Über dieses Buch
Während Krebs für manche Menschen immer noch ein Tabuthema ist, präsentieren sich in diesem Buch erstmals eine Vielzahl von Menschen, offenherzig und mutig, die Klartext sprechen und die vor allem eines wollen: anderen Betroffenen helfen! Ihre Geschichten sind inspirierend, nachdenklich, berührend, kämpferisch. Und vor allem vermitteln sie Mut und Hoffnung, ohne die schwierige Lebensphase zu bagatellisieren.
Ein Buch, an dem man wachsen kann.
Hinweis
Dieses Buch zeigt individuelle Wege von Menschen auf, wie sie mit ihrer Erkrankung umgegangen sind. Die Beiträge sind in Kooperation zwischen dem Autor und den beteiligten Personen entstanden. Die Texte bezüglich Mag. Monika Hartl und Dr. Hans Morschitzky sind nach Interviews mit diesen Experten vom Autor verfasst worden. Der Text von Dr. Helmut Retzek wurde von diesem selbst verfasst. Trotz sorgfältiger Bearbeitung erfolgen sämtliche Angaben in diesem Buch ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors, der anderen an der Entstehung des Buches beteiligten Personen und des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen.
Die im Buch angeführten Fallgeschichten sollen dem Leser vor Augen führen, wie einzelne Menschen angesichts ihrer Erkrankung gehandelt haben. Eine fachkundige medizinische Beratung und Behandlung ist bei Krankheitsverdacht unbedingt notwendig. Für eine korrekte Untersuchung und Diagnose ist es unerlässlich, einen Arzt aufzusuchen.
»Was für ein herrliches Leben hatte ich!
Ich wünschte nur, ich hätte es früher bemerkt.«
Colette
Das Leben ist lebenswert. All die kleinen und großen Freuden, die Siege und auch die Niederlagen, die alltäglichen, immer wiederkehrenden Gedanken, die Gesten und Worte, die langen Tage und die kurzen Nächte, all das ist schön und macht uns aus. Leider erkennen wir das oft recht spät im Leben. Oft bemerken wir diese Tatsache erst, wenn die Gefahr droht, das Leben zu verlieren. Solch eine Gefahr ist zwar latent immer vorhanden, doch die tatsächliche Gefahr tritt immer abrupt und oft ohne Vorwarnung an uns heran. In den meisten Fällen durch eine schlimme Diagnose. Eine Diagnose, wie Krebs eine ist. Wenn man eine solche Diagnose erhält, die einem kundtut, dass man vielleicht nicht mehr lange zu leben hat, dann bricht alles in einem zusammen. Das ganze Kartenhaus des Lebens stürzt ein, rasch und mit einem leisen Zittern. Niemand möchte so etwas erleben und doch ereilt es so viele. Und obwohl es so viele sind, ist man immer allein in dieser Situation. Kaum einer ist darauf vorbereitet, kaum einer hat einen Psychologen zur Seite, der ihn sofort auffangen würde. Ein Arzt teilt Ihnen das vermeintliche Todesurteil mit und schon stehen Sie wieder auf der Straße. Mit sich allein und Ihrem Alptraum. Sie wünschten, es wäre ein Traum, ein wenig fühlt es sich auch so an und doch – und doch. Kein Traum. In dieser Situation wäre es gut, rasch psychologische Hilfe zu bekommen. Die Familie und Freunde können zwar eine Stütze sein, sind mit dieser Situation aber meist überfordert. Wenn man sich vom ersten Schock erholt hat, stellt sich die Frage: Was werde ich tun? Mich dem Schicksal ergeben? Kämpfen? Und: Warum ist mir das passiert? Manche haben schnell eine Antwort parat, sie fühlen tief in sich, sie wissen oder meinen zu wissen, warum es sie erwischt hat. Ihr Lebensstil, das schlechte, stressige, unglückliche Leben, die vielen Zigaretten, viele Gründe fallen manchen ein. Ob sie zutreffen, kann niemand mit Gewissheit sagen. Es wird vermutet, dass immer eine Wechselwirkung von Körper, Psyche und Umwelt vorliegt, die bei ungünstigen Bedingungen zum Ausbruch von Krebs führt. Andere wieder stehen vor einem großen Rätsel und sehen keinerlei Gründe für ihre Erkrankung.
Allen gemeinsam ist, dass nun ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat. Die Therapie steht an. Wochen und Monate des Kampfes um das eigene Leben. Wochen und Monate, auf die niemand vorbereitet ist. Fast jeder kennt zwar den einen oder anderen, der daran erkrankt ist, aber es ist etwas anderes, ob man davon hört oder ob man plötzlich und überfallsartig mittendrin ist in einem Film, in dem man unfreiwillig und unweigerlich die Hauptrolle spielt. Jetzt ist sie da, die Krankheit, die Krise deines Lebens. Das Gute daran: Man ist in diesem Film nicht nur der Hauptdarsteller, sondern auch der Regisseur. Zumindest wenn die Sache nicht völlig aussichtslos ist, und in den meisten Fällen ist sie das nicht, denn eine deutliche Mehrheit überlebt den Krebs. In der Zeit der Therapie und der Zeit danach entscheidet man selbst, wie das Leben weitergeht. Wird es so bleiben wie bisher oder will man nach dieser Zäsur neu beginnen? Etwas ändern an seinem Leben oder an sich selbst, als Person? Manche treffen eine solche Entscheidung sehr bewusst, sie wollen anders weitermachen als bisher. Andere ändern sich zwangsläufig durch die Umstände und erfahren erst von dritten, dass sie nicht mehr dieselben sind wie früher.
Jede Krise ist ein Katalysator für einen Neuanfang. Übersteht man eine schwere Erkrankung, bietet das die Chance auf einen solchen Anfang, auf Veränderung. Eine Chance wohlgemerkt, kein Muss. Es soll kein Zwang entstehen, alles umzukrempeln, keine Idealisierung eines Neuanfangs. Viele Menschen in dieser Situation sind einfach noch zu kraftlos, zu müde und erschöpft. Es dauert seine Zeit – mal kürzer, mal länger –, bis man sich erholt hat. Für viele jedoch ist bereits diese Zeit der Regeneration der Beginn einer Veränderung. Manche empfinden die Diagnose Krebs als einen Wink mit dem Zaunpfahl. Eine ultimative Aufforderung, das Leben drastisch zu ändern. Vorerst wissen sie oft zwar nur, was sie nicht mehr machen möchten, um nie wieder auf dem OP-Tisch liegen zu müssen, nämlich alles, was einem nicht guttut – ungesunde Verhaltensweisen, negative Umstände, falsche Freunde, ein schlechter Lebensstil. Sind erst einmal der Schock und später auch die Erkrankung überwunden oder ist man zumindest stabil, dann erkennen oder fühlen viele: Das Leben gibt mir eine neue Chance.
Thomas Hartl
Rund zwei Millionen Menschen im deutschen Sprachraum befinden sich in der sogenannten Krebsnachsorge. Das bedeutet im Wesentlichen, dass sie sich nach Abschluss der Tumorbehandlung in der Regel fünf Jahre lang Untersuchungen unterziehen, um eine möglicherweise wieder aufgetretene Krebserkrankung frühzeitig entdecken und behandeln zu können. Zwei Millionen Betroffene! Und dazu kommt die noch größere Anzahl an Angehörigen, Partnern und Eheleuten. Und wenn man auch noch an die Millionen von Menschen denkt, die ihre Erkrankung langfristig überlebt haben und als geheilt gelten, aber ebenso betroffen sind in dem Sinn, als dass einen auch eine überwundene schwere Erkrankung in seinem Verhalten, den Gedanken und Gefühlen nachhaltig prägt, ergibt sich eine riesige und unüberschaubare Anzahl an Menschen, die mit diesem Thema konfrontiert sind. Eine große Masse, anonym und nicht greifbar, doch sie besteht aus Millionen Einzelschicksalen, aus Menschen wie du und ich.
Wie ergeht es all diesen Menschen? Man kann es sich vielleicht vage vorstellen, aber wie geht es ihnen wirklich? Wer weiß das schon? Ab und zu erfährt man von einer prominenten Person, dass sie erkrankt ist, aber wie geht es all den »normalen« Menschen? Wie sieht ihr Leben aus, wie steht es um ihre Sorgen und Probleme, aber auch ihre Freuden und ihren Kampf? Man weiß es nicht. Für Betroffene und deren Angehörige wäre es jedoch interessant und auch hilfreich zu wissen, wie es den anderen ergeht, ob diese die gleichen oder ähnliche Sorgen und Ängste haben und wie diese damit umgehen, und vor allem auch, wie sie es schaffen, ihre Krankheit zu überwinden und wieder ins Leben einzutauchen. Das zu erkunden und aus den sich daraus ergebenden Puzzleteilen an Einzelschicksalen ein umfassendes Bild der Lebenssituation der Betroffenen und Angehörigen entstehen zu lassen, war eine wichtige Zielsetzung dieses Buches.
An dieser Stelle darf ich mich bei Mag. Monika Hartl, Psychoonkologin der Krebshilfe OÖ, bedanken, die mir erzählt hat, dass es für Betroffene wirklich interessant und wichtig wäre, etwas über das Leben anderer Betroffener zu erfahren. Diese Information war letztlich ausschlaggebend, dass ich mich auf die Suche nach Menschen begeben habe, die ihre Geschichten weitererzählen möchten. Überraschenderweise waren fast alle Betroffenen, mit denen ich gesprochen habe, bereit, ihre Gedanken und Gefühle preiszugeben, und zwar ausschließlich im Bemühen, anderen damit zu helfen, Mut zu machen und anhand ihres Beispiels zu zeigen, dass es ein Leben danach gibt und dass dieses Leben gut sein kann, vielleicht sogar besser als je zuvor.
Der Wert dieses Buches ergibt sich zu einem großen Teil aus den Schilderungen jener Menschen, die hier offen ihre Gedanken, Gefühle und Erfahrungen preisgeben. Sie sprechen darüber, wie es ihnen ergangen ist, nach der Diagnose und nach der Therapie, ob sie in der »Zeit danach« ein neues Leben begonnen und ob sie die erlebte Erkrankung als Chance für sich selbst empfunden haben, ihr Leben anders, neu und auch gesünder zu gestalten. Ihre Geschichten zeigen anderen Betroffenen, dass man in dieser Situation nicht alleine ist, dass es vielen so ergeht. Vielleicht werden sich Leserinnen und Leser bei der Lektüre der folgenden Seiten denken: »Ja genau! So ist es mir auch ergangen, genau das habe ich auch erlebt.« Ich vermute, dass das so sein wird, denn bei den vielen Gesprächen für dieses Buch habe ich bemerkt, dass es stimmt, was man sagt: Zwar erlebt und erfährt jeder Mensch seine Erkrankung und Gesundung ein wenig anders, im Grunde aber haben alle Ähnliches zu durchleben und zu durchleiden, bevor es wieder aufwärtsgeht.
24 Menschen sind es, die hier für sich persönlich, aber in gewisser Weise auch stellvertretend für Millionen andere Betroffene sprechen. Natürlich ist jeder Mensch einzigartig als Person, in seinem Erleben der Welt und seiner Sicht der Dinge. Und doch eint sie im Fall eines Schicksalsschlages, wie man eine schwere Erkrankung bezeichnen könnte, eine ganze Menge. Sie alle müssen für sich entscheiden, wie sie damit umgehen und wie sie darauf reagieren. Ob sie ein solches Ereignis umwirft oder ob sie alles daran setzen, stark daraus hervorzugehen.
Doch keinesfalls geht es hier darum, eine Art Wettstreit zu inszenieren, welcher Patient denn nun der »bessere« sei, wer es geschafft hat, seinem Leben einen neuen Sinn zu verleihen, wer fit und gesund, glücklich und zufrieden geworden ist. Auch wenn man versucht ist, besonders erheben de Geschichten vor den Vorhang zu holen, es geht nicht darum, dass der eine Mensch vielleicht besser ist als der andere. Und so ist auch die Reihenfolge der im Folgenden präsentierten Geschichten eine weitgehend willkürliche, es wurde lediglich Wert darauf gelegt, dass die Verteilung von Frauen und Männern in der Reihenfolge halbwegs ausgeglichen ist.
Jeder Einzelne von uns lebt auf seine Weise, in seiner Geschwindigkeit, mit seinen Gedanken und Gefühlen. Uns ist bewusst, dass es viele Erkrankte gibt, die es (noch) nicht geschafft haben, ihrem Leben eine Wende zu geben, und es wird niemand aufgefordert, mehr zu tun als bisher, damit es ihm wieder besser geht. Und doch können die folgenden Geschichten vielleicht so manchem Leser Anstoß geben und Ansporn sein, für sich etwas in Gang zu setzen, das ihn hin zu einem besseren Leben führt. Manchmal wartet man auf einen Hinweis, auf einen Fingerzeig, auf ein Erlebnis oder ein Wort, um den ersten Schritt zu setzen, hin zu neuen Ufern. Wenn unter den folgenden Geschichten nur eine Einzige dabei ist, die für den Leser, den Funken der Inspiration in sich trägt, sich aufzumachen in ein gutes Leben, dann hat sich dieses Buch gelohnt.
