Michael Fuchs-Gamböck,
Georg Rackow,
Thorsten Schatz

Cro –

Easy zum Erfolg

Die inoffizielle Biografie

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Cro: Der Mann mit der (Erfolgs-)Maske

1.   Zurück zum Anfang: Cros erste Jahre

2.   Meine Musik: Cro wird zum Rapper

3.   Geht gut: Cros Label Chimperator

4.   Nenn mich Cro: Die Entdeckung

5.   Wie ich bin: Das Geheimnis der Panda-Maske

6.   Easy: Der Durchbruch

7.   Allein: Der Weg an die Spitze ohne Majorlabel

8.   King of Raop: Die neue Nummer 1 der Album-Charts

9.   Rockstar: Jeder kennt Cro

10. Geile Welt: Cro, der neue Superstar

11. Kein Entkommen: Cro im Kreuzfeuer von Lob und Kritik

12. Einmal um die Welt: Der Maskenmann live on the road

13. Super gelaunt: Die Message zwischen den Zeilen

14. Genauso: Cro für alle?

Anhang

Michael Fuchs-Gamböck widmet dieses Buch seinen meist weiblichen Musen, vor allem der äußerst geschätzten Frau Mama, den beiden unwiderstehlichen Töchtern Saya und Pauline (die ihn als beinharte Cro-Fans überhaupt auf die Idee zum vorliegenden Buch gebracht haben), sowie der ewigen Seelenverwandten Yukie, dem Hafen der Zuversicht. Ich verneige mich vor euch in tiefer Verbundenheit.

Thorsten Schatz widmet dieses Buch seinen Söhnen Tim und Philip, den beiden lautesten, wildesten und wunderbarsten Energiebündeln der Welt.

Cro:

Der Mann mit der (Erfolgs-)Maske

Was doch eine Panda-Maske aus Gummi alles anrichten kann: Aus einem eher schüchternen schwäbischen Twen namens Carlo der Coole, wird mit der Maske ein Mädchenherzen brechender Sonnyboy-Rapper namens Cro, in seinen Liedern der kecke Checker, auf der Bühne die wilde Rampensau. „So eine Maske ist ziemlich geil”, meinte Carlo alias Cro frohgemut im „Neuen Tag Weiden“ vom 25. Juli 2012, „weil ich mich einerseits dahinter verstecken kann, sie mich andererseits mysteriös und originell wirken lässt.” Und genau um diese beiden Schlagwörter geht es bei dem Phänomen Cro: „mysteriös” und „originell”.

Wer ist dieser Panda-Typ? Allzu viel ist nicht bekannt, denn das Management setzt auf die Strategie „mysteriös“. Sicher ist, dass der Bursche in einem Stuttgarter Vorort aufgewachsen ist, dass er zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches nach wie vor im Keller des elterlichen Hauses wohnte und Musik machte, dass er eine Ausbildung zum Mediengestalter abgeschlossen, eine Zeit lang als Cartoonist bei einer Stuttgarter Zeitung gearbeitet und ein eigenes kleines Modelabel gegründet hat. Vermutlich ist Carlo Anfang 20, aber auch bei der Angabe seines genauen Alters hielten sich Künstler und Management bisher bedeckt.

„Dass ich aktiv Musik mache, ist noch gar nicht so lange her”, bekannte der gehypte Wunderknabe freimütig im „Main-Echo“ vom 9. August 2012. „Ich höre Musik, bevorzugt Hip-Hop, schon seit etlichen Jahren, aber dass ich selber komponiere, ist erst relativ kurze Zeit der Fall.” Für diesen Umstand haben sich die Ereignisse jedoch in rasender Geschwindigkeit entwickelt: Noch unter dem Namen Lyr1c nahm Carlo sein erstes Mixtape „Trash” auf und veröffentlichte es 2009, kurz darauf folgte der erste Auftritt in der schwäbischen Heimat – vor gerade einmal 300 Besuchern.

