Die Nightshade-Trilogie
Die Wächter
Dunkle Zeit
Die Entscheidung
Calla Tor ist eine Wächterin, eine Kriegerin, die sich nach Belieben in einen Wolf verwandeln kann. Ihre Bestimmung ist es, der Magierkaste der Hüter zu dienen und als Alphawölfin ein neues Rudel von Wächtern anzuführen. Dazu soll sie nach ihrem Schulabschluss den attraktiven Ren Laroche heiraten, den Sohn des rivalisierenden Wächterclans. Doch kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag, an dem sie Ren endgültig versprochen werden soll, rettet Calla dem gut aussehenden Menschenjungen Shay das Leben, als dieser in den Bergen von Colorado von einem Bären angegriffen wird. Um ihn von seinen lebensgefährlichen Verletzungen zu heilen, muss Calla ihm ihre wahre Natur offenbaren – und bricht damit das heiligste Gesetz der Hüter. Als sich kurz darauf herausstellt, dass Shay an ihre Schule gewechselt hat, gerät Callas Gefühlswelt völlig durcheinander. Sie will Ren, den sie seit Kindesbeinen kennt, nicht vor den Kopf stoßen, aber Shay übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie aus, der sie sich nicht entziehen kann. Und er stellt gefährliche Fragen, an die sie bisher noch nicht einmal zu denken wagte. Je mehr Zeit sie mit ihm verbringt, desto stärker beginnt Calla an ihrer Bestimmung zu zweifeln. Zusammen mit Shay kommt sie einem furchtbaren Geheimnis auf die Spur, das ihre Welt aus den Angeln zu heben droht. War alles, woran sie bisher glaubte, eine Lüge? Und ist ihre Liebe zu Shay stark genug, um dafür alles aufs Spiel zu setzen – ihre Freunde, ihre Familie, ihre Zukunft?
Nightshade
Die Wächter
Ins Deutsche übertragen
von Michaela Link
Ein Kampf war mir immer willkommen, obwohl er stets ungebeten meine Leidenschaft weckte.
Das Brüllen des Bären erfüllte meine Ohren. Sein heißer Atem drang mir in die Nase und stachelte meine Blutgier an. Hinter mir konnte ich das raue Keuchen des Jungen hören. Bei dem verzweifelten Geräusch bohrte ich die Krallen in die Erde. Abermals knurrte ich das größere Raubtier an. Sollte es doch wagen, an mir vorbeizukommen.
Was zur Hölle tue ich hier?
Ich riskierte einen Blick auf den Jungen, und mein Puls raste. Er presste sich die rechte Hand auf seinen aufgerissenen Schenkel. Blut strömte ihm zwischen den Fingern hindurch und bildete dunkle Flecken auf seiner Jeans, bis sie aussah wie von schwarzer Farbe gestreift. Die Risse in seinem Hemd enthüllten rote Kratzwunden, die sich über seine Brust zogen. Ein tiefes Knurren sammelte sich in meiner Kehle.
Ich duckte mich, machte mich flach, die Muskeln angespannt, bereit zum Angriff. Der Grizzlybär richtete sich auf den Hinterbeinen auf. Ich wich keinen Fingerbreit zurück.
Calla!
Bryns Ruf erklang in meinem Kopf. Eine geschmeidige, braune Wölfin kam aus dem Wald geschossen und verbiss sich in die ungeschützte Flanke des Bären. Der Grizzly drehte sich und landete auf allen vieren. Speicheltröpfchen flogen aus seinem Maul, als er den Kopf herumwarf, um den unsichtbaren Angreifer zu fassen. Aber Bryn wich blitzschnell aus. Auch seinem Hieb mit den baumstammdicken Beinen entzog sie sich, immer den Bruchteil einer Sekunde schneller als der Bär – und fand noch Zeit, dem Grizzly einen weiteren Biss zuzufügen, ganz so, als wolle sie ihn verhöhnen. Als der Bär mir den Rücken zuwandte, schnellte ich vor und riss ihm ein Stück Fleisch aus der Ferse. Er fuhr zu mir herum; seine Augen rollten in den Höhlen, erfüllt von Schmerz.
Bryn und ich krochen geduckt über den Boden und umkreisten das riesige Tier. Mein Mund war heiß vom Blut des Bären. Ich spannte mich an. Wir setzten unseren immer enger werdenden Tanz fort. Der Blick des Bären folgte uns. Ich konnte die Zweifel riechen, die wachsende Furcht. Ich stieß ein kurzes, scharfes Bellen aus und ließ die Reißzähne aufblitzen. Der Grizzly wandte sich schnaubend ab und tappte in den Wald zurück.
Ich hob die Schnauze und heulte triumphierend. Ein Stöhnen holte mich in die Wirklichkeit zurück. Der Wanderer starrte uns mit großen Augen an. Die Neugier zog mich an seine Seite. Ich hatte meine Herren hintergangen, ihre Gesetze gebrochen. Nur für ihn.
