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Buch

Die Finanzkrise ist in allen Köpfen präsent. Doch nur wenige haben das Szenario öffentlich zu Ende gedacht. Zusammenbruch der Eurozone oder Inflation – was bedeuten sie in letzter Konsequenz? Michael Braun bringt die wesentlichen Fakten kurz und verständlich auf den Punkt und liefert praktische Überlebensregeln: Wie investiere ich mein Geld am sichersten? Bis hin zum undenkbaren Gedanken: Wie überlebe ich ohne Bargeld, Strom oder Benzin? Eine hochaktuelle Auseinandersetzung mit diesem brisanten Thema.

Autor

Der Journalist und Wirtschaftswissenschaftler Michael Braun war mehrere Jahre lang als Wall-Street-Reporter in New York sowie als Chefredakteur des Geldmagazins » Finanzen « (heute €uro) tätig, eines der größten Wirtschaftsmagazine in Deutschland. Er war sieben Jahre lang Geld-Kolumnist der Zeitschrift » Freundin « . Braun schreibt u. a. für » €uro « , » Freundin « , » Welt am Sonntag « und » WirtschaftsWoche « . Bei Goldmann erschien von ihm zuletzt » So geht Geld « , das die Shortlist des Deutschen Finanzbuchpreises erreichte. Braun lebt und arbeitet in Berlin.

Von Michael Braun außerdem bei Goldmann erschienen

So geht Geld (Auch als E-Book erhältlich)

Michael Braun

Wenn Geld stirbt

Die Ursachen,
die Folgen,
die Überlebensregeln

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1. Auflage

Originalausgabe Juli 2013

© 2013 Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Uno Werbeagentur, München
Covermotiv: FinePic®, München

Redaktion: Dunja Reulein

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

CH · Herstellung: IH

ISBN 978-3-641-10422-1
V002

www.goldmann-verlag.de

I. Die Vergänglichkeit des Geldes

»Dass die Menschheit von den Lektionen der Geschichte nicht besonders viel lernt, ist die wichtigste aller Lektionen, die die Geschichte uns lehren muss.«

– Aldous Huxley [1]

Alle Menschen sind sterblich, lautet ein Romantitel der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir [2] – eine Aussage, der man in ihrer Absolutheit nicht widersprechen kann. Alle Währungen sind es leider auch, und das ist der großen Mehrheit von uns nur vage klar. Ein leises Echo der Zeitgeschichte ist, was die Vergänglichkeit des Geldes angeht, noch heute in Deutschland wahrzunehmen. Zum einen – vor allem unter Älteren – die Erinnerung an die Währungsreform des Jahres 1948, als Deutsche Mark auf Reichsmark folgte, zum anderen an das Krisenjahr 1923 mit seiner verheerenden Hyperinflation, das bis heute als traumatische Erfahrung im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft verankert ist. Das Sterben einer Währung ist 2012 allerdings mehr eine skurril-unappetitliche Erzählung aus Omas Mädchentagen als ein ernst zu nehmendes, ernsthaft zu erörtendes Risiko, das Wirklichkeit werden und katastrophale Folgen haben könnte.

Manchmal wiederholen sich Albträume jedoch. In diesem Buch lege ich die Gründe dar, warum die seit Sommer 2007 anhaltende und bislang nicht im Ansatz gelöste Finanz- und Schuldenkrise in weiten Teilen der Welt eine Ereigniskette mit sich bringen könnte, die sogenannte Papierwährungen wie Euro, Dollar, Pfund und Yen infrage stellt. Die Krise gefährdet damit die Ersparnisse und den Wohlstand von Millionen Menschen, auch in Deutschland. Für viele könnte sie sich als die größte materielle Katastrophe ihres Lebens erweisen.

Die meisten Bürger in der Bundesrepublik machen sich trotz der schlagzeilenträchtigen Dramatik der mehrjährigen Krisenphase bislang kaum Sorgen um ihr Geld und um ihr materielles Wohlergehen. Im Juli und August des Jahres 2012 bewerteten 57 Prozent der Deutschen ihre persönlichen finanziellen Lebensumstände als »gut« oder »sehr gut«. Dies sind weit mehr als beispielsweise in den Jahren 2005 und 2006, vor Ausbruch der Krise. Die Erwartungen für die nächsten zwei Jahre, also bis etwa Sommer 2014, waren zu diesem Zeitpunkt keineswegs verhalten-düster, sondern ähnlich optimistisch wie in den Vorjahren. [3] Nichts deutet in Umfragen darauf hin, dass ein mehr als marginaler Teil der deutschen Gesellschaft sich um einen Kollaps des Finanzsystems – oder auch »nur« des europäischen Währungsraums – ernsthaft sorgen würde. Dass sie Geld verlieren oder weltweit gehandelte und genutzte Währungen wertlos werden könnten, ist ein Gedanke, der für die meisten nicht im Bereich des Möglichen oder Vorstellbaren liegt.

Ein Buch, das den Titel Wenn Geld stirbt trägt, kommt ohne eine Klärung dieses Ausdrucks – des »Sterbens« von Geld – nicht aus. Geld erfüllt mehrere Funktionen. Zum einen ermöglicht es das Aufbewahren von Kaufkraft für einen späteren Zeitpunkt: Wer heute einen 50-Euro-Schein in die Schreibtischschublade legt, geht in der Regel davon aus, dass er auch in einigen Jahren damit noch etwas wird kaufen können, ohne dass die Banknote bis zu diesem Zeitpunkt einen allzu großen Teil ihrer Kaufkraft einbüßen wird. Zum zweiten sind Währungseinheiten ausgesprochen nützlich, um zu rechnen, zu bilanzieren und Preise aller Art zu vergleichen. Drittens dient Geld, wie jeder weiß, als Zahlungsmittel, da es den bequemen Handel mit Waren und Dienstleistungen ermöglicht. Währungen sind also Tauschmittel. Einige wie der US -Dollar, der Euro, der Schweizer Franken und Gold sind als globale Tauschmittel anerkannt und dank dieser Eigenschaft besonders praktisch.

Vertrauen ist gut – aber flüchtig

Diese drei Funktionen basieren auf dem Vertrauen, das die Benutzer des Geldes – Verbraucher, Unternehmen, Notenbanken, Regierungen, Staaten – Banknoten, Münzen, elektronisch gespeicherten Gutschriften (zum Beispiel auf Konten) und Kapitalanlagen entgegenbringen. Geld stirbt, wenn dieses Vertrauen verloren geht. Es dauert, bis ein solcher Vertrauensbruch eintritt; ist es aber einmal so weit, kann es, wie Beispiele aus der Wirtschaftsgeschichte zeigen, sehr schnell gehen.

Das Vertrauen, auf dem Geld und Weltwirtschaft basieren, ist kostbar und verletzlich, nicht anders als das Vertrauen von Freunden untereinander. Dies gilt insbesondere in einem Währungssystem wie dem unserigen, das auf Papiergeld setzt. Gemeint ist damit nicht der Umstand, dass viele Banknoten aus Papier bestehen oder, wenn nicht, zumindest papierartig wirken. [4] Der Begriff »Papiergeld« zielt vielmehr darauf, dass das heutige Währungssystem nicht mit Gold, anderem Edelmetall oder einem alternativen, mengenmäßig begrenzten Gut unterlegt und gedeckt ist. Papiergeld wird von Zentralbanken aus dem Nichts geschaffen, weswegen es mit dem lateinisch-englischen Begriff fiat money (wörtlich: »es werde Geld«) gut charakterisiert ist. Es drückt ein Versprechen von Notenbanken und Staaten aus, nicht mehr, nicht weniger. