Gelobt seien die hohe Kunst der Politik und Diplomatie sowie unsere Staatsdiener, die sich stets bemühen, den in sie gesetzten Erwartungen gerecht zu werden. Wir haben die besten Politiker, die man für Geld bekommen kann. Ich hörte gelegentlich die Vermutung, dass jemand mehr zahlen würde als wir. Doch das kann nur ein Irrtum sein. Oder?
Barthle B. Boss
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© 2016 Barthle B. Boss
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Illustration: Barthle B. Boss & Clara Yasumi
Kreative Covergestaltung: Kurai & Barthle B. Boss
Herstellung/Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9 783743 157293
Der Reichskanzler biss wütend in sein Kissen. Alles hätte so schön sein können, wenn da nicht die allnächtlichen Ruhestörungen gewesen wären. Und schon wieder zersägte die laut pöbelnde Stimme seine nächtliche Ruhephase:
„Öl- Öl- Ölkopfgerd…eigner Herd ist Goldes wert…“ ertönte es spottend von draußen. „Geht es ums Öl, dann nimmt Kohle er eiiiin…!“ brüllte die Stimme, die auf reichlichen Alkoholgenuss schließen ließ.
Der erfolgsverwöhnte Kanzler des Reiches, Graf Gerhard, stöhnte auf und krallte die Finger in die zerwühlten Laken.
„Öl- Öl- Ölkopfgerd…der Mann ist äußerst ehrenwert…!“ schallte es hochprozentig durch die tiefe Nacht. „Der Weg nach Osten erwies sich als feiheiiiin…!“
Der Kanzler brüllte wütend auf und läutete nach seiner Zofe. „Doooorschen! Verflucht…wo steckt diese Person, wenn man sie mal braucht?“
„Hochgeschätzt ist so ein alter Knabe…voller Macht und voller Geld!“ spottete es. Und weiter ging es. Der Sänger verfügte über eine beachtliche Kondition. „Pleite ist dafür der dumme Bürger…belacht vom Rest der Welt!“
„Weiber!“ fluchte der Kanzler und quälte sich aus dem Bett. „Alles muss man selber machen!“
Er stürmte zum Fenster seines Schlafgemachs und brüllte in die tiefe Nacht: “Halte endlich Dein Lästermaul, Du…Du…Du blöder Zwerg, Du!“ und schlug es zu, dass die Scheiben nur so klirrten.
Die Tür wurde aufgerissen und eine hagere, blonde Frau mit beeindruckendem Gebiss stürmte herein. „Ich bin ja schon da, mein Landesherr!“ Sie verdrehte entnervt die Augen. „Hat er wieder gesungen?“ erkundigte sie sich.
„Jede verfluchte Nacht grölt er mich aus dem Schlaf!“ fluchte der Kanzler. „Jede…aber auch jede Nacht. Warum tut er mir das nur an?“
Die Zofe krabbelte unter die Decke des entnervten Landesherrn. „Ich werde Euch mal auf andere Gedanken bringen, mein Herr“, giggelte sie.
Doch der hohe Herr war gerade nicht in Stimmung.
„Wir waren doch Verbündete, der Graf Oskar und ich. Wir haben uns immer gut verstanden. Und der Rudolf auch.“
„Vielleicht haben sich die Herren ja mehr von der Zusammenarbeit erhofft?“ mutmaßte die Dienerin. „Hattet Ihr ihnen nicht versprochen, gemeinsam regieren zu wollen? Wie nanntet Ihr das doch gleich? Troika oder so?“
„Ach…Schnickschnack!“ begehrte der Kanzler auf. „Ich war mehr als großzügig. Graf Oskar sollte als Ratsherr die Finanzen übernehmen. Aber er hat ja quasi sofort das Handtuch geworfen. Und Graf Rudolf war als Herr der heldenhaften Ogersheim-Armee auch kein Quell der Freude. Von einem Hurenhaus zum nächsten. Ewig diese Weibergeschichten.“
Fräulein Dorschen tätschelte seine Hand.
„Vielleicht könntet Ihr Euch ja doch noch verständigen, mein Herr?“ versuchte sie zu schlichten.
„Von wegen. Ich verhandle nicht mit Verrätern, Wortbrüchigen oder notorischen Störenfrieden. Wo kämen wir denn dahin, hä?“ zeterte der Reichskanzler.
„Gute Frage“, erwiderte seine Gesprächspartnerin. „Was die Weibergeschichten betrifft, mein Herr“, sie gönnte ihm einen durchdringenden Blick, „sollte niemand mit Steinen werfen.
Glas bricht so schnell.“
Sie hatte ihren Platz in der Dienerschaft hart erarbeitet und wusste um das Schicksal ihrer Vorgängerinnen.
„Weiber!“ motzte der Herr über Ogersheim inbrünstig aus tiefster Seele. Dann drehte er sich auf die Seite, brummelte vor sich hin und schlug wieder den Pfad ins Land der Träume ein.
Im Geschlechterturm des Grafen Oskars herrschte heilloses Chaos. Zerbrochene Flaschen, Geschirr, Pergamentrollen mit Pamphleten und Spottliedern, Rüstungsteile, Bratenknochen und des Zwergenherrschers Lieblingsaxt…alles lag kunterbunt verstreut herum und bildete ein inspirierendes Gesamtbild kreativen Chaos.
„Mistkerl!“ fluchte der hochstirnige kleine Mann und schnappte sich eine Buddel „Kleiner Jagdgehilfe“. Er köpfte die grüne Flasche und stürzte den klebrigen Kräutersud die Kehle hinab.
Dann spülte er mit reichlich Bier nach. Früher hätte er sich auf Zwergenart seine Axt geschnappt und jedem Widersacher gezeigt, aus welcher Art Hartholz er geschnitzt war. Aber auch bei ihm hatte die Zeit ihre Folgen gezeigt. Und so saß er voller Wut und Hass auf den ehemaligen Weggefährten in seinem Turm und gab sich einem Leben als bezechter Spottdrossel hin.
Ratsherr für Wirtschaftsfragen und Finanzen? Was für ein schlechter Witz. Gemeinsam, als gute Freunde und Kämpfer für die Gerechtigkeit, hatten sie regieren wollen. Und kaum hatte Graf Ölkopf die begehrte Ogersheimer Wurstkrone errungen, waren alle Absprachen hinfällig gewesen. Soweit also zum Thema Freundschaft. Herr Oskar suchte nach seiner Schreibfeder. Es war an der Zeit für ein neues Spottlied. Solange man ihn nicht aus seinem Turm vertrieben haben sollte, würde er jede kommende Nacht zu einem Splitter im Fleische des Regenten werden und ihm das Leben zu einer ganz besonderen kleinen Hölle voller gemeiner Verse gestalten. Letztendlich war es die Rache des kleinen Mannes, der einmal an den Hebeln der Macht gesessen und selbst nach der Krone gegriffen hatte. Doch nichts war so alt wie der Ruhm von gestern. Er schmiss die leere Flasche Jagdgehilfen aus dem Fenster und lauschte dem Klirren des zerspringenden Glases. Und dann kratzte wieder die Feder über das Pergament.
An einer der schönsten Stellen vom Strand von Gran Mallorbiza ließen es sich vier junge Urlauberinnen gut gehen. Der Blick aufs Meer war einfach phantastisch. Eine Flasche Schaumwein kreiste und das Gekicher und Gegacker zeugte von großer Heiterkeit.