Danach ging es Schlag auf Schlag. Spätestens seit der renommierte Deutsch-Rapper Jan Delay den jungen Cro im November 2011 „die Zukunft des Deutschrap“ nannte, standen die Zeichen auf Sturm und Erfolg! Rund 30 Millionen Mal wurde das Video zu seinem Hit „Easy“ seit November 2011 und bis zum Redaktionsschluss dieses Buches im Oktober 2012 angesehen, über eine Million Fans hatte Cro auf Facebook versammelt, die EP zu seinem bereits tausendfach heruntergeladenen „Easy“-Song hatte es darüber hinaus noch auf Platz eins der iTunes-Charts geschafft – vor etablierten Chartstürmern wie beispielsweise den Toten Hosen, Silbermond und Unheilig. Anfang Juli 2012 erschien das erste „richtige” Album „Raop”, das prompt von 0 auf 1 chartete. Im Zuge dieses Erfolges stand der Panda-Boy seit dem Frühjahr 2012 monatelang beinahe jeden Abend auf einer Bühne. Eine Tournee, die Cro in so ziemlich jeden Winkel Deutschlands brachte.

Und jetzt noch einmal: Wer ist dieser Cro? „Seit Anfang des Jahres ist nichts mehr, wie es war in meinem Leben“, wunderte sich der von der Hype-Muse Geküsste am allermeisten im genannten Artikel des „Main-Echos“. „Dabei bin ich weiterhin der nette kleine Carlo, mit netten Eltern und vielen netten Freunden. Aber die Welt da draußen sieht diese Sache anders.“

Bereits zu Beginn des Jahres 2013 wird sich Carlo wieder auf den Weg ins Studio machen, um seine nächste Platte aufzunehmen. Denn im Studio fühlt er sich extrem wohl, weil er dort seine kreative Ader anzapfen und ihr freien Lauf lassen kann.

Für eine Menge Zeitgenossen wäre so viel Action furchterregend und lähmend. Nicht für den entspannten Schwaben: „Ich habe das mein ganzes Leben so gehalten und mich prächtig damit durchgeschlängelt, dass ich einfach nur das getan habe, wonach mir der Sinn stand”, meinte er im „Neuen Tag Weiden“ vom 25. Juli 2012 selbstbewusst. „Ich bin unbeschwert, aber nie unüberlegt, naiv und clever zugleich. Ich denke, das ist in der heutigen Zeit die beste Art, um uneingeschränkt glücklich zu sein. Nichts anderes ist mein Ziel.”

Und jetzt wollen wir einen Blick in das Leben dieses jungen Mannes werfen, der glücklich ist und Millionen von Menschen jede Menge Glück beschert. Spot an, hier kommt Cro!

1. Zurück zum Anfang:

Cros erste Jahre

Cro, der Pop-Überflieger des Jahres 2012, der Mann, der alle Rekorde bricht, die Musiksensation, der Retter des Deutsch-Rap – all das wird dem Newcomer zugeschrieben. Vor allem aber ist Cro der Mann mit der Panda-Maske.

Diese schon jetzt legendäre Maske ist sein Markenzeichen, sie umgibt ihn mit der Aura des Geheimnisvollen. Doch nicht nur, wenn es um sein wahres Gesicht geht, lässt der Musiker seine Fans im Ungewissen. Woher kommt er? Wo lebt er? Wie alt ist er wirklich? Auch diese Fragen wurden bis heute nicht eindeutig geklärt, und Medien wie Fans veranstalteten ein Rätselraten. Vermutungen wurden aufgestellt, Gerüchte gestreut, und manch einer behauptete: Ich kenne Cro. Er ging mit mir in die Schule.

Trotz aller Heimlichtuerei kann man Cros Spur folgen und an den Anfang seiner Geschichte gehen, der Geschichte eines explosionsartigen Erfolges, wie es ihn im deutschen Hip-Hop und Pop bislang nicht gab.

