogar Unmut gesorgt. Ihre Mutter, liebevoll für sie sorgend, den teilweise vorgetragenen Anfeindungen trotzend, als Kompromiss die unausgesprochene Isolation innerhalb der Gemeinschaft akzeptierend, hatte sie zwar darin bestärkt, ihren Weg zu gehen, und doch, es blieben letzte Zweifel. Der Hohe Rat würde Tea für seine Zwecke einzuspannen wissen. Hinter allen seiner Entscheidungen steckte eiskaltes Kalkül.

Mit ganzer Anstrengung versuchte Tea, die aufkommende Müdigkeit zu bekämpfen, und wurde nicht einmal mehr wach, als ihre Mutter sie wenig später über die kühlen Stufen zurück ins Bett trug.

Zweites Kapitel

In immer enger werdenden Serpentinen schlängelte sich die Straße hinauf in Richtung Heiligtum. Die fünf mit Blumen und Girlanden festlich geschmückten und von je zwei samtig glänzenden Pferden gezogenen Wagen wurden von der jubelnden Menge weiter gen Himmel getragen.

Die Augen der zwei Dutzend auf den Gespannen verteilten Kinder blitzten vor Freude mit der strahlenden Sonne um die Wette. Sie alle trugen die leuchtend gelben Kutten der Zweitgeborenen. Ein Festgewand, das sie außer am heutigen Tag nicht mehr tragen würden. In hoffentlich ferner Zukunft, wenn ihr toter, von einem erfüllten Leben gezeichneter Körper in Asche und Rauch aufging, würde dieses Stück Stoff ihren Kopf zieren. Die Haare der Mädchen waren zu kunstvollen Zöpfen geflochten, raffinierte kleine Sonnen hier und da in die Haarstoppeln der Jungen rasiert. Es war ein besonderer Tag für die an der Schwelle zum Erwachsenwerden stehenden Kinder, ja, für das gesamte Umland. Zu vielen Tausenden waren sie gekommen. Vorsichtige Schätzungen sprachen von mehr als 15.000 Menschen.

Der Initiationstag war primär ein Fest der Freude. Sie alle hatten es geschafft, die lange und kalte Reise ihrer Heimat zu überdauern. Die Zweitgeborenen, diese erste Generation der künftigen Erdbevölkerung, waren der Beweis dafür, dass menschlicher Ehrgeiz und fortschrittliche Technik sogar der Apokalypse trotzen konnten. Doch bevor diese jungen Menschen in einigen Jahren selbst Familien gründen würden, galt es, ihnen das Privileg ihrer Existenz eindrücklich vor Augen zu führen. Kein anderer Ort als das Heiligtum schien besser dafür geeignet zu sein.

All die Opfer, die ihre Eltern und Großeltern erbracht hatten, um ihren Fortbestand zu sichern. Die vielen und langen Tage in den stickigen unterirdischen Gängen. Die grausamen Tode der Familienmitglieder, die man in Unwissenheit hatte belassen müssen. Der Schmerz und die bittere Erkenntnis der Überlebenden, diese Menschen nie wieder zu sehen.

Das Fest der Initiation war aber auch ein Mahntag, ein Lehrstück für Demut und Dankbarkeit. Mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule, die in naher Zukunft, wenn sie sich vom Agrarstaat erneut zum Kulturstaat emporgeschwungen hatten, den Weg in einen Ausbildungsbetrieb oder einen Hörsaal ebnen sollte, hatte sich jedes Kind dem Initiationsritus zu unterziehen. Wer diesen ablehnte oder – im beinahe eingetretenen Fall von Tea – nicht zugelassen wurde, fand keinen Platz in der Gemeinschaft und wurde verstoßen.

Das Ritual war noch jung, seine Geschichte reichte gerade mal einen Monat zurück. Die ersten Florentiner waren im Vergleich zu ihrem Jahrtausende währenden eisigen Schlaf erst vor einem Wimpernschlag in die warmen Sonnenstrahlen von ELYA-49 getreten. Etwas später hatten sie die ersten Neugeborenen, unter ihnen Tea, über die von harter Arbeit gebeugten Köpfe gehoben. Hoffnungsvoll, auf ihre neue Sonne, ihre zweite Chance vertrauend. Die Menschen mussten dieses an ihre Heimat erinnernde Land, fremd und doch so vertraut, erneut besiedeln. Diese neue, fragile Gesellschaft verlangte nach einer von außen vorgegebenen Form. So wie sich Ton auch erst durch den Druck wissender Hände zu einer Vase formte. Zusammenhalt war ein Überlebenskriterium in diesen Zeiten.

Das Wissen vergangener Jahrtausende im Rücken würde es dennoch viele Jahrzehnte dauern, bis man auch nur annähernd den Stand des Jahres 2017 erreichen würde – wenn nicht sogar noch viel länger. Abweichungen jeder Art würden das noch so fragile, im Wachstum begriffene Gebilde ihrer Gesellschaft vielleicht zurückwerfen, ihm Schaden zufügen oder es gar zerstören.

Umso wichtiger war es, die neue heranwachsende Generation auf die gemeinsam leidvoll ausgeloteten Werte einzuschwören, sie feierlich und voller Freude in die Gemeinschaft einzuführen, ihnen dabei aber auch klarzumachen, dass für egoistischen Individualismus kein Platz war. Alleine auf sich gestellt, waren die Chancen auf ein Überleben gleich null – ein Ausschluss aus der Gemeinschaft kam einem Todesurteil gleich.

So hatte man auch Matteo und seinen Vater von der Einwohnerliste gestrichen. Der in sich gekehrte und tagträumende Junge aus einem der Vororte hatte sich geweigert, den Schwur zu leisten. Man munkelte, sein Vater sei psychisch krank und paranoid gewesen und habe den unschuldigen Jungen indoktriniert. Zuletzt hatte man die beiden in Richtung Küste aufbrechen sehen und fortan nichts mehr von ihnen vernommen. Offiziell waren sie bereits für tot erklärt worden, denn sie hatten das Halt gebende System aus Ordnung und Struktur verlassen. Für die Systemtreuen hingegen ging das Leben sicher weiter. In den Sommermonaten würden sie das Fest der Initiation nun monatlich feiern. Tea gehörte zu den Kandidaten der zweiten Runde.

Etwas nervös hob sie die Hand und winkte der Menge zu. Sie fuhren gerade über den gepflasterten Marktplatz eines sich an die Hügelkuppe schmiegenden Dörfchens. Vor einem Stand mit Maisfladen am Straßenrand wurde zu lauter Musik getanzt. Selbst die einfachste aus Lehmziegeln errichtete Bauernhütte, selbst die schäbigste, durch Zeltplanen in Wohnraum umgewandelte Ruine der alten Zeit war festlich geschmückt worden. Sonnen-Wein wurde allerorts vollmundig angepriesen.

Ein knappes und für die älteren Gaumen eigentlich ungenießbares Gut, trotz des seit einigen Jahren wieder erstarkenden Anbaus. Aber eines, das den Kopf leicht machte. Die Leute waren ausgelassen, alle paar Meter drangen neue von Trompeten und Trommeln begleitete Gesänge an Teas Ohren. Konnte man sehen, wie nervös sie war? Mit jeder weiteren Kehre, die das Pferdegespann in Richtung Heiligtum nahm, reifte das seltsame Gefühl aus Angst und Vorfreude in ihr heran.

Heute Morgen, am festlich gedeckten Geburtstagstisch hatte Tea, trotz oder gerade aufgrund all der ihr noch bevorstehenden Schrecken dieses Tages, das »Tanti auguri a te«-Ständchen ihrer Mama herbeigesehnt. Den mit Kerzen gespickten Mandelkuchen hingegen, eine kostbare Spezialität, hatte sie kaum angerührt. Ihrer Mutter war das große Fragezeichen auf dem Gesicht ihrer Tochter natürlich sofort aufgefallen.

»Spuck einfach!«, lautete deshalb ihr Ratschlag. »Spuck einfach und bring es hinter dich!«

»Aber ich will nicht so nah bei ihm sein, wenn sie ihm wehtun«, entgegnete die Zehnjährige.

»Spuck einfach«, sagte ihre Mutter wieder, dem Schmerz in ihr keinen Raum geben wollend. »Du hast keine andere Wahl und er wird dir das verzeihen!«

Würde er? Tea war sich da noch nicht so sicher. Sie betrachtete die neben ihr stehenden Kinder, die sich aufgrund der Steigung gerade an den Rand des Wagens festklammerten. Die Aufregung lag jetzt deutlich spürbar in der Luft. Nur noch wenige Meter, dann würden sie das Heiligtum zum ersten Mal mit ihren eigenen Augen sehen.

Längst schon hatte sich die an der Straße jubelnde und feiernde Menge zu einer feierlichen Prozession gewandelt. Man folgte den geschmückten Pferdewagen, jubelte, pfiff und schrie. Fahnen wurden geschwenkt, wirbelten in bunten Kreisen nach oben, um kurz darauf wieder ein Bad in der Menge zu nehmen. Auf ihnen Symbole der Zukunft, der Hoffnung: die erneut zur Metropole zusammengewachsenen Dörfer von Florenz und dem toskanischen Umland.