„Saaach mal, Clari…willste nicht endlich mal aus dem Schatten rauskommen?“ erkundigte sich Emmi.
Die Angesprochene saß unter einem großen, schwarzen und reichlich mit Rüschen behangenen Sonnenschirm entspannt im Strandstuhl. Sie fächelte sich frische Luft mit einem schwarzen Fächer zu, der mit lustigen Hasenmotiven verziert war.
„Den Teufel werde ich tun“, erwiderte sie entsetzt. „Oder soll ich mir meinen schönen, blassen Teint versauen, wie?“
„Na ja…aber braun ist doch schick. Und außerdem sieht doch keiner, dass wir im Urlaub gewesen sind, oder?“ entgegnete ihre Freundin Emmi.
„Ach…Unfug. Solange wir ausreichend Cava haben, ist doch alles hübsch, oder? Und nun gib mal die Flasche rüber.“
„Sag erst das Zauberwort!“
„Endoplasmatisches Reticulum!“
„Neee…sag was anderes!“
„Sofort!“
Die Damen kicherten und die Flasche zog weiterhin ihre Kreise, bis sie durch die nächste ersetzt wurde.
„Brutal waaaarm“, stöhnte Iris und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Ich muss mich abkühlen. Kommt wer mit rein?“ Sie deutete aufs herrlich blaue, kühle Nass.
Mimi kicherte und stürmte los. „Die letzte im Teich ist eine olle Hexe!“ kreischte sie und verschwand in den Fluten.
Emmi und Iris stürmten hinterher und stürzten sich ebenfalls ins nasse Vergnügen. Nur die junge Dame in Schwarz blieb im Schatten sitzen und schmökerte in der aktuellen Ausgabe des Hexen-Almanachs, spendierte ab und an pikierte Blicke, schüttelte gelegentlich missbilligend den Kopf und blätterte weiter.
Während sich ihre Reisegefährtinnen mit Wasser bespritzten, gönnte sie sich lieber etwas Unterhaltungslektüre.
„Hola Senorita!“ ertönte es plötzlich neben ihr. Ein bis auf eine äußerst knappe Strandhose mehr oder weniger unbekleideter, braungebrannter, schwarzhaariger junger Mann war plötzlich wie aus dem Boden geschossen. Er hielt eine kleine Flasche in der Hand und spendierte ein strahlendes Grinsen aus zwei makellosen Zahnreihen. „Solle ich Diche eineööölen, Senorita?“
Die Angesprochene verdrehte entnervt die Augen.
„Stell Dich irgendwo hinten an, Hombre! Du bist heute bereits der siebenundzwanzigste Kandidat für die Ölung!“
„Aber, aber Senorita…wo Du doch so hübsche bisse! Sei doch niche so ungnädig zu Juanito! Iche binne gudd inne Ölen!“
Emmi, Mimi und Iris hatten das Badeparadies wieder verlassen und blickten dem jungen Mann mit einem gewissen klinischen Interesse auf die minimalistischen Beinkleider.
„Watt will der denn schon wieder, he? Kann man hier nicht mal für fünf Minuten seine Ruhe haben?“ motzte Mimi.
„Ne ne…das ist schon wieder ein anderer“, bemerkte Iris.
„Hallo Hübscher“, schmachtete Emmi. „Was haste denn im Angebot?“
„Also, Senorita…iche kann für Diche…“ setzte die maskuline Strandschönheit an, wurde aber abrupt von Fräulein Claricorn abgewürgt.
„Ja…ne…ist schon klar. Wieder so ein öliger Spaßvogel, der nur über junge Damen herfallen will. Verzieh Dich, Papagallo…aber pronto. Sonst setzt es was!“
Plötzlich legte der Abgewiesene seine Hand auf ihre Schulter, blickte ihr tief in die Augen, spendierte einen schmachtenden Blick und hauchte ihr ein paar Worte ins Ohr.
„Was willst Du, Du Ferkel? Nun ist aber Schluss mit lustig!“,
ertönte die harsche Antwort. „Na warte…Dir werde ich was von wegen Spaß haben, Du Schmutzfink!“
Die empörte junge Dame schnippste mit den Fingern und aus heiterem Himmel fuhr ein kleiner, aber heftiger Blitz in des aufdringlichen Strandcasanovas Gesäßbacken.
„Und wo das herkommt, Du Lümmel…da ist noch viel mehr.
Und nun hau ab, bevor Du richtig Funken schlägst.“
Die Damen kicherten und der in seine Schranken gewiesene junge Mann verschwand voller gekränkter Eitelkeit, verletztem Stolz, fluchend und Beleidigungen ausstoßend.
„Also so was. Nicht mal in Ruhe lesen kann man. Alle paar Minuten so ein Kasper. Strunzdoof und so aufdringlich wie Fliegen auf der Sch…!“
„Aber der war doch ganz niedlich“, hachte Emmi.
„Klappe, Frollein Fee. Der war ja wohl das Hinterletzte. Du musst nicht gleich bei jedem Knackarsch dahinschmelzen. Die wollen eh nur das Eine!“
Mimi und Iris kicherten, währen Emmi leicht errötete.
„So die Damen: Mir wäre nach einem großen Kaffee und einem leckeren Stückchen Torte. Wer macht mit?“ fragte die Junghexe in Schwarz.
Alle stimmten zu.
„Na los, Fräulein Zuckerfee. Unternimm was“, forderte sie ihre Freundin auf.
„Immer diese Wünsche“, brummelte die Angesprochene, malte mit den Fingern einige Schnörkel in die Luft und schon stand das Gewünschte in Form einer mächtigen Marzipantorte mit beeindruckenden Sahnetupfen und Geleekirschen auf der Stranddecke bereit.
„Eigentlich will ich das nicht mehr mit dem Zuckerhexenzeugs“, beschwerte sie sich. „Ich werde Fee…basta.“
„Jaaa doch“, nölten die anderen. „Immer dieselbe alte Leier.
Dein Zuckerzeugs ist einfach zu lecker, als dass Du Dein Talent verschwenden solltest. Schuster bleib bei Deinem Leisten.“
Die Damen ließen sich den Kuchen schmecken, schlürften ihren Mokka und ließen es sich gut gehen.
„Sagt mal…was ist denn das da hinten schon wieder für ein Affenzirkus?“ erkundigte sich Fräulein Claricorn entnervt.
Einige Meter entfernt pflügte sich eine Menschenmenge via Polonaise durch den Sand. Sie trugen lustige Partyhütchen, tröteten in bunte Hörner und intonierten den Strandschlager der Saison. Nicht schön, aber laut und offensichtlich mit mehr als nur guter Laune gefüllt.
„Alles Deppen. So langsam wird das mir hier echt zu heftig. In unserem Wald ist es eigentlich gar nicht so schlecht, oder?“
bemerkte Iris und Mimi stimmte weise nickend zu.
„Wir sollten demnächst wirklich wieder aufbrechen. Auf Dauer ist das nichts für mich“, stellte Clari fest.
Sie musterte die alkoholisierte Schar kritisch und stutzte.
„Sagt mal, meine Damen. Die zwei da in der Mitte…kommen die Euch nicht auf irgendwie bekannt vor?“
Die Urlauberinnen inspizierten die Tänzer im Zielgebiet und zogen die Stirn in Falten.