Caroline Bebié
Ich bin 43 Jahre alt, Mutter zweier Kinder und lebe in einer Patchworkfamilie. Im August 2013 erhielt ich die Diagnose »Brustkrebs«, es war der Augenblick, der mein Leben auf den Kopf stellte. Beide Brüste wurden mir entfernt und ich musste eine Chemotherapie über mich ergehen lassen. Drei Operationen zum Brustaufbau werden noch folgen, denn ich fühle mich noch jung und will auch im Badeanzug weiterhin eine gute Figur machen. Heute bin ich krebsfrei und glücklich. Glücklich, dass ich die Krankheit überwinden konnte, und glücklich, leben zu dürfen.
Die Nachwirkungen freilich, mit denen muss ich auch leben, der Körper ist nicht mehr so leistungsfähig und kaum belastbar. Vom Kopf her bin ich am Bewältigen, Verarbeiten und Begreifen, was geschehen ist und geschieht. Der Kopf wird in dieser Phase zur relevanten Stelle. Ich muss mir das Vertrauen in den Körper erst wieder erarbeiten und das dauert seine Zeit. Man hört in den Körper hinein und wenn es wo zwickt, ist sofort die Angst zur Stelle. In diesem Lernprozess, mit der Angst umzugehen, befinde ich mich nun. Um wieder fit für die Arbeit im Büro zu sein, muss ich auch erst wieder meine Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit steigern. Momentan schwirren die Gedanken oft wie wild durch den Kopf, das geht in der Arbeit natürlich nicht. Und ich will ja wieder arbeiten und mir dadurch ein Stück Alltag, ein Stück Normalität zurückerobern. Ich möchte wieder zurück in die Gesellschaft finden. Obwohl, Alltag und Normalität werden nie mehr so sein, wie sie es waren, damals, im Leben vor der Diagnose. Denn als Mensch bin nicht mehr der gleiche wie zuvor. Zu viel ändert sich durch so ein Ereignis, durch so eine einschneidende Erfahrung. Kein Mensch kann sagen: »Ich bin der gleiche Mensch geblieben.« Einerseits sind da die Ängste, andererseits ist da aber auch die neue Freude. Man freut sich so, am Leben zu sein. Ich sehe meine Kinder und weine vor Freude. Ich sehe eine schöne Blume im Garten und habe Tränen in den Augen, dass ich das erleben darf. Die Anlässe können vermeintlich klein sein, die Freude dagegen ist riesig. Im früheren Leben war vieles einfach selbstverständlich. Es überwogen die Alltagssorgen, man hat funktioniert und ohne viel Bewusstsein gelebt. Jetzt dagegen gebe ich mich meinen Gefühlen hin und denke: »Toll!«
Manche Menschen im Umfeld sehen mich und sagen: »Gut, dass du wieder gesund bist« und erwarten, dass ich wieder genauso bin wie früher. Fröhlich und anpackend. Sie sagen: »Jetzt geht es dir wieder gut, warum arbeitest du noch nicht?« Sie beschweren sich, weil ich nicht mehr so belastbar bin, und zeigen kein Verständnis. Das hat mich tief verletzt, das muss ich schon sagen. Und das sage ich auch, denn man wird ehrlicher durch das Erfahrene, ehrlicher auch sich selbst gegenüber. Das führt auch dazu, dass man sich sein Umfeld kritisch ansieht und Veränderungen vornimmt. So habe ich mich von manchen Menschen distanziert, die mir nur Energie abziehen und mir nicht guttun. Von manchen Freunden musste ich mich innerlich trennen, da ich gemerkt habe, dass das nicht mehr passt. Die Familie zeigt zum Glück Verständnis für mich, aber auch sie musste lernen, wie man mit der Situation umgeht.
Mit meiner Erkrankung bin ich von Anfang an offen umgegangen, musste aber erkennen, dass das nicht allen gefällt. Manche wollen nichts hören davon, dass jemand an Krebs erkrankt ist, sie sagen, das habe in der Öffentlichkeit nichts verloren. Sie halten es sogar für anmaßend, dass ich darüber zu sprechen »wage«. Ich lasse mir aber nicht den Mund verbieten, ich will anderen Menschen in dieser Situation Mut machen, ich sage ihnen: »Geht zu den medizinischen Untersuchungen und hört auf euch und auf euren Geist und euren Körper.« Diese Offenheit halten nicht alle für gut. Ich wurde sogar gemaßregelt, ich solle aufhören darüber zu sprechen. So leid es mir tut, auf diese ehemaligen sogenannten Freunde kann ich gut verzichten. Zum Glück ist es nur eine Minderheit, die so denkt. Nichtsdestotrotz tut eine solche Haltung im ersten Moment sehr weh.
