Auswahl aus des Teufels Papieren

 

Jean Paul

 

 

 

 

Inhalt:

 

 

Jean Paul – Biografie und Bibliografie

 

Auswahl aus des Teufels Papieren

 

Nöthiges Aviso vom Juden Mendel

Vorrede

 

Erste Zusammenkunft mit dem angenehmen Leser

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

 

Zweite Zusammenkunft mit dem Leser

 

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

 

Dritte Zusammenkunft mit dem eben so müden als beliebten Leser

 

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

 

Vorerinnerung für die Leser der sämmtlichen Werke

(Geschrieben im Oktober 1825)

 

 

 

 

Auswahl aus des Teufels Papieren, Jean Paul

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849632991

 

www.jazzybee-verlag.de

admin@jazzybee-verlag.de

 

 

 

Jean Paul – Biografie und Bibliografie

 

Eigentlich Jean Paul Friedrich Richter, unter dem Namen Jean Paul berühmt gewordener Schriftsteller, geb. 21. März 1763 in Wunsiedel als Sohn eines Rektors und Organisten, gest. 14. Nov. 1825 in Bayreuth, verbrachte seine Kindheitsjahre, seit 1765, in dem Dorfe Joditz bei Hof, besuchte erst seit 1776 in dem nahen Schwarzenbach, wohin sein Vater versetzt worden war, regelmäßig die Schule, gewann aber die wesentlichsten Anregungen aus einer von früh an lebhaft, freilich auch wahllos betriebenen Lektüre, über die er in dicken Folianten ausführliche Auszüge eintrug. Um Ostern 1779 bezog er das Gymnasium in Hof. Durch den bald darauf erfolgten Tod des Vaters und der Großeltern geriet er mehr und mehr in materielle Bedrängnis, die ihn aber nicht hinderte, Ostern 1781 die Universität Leipzig zu besuchen, um Theologie zu studieren. Doch nahm er es mit den Studien (nur der Philosoph Platner fesselte ihn eine Weile) nicht sehr ernst und wandte sich bald ausschließlich der literarischen Tätigkeit zu, durch die er sich auch leichter über die äußere Not hinweghelfen zu können hoffte. Von bekannten Schriftstellern wirkten jetzt außer Hippel, der schon auf der Schule sein Lieblingsautor gewesen war, Rousseau und die englischen Humoristen und Satiriker stark auf ihn ein. Für sein erstes Buch, das nach des Erasmus' »Encomium moriae« verfaßte »Lob der Dummheit«, in dem er die Dummheit redend einführt, fand er keinen Verleger (es wurde erst lange nach Jean Pauls Tode bekannt). Besser ging es den des Dichters Eigenart schon deutlich verratenden »Grönländischen Prozessen«, die wenigstens einen Verleger fanden (Berl. 1783), wenn sie auch von dem Publikum und der Kritik sehr kühl aufgenommen wurden. Um den drängenden Gläubigern zu entrinnen, begab sich R. Ende 1784 heimlich von Leipzig hinweg und traf vom Frost erstarrt in Hof bei der Mutter ein, von wo es ihm auch in den nächsten Jahren nicht gelingen wollte, literarische Beziehungen anzuknüpfen, die seiner Not hätten ein Ende machen können. Erst zu Anfang 1787 bot sich dem Dichter wenigstens ein Unterkommen als Hauslehrer dar, er übernahm den Unterricht eines jüngeren Bruders seines Freundes Örthel in Töpen. Seine dortige Stellung war jedoch unbehaglich, und schon im Sommer 1789 kehrte er nach Hof zurück. Inzwischen schrieb er neue Satiren u. d. T.: »Auswahl aus des Teufels Papieren« (Gera 1789), die ebenso wenig Aufsehen erregten wie Jean Pauls Erstlingswerk. Im März 1790 übernahm er aufs neue ein Lehramt. Einige Familien in Schwarzenbach beriefen ihn zum Unterricht ihrer Kinder, und jetzt betrieb der Dichter sein Amt in angenehmen persönlichen Verhältnissen mit wahrhaft begeisterter Freudigkeit. Die Sonntagsbesuche in Hof gewährten erquickliche Erholung, und in dem damals mit seinem dortigen Freund Otto immer inniger geschlossenen Herzensbund erwuchs ihm ein köstlicher Besitz für sein ganzes späteres Leben. Um jene Zeit entstanden einige kleinere Humoresken: »Die Reise des Rektors Fälbel und seiner Primaner«, »Des Amtsvogts Freudels Klaglibell über seinen verfluchten Dämon« und das »Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auenthal«. Sogleich nach Vollendung des »Wuz« begann R. einen großen Roman, dessen Plan ihn schon länger beschäftigte. Während der Arbeit zwar verflüchtigte sich der ursprüngliche Plan, die »Unsichtbare Loge« (Berl. 1793, 2 Bde.) blieb unvollendet; »eine geborne Ruine« nannte der Dichter selbst sein Werk, in dem neben einzelnen unvergleichlich schönen Stellen bereits die ganze Unfähigkeit Jean Pauls zu plastischer Gestaltung, die maßlose Überwucherung der phantastischen Elemente und alles, was sonst den reinen Genuß an seinen Dichtungen stört, zutage trat. Gleichwohl bildet das Erscheinen des Buches in Jean Pauls Leben einen Wendepunkt günstigster Art. Im Herbst 1792 legte er seine Hand an ein neues Werk, den »Hesperus« (Berl. 1795), der sich gleich der »Unsichtbaren Loge« eines großen Erfolgs beim Publikum erfreute. Seit dem Frühling 1794 wieder in Hof bei der Mutter weilend, schrieb er in den nächstfolgenden Jahren: »Das Leben des Quintus Fixlein« (Bayr. 1796), ein humoristisches Idyll wie das »Leben Wuz'«, nur in breiterer Anlage; die »Biographischen Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin« (Berl. 1796), ein Romantorso mit satirischem Anhang; die »Blumen-, Frucht- und Dornenstücke, oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten Siebenkäs« (das. 1796–97, 4 Bde.), in gewissem Sinne die beste Schöpfung des Dichters, der in den Persönlichkeiten des sentimentalen Siebenkäs und des satirischen Leibgeber die entsprechenden Elemente seiner eignen Natur zu verkörpern versuchte. Noch während der Arbeit an dem letztgenannten Roman empfing Jean Paul eine briefliche Einladung nach Weimar, von weiblicher Hand geschrieben. In der Ilmstadt, meldete die Briefstellerin, die sich Natalie nannte (welchen Namen der Dichter alsbald einer Gestalt im »Siebenkäs« anheftete), seien die besten Menschen von Jean Pauls Werken entzückt. Ohne Verzug folgte dieser dem Ruf. Seine Aufnahme übertraf alle seine Erwartungen; vor allen andern begegnete ihm Charlotte v. Kalb (die pseudonyme Briefschreiberin) mit glühender Verehrung. Jean Paul hat von ihr manche Züge für die Schilderung der hypergenialen Linda im »Titan« entlehnt. Zurückhaltender empfingen Goethe und Schiller den Hesperusverfasser, der sich in Weimar meist im Kreis des ihm wahlverwandten Herder bewegte. In jene Zeit fallen die Anfänge des »Titan«, die Abfassung des »Jubelsenior« (Leipz. 