Tea erblickte unzählige in Stoff verewigte Panther, viele Wölfe und einige Schnecken, das Symbol der Region ihrer Geburt. Ihre Mutter war es, die sich nach »jener Sache« bei der Vergabe für das unscheinbare Wappentier eingesetzt hatte. Die Stärke der Schnecke offenbarte sich erst auf den zweiten Blick. Während der Panther seine samtigen Muskeln auf der Fahne gut in Szene zu setzen wusste, war es mehr als fraglich, ob er irgendwo auf der Welt die Katastrophe überlebt hatte. Auch die zu ihm gehörende Innenstadt hüllte sich in einstigen Glanz, angewiesen auf die sie umgebenden Kornkammern.

Die Schnecke hingegen hatte sich in ihr Haus, ihr Heiligtum, zurückgezogen und überdauert. Die angefressenen Salatköpfe hinter ihrem Haus waren stumme Zeugen und Teas Mutter, die dann und wann die Sinnhaftigkeit der von den Biologen festgelegten Artenschutzprogramme und Verfahren der Wiederanzüchtung in Frage stellte, ein Dorn im Auge. Wer auch immer auf die Idee gekommen war, die in den Tiertanks eingefrorenen Schnecken auszuwildern, schien kein Freund von Salaten zu sein. Tea teilte zwar die Abneigung gegen das Grünzeug, war aber gerne Schnecke und hob die Hand, um eine Schneckenfahnen schwenkende Gruppe Jugendliche am Straßenrand zu grüßen.

Die Pferde mühten sich das letzte und steilste Stück hinauf. Tea wurde schwindelig vor Aufregung. Gleich würde sie das Heiligtum zum ersten Mal sehen. Das Heiligtum und seinen prominenten Gefangenen. Auf einer Anhöhe, vielleicht 300 Meter vor dem Eingang stoppten die Wagen.

Die Menge bildete einen Korridor, an dessen Ende der mit Blumen geschmückte Zugang in den Berg wartete. Man reichte den Kindern die Hand und half ihnen herab. Die Pferde tänzelten unruhig hin und her, als wüssten sie, welchen Stellenwert dieser Tag für ihre menschliche Fracht hatte. Von der Menschenmenge hoben sich fünf Männer in grauen Kutten ab, die scheinbar teilnahmslos vor dem ersten Wagen standen und warteten, inmitten des Korridors, der die tosenden Besucher teilte. Der Hohe Rat erwartete sie bereits.

Nachdem alle Kinder die Wagen verlassen hatten, hob ein Kuttenträger die Hand, woraufhin sich die gesamte Gruppe Richtung Eingang in Bewegung setzte. Die Zweitgeborenen folgten ihnen durch das Menschenmeer. Eine Trommel tönte durch die Massen und schien die Herzen der Anwesenden synchronisieren zu wollen. Keiner der Zweitgeborenen wagte zu sprechen. Die Menge um sie herum jubelte und rief, vereinzelt glaubte Tea im allgemeinen Stimmengewirr ein ihr zugezischtes »Verräterin!« zu hören. Sie hob den Blick nicht vom Boden, ballte die Hände zu Fäusten und ging einfach weiter. Größer und größer wurde der in den Fels ragende Schlund, näher und näher kamen sie ihrem Ziel.

Sie passierten die rostigen Wracks der »Auslöscher«, mahnende Zeugen der schlechtesten Eigenschaften der Menschen, vereint in der Person des Gefangenen. Halb zerfallen, vor sich hin rostend, von Gras, aber nicht von Vergessen überwuchert. Tea versuchte im Gedränge das Trost spendende Gesicht ihrer Mutter auszumachen. War sie gekommen? Sie hatte es doch versprochen. Andererseits hatte Tea vollstes Verständnis dafür, wenn ihre Mama nur vorgab, hier zu sein, und die vielen Menschen als Entschuldigung vorschob.

Sie würde nicht nachfragen, ihr »Hast du mich gar nicht gesehen, mein Schatz?« nicht in Frage stellen. Nicht nur die mit den Auslöschern zusammenhängende Geschichte war grausam, der Hohe Rat war es ebenso. Das, was jetzt folgen würde, war schon für sie schlimm genug und für ihre Mutter kaum zu ertragen. Tea erblickte sie schließlich doch. Wie ein Fels in der Brandung stand sie unweit der Autowracks in der tobenden Menge. Die Augen fest auf ihre Tochter gerichtet, verzog sie keine Miene, schickte aber ein aufmunterndes Nicken in ihre Richtung. Sie würden das hier gemeinsam durchstehen.

Die Zweitgeborenen hatten beinahe den Eingang in den Berg erreicht. Der schwarze Schlund riss vor ihnen auf. Brennende Kohlebecken wiesen den Weg in das Innere. Doch zunächst hatten sie einen Schwur zu leisten. Aus dem Berg trat eine weitere in grauen Stoff gehüllte Gestalt. Der Vorsitzende des Hohen Rates, von den meisten der Anwesenden liebevoll »Babbo« genannt. In Sprechchören begrüßte die Menge ihren geistigen Vater und Anführer, eiskalte Nadelstiche in Teas heftig schlagendes Herz. Sie wagte es nun nicht mehr, die Augen zu schließen.