Geändert hat sich mein Perfektionismus. Früher musste ich immer sofort alle anstehenden Aufgaben erledigen, unbedingt wollte ich alles am selben Tag abgehakt haben. Heute sehe ich das entspannt. Mache ich es heute, gut, mache ich es morgen, auch gut. Das entspricht meiner neuen Haltung mir gegenüber, denn ich gebe jetzt mehr Acht auf mich, tue mir bewusst Gutes, nehme mir die Zeit, die ich für mich brauche. Ich stehe jetzt auch zu mir und meinen Gefühlen, muss mir nichts mehr vormachen und kann auch mir gegenüber ehrlicher sein.
Der Weg zu einem stabilen Leben ist freilich ein weiter. Nach der Diagnose schien alles verloren, dann folgte die Therapie, die alles andere als leicht war, und dann bekam ich zum Glück die Mitteilung, dass ich wieder gesund sei. Dieses »Gesund« löste große Euphorie in mir aus, man möchte die ganze Welt umarmen. Doch einige Wochen später passierte etwas, das man vielleicht schwer verstehen kann: Ich fiel in ein tiefes mentales Loch. Gedanken an den Tod überschwemmten mich und ich suchte psychologische Hilfe und fand sie glücklicherweise. Zudem nahm ich Antidepressiva, beides zusammen hat mir wieder auf die Beine geholfen. Jetzt weiß ich, dass der Schock und das Trauma noch nicht überwunden waren und ich dadurch in eine Depression schlitterte. Nun aber bin ich auf gutem Weg und mache Riesenschritte in die richtige Richtung. Heute weiß ich, dass es vielen so ergeht und dass »Geheilt« nicht heißt, dass es einem sofort wieder gut geht. Nach der ersten Euphorie fallen viele in sich zusammen. Und das ist kein Wunder, denn zuerst braucht man seine ganze Kraft, um die Krankheit aus seinem Körper zu bringen und um die Chemo und ihre Folgen zu überstehen. Als das bei mir geschafft war, hatte ich kein Ziel mehr und keinen Anker und ich hatte das Gefühl zu ertrinken. Man kann das alles nur langsam verarbeiten, das dauert Wochen und Monate, es ist ein Weg bestehend aus Höhen und Tiefen. Auch wenn man wieder möglichst schnell in die Normalität zurück will, geht das nicht so einfach, weil das Trauma und die Angst tief sitzen. Das ist nicht wie bei einer Grippe, die nach zwei Wochen wieder weg ist. Das geht tiefer und hinterlässt körperliche und seelische Narben, die gepflegt werden müssen, damit sie heilen können. Man muss sich die Zeit geben, die man braucht, und sollte sich keinen Druck machen, wieder möglichst rasch normal funktionieren zu können.
Ich nehme nun sehr bewusst Veränderungen in meinem Leben vor, habe eine neue Ausbildung begonnen und mache Nageldesign, das ist ein wunderbarer Ausgleich zur Büroarbeit und macht mir viel Spaß. Jetzt habe ich auch das Reiten wiederentdeckt, das gibt mir Kraft, Ausgeglichenheit und wirkt befreiend. Beim Reiten werden auch die Gedanken frei. Aber ich setze mich nicht unter Druck, zu viel zu rasch ändern zu »müssen«, denn das erzeugt Stress und der tut mir nicht gut. Körper und Geist zeigen mir jetzt sofort meine Grenzen auf und ein großes Stoppschild leuchtet auf. Früher habe ich Überforderung nicht so gespürt oder habe die Anzeichen ignoriert, heute achte ich sehr darauf, was mein Körper signalisiert, sonst geht es mir rasch sehr schlecht.
Wenn ich mir mein Leben heute und früher ansehe, kann ich sagen, dass dieses »Leben danach« wirklich wie eine neue Chance für mich ist. Ja, das empfinde ich wirklich so. Eine neue Chance, mein Leben zu verbessern, neue Einsichten zu erlangen und daraus zu lernen. Heute bemerke ich meine Fehler, die ich früher immer wieder begangen habe, und ändere sie. Ich achte auf mich, auf meinen Geist, meine Seele und meinen Körper. Vor der Krankheit habe ich einfach funktioniert, heute lebe ich viel bewusster. Es ist eine enorme Chance, Dinge zu verändern und glücklicher zu leben.
