Die Vorlage zu diesem Buch ist das gesprochene Wort Oshos. Die Diskurse sind, wie alle seine „Talks“, aus dem Stegreif vor einer großen Zuhörerschaft gehalten, und wurden vom Tonband übersetzt. Die Redaktion der deutschen Übersetzung folgt der englischen Buchausgabe und gibt, wie diese, so genau wie möglich den spontanen Redefluss Oshos wieder. Alle Osho Diskurse sind als Originale publiziert worden und als Original-Audios erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der Onlinebibliothek „Osho Library“ bei www.osho.com

Titel der Originalausgabe:

Emotional Wellness, erschienen bei Harmony Books, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC

Ebookausgabe 2021

Umschlaggestaltung: Bunda S. Watermeier, www.watermeier.net

Übersetzung: Mohani Marin-Cardenas

Copyright © der Originalausgabe 2006 by Osho International Foundation, Switzerland, www.osho.com/copyrights

Copyright © 2020 Innenwelt Verlag GmbH, Köln

www.innenwelt-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

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eISBN 978-3-947508-80-8

EMOTIONEN

Angst
Wut
Eifersucht
Traurigkeit

Inhalt

TEIL I

Die Ausgangssituation – Die Mechanik des Verstandes

Verdrängung und Kontrolle – Die Wurzeln der emotionalen Prägung

Große Jungen weinen nicht, brave Mädchen schreien nicht – Spielarten des emotionalen Ausdrucks

Emotionen und der Körper

Vom Kopf zum Herzen zum Sein – Die Reise zurück ‚zur Mitte‘

TEIL II

Akzeptieren ist der Anfang

Wut, Traurigkeit und Depression – Äste desselben Baumes

Die Wurzeln der Eifersucht verstehen

Von der Angst zur Liebe

TEIL III

Nimm ein wenig Abstand

Verdrängung oder Transformation: Die Freiheit, menschlich zu sein

Gedanken, Gefühle, Handlungen – verstehe deinen „Typus“

Wolken sind Wolken – der Beobachter und das Beobachtete

Meditationen und Übungen für die Transformation

Das ABC der Achtsamkeit

Transformation der Angst

Transformation von Wut

Transformation von Traurigkeit und Depressionen

Transformation von Eifersucht

Die aktiven Meditationen von Osho

TEIL I

Emotionen können nicht von Dauer sein. Deshalb heißen sie Emotionen. Das Wort kommt vom Lateinischen „movere“ – bewegen. Sie sind in Bewegung, daher „Emotionen“. Du wechselst ständig von einer zur nächsten. In diesem Moment bist du traurig, im nächsten Moment glücklich. In einem Moment bist du wütend, im nächsten voller Mitgefühl. In einem Moment bist du liebevoll im nächsten voller Hass. Der Morgen war schön, der Abend ist schrecklich. Und so geht es ständig weiter. Dies kann nicht deine Natur sein, denn hinter allen Veränderungen muss es so etwas wie einen roten Faden geben, der alles zusammenhält. In einer Blumengirlande sieht man nur die Blumen, nicht den Faden. Doch es ist der Faden, der alle Blumen zusammenhält. In derselben Weise sind alle Emotionen nur Blumen - manchmal blüht Wut, manchmal blüht Traurigkeit, manchmal Glück, manchmal Schmerz, manchmal Leid. Doch es sind alles Blumen, und dein ganzes Leben ist die Girlande. Es muss einen Faden geben, sonst wärst du längst auseinandergefallen. Dein Wesen bleibt - was ist also der Faden, der Leitstern? Was an dir ist von Dauer?

Die Ausgangssituation

Die Mechanik des Verstandes

Deine Emotionen, deine Stimmungen, deine Gedanken sämtliche Requisiten deines Geistes – werden von außen manipuliert. Der Wissenschaft ist dies heute klarer geworden. Doch auch ohne wissenschaftliche Forschung sagen die Mystiker seit Jahrtausenden genau dasselbe, nämlich dass all die Dinge, mit denen dein Kopf gefüllt ist, nichts mit dir zu tun haben. Du bist außerhalb davon. Du identifizierst dich nur damit. Das ist das einzige Problem.

Wenn dich zum Beispiel jemand beleidigt, wirst du wütend. Du denkst, du bist es, der wütend ist, aber wissenschaftlich ausgedrückt funktioniert die Beleidigung des anderen lediglich wie eine Fernsteuerung. Derjenige, der dich beleidigt, steuert dein Verhalten. Deine Wut ist in seiner Hand, und du verhältst dich wie eine Marionette.

Heute können die Wissenschaftler Elektroden an bestimmten Zentren im Gehirn anbringen, und es ist kaum zu glauben: Die Mystiker sagen es seit Jahrtausenden, aber erst vor kurzer Zeit hat die Wissenschaft entdeckt, dass es Hunderte von Zentren im Gehirn gibt, die dein ganzes Verhalten steuern. Eine Elektrode kann an einem bestimmten Zentrum angebracht werden, zum Beispiel dem Zentrum für Wut. Keiner beleidigt dich, keiner beschimpft dich, keiner sagt etwas zu dir; du sitzt ganz still und glücklich da, und dann drückt jemand einen Knopf an der Fernbedienung, und du wirst wütend! Es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl, weil du nirgendwo einen Grund sehen kannst, warum du wütend wirst. Vielleicht versuchst du es irgendwie zu rationalisieren. Du siehst einen Mann im Korridor vorbeigehen und erinnerst dich, dass er dich einmal beleidigt hat. Du wirst irgendeine Rationalisierung finden, nur um dich selbst zu beruhigen, dass du nicht verrückt bist. Wie kann man still dasitzen und plötzlich so eine Wut bekommen, ohne provoziert zu werden?

Und derselbe Mensch an der Fernbedienung kann dich auch glücklich machen. Du sitzt auf deinem Stuhl und fängst an zu kichern. Du schaust dich um – wenn dich einer beobachtet, wird er denken, du bist verrückt geworden. Keiner hat etwas gesagt, nichts ist geschehen, keiner ist auf einer Bananenschale ausgerutscht. Warum kicherst du also? Du versuchst wieder es zu rationalisieren, irgendwelche vernünftigen Gründe für dein Kichern zu finden. Und das Merkwürdigste dabei ist, dass du, wenn derselbe Knopf noch einmal gedrückt wird und du wieder kicherst, wieder dieselben Gründe, dieselbe Beschwichtigung, dieselbe Erklärung präsentierst – nicht einmal die Rationalisierung ist deine! Es ist fast wie bei einer Schallplatte.