1797) und die Schrift »Das Kampanertal, oder: Die Unsterblichkeit der Seele« (Erfurt 1798). Im Sommer 1797 trat eine neue weibliche Gestalt auf die Lebensbühne des Dichters, Emilie v. Berlepsch, eine junge und schöne Witwe, mit der Jean Paul eine Reihe wunderlich exaltierter Szenen durchmachte. Fast hätte eine (vermutlich unglückliche) Heirat den dramatischen Abschluß gebildet. Im Oktober 1797 führte eine Reise nach Leipzig den nun berühmt Gewordenen auf den Schauplatz seiner einstigen Kümmernis, und jetzt drängten sich die Bewunderer um ihn. 1798 folgte auf Einladung der Herzogin Amalie ein abermaliger Besuch in Weimar. Nach einem kurzen Aufenthalt in Hildburghausen (Frühjahr 1799), wo er vom Herzog den Titel eines Legationsrats erhielt, ging Jean Paul nach Berlin, in der Absicht, sich dort dauernd niederzulassen. Im Mai 1801 verheiratete er sich daselbst mit der Tochter des Tribunalrats Meyer, aber eine vom König erbetene Versorgung blieb versagt. Von den damals entstandenen Werken sind hervorzuheben: »Palingenesien« (Gera 1798, 2 Bde.); »Jean Pauls Briefe und bevorstehender Lebenslauf« (das. 1799; unter den hier vereinigten kleinern Aufsätzen seien erwähnt: »Der doppelte Schwur der Besserung« und die »Neujahrsnacht eines Unglücklichen«) und die »Clavis Fichtiana« (Erfurt 1800), eine Satire auf den Fichteschen Idealismus; er widmete sie F. H. Jacobi, den er als den größten Philosophen der Zeit bewunderte. In Berlin behagte es dem Dichter nicht auf die Dauer; bald nach seiner Hochzeit nahm er seinen Wohnsitz in Meiningen, wo er zum Herzog Georg in vertraute Beziehungen trat und den »Titan« (Berl. 1800–03, 4 Bde.) vollendete. Doch schon im Mai 1803 verließ er Meiningen wieder und siedelte sich nach kurzem Aufenthalt zu Koburg in Bayreuth an, wo er bis zu seinem Tode wohnen blieb. Das nächste größere Werk des fortan in nur selten unterbrochener idyllischer Zurückgezogenheit lebenden Dichters war ein philosophisches, die »Vorschule der Ästhetik« (Hamb. 1805, 3 Bde.; Tübing. 1813), ein Buch voll geistreichster Einfälle, wertvoll in den über die Theorie des Komischen handelnden Abschnitten. Danach folgte die Abfassung der »Flegeljahre« (Tübing. 1804–05, 4 Bde.). Auch in diesem Roman, der zu den genialsten Schöpfungen Jean Pauls gehört und ihm selbst die liebste blieb, hat er die eigne Doppelnatur, die Gemütsinnigkeit und die humoristische Neigung seines Wesens, jene in dem weich gestimmten Walt, diese in dessen Zwillingsbruder Vult, zur Darstellung bringen wollen. In der »Levana, oder Erziehungslehre« (Braunschw. 1807, 3 Bde.; Stuttg. 1815, 4. Aufl. 1861; neue Ausg. von R. Lange, Langensalza 1893) sollten die in der »Unsichtbaren Loge«, im »Titan« und in den »Flegeljahren« in Romanform dargelegten Grundsätze theoretisch ausgeführt wiederkehren. Während der Zeit der französischen Fremdherrschaft schrieb Jean Paul zu eigner und seines Volkes Erheiterung die Humoresken: »Des Feldpredigers Schmälzle Reise nach Flätz« (Tübing. 1809) und »Doktor Katzenbergers Badereise« (Heidelb. 1809, Bresl. 1823), zwei Erzählungen von derbster Komik. Aber auch in ernsthafteren, wenngleich an satirischen Schlaglichtern reichen Schriften suchte er den gesunkenen Mut der Nation auszurichten, so in der »Friedenspredigt in Deutschland« (Heidelb. 1808) und den »Dämmerungen für Deutschland« (Tübing. 1809). Das letztere Buch, gedruckt in der Zeit, als Davout das Bayreuther Land besetzt hielt, legt auch deshalb ein schönes Zeugnis für Jean Pauls männlichen Mut und edlen Sinn ab, weil er es veröffentlichte, nachdem ihm soeben durch den ganz von dem französischen Imperator abhängigen Fürst-Primas v. Dalberg eine Jahrespension von 1000 Gulden ausgesetzt worden war. Nachdem diese Pension mit dem Großherzogtum Frankfurt 1813 zu Ende gegangen, bezog der Dichter seit 1815 einen gleichen Jahresgehalt von dem König von Bayern. Aus den spätern Lebensjahren Jean Pauls sind zu verzeichnen als bedeutendere Schriften: »Das Leben Fibels« (Nürnb. 1811), »Der Komet, oder Nikolaus Marggraf« (Berl. 1820–22, 3 Bde.), die beiden letzten größeren Arbeiten des Dichters in der komischen Gattung; ferner das Buch »Selina, oder: Über die Unsterblichkeit der Seele« (Stuttg. 1827, 2 Bde.) und endlich das Fragment einer Selbstbiographie, das unter dem im Gegensatz zu Goethe gewählten Titel: »Wahrheit aus Jean Pauls Leben« (Bresl. 1826) erschien und die Jugenderinnerungen des Dichters enthält. Einen tiefen Schatten warf auf Jean Pauls Lebensabend der Tod seines einzigen Sohnes, der 1821 als Student in Heidelberg starb. Seitdem kränkelte er und war zuletzt über Jahresfrist des Augenlichts fast gänzlich beraubt. König Ludwig I. von Bayern ließ ihm 1841 in Bayreuth ein Erzstandbild (von Schwanthaler) errichten.