Warum?
Ich ließ den Kopf sinken und schmeckte die Luft. Das Blut strömte dem Wanderer über die Haut und auf den Boden, und der scharfe Geruch nach Kupfer schuf in meinem Bewusstsein einen berauschenden Nebel. Ich kämpfte gegen die Versuchung an, davon zu kosten.
Calla? Bei Bryns erschrockenem Ruf riss ich den Blick von dem am Boden liegenden Wanderer los.
Verschwinde von hier. Ich bleckte die Zähne und sah die kleinere Wölfin an. Sie kroch auf dem Bauch auf mich zu. Dann hob sie die Schnauze und leckte die Unterseite meiner Schnauze.
Was wirst du tun?, fragten ihre blauen Augen mich.
Sie wirkte verängstigt. Ich fragte mich, ob sie dachte, ich würde den Jungen zum Vergnügen töten. Schuld und Scham sickerten durch meine Adern.
Bryn, du darfst nicht hier sein. Geh. Sofort.
Sie jaulte, schlich sich aber davon und verschwand unter den schützenden Kiefern.
Ich stolzierte auf den Wanderer zu. Meine Ohren zuckten vor und zurück. Der Junge rang nach Luft; Schmerz und Entsetzen standen ihm ins Gesicht geschrieben. Tiefe Fleischwunden waren dort zurückgeblieben, wo der Grizzly ihm mit den Krallen Oberschenkel und Brust aufgerissen hatte. Aus den Wunden quoll noch immer Blut. Ich wusste, dass die Blutung nicht aufhören würde. Frustriert über die Zerbrechlichkeit seines menschlichen Körpers knurrte ich.
Der Junge sah aus, als sei er etwa in meinem Alter: siebzehn, vielleicht achtzehn. Braunes Haar mit einem schwachen, goldenen Schimmer fiel ihm wirr ins Gesicht. Einzelne, schweißnasse Strähnen klebten auf Stirn und Wangen. Er war hager, stark – jemand, der sich auf einem Berg zurechtfinden konnte, was er offensichtlich getan hatte. Dieser Teil des Terrains war nur über einen steilen, unwirtlichen Pfad zu erreichen.
Der Geruch von Angst bedeckte ihn und reizte meine raubtierhaften Instinkte, aber darunter lag noch etwas anderes – der Duft von Frühling, von sich entwickelnden Blättern und tauender Erde. Ein Geruch voller Hoffnung und Möglichkeiten. Subtil und verführerisch.
Ich machte noch einen Schritt auf ihn zu. Ich wusste, was ich tun wollte, aber dies würde einen zweiten, noch viel größeren Verstoß gegen das Gesetz der Hüter bedeuten. Der Junge versuchte, sich rückwärts zu bewegen, keuchte aber vor Schmerz auf und fiel auf die Ellbogen. Ich ließ den Blick über sein Gesicht wandern. Sein fein gemeißeltes Kinn und die hohen Wangen zuckten qualvoll. Selbst in diesem Zustand war er schön, seine Muskeln spannten und entspannten sich und offenbarten seine Stärke, den Kampf seines Körpers gegen den bevorstehenden Zusammenbruch, die unterdrückten Schmerzen. Das Verlangen zu helfen verzehrte mich.
Ich kann ihm nicht beim Sterben zusehen.
Ich wechselte die Gestalt, bevor mir klar wurde, dass ich die Entscheidung getroffen hatte. Die Augen des Jungen weiteten sich, als die weiße Wölfin, die ihn gemustert hatte, nicht länger ein Tier war, sondern ein Mädchen mit den goldenen Augen der Wölfin und platinblondem Haar. Ich trat neben ihn und ließ mich auf die Knie fallen. Er zitterte am ganzen Körper. Ich wollte die Hand nach ihm ausstrecken, zögerte jedoch, überrascht zu spüren, dass meine Gliedmaßen bebten. Noch nie hatte ich solche Angst gehabt.
Ein schnarrender Atemzug riss mich aus meinen Gedanken.
»Wer bist du?« Der Junge starrte mich an. Seine Augen hatten die Farbe von Wintermoos, eine zarte Farbe, die zwischen grün und grau schwankte. Einen Moment lang war ich gebannt. Verloren in den Fragen, die sich durch seinen Schmerz in seinen Blick schoben.
Ich hob das weiche Fleisch der Innenseite meines Unterarms an den Mund, zwang allein mit Willenskraft meine Eckzähne, sich zu schärfen, und biss fest zu, bis ich mein Blut auf der Zunge spürte. Dann streckte ich ihm den Arm hin.
»Trink. Nur das kann dich retten.« Meine Stimme war leise, aber fest.
Das Zittern seiner Glieder wurde deutlicher. Er schüttelte den Kopf.
»Du musst«, knurrte ich und zeigte ihm Reißzähne, die noch immer rasiermesserscharf waren. Ich hoffte, dass die Erinnerung an meine wölfische Gestalt ihm einen solchen Schrecken einjagte, dass er sich fügen würde. Aber der Ausdruck auf seinem Gesicht zeigte kein Entsetzen, sondern völliges Erstaunen. Blinzelnd sah ich ihn an und zwang mich, ruhig zu bleiben. Blut lief mir über den Arm und tropfte dunkelrot auf die von Blättern bedeckte Erde.
Als eine Woge neuen Schmerzes ihn überflutete, verzog er das Gesicht und presste die Augen zusammen. Ich drückte meinen blutenden Unterarm auf seine geöffneten Lippen. Die Berührung wirkte elektrisierend, versengte meine Haut, raste durch mein Blut. Ich unterdrückte ein Aufkeuchen angesichts dieser fremdartigen Gefühle, die Staunen und Furcht in mir auslösten.
Der Junge zuckte zusammen, aber ich legte ihm schnell den anderen Arm um den Körper und hielt ihn fest, während mein Blut in seinen Mund strömte. Seine Nähe ließ mein Blut umso heißer werden.
Ich konnte spüren, dass er Widerstand leisten wollte, aber ihm fehlte die Kraft. Ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel. Selbst wenn mein Körper unberechenbar reagierte, wusste ich, dass ich den seinen kontrollieren konnte. Als er die Hände hob, um meinen Arm zu umfassen, schauderte ich. Seine Finger pressten sich auf meine Haut. Der Wanderer atmete jetzt leichter. Langsam, stetig.
Ein Schmerz tief in mir ließ meine Finger zittern. Ich wollte über seine Haut streichen. Wollte die heilenden Wunden spüren und mehr über die Konturen seiner Muskeln erfahren.
Ich biss mir auf die Lippen und kämpfte gegen die Versuchung an. Komm schon, Cal, du weißt es besser. Das bist nicht du.
Ich entzog ihm meinen Arm. Ein enttäuschtes Wimmern drang aus der Kehle des Jungen. Ich wusste nicht, wie ich jetzt, da ich ihn nicht länger berührte, mit dem Gefühl des Verlustes fertigwerden sollte. Finde deine Stärke, benutze die Wölfin. Das ist es, was du bist.
Mit einem warnenden Knurren schüttelte ich den Kopf und riss ein Stück Stoff von dem zerfetzten Hemd des Wanderers, um meine Wunde zu verbinden. Seine moosfarbenen Augen folgten jeder meiner Bewegungen.
Ich rappelte mich hoch und registrierte verblüfft, wie er es mir gleichtat und dabei nur ein klein wenig schwankte. Stirnrunzelnd trat ich zwei Schritte zurück. Er beobachtete mich, dann schaute er auf sein zerrissenes Hemd hinab und befingerte zaghaft die Fetzen seines Hemdes. Als er den Blick hob und mir in die Augen sah, befiel mich ein unerwarteter Schwindel. Er öffnete die Lippen. Ich konnte nicht aufhören ihn anzusehen. Seine Lippen waren voll, geschürzt vor Interesse und ohne die panische Angst, die ich erwartet hatte. Zu viele Fragen flackerten in seinem Blick.
Ich muss weg von hier. »Du wirst zurechtkommen. Verlasse den Berg. Komm nicht noch einmal hierher oder in die Nähe zurück«, sagte ich und wandte mich ab.
Ein Schock durchzuckte meinen Körper, als der Junge mich an der Schulter festhielt. Er wirkte überrascht, aber überhaupt nicht ängstlich. Das war nicht gut. Hitze schoss über meine Haut, wo seine Finger mich berührten. Ich wartete einen Moment zu lange, beobachtete ihn, prägte mir seine Züge ein, bevor ich knurrte und seine Hand abschüttelte.
»Warte …«, sagte er und machte noch einen Schritt auf mich zu.
Was, wenn ich warten konnte, wenn ich in diesem Moment mein Leben anhielt? Was, wenn ich noch ein klein wenig mehr Zeit stahl und mir einen Vorgeschmack von dem erlaubte, was so lange verboten gewesen war? Wäre es denn so falsch? Ich würde diesen Fremden nie wiedersehen. Was konnte es schaden, hier ein wenig zu verweilen, stillzuhalten und zu erfahren, ob er versuchen würde, mich so zu berühren, wie ich es mir wünschte?
Sein Duft verriet mir, dass ich mit meinen Gedanken nicht ganz falsch lag; seine Haut verströmte den Geruch von Adrenalin und den Moschusduft, der Verlangen offenbarte. Ich hatte diese Begegnung zu lange andauern lassen, war weit über die Grenze dessen hinausgegangen, was sicher war. Mit nagendem Bedauern ballte ich die Faust. Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß, schätzte ihn ab, erinnerte mich an das Gefühl seiner Lippen auf meiner Haut. Er lächelte zögernd.
Genug.
Ein einziger Schlag aufs Kinn genügte. Er fiel zu Boden und blieb reglos liegen. Ich bückte mich, nahm den Jungen auf die Arme und warf mir seinen Rucksack über die Schulter. Der Duft von grünen Wiesen und von Tau geküssten Bäumen überflutete mich mit dem seltsamen Schmerz, der tief in meinem Körper wohnte, eine physische Erinnerung an meinen Beinaheverrat. Die Schatten des Zwielichts streiften schon den Berg, aber ich würde den Jungen bis zum Einbruch der Dunkelheit unten haben.
Nicht weit von dem munteren Bach, der die Grenze des Heiligtums bildete, parkte ein einsamer, zerbeulter Pick-up. Entlang des Bachufers standen schwarze Schilder mit leuchtend orangefarbener Aufschrift: BETRETEN VERBOTEN. PRIVATBESITZ.
Der Ford Ranger war unverschlossen. Ich riss die Tür auf und trennte sie dabei um ein Haar von dem rostzerfressenen Wagen. Dann bettete ich den schlaffen Körper des Jungen auf den Fahrersitz. Sein Kopf fiel nach vorn, und ich bemerkte die dunklen Umrisse einer Tätowierung in seinem Nacken. Ein schwarzes, seltsam gezeichnetes Kreuz.
Ein Eindringling. Und tätowiert, wie es der letzte Schrei ist. Gott sei Dank, dass ich etwas an ihm gefunden habe, das mir nicht gefällt.
Ich warf seinen Rucksack auf den Beifahrersitz und knallte die Tür zu. Immer noch zitternd vor Frustration nahm ich Wolfsgestalt an und sprang zurück in den Wald. Der Geruch des Jungen klebte an mir und vernebelte meine Entschlossenheit. Ich nahm Witterung auf und zuckte zusammen, denn ein neuer Geruch machte mir meinen Verrat aufs Schärfste bewusst.
Ich weiß, dass du hier bist. Ein Knurren begleitete meinen Gedanken.
Bist du okay? Bryns klägliche Frage trieb die Furcht nur umso härter in meine zitternden Muskeln. Im nächsten Moment rannte sie neben mir her.
Ich habe dir gesagt, dass du gehen sollst. Ich bleckte die Zähne, konnte jedoch meine plötzliche Erleichterung über ihre Anwesenheit nicht leugnen.
Ich könnte dich niemals im Stich lassen. Bryn hielt mühelos Schritt. Und du weißt, dass ich dich niemals verraten werde.
Ich beschleunigte das Tempo und schoss zwischen den dunkler werdenden Schatten des Waldes umher. Es hatte keinen Zweck, der Furcht davonzulaufen, also wechselte ich die Gestalt und stolperte vorwärts, bis ich den festen Druck eines Baumstamms fand. Doch das Kratzen der Borke auf meiner Haut konnte das Gekribbel in meinem Kopf nicht beenden.
»Warum hast du ihn gerettet?«, fragte sie. »Menschen bedeuten uns nichts.«
Ich hielt weiter mit beiden Armen den Baum umfangen, drehte jedoch die Wange zur Seite, damit ich Bryn ansehen konnte. Das kleine, drahtige Mädchen, das nun nicht länger ihre Wolfsgestalt trug, hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Mit schmalen Augen wartete es auf eine Antwort.
Ich blinzelte, aber ich konnte dem brennenden Gefühl keinen Einhalt gebieten. Zwei Tränen rollten mir heiß und unerwünscht über die Wangen.
Bryns Augen weiteten sich. Ich weinte niemals. Nicht, wenn irgendjemand dabei war.
Ich wandte das Gesicht ab, aber ich konnte spüren, dass sie mich beobachtete, lautlos und ohne zu urteilen. Ich hatte keine Antworten. Weder für Bryn noch für mich selbst.
Als ich die Tür zu meinem Elternhaus öffnete, schlug mir der Geruch der Besucher entgegen, und ich erstarrte. Es roch nach gealtertem Pergament und feinem Wein: Lumine Nightshades Duft verströmte eine aristokratische Eleganz. Doch ihre Wachen erfüllten das Haus mit einem unerträglichen Gestank nach kochendem Pech und verbranntem Haar.
»Calla!« Lumines Stimme troff von Honig.
Ich wand mich und versuchte, mich zu sammeln, bevor ich mit zusammengepressten Lippen in die Küche ging. Wenn ich diese Kreaturen schon riechen musste, wollte ich sie nicht auch noch schmecken.
Lumine saß am Tisch dem derzeitigen Alpha ihres Rudels gegenüber, meinem Vater. In tadelloser Haltung verharrte sie vollkommen reglos. Die schokoladenbraunen Locken hatte sie zu einem Knoten im Nacken frisiert. Sie trug ihr typisches, makellos ebenholzschwarzes Kostüm, dazu eine gestärkte weiße Bluse mit hohem Kragen. Zwei Larven, gespensterhafte Wesen der Unterwelt, flankierten sie und ragten schattengleich direkt hinter ihren schmalen Schultern auf.