Als ich über die wissenschaftlichen Untersuchungen dieser Zentren las, erinnerte ich mich an meine Studentenzeit. Ich war damals Teilnehmer an einem Debattier-Wettbewerb der Universitäten; alle Universitäten des Landes nehmen daran teil. Auch die Sanskrit-Universität von Varanasi war dabei, wobei sich die Studenten der Sanskrit-Universität im Vergleich mit den Teilnehmern der anderen Universitäten etwas unterlegen fühlten. Sie kannten die alten Schriften, kannten sich aus in Sanskrit-Dichtung und -Theater, aber mit der modernen Welt der Kunst, Literatur, Philosophie oder Logik waren sie nicht vertraut. Und ein Minderwertigkeitskomplex kann sich sehr merkwürdig auswirken …

Nachdem ich gesprochen hatte, war als Nächster der Vertreter der Sanskrit-Universität dran. Um das Publikum zu beeindrucken und seinen Minderwertigkeitskomplex zu verbergen, begann er seine Rede mit einem Zitat von Bertrand Russell. Er hatte es auswendig gelernt, und Sanskrit-Studenten können sich viel mehr auswendig merken als alle anderen. Aber er hatte solches Lampenfieber … und wusste nichts über Bertrand Russell, er hatte keine Ahnung von dem, was er da zitierte. Es wäre besser gewesen, er hätte etwas aus dem Sanskrit zitiert, dann hätte er sich wohler gefühlt. Mittendrin hörte er auf, mitten im Satz. Ich saß neben ihm, weil ich vor ihm dran war. Es herrschte Stille, und er schwitzte. Nur um ihm zu helfen, sagte ich: „Fang noch einmal an“ –, denn was sollte man tun? Er war einfach stecken geblieben.

Ich sagte: „Wenn du nicht weiter weißt, fang noch einmal an, dann fällt es dir vielleicht wieder ein.“

Also fing er wieder an: „Brüder und Schwestern…“, und genau an derselben Stelle blieb er wieder stecken. Jetzt wurde es zu einem Witz. Die ganze Halle rief: „Noch einmal!“ Eine vertrackte Situation! Weder konnte er weitermachen, noch konnte er einfach nur still dastehen, das hätte zu blöd ausgesehen. Also musste er wieder neu anfangen. Und er fing wieder von vorne an: „Brüder und Schwestern…“

Die ganzen 15 Minuten hörten wir nur diesen Abschnitt, der mit „Brüder und Schwestern“ begann, bis zu dem Punkt, wo er stecken blieb – immer wieder! Als seine Zeit abgelaufen war, kam er und setzte sich neben mich. Er sagte: „Du hast mir alles verdorben!“

Ich erwiderte: „Ich habe nur versucht dir zu helfen.“

Er sagte: „Das soll Hilfe sein?“

Ich erwiderte: „Du wärst ohnehin in Schwierigkeiten gewesen. So haben wenigstens alle ihren Spaß gehabt – außer dir natürlich, das kann ich verstehen. Aber du solltest dich freuen, dass du so viele Leute glücklich gemacht hast. Und warum hast du dir dieses Zitat ausgesucht? Als ich zu dir sagte: ‚Fang noch einmal an‘, hättest du nicht ganz von vorne anfangen müssen. Du hättest das Zitat weglassen können; es war unnötig.“

Aber erst als ich die wissenschaftlichen Untersuchungen las, erfuhr ich, dass das Sprachzentrum genau wie eine Schallplatte ist, allerdings mit einer sehr merkwürdigen und besonderen Eigenschaft: Wenn die Nadel von einer Schallplatte weggenommen wird, kannst du sie an derselben Stelle wieder aufsetzen und von dort weiter hören. Aber wenn beim Sprachzentrum die Nadel weggenommen und wieder aufgesetzt wird, geht das Zentrum sofort ganz zum Anfang zurück.

Wenn das so ist, kannst du dann behaupten, du hast es in der Hand, was du sagst? Hast du es in der Hand, was du fühlst? Es sind sicherlich keine Elektroden bei dir implantiert, aber biologisch haben die Reize von außen genau dieselbe Wirkung.

Du siehst einen bestimmten Typ von Frau, und sofort reagiert dein Gehirn: „Wie schön!“ Das ist nichts anderes als die Fernsteuerung. Diese Frau hat wie eine Fernsteuerung funktioniert, die an eine Elektrode im Gehirn angeschlossen ist, und dein Sprachzentrum ist einfach zu den dort aufgezeichneten Worten gegangen: „Wie schön!“

Das Gehirn ist ein Mechanismus – es ist nicht du. Es zeichnet Dinge von außen auf und reagiert dann entsprechend auf äußere Situationen. Das ist der einzige Unterschied zwischen einem Hindu und einem Moslem, einem Christen und einem Juden – sie haben einfach unterschiedliche Schallplatten. Aber innerlich sind sie alle Menschen. Wenn du eine Platte abspielst, ob nun auf Hebräisch, Sanskrit, Persisch oder Arabisch, ist es doch immer dieselbe Maschine, auf der sie abgespielt wird. Dem Plattenspieler ist es egal, ob er Hebräisch oder Sanskrit spielt.

Alle Religionen, alle politischen Ideen, alle kulturellen Verhaltensweisen sind nichts anderes als Aufzeichnungen. Und in bestimmten Situationen werden bestimmte Aufzeichnungen abgerufen.

Es gibt eine schöne Begebenheit aus dem Leben eines der weisesten Könige von Indien, Raja Dhoj. Er interessierte sich sehr für weise Menschen. Seine ganze Schatzkammer stand nur dem einen Zweck zur Verfügung: alle Weisen aus dem ganzen Land an seinem Hof zu versammeln. Und er scheute keine Kosten. Seine Hauptstadt hieß Ujjain, und an seinem Hof befanden sich die dreißig berühmtesten Persönlichkeiten des Landes. Es war der prächtigste Hof im ganzen Land. Am Hof von Raja Dhoj lebte auch Kalidas, einer der größten Dichter der Welt.

Eines Tages erschien am Hof ein Mann, der sagte, er könne dreißig Sprachen sprechen – mit der gleichen Leichtigkeit, der gleichen Genauigkeit und mit der gleichen Aussprache wie jeder Muttersprachler, und er war gekommen, um den König herauszufordern: „Ich habe gehört, dass die Weisesten des Landes an deinem Hof sind. Hier sind eintausend Goldstücke. Demjenigen, der meine Muttersprache erkennen kann, sollen diese tausend Goldstücke gehören. Und wenn er sie nicht erkennen kann, muss er mir eintausend Goldstücke geben.“

Es waren große Gelehrte anwesend, und jeder weiß, dass man keine Sprache so sprechen kann, wie die eigene Muttersprache, weil jede andere Sprache mit Mühe erlernt werden muss. Nur die Muttersprache kommt spontan – man lernt sie nicht einmal wirklich, sondern man beginnt sie aufgrund der Situation einfach zu sprechen. Sie kommt fast von allein. Aus diesem Grund nennen selbst die Deutschen, die ihr Land „Vaterland“ nennen (die meisten Länder nennen ihr Land „Mutterland“), ihre Sprache nicht „Vater-“ sondern „Muttersprache“. Jede Sprache ist eine „Muttersprache“, weil das Kind sie von der Mutter zu lernen beginnt. Und der Vater hat ohnehin nie eine Chance, im Haus zu Wort zu kommen! Es ist immer die Mutter, die spricht, und der Vater hört zu.