Klar ist, dass Cro mit Vornamen Carlo heißt, wie er in seinen Songs und Interviews permanent bestätigt. Sein Nachname lautet Waibel. Das erklären diverse Zeitungen aus dem Umfeld, in dem er geboren wurde und zur Schule ging, so die „Stuttgarter Zeitung“ am 9. April 2012.

Die Umgebung seiner Kindheit und Jugend umspannt drei Orte, die etwa 70 bis 80 Kilometer östlich von Stuttgart in Baden-Württemberg liegen, die Stadt Aalen und die Ortschaften Böbingen und Mögglingen, wo er, laut „bild.de“ vom 29. Juli 2012, geboren sein soll. Sicher ist, dass er zur Zeit des Schreibens dieses Buches in Böbingen wohnte. Sogar seine Adresse, die an dieser Stelle nicht verraten wird, um die Privatsphäre von Carlos Familie nicht unnötig zu gefährden, war zumindest zu diesem Zeitpunkt im Internet herauszufinden.

Die Familie besteht aus seinen Eltern, einem Bruder und einer älteren Schwester, mit denen er gut behütet aufwuchs. Er konnte, wie in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ in deren Online-Ausgabe vom 29. Februar 2012 nachzulesen ist, über die ersten Jahre seines Lebens nicht klagen: „Ich hatte eine schöne Kindheit, ich habe niemals verloren.“ In diese Familie hineingeboren wurde das Pop-Phänomen Cro an einem 31. Januar. Das hat er zumindest in einem Interview mit dem Magazin „Backspin TV“, Ausgabe 360, ausdrücklich selbst gesagt. Sein Geburtsjahr verriet er nicht. Allerdings erzählte er in etlichen Interviews aus dem Jahr 2012 immer wieder, er sei 20 Jahre alt: 2012 minus 20 ergibt 1992. Auch seine Website „cromusik.info“ lässt dieses Geburtsjahr vermuten. Dort wurde in den biografischen Angaben noch im Sommer 2012 gesagt, dass sein Megahit „Easy“ auf „Platz #2 der deutschen Single Charts eingestiegen“ sei. Das schaffte der Titel im März 2012. Und in demselben Text hieß es, dass es nur „wenige Informationen über den erst 20 Jahre alten Rapper und Produzenten“ im Internet gäbe. Das Jahr 1992 wurde nicht genannt, aber auch hier gilt die Rechnung: März 2012 minus 20 Jahre gleich Geburtsjahr 1992.

Ob das tatsächlich so stimmt, ist allerdings fraglich. Denn die „Schwäbische Zeitung“ vom 10. Juli 2007 hat berichtet, dass 69 Schüler der „Realschule auf dem Galgenberg“ der Stadt Aalen ihren Abschluss geschafft haben. Einer davon war Carlo Waibel aus der Klasse 10b, der in der Zeitung mit seinen Mitschülern aufgelistet wurde.

Rechnet man zurück, müsste Carlo 1997 eingeschult worden sein. Doch dann kann er nicht 1992 geboren sein, denn in Baden-Württemberg dürfen Kinder – bereits zur Zeit der Einschulung des späteren Musikers – frühestens mit fünf Jahren und elf Monaten ihre Schullaufbahn beginnen. Das Schuljahr startete damals im September. Es folgt die erste Rechnung: Geburtstag 31. Januar 1992 plus fünf Jahre und elf Monate ergibt Dezember 1997. Das ist zu spät für eine Einschulung im Jahr 1997. Cro muss also im September des Jahres 1998 eingeschult worden sein, mit sechs Jahren laut seinen Angaben. Er hat die Mittlere Reife geschafft, für die man in der Regel zehn Jahre benötigt. 1998 plus zehn macht allerdings 2008. Er kann also, wenn seine Angaben, er sei 1992 geboren, stimmen, erst 2008 seinen Realschulabschluss in der Tasche gehabt haben. Die „Schwäbische Zeitung“ sagte jedoch in ihrem Artikel, dass er schon 2007 dabei war. Glaubt man der Zeitung, müsste Carlo demnach früher eingeschult und somit auch früher geboren worden sein. Ist er also doch älter, als er angibt?