Der Alte erklomm eine kleine Bühne, hob die Arme, im gleichen Moment verstummten die vielen Tausend Münder. Ehrfurchtsvoll, fast erdrückend, lag die Stille über ihnen, der feierliche Teil dieser Prozession hatte begonnen. Tea musste nun sehr stark sein.

Drittes Kapitel

»Meine Damen, meine Herren, liebe Zweitgeborene«, begann der Mann, den sie Babbo nannten, seine Ansprache. Die Worte donnerten durch den Talkessel und rauschten in Teas Ohren. Er musterte die jungen Menschen vor ihm eindringlich. »Heute ist der wohl wichtigste Tag eures Lebens.«

Man erwartete zustimmende Rufe oder Applaus, doch niemand wagte es, die den Sätzen zusätzlich Gewicht verleihende Stille zu unterbrechen.

Vorsichtigen Schrittes schlich eine Frau mit einer Fernsehkamera auf den Schultern durch die Reihen der Kinder. Die von ihr eingefangenen Bilder wurden auf Leinwände übertragen, die an den Felswänden angebracht waren. Allen Zuschauern sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich so zu fühlen, als stünden sie gelb gekleidet in der ersten Reihe.

»Um vollwertige Mitglieder unserer Gemeinschaft zu werden, müsst ihr lernen, achten und verstehen.«

Ein pickeliger Junge neben Tea sprach die letzten Worte des Alten lautlos mit. Schweißperlen zierten seine unreine Stirn.

Lernen, Achten und Verstehen. Das Fundament dieser neuen Gesellschaft.

»Viele Wochen der Vorbereitung liegen hinter euch.« Zustimmendes, aber dem Anlass angemessen dezentes Nicken von einigen der Zweitgeborenen.

»Ihr habt inzwischen verstanden, dass eure Existenz nicht selbstverständlich ist. Millionen sind gestorben, damit ihr heute hier stehen könnt. Eure Eltern und Großeltern«, er hob erneut die Hände, um die Anwesenden persönlich anzusprechen, »haben sich auf diese entbehrungsvolle Reise gemacht.« Auf den Gesichtern der sie umgebenden Erwachsenen rangen Stolz und Wehmut um den vorherrschenden Gesichtsausdruck.

»Seid dankbar! Vergesst niemals, woher ihr kommt und wem ihr jeden eurer Atemzüge zu verdanken habt.« Tea konnte nicht anders und zwang sich noch flacher zu atmen.

»Seit jener Katastrophe im Jahr 2017 nach Christi Geburt werden Menschen nicht mehr einfach so geboren. Es gibt keine unschuldigen Kinder mehr! Ihr alle habt Schuld auf euch geladen! Eure Füße stehen auf Milliarden von Toten. Nichts ist selbstverständlich, nichts ist gegeben.«

Der Alte machte eine bedeutungsvolle Pause. Tea wagte es nicht, ihn anzusehen. Ihr Blick haftete längst auf der metallenen Luke zwischen ihnen.

»Wir alle hätten nicht mehr sein dürfen!«, fuhr Babbo fort. »Dieses Privileg bringt große Verantwortung mit sich. Es ist an euch«, wieder nahm er die Zweitgeborenen ins Visier, »dieses Vermächtnis zu schützen. Bewahrt eure Vergangenheit. Seid demütig. Seid gehorsam gegenüber den Menschen, die für euch gestorben oder durch die kalte Hölle der Ewigkeit gegangen sind.«

Tea musste schlucken, am liebsten hätte sie laut geweint, doch das durfte unter gar keinen Umständen geschehen. Sie biss die Zähne zusammen. Es gab kein Entkommen. Diese Gesellschaft hatte sich alle Religionen der Vorzeit einverleibt, es gab nur diese eine Ideologie und sie stand im Mittelpunkt eines ihrer wichtigsten Feste.

»Nur mit diesen Leitgedanken werdet ihr, eure Kinder und die Kinder eurer Kinder, die Welt wieder zu dem machen können, was sie einst war.«

Noch immer wagte niemand der Anwesenden zu sprechen. Die Zeremonie neigte sich ihrem vorläufigen Höhepunkt zu.