Roswitha Maurhart
Endlich kann ich mich akzeptieren, wie ich bin. Wenn ich mich im Spiegel sehe, kann ich heute sagen: Ja, diese Frau, ohne Haare, das bin ich. Lang hat es gedauert, bis es so weit war. Zu verdanken habe ich den Haarausfall einer Chemotherapie vor mehr als elf Jahren. Ich war 28 Jahre, als ich an Krebs erkrankte, genauer gesagt an Morbus Hodgkin, man kann auch Lymphknotenkrebs dazu sagen. Damals, als ich zum ersten Mal das Wort Krebs hörte, bin ich innerlich gestorben. Ich war total benommen – fix und fertig. Dass der Arzt auch sagte, dass der Krebs zu 95 Prozent heilbar sei, das habe ich da gar nicht richtig registriert. »Warum ich?«, habe ich mich gefragt. Später dann habe ich mich erinnert, dass eine Freundin auch Krebs gehabt hatte und gekämpft hatte und gesund geworden war, da sagte ich mir: »Das kann ich auch.« Gleich nach der Diagnose rief ich meine beste Freundin an und heulte mich aus. Wie ich es meinem damaligen Mann und meiner Mama beibringen sollte, wusste ich nicht, ich habe ihnen dann spontan eine SMS geschrieben. Mein Mann hat es übernommen, meine Bekannten und Freunde über meine Krankheit zu informieren. Ich ließ auch ausrichten, dass mich niemand darauf ansprechen soll, dass ich von mir aus darüber sprechen würde, wenn mir danach wäre. Alle hielten sich daran und das war gut so. So eine Erkrankung zeigt einem ziemlich schnell, wer die wirklich guten Freunde sind und wer die weniger guten. Erstere haben mir wirklich geholfen, Letztere haben nur davon gesprochen. Bedanken möchte ich mich vor allem bei meiner besten Freundin, meinem damaligen Mann und meiner Mama, ihre Unterstützung war wirklich toll. Mittlerweile bin ich seit 2009 von meinem Mann getrennt und habe nun einen tollen Partner an meiner Seite, der mich so liebt wie ich bin, und auch alles akzeptiert, was ich heute so mache.
Die Chemo und die Bestrahlungen habe ich überstanden und ich bin auch gesund geworden, die Nachwirkungen sind mir aber geblieben. Kaum Haare am Kopf, dafür wachsen sie an Stellen, an denen ich sie mir abrasieren muss. Viele Tests und Untersuchungen wurden gemacht, dann hat man aufgegeben und mir gesagt, ich werde mein Haarproblem behalten müssen, für mich als Frau war das sehr schlimm. Ich habe mit meinem Schicksal gehadert und wollte es nicht wahrhaben. Als die Therapie vorbei war, wollte ich wieder arbeiten, ich wollte gebraucht werden, doch ich fand keinen Job, es gab eine Absage nach der anderen. Dann endlich hat mir eine Gartenmöbelfirma eine Chance gegeben und die habe ich genutzt. Zehn Jahre lang habe ich dort gearbeitet, der Chef ist toll und auch die Kollegen, er hat mir die ersten Jahre alle drei Monate einen Vormittag freigegeben, damit ich meine Kontrolluntersuchungen machen konnte. Ich war also eine arbeitende Frau mit Glatze, die diese unter einer Perücke oder Tüchern und Kappen versteckte.
Die Jahre vergingen und ich lebte so vor mich hin. Ohne es zu wollen, habe ich ein Mutter-Teresa-Syndrom entwickelt, ich habe anderen Leuten so viel geholfen, wie es nur ging. Dass ich dabei auf mich selbst vergessen habe, war mir damals nicht bewusst. Meinem allerbesten Freund, dem ich heute sehr dankbar bin, ist vor zwei Jahren aufgefallen, dass es mir nicht gut ging, und er hat damals gesagt: »Du bist nicht mehr du. Ich kann mir das jetzt nicht mehr länger ansehen. Ich stelle dir jetzt jemanden vor.« Und das hat er auch getan. Er hat mich zu einer Energetikerin gebracht und heute muss ich sagen: Das habe ich wirklich gebraucht. Seitdem hat sich in meinem Leben viel verändert. Die Energetikerin heißt Edeltraud Haischberger und ich war von Anfang an von ihr fasziniert. Sie hat mir gesagt, was ich tun soll, damit es mir besser geht, und ich habe alles genauso gemacht, wie sie es vorgeschlagen hat. Zum einen habe ich mir alle Amalgamplomben entfernen lassen und ein Ausleitungsprogramm gemacht, habe mein Bett wegen eines Störfelds umgestellt, so wie es Edeltraud gesagt hat, habe es mit Homöopathie versucht und lasse mich von Heilzeichen und Klangtherapie positiv beeinflussen. All das hat bei mir gewirkt und ich fühlte mich besser und besser. Seit der Chemo waren auch meine Hormone völlig durcheinander und kein Frauenarzt konnte mir helfen. Durch die Hilfe von Edeltraud ist auch das wieder in Ordnung gekommen. Manche glauben, dass das, was Energetiker machen, Hokuspokus ist, ich kann dazu nur sagen: Sollen sie doch glauben, was sie wollen, das ist mir gleich, mir hilft es jedenfalls und das zählt. Ich fühle mich heute wirklich gut und vor allem habe ich ein ganz neues Selbstwertgefühl entwickelt. Das habe ich Edeltrauds Buch »Frau, stell dich auf die Füße!