Das ist ungewiss und gehört vielleicht zum Image des mysteriösen Rappers, der durch diese nebulösen Informationen über seine Person nur umso geheimnisvoller und damit interessanter erscheint.

Doch wie auch immer es tatsächlich sein mag, die „Schwäbische Zeitung“ verriet noch ein paar Zusatzinformationen über die frisch gebackenen Realschulabsolventen. Hinter jedem Namen stand, ob der jeweilige Schüler wegen guter Leistungen einen Preis oder eine Belobigung erhalten hatte. Bei Carlo fehlten beide Zusätze.

Doch das ist kein Wunder, weil ihn die Schule nie besonders interessierte. Er war immer verträumt, wie er dem Magazin „hiphop.de“ am 27. Juni 2012 im Interview erzählte, ein „Hans-Guckin-die-Luft“, der allerdings nie den Klassenclown spielte.

Carlo saß in der Klasse immer in den hinteren Reihen, war nicht aufmüpfig, sondern, wie er selbst in einer Radiosendung von „98.8 KISS FM“ im September 2012 erklärte, höchstens mit seinen Freunden „cool“ und „mutig“, ein „bisschen frech“, aber nicht „schlimm“. Für ihn war die Schule ein „großer Spielplatz“. Carlo war jedoch nie ein Schlägertyp. Er war der Meinung, dass das bloß „Idioten“ seien, die sich prügelten.

Der junge Schwabe entwickelte sich als ganz normaler Jugendlicher. Dazu gehörte, dass er zur Aufbesserung des Taschengeldes Zeitungen austrug und in einer Cocktailbar und auf Hochzeiten kellnerte.

Wenn er frei hatte, spielte Cro gern Basketball, fuhr Skateboard, ging mit 13 auf Partys, die eigentlich erst für 18-Jährige zugelassen waren und ließ sich auch mal darauf ein, Alkohol zu klauen, wie er „hiphop.de“ am 27. Juni 2012 verriet.

Diese Freizeitaktivitäten fand er allemal interessanter als das Leben innerhalb der Schulgebäude. Er zeigte kein großartiges Interesse an Unterrichtsstunden und am Lernen, er habe vielmehr „die halbe Schulzeit verpennt“, so der spätere Popstar im Gespräch mit „Unicum“ für deren Ausgabe 8/9, 2012.

Doch irgendwann merkte er, dass er sich mehr anstrengen musste, um die Schule mit einem vernünftigen Zeugnis zu verlassen, damit sich seine Chancen im Berufsleben verbesserten. Das funktionierte. Carlo konzentrierte sich mehr aufs Lernen und erreichte bei seinem Realschulabschluss einen guten Notendurchschnitt.

Aber was jetzt? Was sollte er damit anfangen? Eine Idee, wie es weitergehen könnte, bekam er durch seine Begabung für das Zeichnen und künstlerische Gestalten. Das zeigte Carlo z. B. in seinem Lieblingsschulfach Bildende Kunst. Und wenn seine Klassenkameraden sahen wie gut er zeichnen konnte, waren sie sich einig, dass er auf jeden Fall mal Karikaturist werden und Comics herausbringen würde.

Das Talent für das Künstlerische kann auf Carlos Großvater zurückgeführt werden, der selbst malte und den Carlo sehr bewunderte. Sein Interesse war der Auslöser für den späteren Hip-Hop-Star, sich in diesem Bereich eine Lehrstelle zu suchen, nachdem er die Realschule hinter sich gelassen hatte.

Ganz spontan kam ihm die Idee, Mediengestalter zu werden, genauer gesagt „Mediengestalter Digital und Print“, ein Beruf, der sich dadurch auszeichnet, dass man hauptsächlich am Computer mit Grafik-, Layout- und Bildbearbeitungs-Software arbeitet.