 

Jean Paul nimmt eine eigentümliche und schwer zu bezeichnende Stellung innerhalb unsrer klassischen Literaturperiode und zwischen den sich drängenden Richtungen seit dem Beginn des 19. Jahrh. ein. Unzweifelhaft vom besten Geiste des 18. Jahrh., von dem »Ideal der Humanität«, beseelt, schloss er sich doch in seiner Darstellungsweise weit mehr an die frühern Schriftsteller als an Lessing, Goethe oder Schiller an. Die Engländer, vor allen Swift und Sterne, die Franzosen Voltaire und Rousseau, die ostpreußische Schriftstellergruppe Hamann, Hippel und Herder beeinflussten die Entwickelung seines Talents und führten ihn im Verein mit seinem eignen Naturell und seinem persönlichen Schicksal auf wunderliche Abwege. Gemeinsam mit unsern großen Dichtern blieben R. die Überzeugung von der Entwickelungsfähigkeit des Menschengeschlechts und ein freiheitlicher Zug; aber er gelangte niemals zu einer Entwickelung im höheren Sinne des Wortes. Der Abstand zwischen seinen frühesten und spätesten Werken ist ziemlich unwesentlich; die Widersprüche des unendlichen Gefühls und des beschränkten realen Lebens bildeten den Ausgangspunkt aller seiner Romane; aus ihnen gingen die weichen, wehmut- und tränenvollen Stimmungen hervor, über die er sich dann durch seinen unter Tränen hell lachenden Humor erhob. In der empfindsamen Zeit, in der Jean Paul auftrat, musste er den größten Erfolg haben; die schreienden Mängel seiner Darstellung wurden geleugnet; ja, sie scheinen in den meisten Kreisen gar nicht empfunden worden zu sein. R. gelangte nur in dem Idyll und in den besten Episoden seiner größeren Romane zu wirklich künstlerischer Gestaltung; meist wurden bei ihm Handlung und Charakteristik unter einer wuchernden Fülle von Einfällen, reflektierenden Abschweifungen, Episoden und fragmentarischen Einschiebseln verdeckt und erstickt. Verhängnisvoller noch ward für ihn die oben schon erwähnte Vielleserei, in der er ein Gegengewicht gegen die Enge seiner Verhältnisse gesucht hatte, und in ihrer Folge die leidenschaftliche Bilderjagd und Zitatensucht. Alle diese Mängel vereint drückten seinem Stil mit endlosen Perioden und unzähligen Einschachtelungen den Charakter des Manierierten auf, den der Dichter nur da abstreift, wo er von seinem Gegenstand aufs tiefste ergriffen und in innerster Bewegung ist. Gegenüber dem Enthusiasmus, der R. eine Zeitlang zum gefeiertsten Schriftsteller der Nation erhob, heftete sich die spätere Kritik wesentlich an die bezeichneten Unvollkommenheiten seiner Erscheinung. Während in seinen ausgedehnteren Werken, der »Unsichtbaren Loge«, dem »Hesperus«, dem »Titan« und »Komet«, nur einzelne glänzende Beschreibungen, humoristische Episoden oder jene zahlreichen »schönen Stellen« noch zu fesseln vermögen, von denen mehrmals besondere Sammlungen veranstaltet wurden, gewähren alle in ihren Hauptteilen idyllischen oder entschieden humoristischen Dichtungen einen weit reinern Genuss und lassen das Talent und die tieferen Eigentümlichkeiten besser hervortreten. Immer steht die liebevolle, reine Teilnahme bei ihm an allen Mühseligen und Beladenen, an den Armen, Bedrückten und Bedrängten im Vordergrund. Sein Blick für das Köstliche im Unscheinbaren, das Große und Ewige im Beschränkten ist tief und beinahe untrüglich; auch seine Naturliebe verleiht allen seinen Werken Partien von bestrickendem Zauber. Seine scharfe Beobachtung des Komischen wirkt unwiderstehlich, und alle diese Vorzüge erwecken lebhaftes Bedauern, daß dem Dichter das Erreichen klassischer, künstlerisch vollendeter Form versagt blieb. Richters Werke erschienen gesammelt in erster, aber ungenügender Ausgabe in 60 Bänden (Berl. 1826–38), besser in 33 Bänden (das. 1840–42; 3. Ausg. 1860–62, 34 Bde.) sowie in Auswahl in 16 Bänden (2. Ausg., das. 1865); ferner in der Hempelschen Ausgabe, mit Biographie von Gottschall (das. 1879, 60 Tle.; Auswahl 31 Tle.) und eine Auswahl in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur« (hrsg. von Nerrlich, Stuttg. 1882 ff., 6 Bde.). Nach des Dichters Tod erschien noch »Der Papierdrache« (hrsg. von seinem Schwiegersohn Ernst Förster, Frankf. 1845, 2 Bde.). Von verkürzenden Bearbeitungen, die den Dichter der Gegenwart näher bringen wollen, sei erwähnt die des »Titan« von O. Sievers (Wolfenbüttel 1878). Von seinen Briefen sind zu nennen: »Jean Pauls Briefe an Friedrich Heinrich Jacobi« (Berl. 1828); »Briefwechsel Jean Pauls mit seinem Freund Chr. Otto« (das. 1829–33, 4 Bde.); »Briefwechsel zwischen Heinrich Voß und Jean Paul« (hrsg. von Abr. Voß, Heidelb. 1833); »Briefe an eine Jugendfreundin« (hrsg. von Täglichsbeck, Brandenb. 1858). Die »Briefe von Charlotte v. Kalb an Jean Paul und dessen Gattin« (Berl. 1882) und »Jean Pauls Briefwechsel mit seiner Frau und Christian Otto« (das. 1902) gab Nerrlich heraus. Aus der zahlreichen Literatur über R. heben wir hervor: Spazier, Jean Paul Friedrich R., ein biographischer Kommentar zu dessen Werken (Leipz. 1833, 5 Bde.); die Fortsetzung von »Wahrheit aus Jean Pauls Leben« von Otto und Förster (Bresl. 1826–33, 8 Hefte); E. Förster, Denkwürdigkeiten aus dem Leben von Jean Paul (Münch. 1863, 4 Bde.); Henneberger, Jean Pauls Aufenthalt in Meiningen (Meiningen 1863); Planck, Jean Pauls Dichtung im Licht unsrer nationalen Entwickelung (Berl. 1868); Vischer, Kritische Gänge, neue Folge, Bd. 6 (Stuttg. 1875); Nerrlich, Jean Paul und seine Zeitgenossen (Berl. 1876) und Jean Paul, sein Leben und seine Werke (das. 1889); Jos. Müller, Jean Paul und seine Bedeutung für die Gegenwart (Münch. 1894), Die Seelenlehre Jean Pauls (das. 1894) und Jean Paul-Studien (das. 1899); Hoppe, Das Verhältnis Jean Pauls zur Philosophie seiner Zeit (Leipz. 1901); Reuter, Die psychologische Grundlage von Jean Pauls Pädagogik (das. 1902): Allievo, Gian Paolo R. e la sua Levana (Tur. 1900); Czerny, Sterne, Hippel und Jean Paul (Berl. 1904); F. J. Schneider, Jean Pauls Altersdichtung Fibel und Komet (das. 1901) und Jean Pauls Jugend und erstes Auftreten in der Literatur (das. 1905). Eine begeisterte, formvollendete »Denkrede auf Jean Paul« verfaßte Börne (1825).