„Das ist doch…na hole mich doch dieser und jener“, feixte Emmi. „Das ist doch dieser dynamische Jungzauberer aus Dingsbums…äh Ogersheim. Bernie oder so.“
„Bernward meinste bestimmt. Und dieser Typ da hinter ihm, der die Blondine so begrabbelt…ist das nicht der DAX?“
„Echt ey…die Welt ist ein Dorf!“ stellte Clari überrascht fest.
„Aber das hier ist doch eine ganz andere Welt. Wie unwahrscheinlich ist das denn, hä?“
„Wir sollten bei der nächsten Urlaubsbuchung besser Erkundigungen einziehen“, stellte Iris fest. „Wer weiß, was sonst noch passiert?“
„Die nächste Reise, die wir buchen, nehmen wir jedenfalls nicht mehr aus den Hexen-Almanach-Billig-Angeboten. Erst die ganzen Einöl-Fuzzis und dann auch noch alte Bekannte.
Das ist völlig inakzeptabel.“
„Juhuuuuu!“ ertönte es lautstark. Emmi hopste auf der Stelle und wedelte mit allem, was sie hatte. „Juhuuu Bernieeee!
DAAHAAAX! Juhuuuuu!“
„Tsch sch sch sch…biste närrisch, Emmi?“ motzen die anderen.
„Ach was…die sind doch nett. Und außerdem…ohne die hätten wir doch niemals die Kohle für die hübsche Reise und den ganzen Luxus hier zusammengehabt!“ entgegnete die Zuckerhexe.
„Stimmt auch wieder“, stellte Clari fest. „Na ja…was solls.“
Mittlerweile hatten Bernward und DAX die jungen Hexen wahrgenommen und kamen leicht torkelig durch den Sand auf sie zu gestapft.
„Na so was“, grinste DAX, magisch gut getarnter Beraterdämon des dynamischen Jungzauberers Bernward, der seinerseits als Assistent des Hofzauberers von Ogersheim, Meister Aegidius, sein Dasein fristete. „Was in aller Welt hat Euch denn ausgerechnet hierher verschlagen? Hattet Ihr die Nase voll vom großen Forst? Auf Dauer recht öde, wie?“
„Von wegen. Der Wald ist total schön. Aber wenn man schon mal die Taschen voller Goldstückchen hat, dann sollte man sich auch was gönnen!“
„Aber warum hier? Gran Mallorbiza ist doch als Dimension ziemlich weit außerhalb von Ogersheim, oder nicht?“ fragte Bernward.
„Sonderangebot aus dem Hexen-Almanach. Wer konnte da schon nein sagen?“ stellten die Damen fest.
„Wir auch nicht“, grinste der Zauberlehrling des Ogersheimer Hofzauberers. „Echt toll, diese Angebote. Wenn es das Blatt nicht geben würde, dann müsste man es erfinden.“
So plauderten sie miteinander über die vielen Reiseangebote und nostalgierten nebenbei die gemeinsamen Erlebnisse von vor kurzer Zeit, als sie erfolgreich gemeinsam gegen die „Tote Armee“ angetreten waren.
„Was macht Ihr denn heute Abend, meine Damen?“ erkundigte sich DAX. „Da ist eine Strand-Party mit dem größten Sangria-Fass der Welt, Musik und Limbo-Wettbewerb.“
„Och nööö“, nörgelten die Damen. „Da treiben sich nur wieder die Einöl-Deppen rum und grabschen. Das müssen wir nicht haben. Abgesehen davon endet unser Urlaub morgen. Und wir wollen doch nicht total verpeilt im großen Forst landen. Das ist schlecht für den Ruf von grundsoliden Hexen, wisst ihr?“
„Das ist eindeutig ein Argument“, stimmten die Herren zu.
„Schade eigentlich. Wir hätten gern mit Euch unseren Erfolg von neulich begossen.“
„Das können wir gern nachholen. Im großen Forst. Bei einer schönen Tasse Tee und Kuchen. Das ist auch besser für den Kopf und überhaupt“, bemerkte Fräulein Claricorn.
„Wie gedenken die Damen denn den Rest des Tages zu gestalten?“ fragte DAX.
„Also zuerst müssen wir natürlich packen. Anschließend wollen wir noch Souvenirs shoppen gehen. Danach geht es früh ins Bettchen. Und dann nichts wie zurück ins Heimatland.“
„Das ist übersichtlich“, meinte DAX. „Wir haben noch eine Woche Zeit zum Feiern. Männerdinge tun. Man wird ja nicht jünger. Apropos…was wollt ihr denn so alles einkaufen?“
„Na ja…an Geld herrscht ja kein großer Mangel seit der Ogersheim-Schlacht“, stellte Iris fest.
„Da hinten haben wir ein Schuhgeschäft entdeckt. Hexenstiefelchen vom Allerfeinsten. Und magischen Schmuck.“
„Ja…die haben hier eine ganze Menge Krams. Aber lasst Euch nicht den Touristenkitsch andrehen. Ramsch gibt es hier mehr, als man sich vorstellen möchte“, kommentierte DAX.
„Habt Ihr denn einen guten Tipp für Hexen in Kauflaune?“
„Es gibt hier eine P.A.G.A.N.-Boutique. Vielleicht solltet Ihr da mal hingehen?“ schlug der Dämon vor.
„Haben wir schon probiert. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis wir den Laden gefunden hatten. Wahrscheinlich finden wir den auch nie wieder. Und dann kamen wir nicht mal rein. Der ist anscheinend nur für Mitglieder.“
„Kein Problem“, meinte DAX. „Herr Bernward und ich begleiten Euch. Außerdem bekomme ich Sonderkonditionen.“
Und so verabredete man sich für die frühen Abendstunden auf einen gemeinsamen Shopping-Ausflug mit anschließender Paella und gepflegten Getränken.
„Schooooco! Trrrrrüffiiii!“ ertönte es.
Fräulein Claricorn sah sich suchend um. Direkt neben der Decke unter dem schwarzen Sonnensegel tauchten vier Hasenlöffel und zwei kleine Hasennasen aus einem Sandloch auf.
„Na los, Ihr kleinen Müffelstücke! Wir müssen zurück ins Hotel. Schließlich sind wir nicht zum Vergnügen hier. Oder…ach ne…eigentlich ja doch.“
Die junge Hexe sammelte ihre beiden Familiare ein und verstaute sie in einem Hasenkörbchen mit Henkel.
„So, die Herren, Wir treffen uns dann später zum Shoppen.
Und immer schön sauber bleiben.“
Die Junghexen brachen kichernd das Lager ab und verschwanden.
„Echt schon irre, wen man hier so trifft“, sinnierte DAX. „Besser, wir bleiben bis morgen abstinent, Herr Bernward. Wie lautet Deine zustimmende Antwort?“
„Würde ich jemals meinem Beraterdämonen widersprechen?“
antwortete dieser.
„Das fehlte gerade noch“, antwortete DAX. „Aber…ach egal …einer geht noch“, stellte er fest und köpfte die letzte noch vorhandene Flasche Cava, die er aus seiner Umhängetasche gezogen hatte. Schließlich war man im Urlaub.