Ich zog die Wangen ein, so dass ich von innen darauf beißen konnte. Es war das Einzige, das mich daran hinderte, ihren Leibwächtern gegenüber die Zähne zu blecken.
»Nimm Platz, meine Liebe.« Lumine deutete auf einen Stuhl.
Ich zog den Stuhl dicht neben meinen Vater und kauerte mich eher darauf, als dass ich mich setzte. In der Nähe der Larven konnte ich mich nicht entspannen.
Weiß sie bereits von dem Verstoß? Ist sie hier, um meine Hinrichtung anzuordnen?
»Von der Wartezeit ist kaum mehr als ein Monat übrig geblieben, meine Hübsche«, murmelte sie. »Freust du dich auf deine Vereinigung?«
Ich stieß den Atem aus, von dem mir gar nicht bewusst gewesen war, dass ich ihn angehalten hatte.
»Sicher«, antwortete ich.
Lumine legte die Fingerspitzen vor dem Gesicht zusammen.
»Ist das das einzige Wort, das dir zu deiner Glück verheißenden Zukunft einfällt?«
Mein Vater lachte bellend. »Calla ist nicht so romantisch wie ihre Mutter, Mistress.«
Sein Tonfall war ungebrochen selbstbewusst, aber sein Blick fiel auf mich. Mit der Zunge fuhr ich mir über die Eckzähne, die sich in meinem Mund schärften.
»Ich verstehe«, sagte sie, während sie mich von oben bis unten musterte.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Stephen, Sie sollten sie bessere Manieren lehren. Ich erwarte von meinen Alphaweibchen eine gewisse Finesse. Naomi verkörpert dieses Ideal stets mit größter Anmut.«
Sie beobachtete mich weiter, so dass ich nicht die Zähne blecken konnte, wie ich es gern getan hätte.
Finesse, so eine Scheiße. Ich bin eine Kriegerin, nicht deine Kindsbraut.
»Ich dachte, die Verbindung würde dich vielleicht freuen, mein liebes Mädchen«, sagte sie. »Du bist eine wunderschöne Alpha. Und es hat noch keinen Bane-Rüden wie Renier gegeben. Selbst Emile gesteht das ein. Die Vereinigung lässt für uns alle Gutes hoffen. Du solltest dankbar dafür sein, einen solchen Gefährten zu haben.«
Ich biss die Zähne aufeinander und blickte ihr in die Augen, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ich respektiere Ren. Er ist ein Freund. Wir werden gut miteinander zurechtkommen.«
Ein Freund … sozusagen. Ren sieht mich an, als sei ich eine Keksdose, und es würde ihm nichts ausmachen, wenn man ihn mit der Hand darin ertappte. Und er ist nicht derjenige, der für diesen Diebstahl zahlen würde. Obwohl mir vom ersten Tag unseres Verlöbnisses an die Bedingungen bekannt gewesen waren, hatte ich nicht gedacht, dass es so schwierig werden würde, in unserer Beziehung den Polizisten zu spielen. Denn Ren hielt sich nicht gern an die Regeln. Er war gerade verführerisch genug, um in mir die Frage zu wecken, ob es das Risiko vielleicht wert wäre, ihm einen Vorgeschmack zu gewähren.
»Gut?«, wiederholte Lumine. »Aber begehrst du den Jungen? Emile wäre maßlos wütend bei dem Gedanken, dass du über seinen Erben spotten könntest.« Sie trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
Ich starrte zu Boden und verfluchte die Flammen, die über meine Wangen rasten. Was zur Hölle spielt Begehren für eine Rolle, wenn mir nicht gestattet ist, diesem Begehren nachzugeben? In diesem Moment hasste ich sie.
Mein Vater räusperte sich. »Mistress, die Vereinigung ist seit der Geburt der Kinder ausgemachte Sache. Die Rudel Nightshade und Bane halten daran fest. Ebenso wie meine Tochter und Emiles Sohn.«
»Wie gesagt, wir werden gut miteinander auskommen«, flüsterte ich. Die Andeutung eines Knurrens verließ mit diesen Worten meine Kehle.
Perlendes Gelächter lenkte meinen Blick wieder auf die Hüterin. Während sie beobachtete, wie ich mich wand, fand Lumine ihr herablassendes Lächeln wieder. Ich funkelte sie an, nicht länger imstande, meine Entrüstung im Zaum zu halten.
»In der Tat.« Ihr Blick wanderte zu meinem Vater. »Die Zeremonie darf nicht unterbrochen oder hinausgezögert werden. Unter keinen Umständen.«
Sie erhob sich und streckte die Hand aus. Mein Vater drückte kurz die Lippen auf ihre bleichen Finger. Dann wandte sie sich an mich. Widerstrebend legte ich meine Hand auf ihre pergamentähnliche Haut und versuchte, nicht daran zu denken, wie gern ich sie beißen würde.
»Alle würdigen Weibchen haben Finesse, meine Liebe.« Sie berührte meine Wangen und ließ die Nägel hart genug über mein Fleisch kratzen, dass ich zusammenzuckte.