 

 

 

Auswahl aus des Teufels Papieren

 

nebst einem nöthigen Aviso vom Juden Mendel

 

 

 

Les bêtes nous peuvent estimer bêtes comme nous les estimons

Montaigne

 

 

Nöthiges Aviso vom Juden Mendel

 

Als ich von der Frankfurter Messe nach Hause kam, hinterbrachte man mir andern Morgens früh, daß mein Schuldner, der gelehrte Hasus schon vor acht Tagen begraben worden. Man hatte ihm, ohne mich zu befragen, unter andern guten Effekten, auch seinen ganzen Körper, den mir der anatomische Professor würde abgehandelt haben, mit in den Sarg gegeben und mich armen Juden gänzlich darum betrogen: da ich nachher in den Besitz der Effekten mich zu setzen kam, so war nichts mehr da als Papier, theils reines, theils beschmiertes und Papiere hatte er mir schon bei lebendigem Leibe genug gegeben. Ich schämte mich, das in deutscher Sprache beschmierte Papier, da es keine anderthalbe Pfund wog, großen Gewürzhändlern anzubieten, deswegen ließ ich alles, wie man sieht genau und ohne Druckfehler abdrucken damit's einige Zentner würde und man es besser einem hiesigen Gewürzhändler antragen könnte: dabei kann man's noch vorher alle deutsche und polnische Gelehrte (deren ich in Frankfurt, Braunschweig, Naumburg viele auf den Gassen sah) zu ihrer Lust durchlaufen lassen. Wahrhaftig wenn man so zusieht, wie sehr ein alter und ein junger Gelehrter nachdenken muß, und wieviel er sich und seinem Sessel ab- und aussitzet, um nur ein oder zwei Pfund weiser und stilisirter Bücher zu schreiben, so preiset man Handel und Wandel von Herzen, es sei nun mit Material- oder mit schneidenden Waaren oder mit Vieh, und lässet weder Söhne noch Töchter studieren. Gut ists, daß dieses Buch wie ich hoffe vom Teufel gemacht ist. Der Setzer der es ganz durchgesehen (denn ich hatte noch nicht Zeit dazu und frag' auch gar nichts darnach) will mir dafür haften, daß im Grunde lauter fatale Stachelschriften darin leben und weben, die nach den Menschen beissen und schnappen. Das war aber des guten Hasus Sache nie; er konnte im Umgange niemand verhöhnen: denn er liebte Menschen und Vieh, er war weichherzig und wollte sich aus Unmuth hängen, als er erfuhr, daß die Allmosenkasse Kapitalien häufe und verleihe; er trug (so sagte er selbst) wie ein Embryon sein Herz aussen auf der Brust; er war die Bescheidenheit selbst und gestand mir oft, sein Kopf hätte von ieher verdient, daß die Geographen den ersten Meridian (welches fast tödlich sein müste, glaub' ich) durch denselben gezogen hätte; er war des festen Vorsatzes, der ganzen Erdkugel dadurch zum grösten Nutzen zu gereichen, daß er die Köpfe der Menschen noch vor seinem 60ten Jahre hinlänglich erhellete, nicht blos ihr kleines Gehirn, sondern auch sagte er, ihr großes und ihr Rückenmark bis hart ans Steisbein hinan, er liebte den Verstand wollte dessen haben und bat Gott um einen langen figürlichen Bart: allein ich sagte zu ihm: »Menschenkind, warum willst du einen haben? das Buch Rasiel lehret, daß der Bart Gottes eilf tausend und fünfhundert rheinische Meilen lang ist: laß ab da dein Kinn doch keinen herausspinnt, der nicht kürzer wäre als einen Sabbatherweg;« schlüßlich nährte er (ich weis es gewis genug) eine heimliche Neigung zum Judenthum und wollte sich deswegen die heilige Schrift vom Buchbinder kaufen: denn er lies sich nicht wie die Christen einen Zopf und eine Frisur machen, sondern trat einfältiger daher als selbst der Saamen Abrahams in Frankfurt am Main, der in seiner Gasse rebellirte, um frisirt zu bleiben und dadurch den großen Rabbi Hurwiz mit Zorn fast ums Leben brachte. Ich sagte neulich diesem Rabbi, ich hätte vorzubeten, daß den Proselyten Hasus ein paar Würmer im Grabe beschnitten und daß ihm ein israelischer Bart vorwüchse, er antwortete: das geschähe ohnehin, es ständ' aber nichts davon in der Gemara.

 

Nimmermehr hat wie gesagt, Hasus diese Stachelschriften aufgesetzt: aber der Teufel ist zu Nachts in den guten Körper meines Schuldners wie in eine Schreibmaschine gefahren*) und ist während die Seele im Himmel die besten Sachen und ihre eigne Lebensbeschreibung abfaste, mit dem Körper oft bis der Nachtwächter abdankte aufgesessen (Nachbarn bezeugens häufig, die nach Mitternacht den Hasischen Körper am Schreibepult heftig schreiben sahen) und hat im Namen und mit der Hand des Verstorbnen Sachen hingeschrieben, die nun natürlich aus der Presse kommen und in denen er spashafterweise alle Menschen und einige Teufel und sich selber angreift und rauft. So giebts noch tausend keusche, einfältigscheinende und sanftmüthige Gelehrte und Rabbinen, die mit ihrer eignen Hand die unzüchtigsten, scharfsinnigsten und bittersten Bücher schreiben und es ist leicht zu muthmassen, wer sich eigentlich macht und wer der Spitzbube ist, der die frommen Leiber solcher Männer zu solchen Schreibereien verwendet: gute Engel denken in ihrem Leben nicht daran. Adam, Isaak, Jakob, Abraham hatten Leiber an, die große Schriftsteller waren und bleiben: und solchen Körpern bliesen die heiligen Engel ganze Ballen schöner Bücher ein, die gar immer zu haben sind, wie ia unsere Rabbinen es so verständlich lehren, daß ein Kind es fassen kann und ein alter Cretin.

 

Gottlos ists vom Teufel, daß er im ganzen Buche (wie ich höre) sich anstellet als wär' er Hasus und kein Wort sich merken lässet, daß ers selbst gesetzet. Er hoffte damit ganz offenbar, mich und den H. Verleger ungewöhnlich in Schaden zu setzen, weil Bücherlustige hernach das Buch gar nicht begehren würden, wenn sie sähen, daß es nicht vom Teufel geschrieben worden: allein Alt und Jung halte sich nur an das Titelblatt dieses Werkleins, worauf man den wahren Namen des Verfassers mit der klarsten Fraktur andeuten lassen, und auf einen ehrlichen Juden ist auch mehr zu bauen als auf den Teufel, an dem wol nicht viel ist. Ueberhaupt kanns keinem Menschen etwas verschlagen, wenn er das Buch sich kauft; und da wie ich höre die Rezensenten die Bücher ordentlich und quartaliter loben: so sprech' ich alle Rezensenten in großen Städten hiemit ausdrücklich darum an und hoffe sogar, daß sie es mehr als ein anderes empfehlen, weil ein armer unbezahlter Jude sich daran seines Schadens zu erholen sucht: denn ich bin nichts bessers und anstatt daß andere Juden sonst von der Medizin und iezt von der Justiz Nahrungen haben und Richtern und Klienten leihen und nehmen können, kann ich nichts weniger als das und sitze ohne allen Zuflus da und gräme mich über das Ehepfand, das mir nicht meine Frau sondern der Konsistorialsekretair aufhieng aber viel zu theuer, und zeuge in der Welt Söhne und ein paar Töchter, die nach meinem Tode nichts werden können als Schnuriuden, schlecht und nackt aber unverschuldet bin ich in diese Schofelwelt gekommen und nackt werd' ich wieder aus ihr fahren aber mit recht erheblichen Schulden.