Die alte, in Lumpen gehüllte, inzwischen eher grau- als rothaarige Frau hockte mürrisch vor ihrer baufälligen Hütte im Sumpfland weit hinter dem großen Forst. Sie hatte alles verloren, was ihr lieb und teuer gewesen war. Seit ihrem gescheiterten Versuch, Ogersheim mit der „Toten Armee“ zu erobern, war ihr nichts mehr gelungen. Sie hatte Rache geschworen, aber nicht die kleinste Idee, wie sie es bewerkstelligen sollte.
Damals, als graue Eminenz hinter Eric dem Roten, als sie noch die Fäden der Macht gezogen hatte… ja, das waren Zeiten gewesen. Die Wiedervereinigung der West- und Ostlande allein war schon ein Schlag ins Kontor gewesen. Aber der Verlust ihrer Macht als Großinquisitorin der Jasoistengemeinschaft und die Vertreibung aus Ogersheim hatte ihr endgültig das Leben zerstört.
Sie haderte mit sich selbst und stellte sich immer wieder die Sinnfrage. Wozu das alles? Sie sollte sich mit dem Schicksal bescheiden und einfach alles laufen lassen. Es war die Mühen wirklich nicht wert. Die Rote Margot gönnte sich ein Stück Kautabak und biss mürrisch darauf herum. Dann spuckte sie den Saft ins Gebüsch und blickte finster auf die sumpfige Welt und die Mückenschwärme. Ausgerechnet ein Ende als Sumpfhexe…das war mehr, als sie ertragen konnte. Keine Hoffnung, keine Perspektive und kein Wohlstand. Nur Sumpf, Schmutz und wieder Sumpf. Und Mücken, die sie piesackten. Potz Pestilenz. Sie hasste ihr Leben.
„Bampf!“
Es musste wieder Monatsanfang sein, denn vor ihr lag plötzlich die aktuelle Ausgabe des Hexen-Almanachs, der allmonatlichen Postille für magisch Praktizierende und Freunde der arkanen Künste. Das Anzeigenblättchen für Magietreibende erschien kostenlos und das war gut so, da sie sich ein Abonnement derzeit kaum hätte leisten können. Jede noch so kleine Münze war in Essen besser investiert. Die rote Margot überflog die Zeilen. Nichts von Wert. Klatsch und Tratsch ohne Sinn und Verstand. Sie blätterte und stellte fest, dass selbst die billigsten Sonderangebote von den Werbeseiten des Blattes für sie schier unbezahlbar waren. Sie blätterte weiter und plötzlich stutzte sie. Die alte Frau las die Zeilen noch einmal und dann stellte sich ein immer breiter werdendes, boshaftes Lächeln ein.
Nach einer langen, schlafarmen Nacht hatte es einen noch längeren Tag gegeben. Reichskanzler „Gerhard der Prächtige“, den das einfache Volk nur den Grafen „Ölkopf“ nannte, hatte feststellen müssen, dass die Staatsfinanzen noch erbärmlicher als erwartet ausgefallen waren. In der eilig anberaumten Sondersitzung des Pfalzrates war es zu harschen Worten gekommen. Man war sich allerdings spontan einig gewesen, wer Schuld an der Misere war: Sein Amtsvorgänger natürlich.
„Helmut der Stattliche“, der sich aufs Altenteil zurückgezogen hatte, war somit offizieller Urheber des Unheils. Nach dessen damaliger, salbungsvoller Rede zur Wiedervereinigung hätte der Vorgang der Symbiose der zwei Staaten niemanden auch nur einen einzigen Goldoger kosten sollen. Einige höchst kontroversen Debatten später zog sich der Kanzler mit seinen engsten Beratern in die Taverne zurück.
Und da saß nun die neue politische Elite des Reiches im Gesellschaftszimmer 2 in der „königlichen Dunggrube “ und blies Trübsal bei etlichen Kannen Pfalzwein.
„Also los, meine Herren. Ich erwarte von Euch keine Probleme…ich erwarte Lösungen!“
Die Anwesenden blickten betreten und mit sorgenvoller Stirn nach unten. Niemand wollte die Aufmerksamkeit des neuen Landesherren auf sich lenken.
„Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben, die leeren Kassen wieder voll zu kriegen?“ grübelte der Kanzler laut.
„Euer Vorgänger hatte da mal eine Idee gehabt“, erinnerte sich Ratsherr Müffelhering.
„Was meinst Du damit, Franzl?“ hakte der Kanzler nach.
„Währungsreform. Weg mit dem Goldoger!“
„Und was hilft uns das?“
„Ganz einfach. Wir machen neues Geld. Aber nicht mehr aus Gold oder so. Wir nehmen Papier und drucken es einfach.“
„Papier? Was für ein Unfug ist das denn? Das macht doch keiner mit. Die kommen mir aufs Haupt, die Ogersheimer!“
„Euer Vorgänger, Helmut der Stattliche, hatte überlegt, einfach neues Geld zu schöpfen. Sozusagen aus dem Nichts. Irgendwelche Bankenkontakte aus dem Ausland hatten das vorgeschlagen. Die Veräußerung der Ogersheimer Staatsbank an private Investoren. Und die machen dann das Geld für uns.
Gegen Zinsen natürlich.“
„Aber…das kann man doch nicht machen. Und warum sollten wir die Staatsbank verhökern?“ empörte sich der Kanzler.
„Weil wir Geld dafür bekommen“, erklärte Leichenhans, der ehemalige Schullehrer und einstmalige Bestatter der Gemeinde, der in der Politik Karriere gemacht hatte.
„Aber das ist doch grober Unfug, Hans. Oder vielleicht doch nicht?“ Graf Gerhard kam ins Grübeln. „Und was machen wir dann mit den sich im Umlauf befindenden Goldogern?“
„Die verbieten wir einfach als Zahlungsmittel. Der Bürger muss sie in der Ogerbank umtauschen. Gegen bunt bedruckte sogenannte Banknoten. Er darf dann nur noch damit bezahlen!“
„Ist das denn legal? Mal abgesehen von Ethik und Moral?“
„Sicher, sicher“, brummelte der Advocat der illustren Runde, Herr Triefig Schielauge. „Man muss nur die Gesetze ändern und alles ist so, wie es sein soll.“
„Und wenn das Volk auf die Barrikaden geht?“
„Ach…alles überbewertete Befürchtungen. Wir schmeißen einfach eine Party, ein Volksfest oder so. Und die Oger-Gazette bewirbt das neue Geld als die tollste Idee des Jahrhunderts. Das machen wir so lange, bis es die Deppen von der Straße glauben. Und wenn das noch nicht reicht, dann machen wir ein paar Steuererleichterungen fürs Volk. Dann jubeln die Euch zu, Herr Kanzler! Und wer nicht mitspielt, wandert ins Arbeitslager oder Gefängnis. Tauschpflicht eben.“ Dem neuen Machthaber begann der Gedanke zu gefallen.
„Wie wollen wir die neue Währung denn nennen?“
„Wir nehmen was Traditionelles mit Bezug auf Ogersheim.
Und natürlich auf Euren Vorgänger. Denn dem schieben wir einfach die Schuld an der Misere in die Schuhe. Das müssen wir dann öffentlich immer wieder hartnäckig betonen, bis es ebenfalls alle glauben. Die Macht liegt in der Wiederholung.“ „Aber…was wird denn dann aus all dem Gold, das dann in der neuen Ogerbank zwangsgetauscht werden wird?“
Leichenhans grinste breit. „Na was schon? Das ist dann natürlich unser Gold. Und wenn sich das Pack erst mal an die neuen Geldscheine anstelle der Münzen gewöhnt hat, dann schlagen wir richtig zu. Da gibt es noch ungeahnte Möglichkeiten!“
„Grundgütiger, Hans. Du bist wirklich ein durchtriebener Lumpenhund. Lehrer, Leichenbestatter…und jetzt auch noch Staatsbediensteter der besonderen Art. Was ist denn dann der nächste Schritt?“ erkundigte sich der Kanzler neugierig.