Dazu musste Carlo eine Ausbildung an einer Berufsschule im Fachbereich „Mediendesign“ durchlaufen, an deren Ende die Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer stand. Er besuchte dafür von 2007 bis 2010 die „Johannes-Gutenberg-Schule“ in Stuttgart, wo man z. B. auch den Beruf des Fotografen, Buchbinders oder Medienfachwirts lernen kann.

Zu den Schulungen gehörten praktische Erfahrungen in einem Unternehmen der Medien- und Kommunikationsbranche, um auf das Berufsleben wirklichkeitsnah vorbereitet zu werden. Carlo bewarb sich dafür beim Pressehaus Stuttgart, das u. a. die „Stuttgarter Zeitung“ druckt, und wurde angenommen.

Nach einem Jahr hatte der spätere Hip-Hop-Musiker in seiner Sektion ziemlich alles gelernt, was ein Mediendesigner wissen muss und wurde in die nächste Abteilung geschickt: die Grafik. Dort zeigte er, wie viel Spaß ihm zeichnerische und gestalterische Aktivitäten machten – und wie talentiert er war. Seine Begabung war so offensichtlich, dass ihn die Abteilung gleich behielt. Seitdem zeichnete er für sie Cartoons, Karikaturen, Graphiken oder aber er fertigte Stadtpläne an. Außerhalb des Pressehauses ließ Carlo seiner kreativen Energie ebenfalls freien Lauf und entwarf T-Shirts.

Nach seiner Abschlussprüfung und dem Ausbildungsende wurde er von der „Stuttgarter Zeitung“ übernommen. Er arbeitete dort als Festangestellter noch ein halbes Jahr bis zum Winter 2011, liebäugelte aber damit, selbst mal eine Grafikagentur zu eröffnen.

Parallel dazu versuchte Carlo, sein Fachabitur anzugehen, um sich später für das Fach Produktdesign zum Studium einschreiben zu können und vielleicht Diplomdesigner zu werden.

Doch dann kam alles ganz anders. Denn Carlo hatte nicht nur Spaß daran, zu zeichnen und Ideen als Designer zu entwickeln. Noch viel mehr hatte ihn eine Leidenschaft gepackt, die sein Leben so verändern würde, wie er es nie für möglich gehalten hätte: Die Musik.

2. Meine Musik:

Cro wird zum Rapper

Carlo wurde in eine musikalische Familie hineingeboren. Das gilt besonders für den Großvater, zu dem der spätere Rapper bewundernd aufsah, aber auch für seine Mutter, der es wichtig war, dass ihr Sohn ein Instrument spielte. So bekam Carlo im Alter von sechs Jahren zu Weihnachten ein Keyboard geschenkt. Und damit er lernte die richtigen Tasten zu treffen, wurde er zum Klavierunterricht geschickt.

Aber nicht nur das. Carlos älterer Bruder brachte dem zukünftigen Popstar bei, Akkorde auf der Gitarre zu greifen. Er wurde dadurch zwar nicht zu einem professionellen Saitenmeister, doch es reichte aus, um damit das andere Geschlecht zu beeindrucken, wie auf „rp-online.de“ zu lesen war. Er konnte immerhin so gut Gitarre spielen, „dass die Mädchen es am Lagerfeuer total romantisch finden“.

Carlo kam von Anfang an durch seine Familie mit verschiedenen Musikstilen in Berührung. An alte Rock-Veteranen führte ihn sein Vater heran, dessen Freunde früher selbst einmal in einer gitarrenlastigen Band spielten, später jedoch keine Stars wurden, sondern auf Nummer sicher gingen und lieber seriöse Berufe wie etwa Anwalt oder Arzt ergriffen.

Für die Anbindung an die Popwelt sorgte kein Geringerer als Michael Jackson. Denn als Kind bekam Carlo bei einem Weihnachtsfest Jacksons „Earth Song“, einen Hit aus dem Jahr 1995, geschenkt. Die Musik des King of Pop hatte ihn offensichtlich sehr beeindruckt, denn Jackson hat den jungen Schwaben, wie er in einem Interview auf dem Hip-Hop-Festival „Splash“ für eine Radiosendung von „98.8 KISS FM“ sagte, regelrecht „gefangen“.