 

Mendel B. Abraham

 

Vorrede

 

Dem heiligen Ambrosius wars selber lieb, daß er sagte: der Müssiggang ist ausgemachtermassen das Kopfkissen des Teufels. Ich habe geglaubt, der Teufel verdiene gar keines; daher hab' ichs ihm wie einem Sterbenden, unter dem Kopfe vor einem halben Jahre völlig weggezogen: ich meine blos, ich habe mich vom Müssiggange losgearbeitet und in der Stille hergesezt, um meine Zeit edler anzulegen und einige ganze muntere Pasquille zusammenzuschreiben.

 

Die besten sezt' ich vor meiner Geburt schon auf und ich werde nachher die Personen mit Namen vorführen, die sie mir nebst anderen Werken gestohlen: aber die schlechtern, die ich blos auf dieser grünen Erde gebar, leg' ich hier der gelehrten und selbst der besten Welt mit Achtung vor. Mein Jammer ist natürlicherweise der: alle Menschen (wie vielleicht der einfältigste aus dem Plato und aus seiner eignen dunklen Erinnerung weis) und mithin auch ich, wir lebten vor unserem Nazionalbankerot recht vergnügt im bessern Planeten, aus dem uns einige Todsünden auf diese Pönitenzpfarre des Universums, auf die Erde durch die Geburt heruntertrieben: dieses Leben ist sonach nichts als eine Narbe des vorigen. Auf ienen beßern Planeten bracht' ich nun meine besten Stunden und Jahrhunderte damit zu, daß ich am Schreibepult stand und Werke ausspann, wie ich wünschte, daß ieder sie zu schreiben den Ansatz hätte. Sie waren ernsthaft und spashaft, aber immer gut genug; ich stekte durch sie dem menschlichen Verstande, der Poesie und der deutschen Sprache lange Flügel an: ich nahm aber deswegen Windmühlenflügel, damit die übrigen Gelehrten hernach nichts mehr dazu zu machen brauchten als den Wind. Es ist für sündige Menschen interessant, hinter die gewissesten Ursachen zu kommen, warum ich sonst so vielen Verstand besas; ich hatte nemlich im Elysium keine Eßlust noch und brauchte kein Brodstudium und hatte weder Kind noch Kegel; alle Register der menschlichen Kräfte werden dort an Einem Menschen zu gleicher Zeit zur verstärktern Harmonie gezogen und es ist nichts seltenes da auf Menschen zu stoßen, die so viel Gelehrsamkeit besitzen, als ein hiesiges Ehrenmitglied einer Akademie, um nicht gar zu sagen als ein Wirkliches. – Jetzt ists leicht auszumachen, welche von meinen Freunden Recht haben, ob die die es Güte, oder die die es Einfalt nennen, daß ich dort einen und den andern Gelehrten in meinen Manuskripten blättern lies und manchen gar sie völlig vorlas. Soviel ist ganz gewis, Swift und Sterne hatten keinen Schaden davon, daß ich ihnen ganze Ballen meiner erträglichsten Satiren laut und gut genug vordeklamirte und solche Werke wie das Mährgen von der Tonne und den Tristram ihnen auf Wochen in der Handschrift vorstrekte. Ich sezte sie dadurch in Stand, es wie iener alte Poet zu machen, der (nach Seneka) die Gedichte, die ein anderer Poet öffentlich herlas, den Augenblick in seinem großen Gedächtnis behielt und sie für seine erklärte, weil ihr wahrer Verfasser sie nicht, wie er, auswendig herzubeten wuste; sie trugen auch wirklich iene zwei Werke, in ihr unermestliches Gedächtnis versteckt, auf die Erde wider die gemeine grösten herunter und hatten da nun zum Ruhme der grösten Autoren nichts mehr vonnöthen als daß sie mir, der ich droben in der andern Welt noch passen muste und es auf gar keine Art zur Geburt bringen konnte, den meinigen stahlen und meine zu meinem hiesigen Fortkommen aufgesezten Gedanken für ihre verkauften. Ich merkte das den Augenblick, da ich geboren war und ich wollte für Erbossung wieder in den alten Planeten hinauf. – Ich wünschte aus eben so viel Rücksicht auf fremde als auf meine Ehre, daß ich wenigstens von einigen meiner besten ernsthaften Schriften sagen könnte, ihr Schicksal wäre besser gewesen und besonders die ausgesuchten, die ein gewisser H. Herder ganz frei unter seinem Namen ediret, wären dem traurigen Loose entkommen, daß man sie iezt in mehr als Einem Kreise Deutschlands bei allen ihren offenbarsten Merkmalen und Gerüchen eines höhern ätherischen Vaterlandes, bei ihren Sonnensystemen stralender Gedanken, bei einem Ausdruck, der Blüte und Früchte (wenn ich mir nicht zuviel schmeichle) zugleich trägt, gleichwohl in das Register der Werke einträgt, die wirklich auf dieser Erde und von einem hiesigen Menschen wären gezeuget worden: freilich ist die Täuschung leicht und wenn Zizero sagt, er glaube wenn er seinen Kato vom Alter lese, den Kato selbst zu lesen, so glaub ich selbst oft wenn ich die angeblichen Werke des H. Herder lese, fast ihn selbst zu hören. Es wird wenig Leser geben, die sich mein Erstaunen denken können, als ich nach langem Harren vor einigen Jahrzehenden auf das Theater des Lebens niederspringen durfte und inne ward, daß die besten Werke, die ich schaffen können, schon unter fremden Namen umliefen und daß mehr als 19 der besten Köpfe sich in den großen breiten Lorbeerkranz getheilet, den ich allein aufhaben wollte und der so schwer wie Davids Krone war, welche mehr als 113 Pfund gewogen. Indessen haben Personen von Einsicht und Welt keine so schlechte Meinung vom Publikum, daß sie denken könnten, es gebrech' ihm an iener Billigkeit, die fast iedem das Seine ertheilt, und die allerdings schon den Muth hat, Namen iedes Standes mit Gewalt aus dem räuberischen Besitze eines großen Ruhmes zu iagen und den Lorbeerkranz, worunter sich 19 Köpfe gestellet, seinem Einzigen rechtmäßigen Eigner wieder aufzupacken, welcher sich blos hingesetzt hat und ihn in einer Vorrede durchaus aber bescheiden wieder haben will. Sonderbarer Weise giengs und gehts noch mit den schönen Werken nicht besser, die gewisse Mönche aus dem 13. Jahrhunderte machten (wie P. Hardouin am ersten gründlicher als alle nach und vor ihm erwiesen,) und die man gleichwol fast allgemein einem Virgil, Zizero und Livius noch iezt zuschreibt: die Aeneis z. B. fertigte ein Benediktiner aus, allein Virgil fähret nun auf dessen Triumphwagen herum und kennt für Stolz weder sich noch andere, noch seinen verwesten Vater.