Viele am Hofe des Raja Dhoj nahmen die Herausforderung an. Der Mann sprach dreißig Sprachen: ein paar Sätze in einer Sprache, ein paar Sätze in einer anderen Sprache. Es war wirklich schwierig! Er beherrschte auf jeden Fall seine Kunst. Jede Sprache sprach er so, wie nur ein Einheimischer in seiner Muttersprache sprechen kann. Die dreißig großen Gelehrten verloren alle bei dem Wettbewerb. Der Wettbewerb dauerte dreißig Tage, und jeden Tag nahm ein anderer die Herausforderung an und verlor. Sie tippten auf eine der Sprachen, und der Mann sagte: „Nein, das ist nicht meine Muttersprache.“

Dann kam der 31. Tag. Der König hatte schon die ganze Zeit zu Kalidas gesagt: „Warum nimmst du nicht die Herausforderung an? Ein Dichter kennt doch die Sprache mit all ihren Nuancen in einer feineren Weise und besser als jeder andere.“ Doch Kalidas blieb still. Er hatte dreißig Tage lang zugehört und versucht herauszufinden, in welcher Sprache der Mann mit mehr Leichtigkeit, Spontaneität und Freude redete. Aber er war nicht in der Lage gewesen, einen Unterschied zu finden. Der Mann sprach alle Sprachen auf genau die gleiche Weise.

Am 31. Tag bat Kalidas den König und alle Weisen, draußen vor der Halle stehen zu bleiben. Dort war eine lange Treppe, die der Mann hinaufkam, und als er die letzte Stufe erreicht hatte, stieß ihn Kalidas hinunter. Als der Mann die Stufen hinunterrollte, wurde er wütend und schimpfte laut.

Kalidas sagte: „Das ist deine Muttersprache!“ Denn wenn man wütend ist, denkt man nicht mehr nach. Dass bei dem Wettbewerb diese Taktik eingesetzt würde, hatte der Mann nicht erwartet. Und es war tatsächlich seine Muttersprache. Am tiefsten in seinem Gehirn war die Aufzeichnung der Muttersprache.

Einer meiner Professoren, der überall auf der Welt gelebt und an verschiedenen Universitäten gelehrt hatte, pflegte zu sagen: „Nur in zwei Situationen hatte ich im Ausland Schwierigkeiten, und zwar wenn ich Streit hatte oder wenn ich mich verliebte. In diesen Zeiten braucht man seine Muttersprache. Auch wenn man seine Liebe in noch so schönen Worten ausdrückt, ist es in einer anderen Sprache nicht dasselbe, es kommt einem oberflächlich vor. Und wenn man wütend ist und in der Sprache eines anderen Landes streitet, hat man nicht den gleichen Spaß daran…“.

Er sagte: „Das sind die beiden wichtigen Situationen: im Streit und in der Liebe – und meistens geht es dabei um dieselbe Person! Wenn man in jemanden verliebt ist, muss man mit der Person auch streiten.“

Er hatte Recht: In einer Sprache, die man später erlernt hat, bleibt alles oberflächlich. Du kannst weder so schön singen noch so deftig fluchen wie in deiner eigenen Sprache. In beiden Fällen bleibt es nur lauwarm.

Der Mind* ist also ein Mechanismus, der dazu dient, Erfahrungen von außen aufzuzeichnen und entsprechend darauf zu reagieren und zu antworten. Du bist nicht der Mind. Leider glauben jedoch die Psychologen, der Mind sei alles, und jenseits davon gäbe es nichts. Das würde bedeuten, dass du nur eine Ansammlung von äußeren Eindrücken bist und keine eigene Seele hast. Selbst die Vorstellung von der Seele käme dann von außen. In diesem Punkt sind die Mystiker anderer Ansicht. Sie sind absolut einverstanden mit der modernen wissenschaftlichen Erforschung des Gehirns, jedoch nicht, dass dies die Ganzheit eines Menschen ausmacht. Jenseits des Denkens und Fühlens ist ein Bewusstsein, das nicht von außen kommt und das nicht nur eine Vorstellung ist.

Es gibt bisher noch kein Experiment, das im Gehirn ein Zentrum gefunden hat, das dem Bewusstsein entspricht.

Bei der Meditation besteht die ganze Arbeit darin, dir alles bewusst zu machen, was im Mind ist, und dich damit nicht mehr zu identifizieren. Wenn der Mind wütend ist, kannst du erkennen, dass nur eine Schallplatte abgespielt wird. Wenn der Mind traurig ist, kannst du dich einfach erinnern, dass eine andere Platte abgespielt wird. Eine bestimmte Situation drückt den Knopf der Fernsteuerung, und du fühlst dich traurig, du fühlst Wut, du fühlst dich frustriert, du fühlst dich angespannt. All diese Reize kommen von außen, und das Gehirn reagiert darauf. Du bist jedoch der Beobachter, nicht der Handelnde. Es ist nicht deine Reaktion.

Deshalb besteht die ganze Kunst der Meditation darin, Achtsamkeit zu lernen, zu lernen, wach und bewusst zu sein. Wenn du Wut spürst, unterdrücke sie nicht, sondern lass sie da sein. Nimm sie einfach wahr. Schau sie an wie ein Objekt, das außerhalb von dir ist. Löse dich allmählich von allen Identifikationen mit dem Mind. Dann hast du deine wahre Identität gefunden, dein Wesen, deine Seele.

Dieses Bewusstsein zu finden ist Erleuchtung – du bist leuchtend geworden. Du bist nicht mehr in der Dunkelheit, bist nicht mehr eine Marionette in der Hand des Mind. Du bist nun sein Meister, nicht mehr sein Sklave. Nun kann der Mind nicht mehr automatisch und von sich aus reagieren, wie er es sonst immer getan hat. Er braucht deine Erlaubnis. Wenn dich jemand beleidigt, und du willst nicht wütend werden, dann wirst du auch nicht wütend.

Gautama Buddha pflegte zu seinen Schülern zu sagen: „Wütend zu werden ist so dumm, dass es unbegreiflich ist, dass die Menschen immer noch wütend werden. Ein anderer tut etwas, und du wirst deshalb wütend? Er mag etwas Falsches tun oder etwas Falsches sagen, er mag sich noch so bemühen, dich zu demütigen, dich zu beleidigen, aber das ist seine Freiheit. Wenn du darauf reagierst, bist du ein Sklave. Wenn du zu der Person sagst: ‚Du hast deine Freude daran mich zu beleidigen, und ich habe meine Freude daran nicht wütend zu sein‘, dann verhältst du dich wie ein Meister.“

Solange sich dieser Meister in dir nicht kristallklar zeigt, hast du keine Seele. Du bist einfach wie eine Schallplatte, und je älter du wirst, desto umfangreicher werden die Aufzeichnungen. Du sammelst immer mehr Wissen an, und die Leute halten dich für weise, aber du bist nur ein Esel, dem immer mehr Bücher aufgeladen werden.