Mein Magen schlingerte.
Als sie ging, klackerten ihre Stiletto-Absätze mit einem scharfen Stakkato über die Fliesen. Die Larven wehten hinter ihr her, und ihre Lautlosigkeit war beunruhigender als der nervtötende Rhythmus von Lumines Schritten. Ich zog die Knie an die Brust und bettete die Wange darauf. Bis ich das Zuschlagen der Haustür hörte, hielt ich den Atem an.
»Du bist schrecklich angespannt«, bemerkte mein Vater. »Ist auf der Patrouille etwas vorgefallen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass ich Larven hasse.«
»Wir alle hassen Larven.«
Ich zuckte die Achseln. »Warum war sie überhaupt hier?«
»Um über die Vereinigung zu sprechen.«
»Du machst Witze.« Ich runzelte die Stirn. »Nur wegen mir und Ren?«
Müde strich sich mein Vater mit der Hand über die Augen. »Calla, es wäre hilfreich, wenn du die Vereinigung nicht wie einen Reifen behandeln würdest, durch den du springen sollst. Es geht um weit mehr als ›nur um dich und Ren‹. Es ist seit Jahrzehnten kein neues Rudel mehr gebildet worden. Die Hüter sind nervös.«
»Tut mir leid«, sagte ich, ohne es so zu meinen.
»Es soll dir nicht leidtun. Du sollst es ernst nehmen.«
Ich richtete mich höher auf.
»Emile war heute auch schon hier.« Er verzog das Gesicht.
»Was?!«, stieß ich hervor. »Warum?«
Ich konnte mir kein zivilisiertes Gespräch zwischen Emile Laroche und seinem rivalisierenden Alpha vorstellen.
Die Stimme meines Vaters war kalt. »Aus dem gleichen Grund wie Lumine.«
Ich vergrub das Gesicht in den Händen, und einmal mehr standen meine Wangen in Flammen.
»Calla?«
»Entschuldige, Dad«, sagte ich und schluckte meine Verlegenheit herunter. »Es ist nur so, dass Ren und ich gut miteinander zurechtkommen. Wir sind Freunde, sozusagen. Wir wissen seit langer Zeit, dass die Vereinigung kommen wird. Ich sehe nicht, dass es dabei irgendwelche Schwierigkeiten geben sollte. Und wenn Ren welche sieht, wäre mir das neu. Aber diese ganze Prozedur wäre viel einfacher, wenn alle endlich Ruhe gäben. Der Druck hilft nicht gerade.«
Er nickte. »Willkommen in deinem Leben als Alpha. Der Druck hilft nie. Und er lässt nie nach.«
»Na toll.« Ich seufzte und erhob mich von meinem Stuhl. »Ich habe Hausaufgaben.«
»Dann gute Nacht«, sagte er leise.
»Nacht.«
»Und, Calla?«
»Ja?« Ich blieb auf der untersten Treppenstufe stehen.
»Sei nett zu deiner Mutter.«
Stirnrunzelnd ging ich die Treppe hinauf. Als ich an die Tür zu meinem Zimmer kam und sah, was los war, kreischte ich auf. Überall lagen verstreute Kleider. Auf meinem Bett, auf dem Boden und selbst auf dem Nachttisch und der Lampe hingen einige Kleidungsstücke.
»Das geht auf gar keinen Fall!« Meine Mutter zeigte anklagend mit dem Finger auf mich.
»Mom!«
Sie hielt mir eins meiner alten Lieblings-T-Shirts, von einer Tournee der Pixies in den Achtzigern, vor die Nase.
»Besitzt du irgendetwas Schönes?« Sie wedelte entrüstet mit dem anstößigen T-Shirt herum.
»Was heißt für dich schön?«, gab ich zurück.
Ich schluckte ein Stöhnen herunter und hielt Ausschau nach den Kleidern, die ich auf jeden Fall beschützen wollte, dann setzte ich mich auf ein Kapuzensweatshirt mit dem Slogan »Republikaner für Voldemort«.
»Spitze? Seide? Kaschmir?«, fragte Naomi. »Irgendetwas, das nicht aus Jeansstoff oder Baumwolle ist?«
Sie wrang das T-Shirt der Pixies in den Händen, und ich wand mich.
»Weißt du, dass Emile heute hier war?« Ihr Blick wanderte über das Bett, um den Kleiderhaufen abzuschätzen.
»Dad hat es erzählt«, antwortete ich leise, aber innerlich schrie ich.
Ich strich mit den Fingern über die Haarsträhne, die mir über die Schulter hing, und schob mir deren Ende zwischen die Zähne.
Meine Mutter schürzte die Lippen und ließ das T-Shirt fallen, damit sie meine Finger aus dem verdrehten Haar ziehen konnte. Dann seufzte sie, nahm direkt hinter mir auf dem Bett Platz und zog das Gummiband aus dem Ende des Zopfes.