 

Gleich der Erde kann ich iezt, da ich einemal auf sie geboren bin, wenig rechts mehr zeugen und werde von Tag zu Tag matter und selbst einfältiger. Was kann ein Wesen in einem hypochondrischen Körper, der das von innen mit Nägeln besteckte Faß des Regulus ist, und im Frohndienste des Magens wol Gutes für seinen Verleger und Nachdrucker in die Presse senden? Es muß und wird weit unter den blühenden Abkömmlingen seines freiern Lebens fallen. Man vergleiche nur z. B. das mir abgestohlne Mährgen von der Tonne und den Tristram mit der gegenwärtigen Nachgeburt, die ich blos auf diesem Planeten hervorgebracht habe: so wird man über den mächtigen Unterschied erstaunen und kaum begreiffen können, wie so verschiedene Früchte aus einem Baume wachsen konnten; und mancher andere hat mich vielleicht mit mehr Aehnlichkeit nachgeahmt als ich selbst. Der angebliche Blumenflor bückt sich welkend im Spätiahr. Ich hätte keine Zeile aufsetzen sollen: es wird wenig Leser haben, ich meine keine zwei.

 

Denn es ist überhaupt metaphysisch davon zu reden, nicht mehr als Einer möglich, wenn ich mich mit zähle und ich brachte das erst diesen Morgen mit einem Grade meines Schreckens heraus, den ich einmal an andern beobachten möchte. Ich stand nemlich vergnügt über einen Traum voll Potentaten auf, zog mich unter vielen Betrachtungen an und freuete mich auf die Welt, die mein ganzes Buch mit einer Begierde in die Hände nehmen würde, von der ich wenig Beispiele weis. Allein ein mir aufsätziger Egoist und transszendentaler Realist*) lies einen Gedanken aus seinem Kopfe los, der ein tödtendes Basiliskenauge für alle Wesen und der Stoßvogel des Universums war, alle Kreaturen in allen Welttheilen, Kanzleidiener und die regierenden Häupter in den genealogischen Verzeichnissen, der ewige Jude selbst und die 4 Fakultäten waren wie weggeblasen und es blieben nicht so viele Wesen übrig als man mit einer Pelzmüze bedecken könnte, wiewol er keine Mütze dazu da lies. Dieser giftige Gedanke zwang alles auszusterben und reutete zulezt auch den Egoisten selber mit aus: denn da er nach einem ewigen Gesetze das ich seit langer Zeit zu studiren mir schmeichle nur Ein Wesen unvernichtet stehen lassen darf: so muste, weil ich dieses restirende Wesen war, der Egoist selbst wider seine Erwartung bei diesem iüngsten Tage umkommen und es war ihm nicht zu helfen. Also war nicht einmal er mehr zu haben, der mein Buch mit wahren Vergnügen hätte in müssigen Stunden durchlaufen können. Wahrhaftig dem Egoisten kanns nimmermehr wolgehen, daß er durch sein reissendes Thier von einem Gedanken es in wenigen Paragraphen so weit gebracht hat, daß ich iezt die Quintessenz und der kurze Inbegriff aller ausgemerzten Leser sein muß und der unzufriedene Repräsentant des ganzen corpus. So sitz' ich hier und bin von keinem Wesen gelesen, denn ich selber habe dazu wenig Zeit und kaum genug zum Schreiben.

 

Ich will mich zwingen, eines und das andere ernsthafte Wort zu reden: ich werd' es aber gar nicht können, weil eine Vorrede so ausserordentlich lächerlich ist; alle ernsthafte Reden darin sind am Ende ein Verhak, in den sich der Autor gegen die kritischen Anfälle einbauet. Unter allen Dingen, selbst unter den schlimmen, ist keines so leicht als sich selbst vertheidigen – oder so angenehm oder so lächerlich.

 

Da ein heraldisches Buch nur der Heraldiker, ein iuristisches nur der Jurist etc. in seinen Gerichtssprengel zu ziehen wagt: so wär' es recht gut, wenn nur Leser, die sich gerade mit den schönen Wissenschaften befassen, sich des Urtheils darüber unterfiengen und wenn man dächte, es gebe Sachen, die man früher verstehen als beurtheilen müsse. Blos ausgebreitete Lektüre gewährt den gebildeten Geschmack, zu welchem der Deutsche, der sich nicht wie andere Nazionen auf einheimische Schönheiten einschränkt, vielleicht auf dem kürzesten Wege ist; freilich der Deutsche, aber nicht die Deutschen; denn wer guten anatomischen Seckzionen an deutschen Kinnen beigewohnt oder obgelegen, der wird noch wissen, wie wenige Lachmuskeln, an denen Sterne oder Musäus hätten ziehen können, er allzeit herausschund – die übrigen Muskeln insgesammt hatten Kranz oder der »Kirchenalmanacher«, angefast und damit das ganze Gesicht gelenkt.

 

Geschmack gewinnt man irgend einer Art von Humor so wenig durch Eine Lesung ab, daß ich blos deswegen den Tristram 40 mal las, eh' ich ihn fühlte, den Hudibras 20 mal, Swiften 11 mal, Musäus 5 mal, Liskov 3 mal: dies muß mich entschuldigen, wenn ich iedem zumuthe, mich 1 / 400 mal zu lesen, womit ich wenn das Buch 400 Seiten hat, meine er soll das Titelblatt ganz lesen.

 

Mich freuet in diesem aufgeklärten Jahrhundert nichts so sehr, als daß es sich mathematisch darthun lässet, daß die Schiefe der Ekliptick und der Köpfe täglich abnimmt; denn ihre Abnahme beläuft sich nach Louville in iedem Jahrhundert auf eine Minute, welches viel ist.

 

Wenn auch die Satire seltener die Laster als die Thorheiten forttreibt; so thut sie doch den Lastern von Zeit zu Zeit so viel Schimpf an als nöthig ist, daß ein ehrlicher Mann mit ihnen ausser im äussersten Nothfall nichts zu schaffen haben mag und sie verachtet, indem er sie gebraucht. In allen Jahrhunderten hatten die Laster ihre Leibeigene, ihre Lehnleute, ihre Lohnlakaien – aber nur in den verderbtesten hatten sie ihre Lobredner, ihre Laureaten, ihre chevaliers d'honneur; und es ist eben ein Beweis, daß es noch ganz gut mit uns steht, daß wir z. B. die Unkeuschheit wirklich noch eben so sehr persifliren als die – Keuschheit.

 

Wenn Leute mit dunkeln Augen, bei denen es ¾ Stunden eher als bei andern Leuten Nacht wird, in eine Stube stolpern, worin man durch Ein Fenster dürftige Stralen fallen lassen, weil die Gemälde keine reichlichern vertragen – wenn ferner auch Maler von Profession und mit hellen Augen darin stehen – wenn die Leute mit dunkeln sich über die Dunkelheit darin halb tod fluchen, was soll der Inhaber da machen? Licht oder Gemälde oder Augen? blos grüne Brillen und eine ärgerliche Mine.

 

Länge der Perioden und ein gewisser Zuschnitt nach den alten Sprachen rücket so sehr mit der Schönheit der Sprache wenigstens mit der Natur der Ironie und Laune zusammen, daß vielleicht der coupirte, tanzende und unverknüpfte Styl der Franzosen die Ursachen vermehrt, warum sie den Engländern nicht in der Satire nachkommen.