« zu verdanken. Das hat mir geholfen, mich zu verändern und mehr auf mich selbst zu achten. Freilich helfe ich anderen heute auch noch, aber nur mehr, wenn ich es wirklich will. Ich schaue nun auf mich. Meine Freizeit ist mir heute heilig. Ich brauche einige Stunden pro Woche für mich und die nehme ich mir. Durch das Buch habe ich es geschafft, mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Auch dass ich laut Ärzten – dank Chemo – auf normalem Weg keine Kinder bekommen kann, habe ich jetzt endlich akzeptieren können. Vor einigen Jahren haben wir es mit künstlicher Befruchtung versucht und ich wurde gleich beim ersten Versuch schwanger. Das war ein tolles Gefühl, doch in der achten Woche verlor ich unseren Zwerg. Das zu erleben war ganz schlimm für mich und meinen Mann. Später gab es noch einen zweiten Versuch, der gescheitert ist, dann aber sagte ich STOPP, ich halte das körperlich, seelisch und psychisch nicht mehr aus. Heute denke ich, wenn ich doch noch schwanger werden sollte, freue ich mich sehr, wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Ähnlich denke ich jetzt auch im Alltag. Ich mache mir keinen Stress mehr, sondern mache immer mehr, was mir guttut. Das Leben wird so viel bewusster, ich genieße die Dinge und mache die Dinge, anstatt nur von ihnen zu träumen. Wenn ich jetzt auf Urlaub fahren will, mache ich es. Früher hätte ich hin und her überlegt und wäre dann doch zu Hause geblieben, weil es mir zu viel gekostet hätte. Und dann hätte ich gejammert, dass ich mir das nicht leisten kann. Auch das ist vorbei. Jammern gibt es nicht mehr. Jetzt jammern vielleicht manche andere, weil ich mehr auf mich sehe und mich weniger um fremde Bedürfnisse kümmere. Ich gebe zwar noch immer viel, aber nicht mehr 150 Prozent, so wie früher.
Die Jahre der Erkrankung und die Jahre danach waren zwar alles andere als leicht und ich bin oft am Abgrund gestanden, aber mit der Zeit haben sich die Dinge in die richtige Richtung entwickelt. Und jetzt, mithilfe meiner Energetikerin, wird alles noch besser. Und das Wichtigste: Meine Gesundheit ist in Ordnung. Auch wenn mir die Arbeit immer schwerer fällt, so schöne Blutwerte wie jetzt hatte ich noch nie. Ich muss nur mehr alle zwei Jahre zur Kontrolle und gelte längst als geheilt.
Ich weiß, es gibt keine Garantie, dass der Krebs nie wiederkommt, aber meine Ängste vor einem Rezidiv sind nun auch endlich weg. Anfangs wurde ich vor Kontrolluntersuchungen fast wahnsinnig vor Angst, mit der Zeit habe ich mir aber einreden können: »Es kommt dabei nichts heraus, ich habe nichts, ich bin gesund.« Einige Jahre hat es gedauert, bis die Ängste spürbar weniger wurden. Anfangs hatte ich auch immer wieder Angst, wenn ich glaubte, einen Knoten zu spüren, der sich dann glücklicherweise als Muskelverspannung oder ähnlich harmlose Sache herausgestellt hat. Wenn ich heute etwas Verdächtiges bemerke, gehe ich sofort zum Arzt, habe dabei aber eine gewisse Sicherheit, dass alles in Ordnung ist.
Insgesamt begreife ich jetzt mein Leben als neue Chance. Es ist vieles besser geworden. Heute stehe ich endlich zu mir! Heute bin ich stark genug zu zeigen, wer ich bin. Ich habe mich sogar ohne Haare fotografieren lassen, darauf bin ich richtig stolz. Ich habe auch beschlossen, dass es Zeit ist für mich, einen neuen Weg zu gehen und beruflich neu anzufangen. Wohin die Reise gehen wird, weiß ich noch nicht genau. Ob eine Umschulung in einen sozialen Bereich oder sogar eine Ausbildung in die energetische Richtung, ich lasse es auf mich zukommen und starte einfach nochmals neu durch.