„Aktien…ich sage nur Aktien. Hört nur auf mich und wir machen den Reibach unseres Lebens. Aber dazu kommen wir später!“ Leichenhans grinste noch breiter.
Nach etlichen gewechselten Worten und Namensvorschlägen einigte sich die Gemeinschaft auf das schöne Wort „Kohlblatt“ als Bezeichnung für die neue Papier-Währung, auf deren Blättern das Konterfei des vorherigen Kanzlers zu sehen sein sollte.
„Also gut, die Herren“, stellte der neue Reichskanzler fest. Dann müssen wir das nur noch durch den Pfalzrat boxen! Das kann einige Wochen dauern. Aber was machen wir mit unserem Regenten, dem gütigen Herzog Roman?“
„Wollte der nicht dem alten Kanzler aufs Altenteil folgen?“ mutmaßte Müffelhering. „Man sollte dringend mit ihm reden.“ Die Herren grinsten und prosteten einander lautstark zu. Und die Bürger ahnten nichts vom sich zusammenbrauenden Unheil.
Der Hofzauberer Ogersheims und Lehrherr Bernwards, Meister Aegidius, hatte sich sehr auf ein geruhsames Leben im Staatsdienst gefreut. Regelmäßige Bezüge, freie Kost und Logis, die großzügigen Räumlichkeiten der magischen Gilde, für die man ihm seinerzeit das ehemalige Jasoistenkloster anvertraut hatte…alles war einfach zu schön, um wahr zu sein. Der Sieg über die „Tote Armee“ war der Glückstreffer schlechthin gewesen, obwohl andere die Arbeit gemacht hatten. Aber nun war Sand ins Getriebe der Bequemlichkeit und Behaglichkeit gekommen. Seit Graf Gerhard, den das Volk wegen seiner fettigen, schwarzen Haarmähne als „Ölkopf“ verspottete, den Posten des Reichskanzlers errungen hatte, waren die Zahlungen der monatlichen Apanage ausgeblieben. Nicht, dass ihn das sehr strapaziert hätte. Er hatte noch ausreichende monetäre Reserven durch die damalige Belohnung in seiner privaten Schatzschatulle. Aber die anderen Mitglieder und Dozenten der magischen Gilde begannen zu murren.
Gerüchte gingen um, dass es um die Staatsfinanzen mehr als schlecht bestellt sei. Er schenkte sich einen ordentlichen Schluck „Kleiner Jagdgehilfe“ ein. Soeben hatte er Mägerlein, den Magier aus seinem Studierzimmer geschmissen, als dieser allzu unziemlich auf die Zahlung seines Gehaltes beharrt hatte.
Er selbst hatte dem gütigen Herzog Roman schon mehrere Briefe geschickt, in denen er um eine klare Aussage bezüglich der Gelder für die Gilde gebeten hatte. Doch leider kam und kam keine Antwort zurück. Der Herzog schien für ihn unerreichbar zu sein.
„Klippklapp!“
Die kleine Haustierklappe, die der Zauberer kürzlich an seiner Studierzimmertür hatte anbringen lassen, öffnete sich einen Spalt…dann noch ein Stückchen…und eine kleine, nasse schwarze Schniefnase kam zum Vorschein. Dann folgten zwei verdreckte Pfoten und schließlich der Rest des inzwischen etwas mopsig gewordenen Neuzuganges der magischen Gilde.
Sir Wauzelot, Herrscher der Ogersheimer Gassen und Mülleimer, betrat seine inzwischen liebgewonnene neue Heimat. Er war bei neutraler Betrachtung ein kleiner, verwuschelter Mischlingshund aus Rauhaardackel, Steppenwolf und anderen Abkömmlingen der Canidae. Diese besondere Form des besten Freundes des Menschen war ein Geschenk der Herzogin gewesen. Ihrer Ansicht nach war diese Form der Gesellschaft genau das Richtige für einen alleinstehenden Herren älteren Datums.
Sie ahnte nicht, dass der Magier Stammkunde der weiblichen Fachkräfte des Ogersheimer Badehauses war. Dort nahm er oft und gerne mehr als nur das konventionelle Körperpflegeprogramm in Anspruch. Aber als der Meister das erste Mal in die treudoofen Augen des zerrauften Fellbündels geschaut hatte, war es um ihn geschehen gewesen. Die Kreatur hatte ihn abgeschlabbert, als ob er mit Honig getüncht gewesen wäre und mit allem gewedelt, was ihr zur Verfügung stand. Dann hatte der kleine Kerl den Teppich inspiziert und gründlich vollgepinkelt. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft gewesen.
„Klippklapp!“
Das Geräusch ertönte es erneut und die Klappe schloss sich wieder. Der kleine Hund beäugte und beschnupperte die Umgebung, trottete zum Teppich vor der meisterlichen Lagerstatt und markierte sein Revier mit einem kräftigen Strahl. Dann schüttelte er sich kurz, blickte erst seinen Fressnapf und dann den Zauberer vorwurfsvoll aus großen Hundeaugen an. Die raue Hundestimme bellte ein kurzes Kommando und braune Kulleraugen beäugten wieder den leeren Napf. Danach stupste er sein Allerheiligstes mit der Nasenspitze in Richtung Zauberer und ließ ein erneutes Bellen vernehmen.
„Ja so ein feiiiines Hundi“, begrüßte der Magier sein inzwischen liebgewonnenes Familiar. „Sooo ein feiner Hund!“
Sir Wauzelot übte seinen durchdringendsten Blick und bewegte erneut den Fressnapf in Richtung Zauberer. Ein Napf ohne Fressi und Leckerlis war im Universum des Schreckens der Ogersheimer Straßen und Mülltonnen nicht vorgesehen.
„Na…was habe ich denn hier für meinen kleinen Liebling?
Ja…was habe ich denn hier?“ verlegte sich der Zauberer auf eine Art Kleinkindsprache. „Ja…sooo ein feines Fressi, mmm?“
Sir Wauzelot starrte gierig auf die Würstchen, die der Magier plötzlich in den Händen hielt. Auch ein Hund von Format kam gelegentlich nicht darum herum, niedlich sein zu müssen. Innerlich an seiner Wolfsehre zweifelnd, machte der kleine Hund Männchen und wurde hochkalorisch belohnt. Fettige ogersheimer Wurstwaren ließen keinen Kompromiss zu. Beim Fressen war sich jeder selbst der Nächste. Das rechtfertigte sogar ein vorrübergehendes Männchenmachen. Hofzauberer Aegidius schaufelte den Rest seiner höchstpersönlichen, beträchtlichen Frühstücksration vom Teller in den Napf. Würstchen, Eier und Speck standen hoch in der Gunst der verwuschelten, vierbeinigen Cholesterinsüchtlings.
Der Hund stürzte sich enthusiastisch auf die neue Zwischenmahlzeit, die jeden anderen Kläffer über den ganzen Tag gebracht hätte. Es ertönte ein gieriges Schlingen und Schlabbern.