»Bevor ihr gleich das erste und letzte Mal in eurem Leben den heiligen Schlafsaal betreten werdet, fordere ich euch auf: kniet nieder! Bekennt eure Schuld!«

Auf sein Kommando hin, warfen sich die vor ihm stehenden Zweitgeborenen auf ihre Knie. Tea achtete darauf, nicht als Letzte den Boden zu berühren. Aus ihren Kehlen dröhnten einstimmig die in den vergangenen Wochen so oft aufgesagten Worte:

»Ich schwöre, beim Leben meiner Eltern, meiner Vorfahren und allen nach mir Kommenden, dass ich dankbar und demütig auf mein eigenes Leben schaue. Ich bin schuld. Ich habe eine große Verantwortung zu tragen. Ich werde mich den Anweisungen der Älteren fügen, gehorsam und eifrig sein und dabei helfen, die Welt wieder zu einem lebenswerten Ort zu machen. So wahr mir ELYA-49 dabei helfe!«

Kaum verließen die letzten Worte ihre vor Aufregung trockenen Lippen, breitete sich um sie herum tosender Jubel aus. Die Zweitgeborenen blieben auf ihren Knien im Halbkreis vor der Bühne, auf ein Zeichen des Alten hin hatten sie einander ihre schwitzenden Hände ergriffen. Die Menge verstummte erneut, Babbo hatte wieder das Wort. »So sei es!«, er breitete die Arme über ihnen aus und murmelte einen unverständlichen Segen. In Teas Ohren klang das wie der Fluch eines alten Zauberers.

Es folgten weitere, bedeutungsschwere Phrasen, doch Tea hörte längst nicht mehr zu. Gebannt starrte sie auf die metallene Klappe, die sich wie das Maul eines vom Alten verhexten Tieres öffnete. Der »Sarg der Ewigkeit«, eine etwa zwei mal einen Meter messende schwarze Kiste, wurde aus dem unter ihnen liegenden Stockwerk nach oben gefahren und kam mit einem hydraulischen oder doch eher dämonischen Schnaufen leicht erhöht vor ihnen zum Stehen.

Was nun folgte, sollte auch aus der letzten Reihe zu sehen sein. Wie ein warnendes Mahnmal lag der Kasten zwischen ihnen und der kleinen Bühne, dahinter der Eingang in den Berg. Noch konnte der darin Gebettete in Frieden ruhen, doch Tea wusste, was gleich geschehen würde.

Es war ihr gelungen, den ersten Initiationstag der etwas älteren Zweitgeborenen zu meiden. Sie hatte dazu eine Handvoll von den Beeren gegessen, die auf der Pferdeweide hinter ihrem Haus wuchsen. Das rasch einsetzende Erbrechen untermauerte gegenüber ihrer Lehrerin die Ausrede für ihr Fernbleiben.

Diese schien besorgt, aber auch leise zweifelnd, dennoch hatte sie Tea nach Hause geschickt und sich mit einer vor Vorfreude kaum zu bändigenden Meute Kinder auf den langen Weg in Richtung Heiligtum gemacht.

Doch heute konnte sie nicht fliehen. Tea stand im Mittelpunkt dieser grausamen Zeremonie.

Der Alte hob eine kleine Fernbedienung in die Höhe. Einen Zauberstab hätte Tea passender gefunden.

»Wer sich nicht an unsere Regeln hält, wer die Gesetze der Gemeinschaft hintergeht, wer uns Schaden zufügt, der wird verbannt oder, nach Verurteilung durch den Hohen Rat, in ewigen Schlaf gelegt. Wir brauchen keine Gefängnisse! Lasst euch dies eine Warnung sein!«

Ein Knopfdruck und die Seitenwände des Kastens fuhren herab. Sie gaben den Blick auf das von Glas gefangene Innere frei. Ein Mann. Nackt. Von Lampen kunstvoll in Szene gesetzt. Auf allen Leinwänden prangte dasselbe Bild. Bleiche Haut trieb in einer zähen Flüssigkeit.

»Schaut ihn euch an, den Verräter!«, schrie der Mann namens Babbo in die Menge.

»Verräter! Verräter!«, antwortete ihm diese.

»Sollen wir ihn für seine Vergehen leiden lassen? Wollt ihr ihn bestrafen?«, fragte der Alte, wohlwissend, dass er nur eine Antwort akzeptieren würde.

»Bestrafen! Bestrafen!«, rief die aufgebrachte Menge.

Babbo forderte die noch immer vor ihm knienden Zweitgeborenen auf, sich zu erheben und einen Kreis um den Sarg zu bilden. Tea kämpfte erneut mit den Tränen.

Der picklige Junge neben ihr begann bereits durch Saugbewegungen Spucke in seiner Wange zu sammeln. Tea wurde mit einem Mal furchtbar übel. Doch ihr blieb keine Wahl, sie spürte die vielen Blicke der anderen in ihrem Rücken.

»Zeigen wir dem Verräter, was wir von ihm halten!«, rief der Alte und drückte einen weiteren Knopf auf seiner Fernbedienung, die er über seinem Kopf erhoben hielt.