Ein weiterer Einfluss war die Vorliebe der älteren Schwester des Schwaben für Indie-Rock, den sie gern hörte und ihm vorspielte. Sie und ihr älterer Bruder brachten den jüngsten Sprössling der Familie schließlich mit einer Musikrichtung in Berührung, die Carlo absolut und mehr als alles andere faszinierte: Hip-Hop.

Er sog auf, was er aus dieser Richtung in die Finger bekam. Und dazu gehörten natürlich auch Bands und Interpreten aus Stuttgart, einer Stadt, die einiges an bekannten Musikern zu bieten hat. Aus der Baden-Württembergischen Hauptstadt kommen z. B. die Jazzmusiker Olivia Trummer, der Neue Deutsche Welle-Star Peter Schilling (sein großer Hit: „Major Tom“ (völlig losgelöst)) oder der Keyboarder, Jazzpianist, Filmkomponist und Bundesverdienstkreuzträger Wolfgang Dauner. Dessen Sohn Florian Dauner spielte als Schlagzeuger bei den Live-Shows der Hip-Hop-Formation Die Fantastischen Vier. Fanta 4 ist bekanntlich ebenfalls eine Stuttgarter Band. Die Mitglieder Andreas Rieke alias And Y bzw. Ypsilon und Michi Beck, der sich auch Dee Jot Hausmarke nennt, stammen sogar direkt aus Stuttgart.

Cro gefielen einige Songs von Fanta 4, besser fand er aber andere Acts der Stadt wie Max Herre und dessen Posse Kolchose, die u. a. aus den Musikformationen Freundeskreis, Massive Töne, Die Krähen, Breite Seite, Deine Quelle, Skillz en Masse und Afrob bestanden.

Besonders stolz auf diese Acts, also ein echter Lokalpatriot, nur weil er aus der Region stammte, war Carlo nicht. Über die Stuttgarter Szene hinaus begeisterten ihn neben vielen US-Stars auch viele andere deutsche Hip-Hop-Künstler. Das reichte von Samy Deluxe und Clueso – zu dessen Musik er gern Comics gelesen hat – über Deichkind bis hin zum Aggro Berlin-Roster vor allem mit Sido und Tony D.

Allerdings hatte Carlo seit dem Ende der 1990er Jahre ein paar ganz spezielle Helden. Die deutschen Rap-Pioniere Absolute Beginner. Sie schufen 1996 mit „Flashnizm“ und 1998 mit ihrem Album „Bambule“, das ihnen zum Druchbruch verhalf, Longplayer, die zukunftsweisend für den Deutschrap waren. Für Carlo waren die Beginner ein musikalisch besonders prägender „Meilenstein“. Das sagte er beeindruckt in einem Gespräch mit dem TV-Sender ZDF beim „Splash!“-Festival am 7. Juli 2012. Mit acht Jahren bekam Carlo seine erste Beginner-Scheibe „Bambule“ von seinem Bruder vorgestellt. Damals war er dermaßen fasziniert, dass er laut dem „Remscheider General-Anzeiger“ vom 4.Juli 2012 dachte: „Wenn ich mal Musik mache, dann nur solche.“

Und genau das setzte er als Teenager dann in die Tat um, weil er so begeistert war und es selbst probieren wollte. Damals, mit etwa 13 Jahren, ging Carlo mit ungefähr zehn gleichgesinnten Rap-Begeisterten in den Keller eines Hauses, das einem seiner Freunde gehörte. Mit Eierpappen sorgten die Jungs für Schalldämmung und statteten den Raum als provisorisches Studio aus. Weil am Anfang zu wenig Equipment vorhanden war, wurde einfallsreich improvisiert, so dass z. B. ein Kopfhörer zum Mikrofon umgebaut wurde. Jetzt fehlten bloß noch die eigenen Songs.