Als sich des Magiers Hand anschickte, den Schrecken der Ogersheimer Gassen wieder zu tätscheln, ertönte ein besser zu beachtender knurrender Warnhinweis. Die Vielfraßanteile der kleinen Kreatur liebten keine Störungen und machten dem kleinen Happen zwischendurch schnell den Garaus.
Nach dem eilig verschlungenen Imbiss war es dann an der Zeit für eine kleine Siesta und Sir Wauzelot verschwand in seinem Hundekörbchen neben dem Kamin, um über die Welt zu meditieren und zu dösen.
Meister Aegidius, Hofzauberer von Ogersheim und offizieller Bezwinger der „Toten Armee“, wechselte in seinem Lehnstuhl, gönnte sich seinen morgendlichen Pfalzweinschoppen und hoffte auf etwas Lektüre zur allgemeinen Erbauung. Er rechnete minütlich mit dem Eintreffen des Hexen-Almanachs.
„Bampf!“
Wie zu jedem Monatsbeginn erschien der Hexen-Almanach in den wenigen magischen Haushalten und Einrichtungen der Großraum-Region Ogersheim. Die Postille war hochbegehrt und bot kurzweilige Unterhaltung, allerlei Klatsch und Tratsch, Stellenangebote, Nachfragen sowie aktuelle Berichte der Stiftung Zaubertest über dies und das und jenes. Besonders beliebt waren die Angebote des Monats, das Kreuzworträtsel, die Schnippel-Gutscheine für Gratisproben und die Preisausschreiben. Der Magier freute sich auf die Lektüre und inspizierte die Startseite auf interessante Themen. Anscheinend bot der aktuelle Beitrag der Stiftung Zaubertest Frohsinn.
„Stiftung Zaubertest“ mit der Beilage „Der gute Rat“.
Liebe Leserschaft. Heute erreichte uns ein Brief von Abraxa X. aus Galgengesäß mit folgender Frage:
„Liebes Team vom „guten Rat“. Als arme Hinterwaldhexe verfüge ich nur über begrenzte Mittel und kann mir nicht jeden neumodischen Schnickschnack leisten. Nun hörte ich von einem neuen Zauberstab, mit dem man in Verbindung mit einem Pergament-Tablett Dinge sowohl zeichnen als auch in einen plastischen Zustand umwandeln könne. Da das Produkt sehr teuer ist, möchte ich Sie um Ihren Rat bitten.
Lohnt sich für eine nicht gutbetuchte Landhexe ein solcher Kauf? Was soll ich tun?“
Die Antwort von „Der gute Rat“:
„Liebe Abraxa X. Der Potter-Plotter ist nach seinem Erfinder Archibald Potter dem Älteren benannt. Potter verstarb hochbetagt in England auf irgendeiner Burg, als er mit den selbstentwickelten Miracle-Wings, einem Satz Umschnallflügeln aus Eisen, einen Flugversuch von Bergfried unternahm. Es wird gemunkelt, dass er stark unter dem Einfluss von selbstgeplottertem Met gestanden haben soll. Eine Erbengemeinschaft mit Namen Potter, Winky und Dinky vermarktet nun die Entwicklungen des Verblichenen, wobei jetzt auf die Qualität dieses Produktes näher eingegangen werden soll. Die Verheißungen bezüglich der Funktionen dieses magischen Wunders sind natürlich geeignet, die Herzen höher schlagen zu lassen. Man zeichnet sich zum Beispiel eine Flasche Met auf das Pergament und soll dann laut Herstellerangaben ein köstliches Getränk voller ungeahnter geschmacklicher Wonnen erhalten, wenn die Zeichnung mit dem Stab ins dreidimensionale übertragen wird.
Voller Vorfreude machte sich unsere Expertenkommission ans Werk und nahm sowohl Tablett als auch Stab in Augenschein. Beim Grafik-Tablett handelt es sich um magisches Pergament mit einer durchaus guten Dicke und Robustheit, das allerdings einen Mangel aufweist: Das Material ist anscheinend magisch versiegelt und nimmt kaum Farbe an. Unsere Testperson wurde nahezu hysterisch, bis es ihr gelang, mit einer Art Stoßtechnik eine Zeichnung in das Pergament zu tätowieren. Die mitgelieferte magische Schreibfeder knickte alle paar Sekunden ein und musste immer wieder angespitzt werden. Vermutlich benötigt man pro Zeichnung mindestens eine Feder. Diese Federn müssen sehr teuer nachbestellt werden und sind so sicherlich ein Quell der Freude für den Hersteller. Auf unsere Anfrage an Potter, Winky und Dinky, warum dies so sein müsse, haben wir bis jetzt leider keine Antwort erhalten. Allerdings weist die Bedienungsanleitung ausdrücklich darauf hin, dass es unumgänglich ist, die Zeichnung in höchster Qualität nur mit den Originalfedern aufs Tablett zu bringen, da ansonsten bei der Umwandlung ins Plastische mit einem gewissen Qualitätsverlust des Endproduktes zu rechnen sei.
Unser Test mit der Originalfeder ergab dann ein leidlich vertretbares Endprodukt mit durchschnittlicher Qualität, dass zwar trinkbar war, aber einen Nachgeschmack von Rübensaft und Eselsdung hatte. Als wir auf eine Alternativ-Feder zurückgriffen, produzierten wir statt Met eine Art Versteinerungstonikum, welches unserem Mitarbeiter zwar hervorragend schmeckte, aber leider nicht bekam. Es ist uns bisher nicht gelungen, den Probanden wieder in seinen Originalzustand zu versetzen. Die Klage gegen Potter, Winky und Dinky ist in Vorbereitung.
Laut Anleitung lässt sich über das Tablett jeglicher Gegenstand aus jedwedem Material herstellen. Also versuchte es unser nächster Tester verständlicher Weise mit Gold-Ogern.
Bei genauer Betrachtung erwies sich das Endprodukt durchaus als golden…allerdings nur in Form einer dünnen Beschichtung mit vergoldeter Folie. Das Innenleben bestand aus einer sehr leckeren Schokolade. Wir versuchen, die Zusammensetzung zu analysieren, um damit demnächst mit diesem Erzeugnis über eine konventionelle Herstellungsmethode selbst auf den Markt zu gehen. Die Herstellung von echten Goldmünzen hingegen muss als gescheitert angesehen werden.
Der Versuch, ein Lebewesen zu „plottern“ erwies sich als Fiasko. Wir entschieden uns auf Grund der übersichtlichen Größe des Tabletts zuerst für einen Salamander. Er sah eher kruckelig aus und torkelte bei der Fortbewegung, konnte aber beeindruckende Stichflammen von bis zu drei Metern spucken. Die Renovierung unserer Räumlichkeiten wurde Potter, Winky und Dinky bereits in Rechnung gestellt. Auch die Haltbarkeit des Salamanders war unerwartet kurz, da er sich selbst nach dem 4. Flammenstoß durch eine Explosion feinstofflich verteilte. Der nächste Versuch betraf ein höher entwickeltes Lebewesen. Wir haben das Resultat „Frankenkatz“ getauft und sind tatsächlich sehr zufrieden. Es ist das effektivste Wachtier, welches wir jemals hatten und hat bereits drei Postboten, zwei Zeitungsverkäufer und einen Meinungsforscher gefressen. Seit Katzi in unser Leben gezeichnet worden ist, haben auch keine Mitarbeiter mehr um eine Gehaltserhöhung nachgesucht. Allerdings sieht „Frankenkatz“ wirklich erschreckend aus und erinnert nur minimalistisch an die ursprüngliche Zeichnung. Nun zum Zauberstab: Es…
Es klopfte laut an die Tür des Studierzimmers. Aus dem Hundekörbchen ertönte postwendend ein leises Knurren.