Der nackte Mann im Glassarg bäumte sich auf. Er schien unfassbare Schmerzen zu haben. Sein Körper krümmte sich, wie von heftigen Krämpfen geschüttelt. Er riss die Augen auf. Die Menge johlte und pfiff. Tea wagte es kaum hinzuschauen. Ob er sie jetzt sehen konnte? Würde er sie etwa wiedererkennen?

Verächtlich begannen die Ersten neben ihr auszuspucken. Rinnsale von Spucke liefen am Glas hinunter. Darunter wand sich der Mann weiterhin in Schmerzen. Die von Geburt an schuldigen Zweitgeborenen schienen den Verräter die angestaute Wut ihrer Existenz spüren lassen zu wollen. Einige Kinder entfernt hieb einer der Jungen mit der Hand auf den Kasten ein.

Tea drehte sich der Magen um. Hatten sich ihre Augen nicht einen Moment zu lange getroffen? Ein zartes Rinnsal Spucke verließ ihren Mund und fand den Weg auf den gläsernen Sarg. Die Menge schrie auf. Darauf hatten sie alle gewartet.

Nach einer Tea endlos vorkommenden Zeit erlöste der Alte den Gefangenen von seinen Schmerzen. Mit dem Stolz eines verrückten Bastlers erklärte er den Anwesenden diese raffinierte Foltervorrichtung und referierte darüber, wie wichtig das Messen der Bewusstseinsgrade war, um die dazu passenden Stromstöße abzugeben.

Tea war ganz woanders. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete sie das Geschehen im gläsernen Sarg. Zum Glück schien der Mann nun wieder friedlich zu schlafen. Erleichtert atmete sie aus. Bis zur kommenden Prozession würde man ihn in Ruhe lassen, so hoffte sie jedenfalls inständig. Doch dieses grausame Spektakel würde sich bis in die Unendlichkeit wiederholen. Das Innere des Folterkastens verdunkelte sich und die Seitenwände fuhren wieder nach oben. Anschließend senkte sich die Plattform ab, begleitet von den in Teas Kopf umherrührenden Worten des Ältesten. Sie hatte nur darauf gewartet, dass ihre Sonderrolle am heutigen Tag Erwähnung fand.

»Auf Wiedersehen, du Verräter! Auf dass deine Tochter ein aufrichtiges Leben in unserer Gemeinschaft führen werde!«

Der Schmerz saß tief und brodelte in ihr. Sie biss sich auf die Zunge, um nicht zu schreien. Vereinzelt erreichten Rufe der umstehenden Menschen ihre Ohren.

»Verräterin!«

»Legt sie dazu!«

Sie traute sich nicht, in der Menge nach dem Gesicht ihrer Mutter zu suchen, und hielt die Augen auf ihre Füße gerichtet. Ihren Vater so leiden zu sehen. Natürlich, er hatte sie alle getäuscht, aber waren sie dank ihm nicht auch alle am Leben?

Mit wackeligen Knien reihte sich Tea wieder zu ihresgleichen ein. Die gelbe Schlange aus Zweitgeborenen wand sich in Richtung Eingang zum Heiligtum. Das Mädchen hinter ihr stieß ihr die Faust zwischen die Rippen.

»Sieht echt krank aus, dein Verräter-Vater!«

Tea war schlau genug, den Kommentar zu überhören. Kurz glaubte sie, die leuchtend grünen Augen ihrer Mutter in der Menge ausmachen zu können, doch sie hatte sich getäuscht. Hoffentlich ging es ihr gut. Wie sehr sie sich darauf freute, in ihre zarte und gut riechende Umarmung zu fallen.

Sie betraten das Heiligtum und ließen das Johlen und Rufen der Menge hinter sich. Auf dem Weg zum Saal mit den Schlafkammern beschloss Tea, ihre Mutter nach einem Foto ihres Vaters zu fragen. Vielleicht konnte sie auch noch ein Buch zum Deutschlernen auftun. Sie hatte das tiefe Bedürfnis, ihm näher sein zu müssen. Ihn in diesem sich regelmäßig wiederholendem Spektakel nicht alleine zu lassen. Er brauchte seine Tochter an seiner Seite. Zu eindrücklich waren die vom Schmerz weit aufgerissenen Augen gewesen.

Emil Heuser, zum mehrfachen Tode verurteilt.

Ohne Aussicht auf Entkommen.

Viertes Kapitel

Die ersten Gedanken, die er nach der von ihm abfallenden Benommenheit hatte, betrafen seine Entscheidung, vor über 35.000 Jahren einen Unschuldigen ermordet zu haben. Gefühlt nur vor wenigen Minuten war das die einzige Möglichkeit gewesen, sich einen Platz unter der künftigen Sonne zu sichern. Hatte sein Plan funktioniert? Wie lange hatte er geschlafen? War die Erde, scheinbar ziellos durch das All taumelnd, von den Anziehungskräften ihres neuen Sterns, ELYA-49, eingefangen worden? War man ihm bereits auf die Schliche gekommen?