Carlo machte sich an die Arbeit und schrieb sein erstes Stück für ein Mädchen, das er damals anhimmelte. Vorgespielt hat er der Angebeteten den Titel allerdings nie. Denn, so amüsierte sich der zukünftige Popstar in einem Interview mit „meinrap.de“ am 4. Dezember 2011, die Qualität war miserabel: „Wäre auch nichts geworden mit uns. Der Song war furchtbar (lacht).“

Er und seine Freunde machten einfach zum Spaß Musik, nur für sich selbst. Carlo kam zu dieser Zeit überhaupt nicht auf die Idee, sein Hobby irgendwann einmal zum Beruf zu machen. Nicht einmal seine Klassenkameraden wussten von seinen Aktivitäten. Er hielt sie dermaßen geheim, dass der baldige Hip-Hop-Überflieger später dachte, einige seiner ehemaligen Mitschüler würden gar nicht auf die Idee kommen, dass der Typ, mit dem sie mal die Schulbank gedrückt hatten, Cro sei, wie er dem Magazin „Unicum“ im Sommer 2012 nachdenklich mitteilte.

Die Art und Weise, wie er damals Tracks produzierte, wie er Beats baute, Sounds schuf und darüber rappte, unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der heutigen Methode. Als Hip-Hop-Neuling nahm er z. B. das freudige Ereignis einer Eins in einem Mathematiktest zum Anlass für einen neuen Song. Also kramte er in der Musiksammlung seines Vaters und suchte ein „cooles Sample“, wie er der „Berliner Zeitung“ am 29. Februar 2012 verriet, verwendete es und rappte darüber.

So ganz nebenbei und ebenfalls mit jeder Menge Spaß zeichnete und malte Carlo. Das versuchte er, auch als Mitglied der Hip-Hop-Community umzusetzen. Mit einem Graffiti verewigte er sich auf einem Stromkasten. Er brachte einen Affen im Stil des Logos der japanischen Urban-Streetwear-Modefirma „A Bathing Ape“ auf. Doch das blieb das einzige Mal. Sonst zeichnete und malte er lieber auf Papier oder T-Shirts.

Carlos Favorit war die Musik, der Hip-Hop nahm ihn immer mehr gefangen. Als seine Kumpel über seine Rap-Versuche, die er selbst zuerst ziemlich schlecht fand, sagten, dass das aber, ganz im Gegenteil, cool sei und er weitermachen solle, folgte er ihrem Rat.

Der künftige Popstar stieg mit 14 Jahren noch tiefer in die Musik ein und konservierte seine Produktionen auf CD. Darüber schrieb er eines seiner ersten Stücke, „Zurück zum Anfang“, in dem es heißt: „Dann hatte ich das erste Mal das Mic in der Hand. Es war eigentlich nur‘n Joke, hab die Scheiße gebrannt, alle fanden‘s cool.“

Carlo ging nach einem Jahr, in dem er Beats gebaut und eigene Songs geschrieben hatte, mit etwa 15 Jahren einen weiteren Schritt in Richtung Musikerlaufbahn. Er meldete sich bei der „Reimliga Battle Arena“ (RBA) an, der ersten deutschen Rap-Battle-Community im Internet. Das Portal bestand seit 1998 und entwickelte sich aus der deutschsprachigen Hip-Hop-Newsgroup „de.alt.music.hiphop“.

Inspiriert von den Freestyle Battles sandten sich die ersten Mitglieder der künftigen Arena zunächst Textdateien zu und forderten sich gegenseitig zur verbalen Diss-Schlacht heraus. Aus den geschriebenen Reimen wurden durch verbesserte technische Möglichkeiten bald hörbare Beiträge, d. h. Audio-Battles im MP3-Format.

Der Zulauf wurde größer und größer und die Community arbeitete ein Regelwerk für das bis dahin namenlose Portal aus. Als dies fertig war, startete schließlich am 9. November 1998 die Rapper-Wettkampf-Plattform unter dem Namen „Reimliga Battle Arena“.