Weisheit besteht nur in einer Sache – nicht darin, dass man vieles weiß, sondern darin, dass man eines genau kennt, und zwar sein Bewusstsein, und dass man weiß, dass dieses vom Mind getrennt ist.

Versuche es bei kleinen Dingen zu beobachten, und du wirst staunen. Die Menschen tun jeden Tag dasselbe. Sie nehmen sich ständig etwas vor, und dann bereuen sie immer, dass sie es nicht getan haben. Das wird zur Routine. Nichts von dem, was du tust, ist neu. Die Dinge, die dich unglücklich, traurig oder besorgt machen, die dich verletzen, und die du nicht mehr tun willst, genau diese Dinge wiederholst du irgendwie mechanisch immer wieder, als wärst du ihnen hilflos ausgeliefert. Und du wirst hilflos bleiben, solange du nicht eine Trennung von Mind und Bewusstsein herstellst.

Diese Trennung ist die größte Revolution, die einem Menschen widerfahren kann. Von dem Moment an wird dein Leben zu einem Fest, denn du brauchst nichts mehr zu tun, was dich verletzt, nichts mehr, was dich unglücklich macht. Nun kannst du frei handeln und tun, was dir Freude macht, was dich erfüllt, was dir Zufriedenheit gibt und dein Leben zu einem Kunstwerk macht, ihm Schönheit gibt.

Das ist jedoch nur dann möglich, wenn der Meister in dir erwacht ist. Im Moment schläft der Meister noch tief und fest, und der Diener spielt die Rolle des Meisters. Und der Diener gehört nicht einmal dir, sondern ist von der Außenwelt geschaffen worden. Er gehört zur äußeren Welt, folgt ihren Regeln und ihren Gesetzen. Dies ist die ganze Tragödie des menschlichen Lebens. Du schläfst, und die äußere Welt beherrscht dich, erschafft dein Denken und Fühlen – den Mind – nach ihren eigenen Bedürfnissen, der Mind ist eine Marionette. Sobald dein Bewusstsein wie eine Flamme wird, verbrennt es die ganze Sklaverei, die vom Mind erschaffen ist. Und nichts ist kostbarer als das Glück, frei zu sein und Meister deines eigenen Schicksals zu sein.

Der Mind ist nicht dein Freund. Er gibt entweder vor, der Meister zu sein oder wird an seinen Platz als Diener verwiesen, aber dein Freund ist er nicht. Und der Kampf für die Freiheit, für das Glück, für die Wahrheit wird nicht mit der Welt geführt; es ist der Kampf mit diesem Mind, der Marionette. Es ist ganz einfach.

Bei Kahlil Gibran gibt es eine schöne Geschichte dazu:

Auf dem Land machen sich die Bauern, um ihre Ernte zu schützen, einen künstlichen Menschen, eine Vogelscheuche. Es wird einfach ein Stock an einem anderen befestigt; es sieht beinahe wie ein Kreuz aus. Und dann ziehen sie ein paar Kleidungsstücke darüber und setzen vielleicht noch einen Tontopf an die Stelle des Kopfes. Das reicht aus, um Vögeln und anderen Tieren Angst zu machen, dass jemand dort stehen könnte. Die Kleidung und die beiden Arme lassen sie denken, dass jemand sie beobachtet. Für die Tiere reicht das aus, sie bleiben von den Feldern fern.

Gibran erzählt: „Ich fragte einmal eine Vogelscheuche: ‚Ich kann den Bauern verstehen, der dich gemacht hat. Er braucht dich. Ich kann auch die armen Tiere verstehen, die nicht so viel Intelligenz haben, um zu sehen, dass du nicht echt bist. Aber warum stehst du hier im Regen, in der Sonne, im heißen Sommer, im kalten Winter – wozu?‘

Und die Vogelscheuche sagte: ‚Du weißt nicht, was mir Freude macht. Mir macht es solchen Spaß, diesen Tieren Angst zu machen; das ist es mir wert, den Regen zu ertragen, die Sonne zu ertragen, die Hitze, den Winter – alles! Ich mache Tausenden von Tieren Angst. Ich weiß, dass ich nicht echt bin, in mir drin ist nichts, aber das ist mir egal. Mir macht es Freude, anderen Angst einzujagen.‘“

Ich frage dich: Möchtest du etwa wie diese Vogelscheuche sein? Ohne dass innen etwas ist, jemandem Angst machen oder jemanden glücklich machen, jemanden demütigen oder jemanden mit Stolz erfüllen? Ist dein Leben denn nur für andere da? Schaust du jemals nach innen? Ist dort jemand zu Hause oder nicht? Bist du an der Suche interessiert, den Herrn und Meister des Hauses zu finden?

Der Meister ist da – er schläft vielleicht, aber er kann erwachen. Und ist der Meister in dir einmal erwacht, kommen neue Farben in dein Leben, ein neuer Regenbogen, neue Blumen, neue Musik, ein neuer Tanz. Du wirst zum ersten Mal ganz lebendig.

Das Tor zur Realität öffnet sich nicht durch den Verstand, sondern durch das Herz. Das größte Problem, vor dem der moderne Mensch heute steht, besteht darin, dass der Verstand zu stark ausgebildet ist, während das Herz vernachlässigt wird – nicht nur vernachlässigt, sondern auch verurteilt. Gefühle werden nicht zugelassen, sondern verdrängt. Einen Gefühlsmenschen hält man für schwach, kindisch und unrein. Wer Gefühle hat, ist nicht zeitgemäß, sondern primitiv. Gefühle und das Herz werden so sehr verurteilt, dass man natürlich Angst vor Gefühlen bekommt. Man beginnt zu lernen, wie man Gefühle abschneidet, und das Herz wird umgangen; man geht direkt in den Kopf. So wird das Herz allmählich nur noch zur Pumpe, die Blut pumpt, Blut reinigt, und das ist alles.

In der Geschichte der Menschheit ist das Herz zum ersten Mal zu etwas rein Physiologischem reduziert worden, und das ist es nicht. Hinter der Physiologie des Herzens verbirgt sich das wahre Herz. Doch dieses wahre Herz ist nicht ein physisches Körperteil, deshalb kann es die Wissenschaft nicht entdecken. Man erfährt darüber von Dichtern, Malern, Musikern und Bildhauern. Und schließlich sind es die Mystiker, die den Geheimschlüssel dazu in der Hand haben.

Wenn du jedoch einmal weißt, dass es eine innere Kammer deines Wesens gibt, die absolut rein und nicht von Erziehung, Gesellschaft und Kultur vergiftet ist, die völlig frei ist von Christentum, Islam oder Hinduismus, vollkommen unbefleckt von allem, was moderne Menschen belastet, die noch jungfräulich ist – wenn du mit dieser Quelle deines Seins in Kontakt gekommen bist, dann spielt sich dein Leben auf einer anderen Ebene ab.