„Herein, wenn es kein Schneider ist!“ polterte der Zauberer.
Die Tür wurde aufgestoßen und eine ihm nur allzu bekannte, eher kleine Gestalt mit ölig-schwarzer Haartolle stürmte herein. Der Magier stöhnte innerlich laut auf.
„Seid mir willkommen, Herr Reichskanzler“, dienerte er. „Wie kann ich Euch zu Diensten sein?“
Der Reichskanzler schob sich durch den Türrahmen, schnappte sich einen Scherenstuhl und setzte sich unaufgefordert an des Meisters Tisch.
„Geld!“ sagte er bestimmend.
„Geld?“ fragte der Magier. „Das ist gut. Der Hof Ogersheims schuldet uns inzwischen beträchtliche Summen. Und Ihr wollt uns jetzt endlich entlohnen, wenn ich Euch richtig verstehe, Herr Reichskanzler?“ Hoffnung flackert in ihm auf.
„Davon kann nicht die Rede sein“, antwortete der eher kleine Mann mit der schimmernden Haartracht. „Ganz im Gegenteil!“
„Wie meint Ihr das?“ erkundigte sich der Zauberer erbleichend.
„Nun…ich will Geld von Euch, Herr Aegidius!“
„Ahahahahaaaa…“, lachte der Zauberer schallend. „Da habt Ihr mich aber drangekriegt, Herr Kanzler. So viel Humor…DAS zeichnet einen Mann aus…fürwahr! Ahahahahaaaa!“ „Wenn es nur so wäre“, entgegnete der Kanzler. „Wir sind definitiv pleite. Und ohne Geld zur Überbrückung, bis wir wieder Einnahmen haben, sieht es böse aus.“
Meister Aegidius wurde bleich, obwohl ihn schon seit geraumer Zeit Befürchtungen geplagt hatten.
„Könntet Ihr uns aus der Verlegenheit helfen, Herr Zauberer?
Ihr hattet doch damals eine fürstliche Belohnung nach der Befreiung unserer schönen Stadt von der „Toten Armee“ erhalten.“ Es war dem Kanzler sichtlich peinlich.
„Wie sollte ich? Die magische Gilde musste renoviert und die Dozenten bezahlt werden. Ich habe alles aus eigener Tasche vorfinanziert und warte noch heute auf die mir zugesagten Mittel“, beschwerte sich der Zauberer. „Da ist nichts mehr. Alle.
Futsch. Weg. Ausgegeben. Finito!“
„Mist!“ fluchte der Kanzler. „Aber Ihr seid doch ein berühmter Zauberer. Könntet Ihr uns nicht wenigstens etwas Gold herbeihexen? Oder Alchemie? Habt Ihr Ahnung von der Alchemie?“
„Alchemie und Goldmachen ist eine reine Illusion“, erklärte der Zauberer. „Wenn es so einfach wäre, dann gäbe es unser Gespräch nicht, Herr Kanzler!“
Der Kanzler sank in sich zusammen. „Ich hörte mal von einer Jungfer, die Stroh zu Gold spinnen können soll“, murmelte er.
„Ob das vielleicht ginge?“
„Macht doch das, was alle machen, Herr Kanzler. Verkauft das Tafelsilber und was noch so da ist, erhöht die Steuern, presst das Volk aus“, riet der Hofzauberer.
„Das wird sicherlich passieren. Aber das dauert eben seine Zeit“, antwortete der Kanzler.
„Graf Ööööölkopf!“ tönte es von der Straße. „Vernehmet die Kunde vom Grafen Ööööölkopf, Ihr Leute!“
Ein schlanker, lang- und dunkelhaariger Bänkelsänger hatte sich auf der Straße eingefunden. Er hatte eine Tafel mit bunten Bildern aufgebaut und stimmte seine Laute an. Schon nahten die ersten Schaulustigen und bildeten eine Menschentraube.
Der Kanzler starrte entsetzt zum Fenster hinaus.
„Und nun lauschet dem Liedlein, ihr guten Leute! Gedichtet von mir in Persona, dem Barden Andreas Palomas! “
„Es gibt hier im Land einen Grafen
Das Volk hält ihn für einen Braven
Erst tut er ganz lieb
Dann kommt Hieb auf Hieb
Er wütet wie‘n Wolf unter Schafen!“
Kichern, Applaus, zustimmendes Gemurmel…das Volk war ganz und gar auf des Künstlers Seite.
„Der Graf ist am Kopfe stets ölig
Sein Weib dafür hässlich und nölig
Will er mal was sagen
Muss um Erlaubnis er fragen
Vielleicht ist er deshalb nie fröhlich?“
Das Gelächter des Pöbels nahm zu.
Der Reichskanzler riss das Fenster auf. Die Menschenmenge wuchs und wuchs. Und dann sah er seine beiden Wachen, die er zur Begleitung mitgenommen und vor dem Tor der magischen Gilde zurückgelassen hatte. Die zwei Stadtwächter hielten sich die Bäuche vor Lachen.
Der Sänger deutete auf eine Zeichnung und intonierte:
„Der Kanzler, der liebt alle Frauen
Von manchen lässt er sich verhauen
Dafür zahlt er Geld
Was den Damen gefällt
Welche würde ihn sonst schon anschauen?“
„Aber aber aber…“, stammelte der der Kanzler. „Das geht doch nicht! Das darf der nicht. Das soll der nicht! Der lügt!
Pöbel! Aufruhr! Unterbindet das, Herr Aegidius!“ „Wozu habt ihr denn Wachen dabei, Herr Kanzler?“ Der Zauberer deutete auf die Straße, wo die beiden Wächter kurz davor waren, sich vor Lachen die Rüstung einzunässen.
„Wache!“ brüllte der Reichskanzler auf die Straße. „Packt den Kerl…und sperrt ihn weg!“
Die Leibgarde des Kanzlers machte sich missmutig ans Werk.
Sehr zum Unwillen des nun murrenden Volkes. Aber wer wollte schon gegen bewaffnete Stadtwachen antreten? Der Sänger drückte dem einen Soldaten die Bildtafel in die Hand und reichte dem anderen die Laute.
„Haltet Ihr das bitte mal kurz, ihr Herren?“
Dann nutzte er die Gunst des Augenblicks für eine rasante Flucht durch die Menschenmenge, hinter der er irgendwo verschwand. Zurück blieben zwei verwirrte Soldaten und ein fassungsloser Graf.
„Das wird Folgen haben!“ zeterte Herr Gerhard, zitternd vor Wut. „Den kriege ich. Und dann ist Schluss mit Lustig. Politik der eisernen Hand. Die werden mich noch kennenlernen!“
Schluss mit Lustig war auch bei Sir Wauzelot, der sich in seiner Ruhe empfindlich gestört fühlte. Er verließ sein Allerheiligstes, trottete zum Besucher, beschnüffelte dessen Fußgelenk, winkelte ein Hinterbein an und sanktionierte des Reichskanzlers unmanierlichen Lärm angemessen mit einem kräftigen, aromatischen Strahl. Der Kanzler fluchte laut und warf giftige Blicke. Der kleine Hund trottete unbeeindruckt wieder zu seinem Körbchen, drehte sich dreimal um die eigene Achse und betrachtete die Geschichte als vorerst erledigt.