Bis zum Zeitpunkt der Endproduktion dieses Buches im Spätsommer 2012 entwickelte sich in der Arena ein ausgeklügeltes automatisches System. Man musste als Battle-Anwärter eine Bewerbungsrunde durchlaufen und wurde der Trainings-, Entry- oder Advanced-Liga zugeordnet, je nach Talent. Danach konnte man andere Mitglieder, die sich für eine Rap-Schlacht in der entsprechenden Liga eingetragen hatten, herausfordern. Wurde die Herausforderung angenommen, hieß es „auf in den Kampf“, das Battle startete.

Dieses bestand darin, den Gegner möglichst effektiv zu dissen, ihn verbal niederzumachen und die eigenen Vorzüge originell, sprachgewandt, mit einem guten Flow über möglichst knackigen Beats vorzutragen. Damit die Rap-Gefechte einigermaßen würdevoll abliefen, stand extra in der RBA-Charta, dass bei Androhung von drei Monaten Ausschluss und Strafpunkten der „gute Geschmack“ in den Raps zu erkennen sein musste. Das bedeutete, dass „Kraftausdrücke sowie Fäkalsprache … zwar in geringem Maße“ erlaubt waren. Dazu kam jedoch der Hinweis: „(A)ber nicht übertreiben!”

Ein Battle bestand aus drei Runden, von denen sich jede aus einer Hin- und einer Rückrunde zusammensetzte, also aus sechs Teilen. Für das Hochladen von Rap-Beiträgen in Form von Audio-Files bekam man knapp bemessene Zeitspannen, die eingehalten werden mussten, sonst gab es Strafpunkte.

Eine feststehende Jury – ein Team aus alten Hip-Hop-Recken der RBA – beurteilte die Battle-Rap-Uploads. Jeder einzelne der Juroren konnte bei den Zweikämpfen jeweils seinen Sieger küren oder das Urteil unentschieden verkünden. Der Rapper mit den meisten Jury-Stimmen gewann die Reim-Schlacht. Dadurch bekam er Punkte zugeordnet, die ihn in einer Liste mit allen siegreichen Mitgliedern nach oben steigen ließ. Die erhaltenen Punkte richteten sich danach, wo sein geschlagener Gegner in dieser Liste stand. So konnte man sich mit vielen gewonnenen Battles nach oben reimen.

Und die Konkurrenz war sehr aktiv. Etwa 150 Battles wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2012 jeden Monat ausgefochten. Die RBA-Betreiber mussten sogar ein Limit für Neuanmeldungen einführen, das bei 30 pro Tag lag. Im Spätsommer 2012 hatte die RBA etwa 3.000 Mitglieder und 57.000 ehemalige Reim-Krieger. Mehr als 52.400 Battles waren ausgefochten worden, jedes von ihnen archiviert.

Der Zulauf war in dieser Phase enorm. Rapper aus dem gesamten deutschsprachigen Raum wollten sich miteinander messen. Und das waren im Verlauf der Battle-Geschichte der RBA nicht nur unbekannte Talente. Zu den populären Reim-Kriegern gehörten z. B. Maxim, der sehr erfolgreiche Casper, Pillat, F. R., Tarek, Nico, BOZ, Hollywood Hank und JAW.

Kollegah war ebenfalls dabei, der mit seiner Popularität für einen regelrechten Run auf die RBA sorgte, als er bekannt wurde. Er war 2004 und 2005 in der RBA aktiv und wurde über das Portal bekannt und spätestens seit 2007 zum Star in der Szene. Aber nicht nur dort, denn in jenem Jahr feierte er auch seinen ersten Hitlistenerfolg, dem weitere folgen sollten. Sein Album „Alphagene“ stieg auf Platz 51 in die deutschen Charts ein.

An ihm und vielen anderen Rappern ist zu sehen, dass die RBA eine Qualitätsschmiede war. Wer dort Schwächen zeigte, wurde gnadenlos von seinem Gegner rausgerappt. Man wurde geschult in präzisen Punchlines, im Flow und im souveränen Umgang mit den Rap-Geschwindigkeiten.