Diese Ebene ist göttlich. Im Verstand zu leben ist die menschliche Ebene; unterhalb des Verstandes zu leben ist die tierische Ebene. Und jenseits des Verstandes zu leben, im Herzen zu leben, ist die göttliche Ebene. Über das Herz sind wir miteinander und mit dem Ganzen verbunden.

Alle Meditationstechniken, die ich entwickelt habe, dienen dazu, dich aus dem Kopf hinaus ins Herz zu werfen, dich aus dem Sumpf des Kopfes in die Freiheit des Herzens zu ziehen, dir irgendwie bewusst zu machen, dass du nicht nur der Kopf bist.

Der Kopf ist ein wunderbarer Mechanismus, den man benutzen sollte. Aber lass dich nicht von ihm benutzen. Wenn das Denken dem Fühlen dient, ist alles ausgeglichen. Dann wird dein Wesen von großer Ruhe und Freude erfüllt, von etwas, das nicht von außen verursacht wird, sondern aus deiner inneren Quelle entspringt, aufsteigt und dich verwandelt. Und nicht nur dich – du strahlst es aus, sodass jeder, der mit dir in Kontakt kommt, einen Hauch von etwas Unbekanntem spüren wird.

* Das englische Wort Mind bezeichnet die Funktionen des Denkens und Fühlens. In diesem Buch wird es entweder beibehalten oder – je nach Kontext – mit »Geist«, »Verstand« oder »Denken« übersetzt (Anm. d. Übers.).

Verdrängung und Kontrolle

Die Wurzeln der emotionalen Prägung

Bei der Geburt fühlt das Kind das ganze Universum und kennt nicht das Gefühl einer Trennung davon. Erst durch die Erziehung bringen wir ihm allmählich bei, sich getrennt davon zu fühlen. Wir geben ihm einen Namen, wir geben ihm eine Identität, wir bringen ihm gute und schlechte Eigenschaften und Ambitionen bei. Wir erschaffen eine Persönlichkeit, die es wie eine Schale umgibt. Allmählich wird diese Schale immer dicker – durch Ausbildung und Erziehung und religiöse Lehren. Und je stärker die Persönlichkeit wird, desto mehr vergisst das Kind, was es im Mutterleib einmal war. Denn dort war das Kind weder Arzt noch Ingenieur, dort hatte es keinen Namen. Dort war es nicht getrennt von der Existenz. Es war vollkommen eins mit der Mutter, und es gab nichts außerhalb davon. Der Mutterleib war alles, das ganze Universum des Kindes.

Das Kind im Mutterleib macht sich nie Sorgen: „Was wird morgen sein?“ Es hat kein Geld, kein Bankkonto, kein Geschäft. Es ist vollkommen arbeitslos, hat keine Qualifikation. Es weiß nicht, wann die Nacht kommt, wann die Jahreszeiten wechseln. Es lebt einfach in vollkommener Unschuld, in tiefem Vertrauen, dass alles in Ordnung sein wird, so wie es immer war. Was heute in Ordnung ist, wird auch morgen in Ordnung sein. So „denkt“ es natürlich nicht, sondern so fühlt es innerlich. Es sind keine Worte da, weil es keine Worte kennt. Es kennt nur Gefühle und Stimmungen, und es ist immer in einer Stimmung des vollkommenen Glücks, der Freude, in absoluter Freiheit ohne jegliche Verantwortung.

Warum bereitet jedes Kind, wenn es aus dem Mutterleib kommt, der Mutter so viele Schmerzen? Warum schreit jedes Kind bei der Geburt? Wenn man diese kleinen Geheimnisse des Lebens tiefer betrachtet, können sie einem das große Geheimnis des Lebens enthüllen. Das Kind wehrt sich dagegen, aus dem Mutterleib zu kommen, weil dies sein Zuhause war. Es kennt keinen Kalender; neun Monate sind wie eine Ewigkeit – für das Kind ist es die Ewigkeit. Seitdem es erfahren hat, dass es ist, ist es im Mutterleib gewesen. Nun wird ihm plötzlich sein Zuhause weggenommen. Es wird hinausgeworfen, vertrieben, und es wehrt sich dagegen mit aller Kraft. Es hält am Mutterleib fest, das ist das Problem. Die Mutter möchte, dass es schneller geboren wird, denn je länger es drinnen bleibt, desto mehr Schmerzen muss sie erleiden. Aber das Kind hält sich fest, und bei der Geburt schreit es immer – jedes Kind, ohne Ausnahme.

Nur von einem Menschen, von Lao-Tse, wird berichtet, er sei lachend geboren worden. Es ist möglich; er war ein sehr außergewöhnlicher Mann, von Anfang an verrückt. Er wusste wohl nicht, was er zu tun hatte, dass dies der Moment ist, wo man schreien muss, also lachte er. Und so ging es sein ganzes Leben weiter – er tat immer genau das Falsche im falschen Moment. Die Geschichte seines ganzen merkwürdigen Lebens beginnt mit dem Lachen. Alle waren schockiert, denn das hatte ein Kind noch nie getan. Aber er ist die einzige Ausnahme – vielleicht ist es ja nur ein Mythos, der im Rückblick auf sein Leben entstanden ist. Bei der Betrachtung seines ganzen Lebens haben diejenigen, die über ihn geschrieben haben, wohl gedacht, dass sein Anfang auch nicht so gewesen sein kann wie bei jedem anderen; er muss schon da ein bisschen verrückt gewesen sein. Sein ganzes Leben lang war er verrückt, also muss der Anfang dazu passen. Vielleicht ist es nur ein Mythos. Aber selbst wenn es historisch richtig ist, dass er gelacht hat, ist es eine Ausnahme, nicht die Regel.

Warum schreit jedes Kind bei der Geburt? Weil ihm sein Zuhause weggenommen wird, seine Welt zerstört wird. Plötzlich landet es in einer fremden Welt unter fremden Menschen. Und es schreit weiter, denn mit jedem Tag wird seine Freiheit immer weniger, und seine Verantwortung wiegt immer schwerer. Schließlich merkt es, dass die Freiheit nicht mehr da ist, sondern nur noch Pflichten erfüllt werden müssen, Verantwortung übernommen werden muss – der Mensch ist zum Lasttier geworden. Wer das mit der Klarheit unschuldiger Augen erkennt, kann ein Kind, das schreit, nicht verurteilen. Die Psychologen sagen, dass der eigentliche Grund für die Suche nach der Wahrheit, nach Gott, nach dem Paradies die Erfahrung des Kindes im Schoß der Mutter ist. Das kann der Mensch nicht vergessen. Selbst wenn er es im bewussten Zustand vergisst, hört er unbewusst einen ständigen Nachhall davon. Er sucht wieder nach jener wunderbaren Zeit der totalen Entspannung ohne jede Verantwortung, wo er sich völlig frei fühlte.