Panisch richtete sich Emil Heuser in seiner Schlafstätte auf und stellte erleichtert fest, dass die ihn umgebenden Schlafkammern noch geschlossen waren. Alles schien nach Plan zu verlaufen. Es blieb noch Zeit.

Vier Stunden hatte er sich Vorsprung verschafft. Eine bereits angebrochene Stunde, um wach zu werden. Eine Stunde, um den Mord perfekt zu vertuschen. Er musste an die Leiche, seine verräterische Kleidung und die Waffen denken. Was würde nach Tausenden von Jahren bei diesen recht kühlen Bedingungen jeweils noch davon übrig sein? Eine Stunde, um sich endlich überzeugen zu können, das Richtige getan zu haben. Eine Stunde, um die anderen, allen voran Laura, in der neuen Welt gebührend willkommen zu heißen. Am ursprünglichen Plan hatte sich also nichts geändert.

Emil nahm einen tiefen Atemzug. Die Luft umschmeichelte seine Bronchien, ein kurzes Husten beförderte Reste der Kühlflüssigkeit hervor. Er konnte ohne Probleme atmen. Das Anfluten der Anlage mit Sauerstoff hatte also funktioniert. Blieb die Frage, wie die Atemluft außerhalb dieser hermetisch schützenden Wände beschaffen war. Gleiches galt für die Temperatur. Obwohl er nackt war und Reste des ihn zuletzt ernährenden Bettes auf seiner Haut verdunsteten, fror er nicht. Die Anlage heizte sich auf, um die bald Erwachenden willkommen zu heißen. Doch wie warm war es vor der Schleusentür?

Etwas ungelenk kletterte Emil aus der Schlafkammer. Viele Tausend Jahre schon waren seine Gelenke nicht mehr bewegt worden. Sie dankten es ihm mit einem erleichternden Knacken. Er streckte sich und betrachtete seine Fingernägel, dann fuhr er sich durch das ebenfalls etwas länger gewordene Haar. Zeugnis davon, dass sein Körper im Kälteschlaf fortgelebt hatte. Extrem verlangsamt zwar, sodass für seine Zellen nur wenige Wochen in Echtzeit vergangen waren, aber trotzdem mit entsprechenden Begleiterscheinungen. Die immerhin vermittelnden ihm das Gefühl, am Leben zu sein.

Emil blickte sich in der riesigen Halle um. Die bläulichen Kokons seiner 20.246 Mitschlafenden schickten ein in Wellen durch den Raum pulsierendes Licht aus, als würde sie dem Moment des Aufwachens entgegenfiebern. Emil fühlte sich unvermittelt an zurückliegende Neujahrsfeierlichkeiten erinnert. Langstielige Gläser wurden verteilt, die Gespräche zunehmend einsilbiger und man erwartete das Knallen der Korken, um das neue Jahr gebührend willkommen zu heißen. Nur dass hier in wenigen Stunden kollektiv kein neues Jahr, sondern gleich ein neues Leben gefeiert werden würde. Selbst jetzt, so kurz vor dem Ziel, konnte sich Emil nicht vorstellen, wie die kommenden Tage verlaufen würden. Fest stand nur, dass er nun sehr besonnen reagieren musste, wenn er Teil dieses freudigen Events werden wollte.

Er suchte am Boden seine vor gefühlt wenigen Minuten abgestreifte Unterhose. 35.624 Jahre später waren die Baumwollfasern brüchig geworden, der Zweck des Kleidungsstücks war jedoch noch als solches zu erkennen. In all den Jahren war die Temperatur der Anlage knapp über dem Gefrierpunkt gehalten worden. In der vorapokalyptischen Welt hatte man aus solchen klimatischen Bedingungen Mumien und Mammuts bergen können, anscheinend galt das auch für Unterhosen. Beim Anziehen zerfiel das Kleidungsstück dennoch zu grobflockigem, dem Boden entgegenrieselnden Staub. Logisch, es kam ja auch niemand auf die Idee, das Totengewand von Ramses dem Dritten einmal anzuprobieren.

Emil beschloss fürs Erste nackt zu bleiben und sich auf die Suche nach Kunstfasern beziehungsweise besser erhaltener Kleidung zu machen. In Berlin-III, so erinnerte sich der Arzt, wurden sogenannte Willkommens-Sets aufbewahrt. Im Vakuum haltbar gemachte Kleidungsstücke und Pflegeprodukte, die den Einstieg in das neue Leben erleichtern sollten.

