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Johann Kapferer

Alle Rechte vorbehalten

www.johann-kapferer.at

Illustrationen: Christian „Yeti“ Beirer

www.christianyetibeirer.at

Layout: Augustin medien&design

www.augustin.at

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 9783752651041

Gewidmet meinem Papa Johann

und meinem svekar Joe

„Danke für eure Liebe und eure Fürsorge.

Ihr werdet immer in unseren Herzen sein.“

Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner

Moment leuchtet das Leben hindurch

(Franz Grillparzer)

Inhalt

Der verbotene Wald

Dobar, der Königstigerjunge, lebte mit seinen Eltern und seinem kleinen Schwesterchen Katinka, in einem dichten Wald, nahe einer großen Stadt. Dort wohnten so viele Menschen, dass man ihre genaue Zahl gar nicht sagen konnte.

Selbst wenn man zuerst alle Finger der rechten und dann alle der linken Hand zählte und dazu sogar alle Finger und Zehen von den Eltern, Geschwistern, Großeltern und allen Verwandten und Freunden, die man kannte, mitrechnete, es hätte nicht gereicht.

Obwohl diese Stadt so riesengroß und die Luft dort ziemlich verschmutzt war, verirrte sich von den Erwachsenen kaum einmal jemand in den Wald, in dem es so herrlich nach frischen Blumen und gesunden Bäumen duftete. Dafür hatten sie keine Zeit. Sie grübelten lieber den ganzen Tag darüber, wie sie ihr Geld weiter vermehren konnten, um immer noch reicher zu werden.

All die Schönheiten, die ihnen die Natur direkt vor der Haustür bot, beachteten sie erst gar nicht. Den Blick für dieses wunderbare Paradies dort draußen hatten sie längst verloren. Für sie gab es nur die künstliche geschaffene Umgebung, die sie Zuhause nannten. Eine Welt, in der nur noch Platz für ihre unersättliche Gier und den eigenen Vorteil zu existieren schien.

Doch nicht alle Menschen in der Stadt dachten so.

Die Kinder schlichen sich immer wieder heimlich zum Spielen in den Wald. Dabei wussten sie genau, dass sie damit etwas Verbotenes taten, denn ihre Eltern mochten das gar nicht.

»In diesem Gestrüpp ist es viel zu gefährlich. Da wimmelt es nur so von allen möglichen Tieren, die einen stechen oder gar beißen können. Ihr habt dort nichts zu suchen. Geht sofort nach Hause, wo es sicher ist«, schimpften die Erwachsenen immer, wenn sie die Kinder dabei ertappten, wie sie im Wald spielten.

Denen gefiel das überhaupt nicht. Sie waren jedes Mal sehr enttäuscht, von ihrem Lieblingsplatz verjagt zu werden. Für sie gab es auf der ganzen weiten Welt keinen schöneren Spielplatz, als den Wald. Nirgendwo sonst konnte man so aufregende Abenteuer erleben. Dabei hatte ihnen von all den Tieren, die hier lebten, noch nie eines ein Haar gekrümmt.

Deshalb verstanden die Kinder auch nicht, warum ihre Eltern immer gleich so wütend wurden, wenn sie dort spielten. Außerdem wussten sie von den größeren Kindern, dass sich haargenau dieselben Menschen, die ihnen heute solche unnötigen Vorschriften machten, früher selbst in den Wald geschlichen hatten. Aber damals waren ihre Eltern eben auch noch Kinder gewesen und das liegt lange zurück. Die Erwachsenen konnten oder wollten sich nicht mehr daran erinnern.

Also half alles Jammern nichts. Der schönste Ort der Welt blieb für sie verboten. Mit hängenden Köpfen trotteten die Kinder immer nach Hause, um dort davon zu träumen, was es im Wald alles zu erleben gab.

Die Kinder schlichen sich immer wieder heimlich zum Spielen in den Wald.

Diese Träume waren es, die den Kindern ständig neuen Mut gaben. Darum dauerte es auch meistens nie länger als höchstens einen Tag, bis sie wieder eine neue Möglichkeit fanden, um zurück in den schönsten Spielplatz der Welt zu gelangen.

Dabei gingen sie immer sehr schlau vor. Sie ließen sich ständig eine neue List einfallen, um heimlich dort hinzugelangen. Was die Kinder jedoch nicht ahnen konnten. In dem Wald lebte jemand, der war sogar noch viel gewitzter als sie.

Immer wenn sie zum Spielen dorthin kamen, wurden sie beobachtet. Dobar, der kleine Königstigerjunge verfolgte mit seinen scharfen Augen jede einzelne Bewegung der Kinder. Das wussten diese natürlich nicht. Sie hätten sich sonst womöglich vor ihm erschreckt, denn schließlich war und blieb er doch ein Königstiger.

Dobar würde gerne mitspielen

Dicht auf den Boden gekauert ließ Dobar die Kinder nicht aus den Augen. Das Gebüsch war das perfekte Versteck. Fasziniert beobachtete er sie beim Spielen und verfolgte aufmerksam jede einzelne Bewegung.

Der kleine Königstiger hätte nur zu gerne auch einmal mitgespielt. In seinen Träumen tollte er bereits längst gemeinsam mit den Kindern durch den Wald. Sie spielten Verstecken oder was sonst noch Spaß machte, und vergaßen alles rund um sie herum. Doch dazu hatte sich bisher leider nie die Gelegenheit ergeben.

Immer wenn Dobar wieder einmal kurz davorstand, all seinen Mut zusammenzunehmen, um vorsichtig aus dem Unterschlupf zu kriechen, um die Kinder zu fragen, ob er mit ihnen spielen darf, geschah dasselbe.