Es gibt Menschen, die dies gefunden haben. Mein Wort dafür ist „Erleuchtung“. Du kannst jedes beliebige Wort dafür wählen, doch die Grundbedeutung bleibt dieselbe. Du stellst fest, dass das ganze Universum einfach wie der Schoß der Mutter ist. Du kannst vertrauen, du kannst dich entspannen, du kannst genießen, du kannst singen, du kannst tanzen. Du hast ein unsterbliches Leben und ein universales Bewusstsein. Doch die Menschen haben Angst, sich zu entspannen Sie haben Angst, zu vertrauen. Sie haben Angst vor Tränen. Die Menschen haben vor allem Angst, was außergewöhnlich ist, was jenseits des Weltlichen liegt. Sie wehren sich dagegen, und mit diesem Widerstand schaufeln sie sich ihr eigenes Grab und erfahren niemals die köstlichen Augenblicke und die Ekstase, die ihnen als Geburtsrecht zusteht – sie müssen nur den Anspruch darauf erheben.

Ein Mann in Los Angeles geht zum Psychiater. Er stellt sich als Napoleon Bonaparte vor, obwohl auf seiner Karteikarte der Name Hymie Goldberg steht.

„Na, was haben wir denn für ein Probleme“, fragt der Doktor.

„Ach, Herr Doktor, eigentlich ist alles bestens. Meine Armee ist stark, mein Palast ist prächtig, und mein Land blüht und gedeiht. Mein einziges Problem ist meine Frau Josephine.“

„Aha“, sagt der Arzt. „Und was ist das Problem mit ihr?“

Verzweifelt wirft der Mann seine Arme in die Luft und sagt:

„Sie glaubt, sie heißt Mrs. Goldberg!“

Der Mensch ist so sehr in seine Spannungen, Ängste und Probleme verstrickt, dass er sich darin verliert und zu jemand anderem wird. Tief in seinem Inneren weiß er, dass er nicht die Rolle ist, die er spielt, sondern ein anderer, und das erzeugt in ihm eine furchtbare psychologische Spaltung. Er kann die Rolle nicht richtig spielen, weil er weiß, dass sie nicht sein wahres Wesen ist. Aber auch sein wahres Wesen kann er nicht finden. Er muss die Rolle spielen, weil die Rolle ihm seinen Lebensunterhalt gibt, seine Frau, seine Kinder, seine Macht, sein Ansehen – alles. Er kann das nicht alles aufs Spiel setzen, also spielt er weiter die Rolle von Napoleon Bonaparte. Langsam, aber sicher beginnt er selbst daran zu glauben. Er muss daran glauben, weil es ihm sonst zu schwer fällt, die Rolle zu spielen.

Der beste Schauspieler ist einer, der seine eigene Individualität vergisst und mit seiner Rolle eins wird. Dann ist sein Weinen echt, seine Liebe ist echt; dann ist alles, was er sagt, nicht nur die aufgezwungene Rolle, sondern kommt aus seinem Herzen – es wirkt ganz authentisch. Wenn du eine Rolle zu spielen hast, musst du dich völlig darauf einlassen. Du musst zu ihr werden.

Jeder spielt irgendeine Rolle und weiß genau, dass es nicht das ist, was er oder sie eigentlich sein sollte. Dadurch entsteht eine Kluft und große Angst, und diese Angst zerstört alle deine Möglichkeiten, dich zu entspannen, zu vertrauen, zu lieben und eine tiefe Verbindung mit anderen zu haben, mit Freunden, mit dem oder der Geliebten. Du wirst isoliert. Du bringst dich durch deine eigenen Handlungen selbst ins Exil, und dann leidest du.

So viel Leiden auf der Welt ist nicht natürlich; es ist ein sehr unnatürlicher Stand der Dinge. Man kann es akzeptieren, wenn ab und zu jemand leidet, aber Glück sollte natürlich und universal sein.

Warum ist es so schwierig und beängstigend, meine wahren Gefühle zu zeigen und einfach ich selbst zu sein?

Es ist schwierig, deine Gefühle zu zeigen und einfach du selbst zu sein, weil man dir seit Jahrtausenden gesagt hat, dass Gefühle unterdrückt werden müssen. Es ist ein Teil des kollektiven Unbewussten geworden. Seit Jahrtausenden wird dir gesagt, du darfst nicht du selbst sein. Sei Jesus, sei Buddha, sei Krischna, aber sei niemals du selbst. Sei jemand anderes. Das ist über alle Zeiten hinweg so durchgängig gelehrt worden, dass es dir in Fleisch und Blut übergegangen ist, bis in die Knochen und das Knochenmark.

Die Selbstablehnung sitzt tief und ist ein Teil deiner selbst geworden. Alle Priester haben dich verurteilt. Sie haben dir gesagt, dass du ein Sünder bist und bereits in Sünde geboren wurdest. Deine einzige Hoffnung ist Jesus, der dich retten kann, oder Krischna, der dich retten kann, aber soweit es dich betrifft, kannst du dich nicht selber retten. Du bist zum Scheitern verurteilt; du kannst nur zu Jesus beten oder zu Krischna, damit du gerettet wirst. Wenn es um dich selbst geht, bist du wertlos, nur Staub und sonst nichts. Du hast keinen Wert, du bist zu etwas Hässlichem reduziert worden, zu einem abstoßenden Geschöpf. Das ist der Grund, warum es einem schwerfällt und Angst macht, seine wahren Gefühle zu zeigen. Man hat dich gelehrt, ein Heuchler zu sein.

Heuchelei zahlt sich aus, und was sich auszahlt, hat scheinbar auch Wert. Es heißt: Ehrlichkeit ist die beste Strategie – aber merkt euch, die beste „Strategie“! Selbst Ehrlichkeit ist nur noch zu einer politischen Strategie geworden, weil sie sich auszahlt. Und wenn sie sich nicht auszahlt, was dann? Dann ist Unehrlichkeit die beste Strategie. Alles hängt nur davon ab, was funktioniert, was sich auszahlt, was dich reicher und angesehener macht, was dir mehr Bequemlichkeit und mehr Sicherheit gibt, womit dein Ego mehr gefüttert wird – das ist die beste Strategie. Es kann Ehrlichkeit oder auch Unehrlichkeit sein – was immer es ist, man benutzt es nur als Mittel zum Zweck, nicht als Ziel.

Auch die Religion ist zu einer guten Strategie geworden. Sie ist eine Art Versicherung für das Jenseits. Du bereitest dich auf das Jenseits vor, indem du tugendhaft bist, in die Kirche gehst und für die Armen spendest. Du eröffnest ein Bankkonto im Paradies, damit man dich, wenn du dort ankommst, mit Freuden empfängt; die Engel rufen „Halleluja!“, tanzen und spielen auf ihren Harfen. Die Höhe deines Bankkontos hängt davon ab, wie viele gute Taten du vollbracht hast. Auch die Religion ist zum Geschäft geworden, und deine Wirklichkeit wird verdrängt.