Emil hegte berechtigte Zweifel daran, dass diese in Berlin-III jemals zum Einsatz kommen würden – trotz seiner heroischen Mitteilung zur korrekten Dosierung von Sunburn. Es musste definitiv irgendwo Vorräte an Kleidung geben, gerade den Italienern war ein korrektes Äußeres doch so wichtig. Außerdem hatte Emil nach über 35.000 Jahren das dringende Bedürfnis, sich mal wieder die Zähne zu putzen.

Doch zunächst gab es dringendere Punkte auf seiner To-do-Liste. Er begab sich in Richtung der »Camera di controllo dei sognanti«, des Kontrollraums der Schlafkammern. Der u-förmig geschnittene Raum mit den Wänden voller Bildschirme empfing ihn, abgesehen von der dicken Staubschicht, als seien nur Minuten vergangen. Einige Monitore beschwerten sich mit rot blinkenden Lettern über einen seit Sekunden oder Jahrtausenden bestehenden Signalverlust. Das säulenartige Terminal in der Mitte des Raumes hingegen schien für die Ewigkeit gebaut zu sein. Das Herzstück des Überlebensplans funktionierte tadellos.

Emil erinnerte sich an einen Patienten in Berlin-III, einen Techniker mit einer gutartigen Vergrößerung der Prostata. Mit den Augen eines Kindes im Süßwarenladen und dem Dialekt eines Berliner U-Bahn-Fahrers hatte dieser ihm begeistert von der technischen Ausstattung ihres der Postapokalypse trotzenden Hortes berichtet.

»Dit is für die Ewigkeit jebaut, Herr Doktor!«

Es war anzunehmen, dass die Anlage von Florenz diesem Qualitätsstandard in nichts nachstand.

Emil klickte sich mühelos durch die Menüs des Hauptrechners. Mit klopfendem Herzen wartete er auf die Berechnung der an verschiedenen Punkten gemessenen Außentemperatur. Der rote Ladebalken rauschte nach rechts, um dann, hämisch, wie um die Spannung ins Unermessliche hinauszuzögern, auf den letzten Millimetern ins Stocken zu geraten.

24,9 Grad Celsius.

Emil sprang auf und tanzte vor Freude wie ein nackter Indianerhäuptling um einen technologisch sehr fortschrittlichen Marterpfahl. Der wuchtige Bürostuhl kippte nach hinten. Das Leder des durch die Zeit verschlissenen Bezuges blieb in feinen Bröckchen auf seiner Haut kleben und verlieh seinem Körper im blauen Dämmerlicht etwas Reptilienhaftes.

Gestatten: Eidechse Emil, Überdauerer der Zeiten.

Weiter nun. Gab es draußen atembare Luft? Hatte ELYA-49 dem Leben ihres Planeten eine zweite Initialzündung verpassen können? Hatte der am Boden liegende und im Kammerflimmern versterbende Patient Erde durch die Sonneneinstrahlung den rettenden Elektroschock erhalten?

Wieder dieser quälend langsame Ladebalken zur Berechnung der Zusammensetzung der Luft. Emil hatte die Hände zum Gebet erhoben. Der Eidechsen-Indianer-Schamane beschwor den leicht angelaufenen Bildschirm vor ihm. Ein trübes Fischauge, das ihm hoffentlich eine positive Zukunft offenbaren würde.

931,2 Hektopascal.

Emil jubelte auf. In grauer Vorzeit war dies der Luftdruck in Regionen von etwa 600 bis 700 Höhenmetern gewesen. Ganz so hoch befanden er und die noch Schlafenden sich aktuell zwar nicht, aber tageszeitliche und wetterbedingte Schwankungen mal außen vorgelassen: Das war ein Luftdruck, der es ihnen ermöglichen würde, ohne Druckanzüge vor die Tür zu gehen. Doch welche Gase würden ihre Lungenbläschen in wenigen Stunden ausfüllen? Gespannt studierte er die nach und nach aufpoppenden Werte.

Stickstoff 79,02 Volumenprozent.

Das bedeutete noch gar nichts. Weiter!

Da, endlich: Sauerstoff.

»Komm schon!«, schrie Emil den Hauptrechner an. 19,97 Volumenprozent.

Unglaublich. Emil schossen die Tränen in die Augen. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Die restlichen, nun auf dem Bildschirm auftauchenden Werte waren eigentlich irrelevant. Sie würden dort draußen wieder atmen können. Atmen!

Argon 0,91 Volumenprozent. Langweiliges Gas, langweiliger Wert.

Kohlenstoffdioxid 0,025 Volumenprozent. Emil musste unwillkürlich laut auflachen. Der drohende Klimawandel war durch die erzwungene Eiszeit wohl abgewendet worden.

Die Spurengase interessierten nun wirklich niemanden mehr. Von wegen Brotkrümel auf einem schmutzigen Fußboden. ELYA-49 hatte sie tatsächlich alle gerettet. Gemäßigte Temperatur. Normaler Luftdruck. Sauerstoff.