Ingrid Poxleitner
Mein Leben hat sich wirklich um 180 Grad gedreht. Wenn ich mich an früher erinnere, an mein unglückliches Leben, an mein Leben vor der Erkrankung, dann darf ich sagen: »Nichts Besseres hätte mir passieren können.« Und das meine ich genauso, wie ich es sage.
Um das zu verstehen, muss ich erst erzählen, was vor sechs Jahren passiert ist. Es war der 11. Juli 2008, als ich erfahren habe, dass ich Brustkrebs habe. Ich habe zuerst gar nicht verstanden, was mir der Arzt da gesagt hat, und habe Tage gebraucht, bis ich es begriffen habe. Drei Wochen später wurde der Tumor an der linken Brust entfernt, die Brust blieb mir Gott sei Dank erhalten. Danach bekam ich Chemo bis zum Dezember und dann Bestrahlung. In der Zeit ging es mir schlecht, das darf ich schon sagen. Dann fuhr ich drei Wochen auf Erholung. In der Zeit während der Chemo ist etwas Wunderbares geschehen, mein erstes Enkerl, ein Mädchen, kam zur Welt. Das war für mich ganz wichtig, denn nun hatte ich einen Grund zu kämpfen. Ich wollte sie unbedingt aufwachsen sehen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich wieder zu leben angefangen habe. Ich habe dann viel gelesen, über Glück und Energie, denn ich wollte etwas finden, das mir guttut, das mich aufbaut. Ich habe mir ein Wunsch-Buch angelegt, das ist ein Buch, in das ich die kleinen und großen Wünsche, die ich mir noch erfüllen möchte, eingetragen habe. Damit habe ich mich an Tagen, an denen es mir während der Behandlung schlecht gegangen ist, in gewisser Weise selbst überlistet, indem ich mich meinen Wünschen gewidmet und mich damit auf eine positive Zukunft fokussiert habe. Mir wurde auch klar, dass ich an meiner Energie arbeiten muss, denn mein Energiefluss ist lange Zeit viel zu wenig gelaufen. Ich habe von einer Energetikerin gehört, die sehr gut sein soll, und habe sie besucht. Sie hat mich mit ihren Händen nur leicht berührt, aber es war, als wäre mir ein Stein durch den Körper gefahren. Ich habe gemerkt, wie sie meine Energie in Schwung gebracht hat, und das hat mich ziemlich verändert. Plötzlich konnte ich über alles sprechen und bin ein offener, positiver Mensch geworden.
Auch mein Äußeres habe ich geändert, ich trage nun kurzes, weißes Haar und bunte Farben. Rot, orange, hellblau, grün. Das macht fröhlich, ganz im Gegensatz zum Grau und Schwarz früherer Jahre.
Sogar die Rückkehr des Krebses 2011 hat mich in meiner positiven Entwicklung nicht stoppen können. Dieses Mal wurde in der rechten Brust ein Knoten gefunden. Zum Glück war er noch verkapselt, dadurch habe ich keine Chemo machen müssen. Die schlechte Nachricht war, dass die Brust abgenommen werden musste, die gute, dass sie wieder aufgebaut werden würde. Ich bin optimistisch gestimmt in den OP-Saal gebracht worden und der Arzt hat gemeint, dass er sich alle seine Patienten so positiv wünschen würde, denn das trage zur Heilung bei. Im Krankenhaus habe ich immer wieder Komplimente bekommen. So auch von der dortigen Psychologin, die sehr zufrieden mit mir war. Die OP dauerte sechs bis sieben Stunden, einen Tag habe ich geweint vor Schmerzen, aber dann war es wieder gut. Ich bin hart im Nehmen. Die OP hat mich nicht aus dem Konzept gebracht, ich habe das Beste aus meiner Situation gemacht. Bald konnte ich wieder Sport machen und in die Natur hinausgehen.
Bedanken möchte ich mich bei meiner ganzen Familie, die die ganze Zeit hinter mir gestanden hat und auch bei meinen vielen Freunden. Ein jeder war für mich da, wenn ich etwas brauchte. Es hat sich herausgestellt, dass, bis auf zwei Ausnahmen, alle Freundschaften echt sind. Anfangs habe ich freilich alle um mich herum aufbauen müssen. Die Familie, die bestürzt war, und die Freunde und Bekannten, die nicht wussten, wie sie mit der Situation umgehen sollten und sich nicht zu fragen getraut haben. Von selbst wusste niemand, wie er die Sache ansprechen soll, so bin also ich auf alle zugegangen und habe ihnen erklärt, es sei alles in Ordnung.