 

Ich ersuche die Herausgabe aller Journale auf Akademien und überall, recht musterhafte und vernünftige Rezensionen von diesem Werklein machen zu lassen und zu bestellen, und ich will selbst alle Kosten davon tragen und kann vielleicht gegen Allerseelentag dazu einige Schwanzdukaten herschiessen.

 

Herr Wolfgang Haberman, von dem in diesem Werke verschiedene Ideen verlaufen, ist ein wahrer Bratschist und half, wenn er der Bratsche satt war, am Buche mit bauen: es war aber nicht anders zu machen.

 

Ich will wünschen, daß dieses eine Vorrede ist und empfehle mich fast iedem hiemit, will aber durch Stillschweigen nichts eingeräumt haben, sondern setze Freunden und Feinden generalia juris et facti gänzlich entgegen, und reservire mir nicht erst seit gestern quaevis competentia und protestire überhaupt genommen gegen dies und das, wo nicht gegen alles.

 

I. P. F. Hasus

 

Erste Zusammenkunft mit dem angenehmen Leser

 

I.

 

Habermans große Tour und musikalischer und logischer Cursus durch die Welt, von ihm selbst gut genug beschrieben und blos summarisch abgefasset

 

»Ich danke dem Himmel und der Erde, sagt' ich, und machte den Yorik ganz zu, daß ich gleich den besten Reisebeschreibern einen Hintern habe, und damit mich zu einer recht vernünftigen Reise einsetzen kann. Ich will, so ohne alle verzögerliche Einreden, so ohne alle Hemketten und Gedanken durch Europa fahren, daß viele, die vor meiner Chaise vorbereiten, im nächsten Wirthshause anmerken, es sei ein Herr darin gesessen, dessen Stand sicher besser wäre, als sein Rock. Was meine Reisebeschreibung anlangt, die ich so nothwendig als die Reise selber und beide unter Weges zu machen habe: so stell' ich mir vor, sie kann, wenn ich darin nur nicht zu selten 'sagt' ich' sage, vielleicht dem einen und dem andern gefallen.«

 

Ich sperte also meine elende Studierstube zu, und trat nebst meiner Schreibtafel nach Einem Monate in einer wolfeilen Weinschenke zu Wien im Angesichte einer ganzen Gasse ab. Ich machte Abends auf der dasigen Redoute einen blessirten Generalfeldzeugmeister und erhielt in dieser Qualität von einer Dame eine laute Ohrfeige, die ins politische Journal*) gesezt wurde. Das war mir ganz lieb und ein schicklicher Anlaß zu einer Rede. »Wär ich nicht (so fieng' ich sie an) ein wahrer ausgemachter Generalfeldzeugmeister: so könnt' ich darüber im Grunde zornig werden*). Am allermeisten könnt' ichs, wenn ich so wenig bei Sinnen wäre, daß ich fast gar kein Wort davon wüste, wie offenbar die Wiener Damen mit ihrem weltlichen und doch schönen Arm gleich einem elektrischen Funken uns nur deswegen schlagen, damit wir zu Zeugen ihrer dynamischen Reize allzeit uns schicken, denn die alten Deutschen gaben allemal dem Zeugen, damit er sich auf sein Zeugniß leichter besänne, eine Ohrfeige. Daher ist die ganze Sache eine der grösten Wolthaten; und deswegen – denn wer die Wolthat ertheilt, liebt bekanntlich mehr als der, der sie bekömmt und den sie viel zu sehr demüthigt – müssen Sie, die Sie mir die gedachte Wolthat einhändigten, mich wirklich lieber haben als ich Sie, der sie blos erhielt... Ueberhaupt können (sagt' ich und sah dabei sehr herum), die Wiener Damen fast noch glücklicher sein, als tausend andere: ich versichere die Redoute, sie sind im Stande, mit ihrem Angesichte Schmerzen, die wolthun (wie in Liebesbriefen steht), und mit ihren Händen Schmerzen, die hoff' ich wehe thun, zu allen Zeiten zu erregen. Wahrhaftig sie schlagen dem Herzen und Wangen eines ieden ordentlichen Mannes rechte Wunden, der still in Wien angefahren kömmt, und sich in einigen Vierteln desselben ein wenig umschauen will.«

 

Ich merkte nun wohl, daß ich mitten auf dem Wege war, wirkliche Feinheit und Galanterie in meine Gewalt zu bekommen. Ich sann daher nach, wie ich die Feinheit so weit treiben könnte, daß gar kein Mensch wüste, was ich wollte. Ich stellte mich deswegen, als schlief ich gar stehend ein, wie ein vierfüssiges Thier: allein ich hatte dabei die feinsten Absichten im Kopfe, und hielt mehr als eine witzige Geburt zurecht, indem ich blos auf eine Geburtszange und den Roonhuysischen Hebel paste. Ich hatte Bonmots zum voraus fertig gemacht, auf alle drei Stände, auf die zwei Geschlechter, auf ieden Domino und Jesuiten der da war, und es hätte mir unmöglich fehlen können; besonders wünscht' ich von Herzen, eine Dame möchte hinter mir sagen: »dieser da verdient den Traum glücklich zu sein; denn er schläft.« Denn wichtige Maaßregeln waren darauf genommen, ich wäre gähling aufgewacht und hätte blos aus dem Stegreif repliziret: »o Sie können mir leichter die Wirklichkeit als den Traum des Glücks gewähren.« Allein ich wurde keines einzigen guten Gedankens loß, und sank zuletzt vor lauter Unmuth in einen wahren Schlaf. »Es ist nur gut, (sagt' ich als ich wie neugeboren aufwachte), daß ich der Welt eine kleine aber angenehme Reisebeschreibung zu geben, vorhabe: in der kann der Einfall ganz geschickt untergebracht werden.«

 

Ein vernünftiger Reisebeschreiber möchte in Wien ganz des Teufels werden, wenn er in demselben schon die Sonne der Aufklärung scheinen sieht, und er sagt, seine astronomischen Tabellen könnten doch nicht trügen: allein er bedenkt leider nicht, daß das nur noch blos der Schein und das Bild der Aufklärung, das (wegen der Stralenbrechung) allzeit eher da ist, als sie selbst. Das Beste ist, er vergleicht diesen Fall mit dem auf Nova Zembla, wo nach der langen Nacht das Bild der Sonne allemal 16 Tage eher, als die Sonne selbst am Himmel aufgeht.