»Und dein Haar.« Sie kämmte mit den Fingern die Wellen aus. »Ich verstehe nicht, warum du es ständig zusammenbindest.«
»Es ist zu viel«, sagte ich. »Es ist mir im Weg.«
Ich hörte, wie die Kronleuchterohrringe meiner Mutter klimperten, als sie den Kopf schüttelte. »Meine entzückende Blume. Du darfst deine Vorzüge nicht länger verstecken. Du bist jetzt eine Frau.«
Angewidert ächzend rollte ich mich übers Bett, raus aus ihrer Reichweite.
»Ich bin keine Blume.« Ich schob den Vorhang aus Haar hinter meine Schultern. Aus dem Zopf befreit, fiel es mir schwer und lästig über den Rücken.
»Aber genau das bist du, Calla.« Sie lächelte. »Meine schöne Lilie.«
»Es ist nur ein Name, Mom.« Ich begann meine Sachen zusammenzufalten. »Er macht nicht aus, wer ich bin.«
»Er macht sehr wohl aus, wer du bist.« Der warnende Unterton in ihrer Stimme ließ mich aufhorchen. »Hör auf, das zu tun. Es ist nicht notwendig.«
Meine Hände, mit denen ich gerade ein T-Shirt gepackt hatte, erstarrten. Sie wartete, bis ich das halb zusammengefaltete Shirt wieder auf die Tagesdecke gelegt hatte. Ich wollte etwas sagen, aber meine Mutter gebot mir mit erhobener Hand zu schweigen.
»Das neue Rudel bildet sich nächsten Monat. Du wirst die Alphawölfin sein.«
»Das weiß ich.« Ich kämpfte gegen den Drang an, sie mit schmutzigen Socken zu bewerfen. »Das weiß ich, seit ich fünf Jahre alt bin.«
»Und jetzt wird es Zeit, dass du anfängst, dich auch so zu benehmen«, erwiderte sie. »Lumine macht sich Sorgen.«
»Ja, ich weiß. Finesse. Sie will Finesse.« Ich wollte würgen.
»Und Emile macht sich darüber Sorgen, was Renier will«, fuhr sie fort.
»Was Ren will?«, fragte ich und zuckte zusammen, weil meine Stimme so schrill klang.
Meine Mutter nahm einen meiner BHs vom Bett. Er war aus schlichter, weißer Baumwolle – die einzige Art von BH, die ich besaß.
»Wir müssen an die Vorbereitungen denken. Trägst du irgendwelche anständige Unterwäsche?«
Das Brennen in meinen Wangen begann von Neuem. Ich fragte mich, ob exzessives Erröten zu dauerhafter Einfärbung der Haut führen konnte.
»Ich will nicht darüber reden.«
Sie beachtete mich nicht, sondern murmelte leise vor sich hin, während sie meine Sachen zu Stapeln sortierte. Und da sie mir befohlen hatte aufzuhören, Kleidungsstücke zusammenzufalten, konnte ich nur vermuten, dass es Stapel für die Kategorien »akzeptabel« und »Müll« waren.
»Er ist ein Alpha und der beliebteste Junge an der Schule. Zumindest nach allem, was mir zugetragen wurde.« Ein sehnsüchtiger Unterton schlich sich in ihre Stimme. »Ich bin davon überzeugt, dass er an gewisse Aufmerksamkeiten vonseiten der Mädchen gewöhnt ist. Wenn deine Zeit kommt, musst du bereit sein, ihm zu gefallen.«
Ich schluckte saure Galle herunter, bevor ich wieder sprechen konnte.
»Mom, ich bin auch ein Alpha, erinnerst du dich?«, sagte ich. »Ren braucht mich, um Rudelführer zu sein. Er will mich als Kriegerin, nicht als Captain der Cheerleader.«
»Renier braucht eine Gefährtin, die sich auch wie eine benimmt. Nur weil du eine Kriegerin bist, bedeutet das nicht, dass du nicht auch verführerisch sein kannst.« Ihr scharfer Tonfalls schnitt mir ins Herz.
»Cal hat Recht, Mom«, meldete mein Bruder sich zu Wort. »Ren will keine Cheerleaderin. Er ist während der letzten vier Jahre schon mit allen gegangen. Wahrscheinlich langweilen sie ihn inzwischen zu Tode. Meine große Schwester wird ihn zumindest in Schwung halten.«
Ich drehte mich zu Ansel um, der am Türrahmen lehnte. Er ließ den Blick durch den Raum gleiten.
»Donnerwetter, Hurrikan Naomi schlägt zu und hinterlässt keine Überlebenden.«
»Ansel«, blaffte meine Mutter, die Hände in die Hüften gestemmt. »Bitte gewähre deiner Schwester und mir ein wenig Privatsphäre.«
»Entschuldige, Mom.« Ansel grinste immer noch. »Aber Barrett und Sasha warten unten auf dich, damit du sie auf der Nachtpatrouille begleitest.«
Ihre Lider flatterten vor Überraschung. »Ist es schon so spät?«
Ansel zuckte die Achseln, und als meine Mutter sich abwandte, zwinkerte er mir zu. Ich musste mir eine Hand vor den Mund halten, um mein Lächeln zu verbergen.