Und ausgerechnet die Menschen, die so viel verdrängt haben, werden so hoch angesehen. Man nennt sie Heilige, dabei sind sie eigentlich schizophren. Sie sollten in Behandlung kommen, sie brauchen Therapie, aber sie werden verehrt! Wenn von 100 Heiligen auch nur einer wirklich heilig ist, dann ist es ein Wunder. 99 sind nur Hochstapler, Scharlatane, Betrüger. Ich sage nicht, dass sie euch betrügen wollen, sie betrügen auch sich selbst. Sie haben die Probleme verdrängt.

Ich habe in Indien Mahatmas gekannt, die von den Massen unglaublich verehrt wurden. Ich kannte viele von ihnen persönlich sehr gut, und sie haben mir unter vier Augen ihr Herz ausgeschüttet. Sie verbergen mehr Hässlichkeit, als man bei normalen Menschen findet.

Für eine Weile hielt ich in Gefängnissen Meditationskurse ab, und ich war am Anfang erstaunt, dass die Gefangenen auch solche, die lebenslänglich verurteilt waren – sehr viel unschuldiger sind als all die Heiligen, viel einfacher, viel einfältiger. Diese Heiligen sind gerissen und clever. Sie können nur eines wirklich gut, nämlich verdrängen. Sie verdrängen ständig alles und sind dann natürlich gespalten. Dann haben sie zwei Leben: eines, das sie an der Vordertür leben, und das andere, das sie an der Hintertür leben; eines zum Vorzeigen, und das andere, das wirkliche, das sie keinem zeigen. Sie haben sogar Angst davor, es selbst zu sehen. Und dasselbe gilt für dich – natürlich nicht in diesem Ausmaß, denn du bist kein Heiliger. Deine Krankheit ist noch nicht unheilbar, sie kann geheilt werden. Sie ist noch nicht so akut und auch noch nicht chronisch. Deine Krankheit ist wie eine Erkältung, sie kann einfach wieder verschwinden.

Doch die meisten Menschen sind von diesen sogenannten Heiligen beeinflusst, und die sind wirklich geistig krank. Sie haben ihre Sexualität verdrängt, sie haben ihre Gier verdrängt, sie haben ihre Wut verdrängt, und sie kochen innerlich. Ihr Innenleben ist wie ein Alptraum. Dort gibt es keinen Frieden, keine Stille. Ihr ganzes Lächeln ist nur aufgesetzt.

Die heiligen Schriften der Hindus sind voll von Geschichten, in denen immer dann, wenn ein großer Heiliger sich der Erleuchtung nähert, schöne Frauen von den Göttern geschickt werden, um ihn zu stören. Ich konnte noch nicht herausfinden, warum die Götter Interesse daran haben sollten, diese armen Kerle zu stören. Irgend so ein Asket, der jahrelang fastet und alles unterdrückt, auf dem Kopf steht und sich quält… Er hat keinem außer sich selbst etwas zuleide getan. Warum sollten die Götter ihn ablenken wollen? Sie sollten ihm eigentlich helfen! Aber sie schicken ihm wunderschöne nackte Frauen, die mit obszönen Gesten um den armen Kerl herumtanzen. Natürlich fällt er ihnen zum Opfer, lässt sich verführen und verliert seinen Heiligenschein. Als ob die Götter irgendetwas gegen jemanden hätten, der vor der Erleuchtung steht. Das ist ja wohl lächerlich! Sie sollten helfen, und anstatt zu helfen, kommen sie und verderben alles.

Aber man sollte solche Geschichten nicht wörtlich nehmen. Sie sind symbolisch zu verstehen, sie sind Metaphern, die eine tiefe Bedeutung haben. Hätte Sigmund Freud diese Geschichten gehört, hätten sie ihm sehr gefallen. Er wäre auf einen Schatz gestoßen, der seine psychoanalytischen Theorien bestätigt hätte wie nichts anderes.

Niemand ist gekommen – diese Leute, die alles verdrängt hatten, haben es projiziert. Es waren ihre Wünsche, ihre unterdrückten Wünsche, die sie so lange verdrängt hatten und die nun so mächtig geworden waren. Sie träumten sogar mit offenen Augen.

Wenn sich in Indien eine Frau irgendwo hinsetzt, ist es manchen heiligen Männern für eine bestimmte Zeit, nachdem sie gegangen ist, verboten, sich dorthin zu setzen, weil an diesem Platz immer noch Gefahr lauert. Siehst du, wie idiotisch das Ganze ist? Und solche Menschen sind Lehrer der Menschheit gewesen. An solchen Menschen liegt es, dass du Angst vor deinen Gefühlen hast, weil du diese Gefühle nicht annehmen darfst. Du verdrängst sie, und deshalb hast du Angst.

Nimm sie an. Nichts ist falsch an deinen Gefühlen, und auch an dir ist nichts falsch! Du brauchst nichts zu verdrängen oder zu zerstören, sondern musst die Kunst erlernen, deine Energien harmonisch fließen zu lassen. Du musst wie ein Orchester werden. Ja, wenn du die Musikinstrumente nicht spielen kannst, machst du nur Lärm, und deine Nachbarn werden wütend. Wenn du aber die Kunst beherrschst, auf den Instrumenten zu spielen, kannst du wunderbare Musik machen, kannst du himmlische Musik erklingen lassen. Du kannst etwas aus dem Jenseits auf die Erde bringen.

Auch das Leben ist ein großartiges Instrument. Du musst lernen darauf zu spielen. Nichts davon muss abgeschnitten, zerstört, verdrängt oder abgelehnt werden. Alles, was dir das Leben gegeben hat, ist schön. Wenn du noch nicht in der Lage bist, diese Schönheit zum Ausdruck zu bringen, zeigt es nur, dass du die Kunst noch nicht genügend beherrschst. Wir alle nehmen unser Leben als selbstverständlich hin, und das ist falsch. Man hat uns nur eine rohe, unbearbeitete Möglichkeit gegeben. Man hat uns nur ein Potenzial für das Leben gegeben, aber wir müssen noch lernen, wie wir es in die Tat umsetzen.

Alle möglichen Ressourcen müssen genutzt werden, damit du lernst, deine Wut so zu benutzen, dass sie zu Mitgefühl wird, deine Sexualität so zu benutzen, dass sie zu Liebe wird, deine Gier so zu benutzen, dass du lernst, großzügig zu teilen. Jede Energie, die du hast, kann genau in ihr Gegenteil umgewandelt werden, denn die gegensätzliche Polarität ist immer darin enthalten.