 

Mit leichter Mühe begab ich mich von Wien nach Syrien, besonders nach Aleppo. Der Graf von Cagliostro war für seine Person auch da, und hatte seinem dasigen Schwiegervater, einem Juden, weis gemacht, er sei seinem besten Wissen nach, auch einer. Ich kannte den erstern und sagte zu dem andern: »wenige Juden haben von den egyptischen Pyramiden soviel wahre Kenntniß abgekrazt als Cagliostro, und er sollte mit mir sein Glück in ganz Europa suchen: besonders da ers augenblicklich riechen kann, wenn einer ein Atheist ist. Denn nicht alle mögliche Nasen (fuhr ich fort und klopfte dem Schwiegervater zu hart auf die Achsel) hat der Himmel so geformt, daß sie wie Ihres Schwiegersohnes seine richtige Fühlhörner oder Visitireisen oder krumme Sucher (Sondeurs) des Atheismus abgäben – so und dergestallt etwan, daß man selbst durch die Ohrenbeicht nicht mehr von den Irthümern eines Menschen erführe als durch diese Nasenbeicht, wie die Kaufleute in Indien das Gold durch Beriechen prüfen – wahrhaftig nicht alle, sondern nur seltene, und in ganz Europa kenn' ich dergleichen Nasen wenig. Die meisten dasigen Geistlichen und Rabbinen erforschen mit der Nase nicht so sehr die Meinungen eines Menschen, als seinen Gestank; daher weiß dort gar noch keine Seele, was eine atheistische ist, und in Deutschland hält man die Philosophen für Atheisten und in Frankreich die Atheisten für Philosophen.« Nach einigen Tagen hatte Cagliostro das Glück seine Frau zu bekommen und zu bestehlen: denn während sie mit ihren durch Harz zugeleimten Augen*) vor ihm saß, pakte er mit wahrem Vergnügen ihre Habseligkeiten zu den seinigen ein, und gieng damit fröhlich auf und davon.

 

Ich that das leztere freilich auch, aber ich nahm nichts hinweg, das mir dabei reine Freude machte, als die leere Betrachtung, daß in meinem Vaterlande nicht der Braut die Augen zugepappet sind, sondern nur dem ganz angenehmen Bräutigam, dem sie alsdann zu gleicher Zeit auf- und übergehen. Jene weiß, was sie bekömmt, dieser weiß kein Wort, keine Sylbe und keinen Buchstaben davon: denn daß ihr Anbeter schon mehrere angebetet und gleich ganzen Völkern von der Vielgötterei zur Ohngötterei übergeflogen, daß er zuweilen pointiret, daß er seine Bedienten meines Erachtens nicht christlich geprügelt, oder das Gegentheil von allem kömmt dem Mädgen so gut zu Ohren als seinen Feinden und seine Narheit oder Tugend fieng sich früher, als seine Liebe an – das Mädgen ihre aber einige Wochen später, vor der Ehe stekt die Schöne in einer Karaktermaske, in derselben legt sie kaum eine Spitzenmaske an; vor solcher ist ihre Sonnenfinsterniß ganz Europa unsichtbar oder doch keinen Zoll groß, in solcher kann der erfreuete Mann eine totale an ihr beobachten, die ich meinen Rechnungen zufolge auf 12 Zoll ansetze, so, daß die ehrliche Haut von einem Mann aus Einfalt denkt, der jüngste Tag sei da oder schon vorbei.

 

Ich gieng hernach (Hospitirens wegen) zum Doktor S. in Erlang, der (wenn ich alten und neuern Fanatikern glauben soll) aus nichts andern bestehen kann, als aus Geist, Seele und Leib. Ein jeder von diesen Theilen, wies sich und seinen Werth schon den Europäern durch die besten Schriften und wir alle besitzen an ihm eine zusammengewachsene Drillingsgeburt von Autoren, oder auch keine schlechte schriftstellerische Triplealliance. Ich bezeuge, daß ich gar wol einsehe, warum neulich auch sein dritter Theil, sein Körper auf den Gedanken verfiel, etwas zu ediren. Dieser Körper kann ohne Noth so gedacht haben: »jeder Bestandtheil des Herrn D. gebar bisher der Welt ein Buch, nur du nicht, sondern schändlicherweise wars dir schon genung, sein bloßer Schreiber und Setzer zu sein, wie die Welt wol weis. Allein, so handeln vernünftige Leiber nicht. Diese überlegen, daß aus ihrer Achsel ein langer dürrer Arm herausgewachsen, der in fünf Finger ausläuft, die stets eine Feder halten und damit ungezwungen, wenn ich nicht irre, ganz gute Gedanken aufsetzen können. Denn der menschliche Arm bleibt doch stets der hervorstehende Pumpenschwengel, dessen Bewegung manches theils gute theils hernach gedruckte Buch aus dem Magen, der Gallenblase oder aus noch tiefern Gefässen heraufpumpet: Glaube mir ganz, deine fünf Finger können zu jeder Stunde fünf Pussirgriffel abgeben, die ein schönes geistiges Wachskind formen und glätten.« Der Körper machte auch würklich einen so rührenden Eindruck auf sich, daß er sich hinsetzte und seine Hand nahm und damit schrieb: den »S... Auszug aus der Bibel« der in den unsrigen nun ist. So wie jener Professor, der sich nur die schönsten Stellen im Homer anstreichen wollte, so viele unterlinirte, daß zuletzt der ganze Homer unterstrichen war; so zog der Körper des Herrn Doktors die ganze Bibel aus der Bibel heraus, und führte so viele schöne Stellen zu Haufe, daß sie die anstößigen insgesamt, deren doch recht viele im Auszuge mit sind, wirklich verdecken. Als ich nachher nach B- kam, so fragt' ich das Konsistorium höflich genug, ob es nicht sein Spediteur und Kollekteur wäre, wie ich recht sehr wünschte.

 

Es sagte: »es wäre aber noch weit mehr der Spediteur und Kommissionär des beliebten Zeit- und Handbüchleins des beliebten Herrn Künneths, an welchem erstern nichts einfältig wäre als der Titel, und es zwänge jeden Geistlichen sich und dem Verfasser durch dessen Kauf unsäglich zu nützen. Ueberhaupt solte man jedem Autor ein ganzes Land schenken, über das er ein ordentliches Zwangsrecht ausüben könnte, und das alles kaufen müßte, was er Tag und Nacht schriebe, es möchte zu gebrauchen sein zu was es wolte: so sei z. B. dem Federkiel des Doktor S.. das Fürstenthum B. geschenkt und er packe ihm alle seine Produkte auf.«

 

Ich mochte gar nicht darauf antworten; denn ich sah, es wäre weit besser, wenn ich schnell in Hof im Voigtlande einzufahren gedächte und vorher unter dem dasigen Thore einen Namen angäbe, den kein Finger von der ganzen Wache schreiben konnte, und keine Gehirnfiber merken. Hier kann ein Reisebeschreiber mit Vergnügen bemerken, daß noch Städte in Deutschland liegen, die dem Geniewesen, dem Tändeln mit den schönen Wissenschaften, der Empfindsamkeit, den überfeinen Gesellschaften, der Schwärmerey etc. entgangen sind; diese Stadt mit grauen Haaren erwehret sich alles dessen recht gut und fängt nach viel solidern Dingen – ein Ruhm, den Reisende weniger zu verkleinern als zu verdienen suchen selten, und den überhaupt nur einer ableugnen kann, der Mängel einzelner Personen gern einer ganzen Stadt und Vorstadt aufdichtet, und der Reiseuniform nicht von Nazionalkleidungaufin  historischen Gesellschaften