Sie seufzte. »Calla, ich meine es ernst. Ich habe einige neue Kleider in deinen Schrank gehängt, und ich erwarte von dir, dass du anfängst, sie zu tragen.«
Ich öffnete den Mund zum Widerspruch, aber sie fiel mir ins Wort.
»Neue Kleider ab morgen, oder ich werfe all deine T-Shirts und zerrissenen Jeans weg. Ende der Diskussion.«
Sie erhob sich und rauschte aus dem Raum, die Röcke wirbelten ihr nur so um die Waden. Als ich hörte, dass sie die Treppe erreicht hatte, gestattete ich mir ein langes Stöhnen und warf mich aufs Bett. Der Stapel T-Shirts war praktisch, um den Kopf darin zu vergraben. Ich fühlte mich versucht, Wolfsgestalt anzunehmen und das Bett in Stücke zu reißen. Aber das würde mir mit Sicherheit Stubenarrest eintragen. Außerdem gefiel mir mein Bett, und im Augenblick war es eins der wenigen Dinge, die meine Mutter nicht wegzuwerfen drohte.
Die Matratze knarrte. Ich stützte mich auf die Ellbogen und sah Ansel an. Er hatte sich auf die Ecke des Bettes gehockt.
»Eine weitere herzerwärmende Sitzung, um das Mutter-Tochter-Band zu stärken?«
»Du weißt ja.« Ich rollte mich auf den Rücken.
»Bist du okay?«, fragte er.
»Ja.« Ich legte die Hände an die Schläfen und versuchte, einen frischen, pulsierenden Kopfschmerz wegzumassieren.
»Also …«, begann Ansel. Ich drehte mich um, damit ich ihn ansehen konnte. Sein neckisches Lächeln war verschwunden.
»Also was?«
»Wegen Ren …« Seine Stimme klang plötzlich belegt.
»Spuck’s aus, An.«
»Magst du ihn? Ich meine, richtig?«, platzte er heraus.
Ich hielt mir die Arme vor die Augen und sperrte das Licht aus.
»Nicht du auch noch.«
Er kroch auf mich zu.
»Es ist nur so«, sagte er. »Wenn du nicht mit ihm zusammen sein willst, solltest du nicht mit ihm zusammen sein.«
Unter meinen Armen riss ich die Augen auf. Einen Moment lang konnte ich nicht atmen.
»Wir könnten weglaufen. Ich würde bei dir bleiben«, fügte Ansel so leise hinzu, dass es kaum zu hören war.
Ich richtete mich kerzengerade auf.
»Ansel«, flüsterte ich. »So etwas darfst du niemals sagen. Du weißt nicht, was … lass es einfach gut sein, okay?«
Er zwirbelte die Decke. »Ich will, dass du glücklich bist. Du scheinst sauer auf Mom zu sein.«
»Ich bin sauer auf Mom, aber dabei geht es um Mom, nicht um Ren.« Ich zog die Finger durch die langen Wellen, die sich über meine Schultern ergossen, und dachte daran, mir den Kopf zu rasieren.
»Du bist also einverstanden damit? Einverstanden, Rens Gefährtin zu sein?«
»Ja. Ich bin einverstanden damit.« Ich streckte die Hand aus und zerzauste sein sandbraunes Haar. »Außerdem wirst du Teil des neuen Rudels sein. Ebenso wie Bryn, Mason und Fey. Mit euch als Rückhalt werden wir Ren in Schach halten.«
»Zweifellos.« Er grinste.
»Und kein Wort zu irgendjemandem, was das Weglaufen angeht. An, das ist völlig daneben. Wann bist du überhaupt so ein Freidenker geworden?« Ich kniff die Augen zusammen.
Er bleckte die geschärften Eckzähne. »Ich bin dein Bruder, richtig?«
»Also ist deine verräterische Natur meine Schuld?« Ich versetzte ihm einen Hieb vor die Brust.
»Alles, was ich wissen muss, habe ich von Cal gelernt.«
Er stand auf und begann auf dem Bett zu springen. Ich ließ mich von seinen Sprüngen an den Rand des Bettes federn, rollte dann herunter und landete mühelos auf den Fußballen. Dann packte ich den Saum der Decke und riss scharf daran. Ansel fiel lachend auf den Rücken und prallte noch einmal von der Matratze hoch, bevor er still liegen blieb.
»Ich meine es ernst, Ansel. Kein Wort.«
»Keine Sorge, Schwesterchen. Ich bin nicht blöd. Ich würde die Hüter niemals verraten«, sagte er. »Es sei denn, du würdest mich darum bitten … Alpha.«
Ich versuchte zu lächeln. »Danke.«