„Wertet das als Kompliment, Herr Kanzler. Er macht das nicht bei jedem. Ein Zeichen von ganz besonderer Zuneigung“, kommentierte der Zauberer den Zwischenfall beschwichtigend.
Meister Aegidius grinste innerlich vor sich hin, verkniff sich aber diplomatisch jegliche weitere Bemerkung. Dann begab er sich zu seinem Schrank und förderte aus dessen unergründlichen Tiefen eine kleine Flasche zu Tage.
„Nehmt dies, hoher Herr. Das bringt die strapazierten Nerven wieder ins Lot. Drei Tropfen sollten reichen.“
Der Reichskanzler schüttete sich ein paar Tropfen auf den Handrücken und leckte sie ab. „Ist ja widerlich“, stellte er fest und schüttelte sich. „Was in aller Welt ist das für ein Gift“?
„Das wollt Ihr gar nicht wissen, mein Herr“, entgegnete der Magier. „Hauptsache es hilft, oder?“
„Was bekommt Ihr dafür, Herr Aegidius?“
„Ach…nehmt es als Geschenk des Hauses an einen geplagten Menschen. Allerdings wäre es schön, wenn Ihr Euch für die Begleichung der aufgelaufenen Rechnungen einsetzen könntet.
Bei uns drückt der Schuh nämlich auch mächtig.“
„Ich werde alles unternehmen, was in meiner Macht steht. Anscheinend müssen wir einige Ideen schneller umsetzen, als ich gedacht hatte.“
Der hohe Herr erhob sich, steckte die kleine Flasche ein und verabschiedete sich förmlich. Ein kleiner befellter Blitz sprang aus dem Körbchen und biss den scheidenden Besucher in die Hacken, was der Kanzler mit lautem Fluchen quittierte. Zurück blieb ein nachdenklicher Zauberer, der sich die eine oder andere Frage über die Zukunft seiner Forderungen stellen musste und ein zufriedener kleiner Hund, der sich wieder in sein Körbchen trollte und gründlichst das Gemächt beleckte.
Laute Flamenco-Klänge schallten durch das nächtliche Gran Mallorbiza. Anscheinend bestand die Inselwelt nur aus Party, Krawall, Alkohol und unternehmungslustigem Jungvolk aus allen möglichen Welten. Bernward war sichtlich angetan vom ganzen Trubel. Nach all den Jahren im ländlichen Ogersheim genoss er das Partyleben und tobte gemeinsam mit DAX von Fete zu Fete. Doch am heutigen Abend war ein ruhiges Abendessen mit amüsantem Geplauder angesagt. Damengesellschaft hatte eindeutig etwas für sich.
Die Lokalität des Vertrauens hieß „Cava Negra“ und ließ zu Recht auf eine ausreichende Getränkeversorgung schließen.
Doch zuerst hatte man sich in der Inselmetropole auf eine gemeinsame Shopping-Tour verabredet.
„Sieh nur…Schuuuuhe!“ qietschte Emmi vergnügt, klatschte in die Hände und hüpfte vor Freude auf der Stelle. Die drei anderen jungen Damen waren da eher zurückhaltend, doch die interessierten Blicke, die sie aufs Schuhwerk warfen, straften sie Lügen. Und so arbeiteten sie sich von Schuhgeschäft zu Schuhgeschäft, von Schmuckladen zu Schmuckladen, ließen kein Kleidungsgeschäft außen vor und hatten Frauenspaß. Die beiden Begleiter, DAX und Bernward, hatten Zuflucht in einem Straßencafé gefunden und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Und richtig…alle paar Minuten tauchte eine der Damen auf und präsentierte stolz ihre neueste Errungenschaft.
Irgendwann griff DAX ein und verordnete einen Kaufstopp, da die Mädels sonst schneller pleite gewesen wären, als sie zaubern konnten.
„Um Gottes Willen…beherrscht Euch!“ fuhr er sie an. „Ich hatte Euch doch vor dem ganzen Touristennepp gewarnt.“
Die jungen Damen blickten schuldbewusst auf die Tischplatte.
„Wir wollten doch noch zur P.A.G.A.N-Boutique und ein paar wirklich gute Sachen kaufen. Schon wieder alles vergessen?“
„Es ist einfach mit uns durchgegangen.“ „Kontrollverlust“, sinniert DAX. „Kenne ich. Heißt bei mir „Kleiner Jagdgehilfe“.
Bernward nickte zustimmend.
„Wie auch immer…P.A.G.A.N.-Zeit. Wollen wir?“ erkundigte sich DAX.
Die Junghexen stimmten zu und sie brachen gemeinsam auf.
Bernwards Beraterdämon machte den Wegweiser. Es ging durch verschlungene, labyrinthartige Pfade immer tiefer und tiefer in die Altstadt von Gran Mallorbiza.
„Puha…müffelt das hier!“ beschwerte sich Iris.
„Ist echt voll eklig“, stimmte Fräulein Claricorn zu, während sich Emmi die Nase zuhielt und nur noch durch den Mund atmete. Auch Mimi wirkte unglücklich.
„Da müssen wir durch, meine Damen. Wir bewegen uns gerade außerhalb der ausgetretenen Touristenpfade. Die P.A.G.A.N.-Gruppe legt keinen Wert auf den Besuch von Ahnungslosen.“
Plötzlich standen sie am Ende einer dunklen Sackgasse. Das schmale, moosgrüne Haus, vor dem sie standen, hatte eine seltsam schimmernde Tür, deren Rahmen an ein Omega erinnerte und keinesfalls einladend wirkte.
„Das soll so sein“, erläuterte DAX. „Reine Abwehr…aber nicht für uns!“ Der selbst auserkorene Fremdenführer zog einen Anhänger aus seinem Hemd. „Das ist mein Aura-Chamäleon. Und zugleich die Eintrittskarte. Ihr solltet Euch auch so etwas zulegen.“
DAX öffnete die Tür.
Die kleine Gruppe trat ein und sowohl Bernward als auch den Damen traten die Augen aus dem Kopf. Das Gebäude war innen eindeutig erheblich größer als außen. Alles war in ein schummeriges, andeutungsweise rötliches Licht getaucht.
Überall standen Truhen, Vitrinen, Schränke, Fässer, Regale und Tische voller seltsamer Waren und Artefakte. Kräutergebinde, getrocknete Schlangen, Eidechsen, Hörner und andere Kuriositäten schmückten die Wände. Es roch nach Gewürzen und ungewöhnlichen Aromen von Räucherwerk, Tabak und exotischen Blumen. In einer Nische befanden sich als Kontrast Bilder und Prospekte der P.A.G.A.N.-Tours und in einer anderen Ecke Aufsteller der P.A.G.A.N.-Financial-Group.
Inmitten der Halle befand sich ein fröhlich plätschernder Springbrunnen mit einem riesigen marmornen Wasserspeier, aus dessen Mund unentwegt grünblaues Wasser sprudelte. Die Besucher waren angemessen beeindruckt.