In deinem Körper ist die Seele enthalten, in der Materie ist der Geist enthalten. In der Welt ist das Paradies enthalten, im Staub das Göttliche. Du musst es nur entdecken, und der erste Schritt zur Entdeckung besteht darin, dich selbst anzunehmen, dich zu freuen, dass du du selbst bist. Du sollst kein Jesus sein, nein. Du sollst kein Buddha sein oder sonst irgendjemand. Du musst einfach nur du selbst sein. Das Leben will keine Kopien; es liebt deine Einzigartigkeit. Und du kannst dich dem Leben nur als dieses einzigartige Geschöpf darbieten. Du kannst als Gabe angenommen werden, aber nur als dieses einzigartige Wesen. Eine Kopie von Jesus, Krischna oder Mohammed gilt nicht. Nachahmungen werden unweigerlich abgelehnt.

Sei du selbst, ganz authentisch du selbst. Respektiere dich selbst. Liebe dich selbst. Und dann beginnst du zu sehen, wie alle möglichen Energien in dir fließen – du bist ein unendlich weites Universum! Dann wirst du allmählich immer bewusster werden und in der Lage sein, Ordnung zu schaffen, den Dingen ihren richtigen Platz zu geben. Du stehst noch auf dem Kopf, das stimmt, aber nichts an dir ist falsch. Du bist kein Sünder – du musst nur ein bisschen neu geordnet werden, und du wirst zu einem wunderschönen Wesen werden.

Kannst du noch mehr über Verdrängung sagen, und wie man davon frei wird? Was ist es genau, und wenn es so viel besser ist, nicht zu verdrängen, warum tun wir es dann immer wieder?

Verdrängen heißt, so zu leben, wie es nicht für dich bestimmt ist. Verdrängen heißt, Dinge zu tun, die du nie tun wolltest. Verdrängen heißt, eine Person zu sein, die du nicht bist. Verdrängung ist eine Methode, dich selbst zu zerstören. Verdrängung ist Selbstmord – wenn auch ein langsamer: Sie vergiftet dich langsam, aber sicher. Gefühle auszudrücken ist Leben, sie zu unterdrücken ist Selbstmord. Wenn du im Leben etwas unterdrückst, dann lebst du eigentlich nicht. Leben ist Ausdrücken, Kreativität, Freude. Wenn du so lebst, wie dich die Existenz gewollt hat, dann lebst du natürlich.

Habe keine Angst vor Priestern. Höre auf deine Instinkte, höre auf deinen Körper, höre auf dein Herz, höre auf deine eigene Intelligenz. Verlasse dich auf dich selbst, geh dorthin, wohin dich deine Spontaneität führt, und du wirst nie mehr ratlos sein. Und wenn du spontan deinem eigenen Leben folgst, wirst du unweigerlich eines Tages am Tor des Göttlichen ankommen. Deine Natur ist das Göttliche in dir.

Die Kraft der Natur ist die Kraft des Lebens in dir. Höre nicht auf das, was dich vergiftet, sondern auf das, was dich natürlich anzieht. Ja, die Natur allein ist nicht genug; es gibt noch eine höhere Natur, aber das Höhere kommt durch das Niedrigere. Die Lotusblüte wächst aus dem Schlamm heraus. Durch den Körper wächst die Seele, durch Sex wächst das Transzendente. Vergiss nicht: Durch Essen wächst das Bewusstsein.

In Indien haben wir den Spruch „Annam brahma“ – Essen ist Gott. Was soll diese Aussage, dass Essen Gott ist? Das Niedrigste ist mit dem Höchsten verbunden, das Oberflächlichste ist mit dem Tiefsten verbunden.

Die Priester haben gelehrt, das Niedrige zu unterdrücken. Und sie sind dabei sehr logisch, nur haben sie eins vergessen: Das Leben ist unlogisch. Sie sind sehr logisch, und das spricht einen an. Deshalb hat man seit Urzeiten auf sie gehört und ist ihnen gefolgt. Es klingt vernünftig, dass man das Niedrigere nicht beachten sollte, wenn man nach Höherem strebt. Es klingt logisch. Wenn du hoch hinaus willst, dann gehe nicht nach unten – das ist sehr rational. Die einzige Schwierigkeit dabei ist, dass das Leben nicht rational ist.

Neulich hat einer unserer Therapeuten mit mir gesprochen. In seinen Gruppen-Workshops kommt er ab und zu an den Punkt, wo die ganze Gruppe plötzlich still wird – aus dem Nichts heraus, ohne Grund. Und diese wenigen Momente der Stille sind von unglaublicher Schönheit. Er sagte: „Sie sind so mysteriös, diese Momente. Wir machen sie nicht, wir denken nicht daran, sie kommen einfach manchmal. Und wenn sie kommen, spürt die ganze Gruppe sofort die Gegenwart von etwas Höherem, etwas Größerem als wir alle, etwas Mysteriösem. Alle werden still in diesen Momenten.“ Und sein logischer Verstand sagte: „Vielleicht wäre es gut, den ganzen Workshop in Stille abzuhalten.“ Er dachte wohl, wenn jene wenigen Momente, die nur ab und zu auftreten, so schön sind, warum soll man dann nicht das Ganze in Stille machen.

Ich sagte zu ihm: „Da haben wir es: Du bist logisch, und das Leben ist nicht logisch. Wenn ihr die ganze Zeit schweigt, werden diese Momente nie wiederkommen.“

Das Leben besteht aus Polaritäten. Wenn du den ganzen Tag hart arbeitest, Holz hackst, dann schläfst du in der Nacht am tiefsten. Jetzt kannst du logisch darüber nachdenken und mathematisch vorgehen. Am nächsten Morgen kannst du denken: „Jetzt habe ich den ganzen Tag so viel gearbeitet und war müde, und trotzdem konnte ich so tief schlafen. Wenn ich den ganzen Tag übe auszuruhen, werde ich noch tiefer schlafen.“ Am nächsten Tag lehnst du dich einfach in deinem Sessel zurück und übst auszuruhen. Glaubst du, dass du gut schlafen wirst? Du wirst sogar deinen normalen Schlaf verlieren. Deshalb können Leute, die tagsüber nicht viel tun, an Schlaflosigkeit leiden.

Das Leben ist nicht logisch, die Natur ist nicht logisch. Die Natur gibt Bettlern einen guten Schlaf, die den ganzen Tag auf den Beinen sind und im heißen Sommer bettelnd von einem Ort zum nächsten ziehen. Die Natur gibt Leuten, die körperliche Arbeit leisten, Steinmetzen und Holzfällern, einen guten Schlaf. Den ganzen Tag haben sie hart gearbeitet und sind müde geworden. Aus Müdigkeit fallen sie deshalb in tiefen Schlaf.

Das sind die Polaritäten. Je mehr du deine Energie erschöpfst, desto mehr Schlaf brauchst du, denn nur aus dem Tiefschlaf kannst du neue Energie schöpfen. Wenn du deine Energie erschöpfst, schaffst du eine Situation, in der du tief schlafen wirst. Wenn du überhaupt nicht arbeitest, brauchst du das nicht. Du hast noch nicht einmal die Energie genutzt, die dir gegeben wurde, warum solltest du also mehr davon bekommen? Energie wird nur denen gegeben, die sie auch nutzen.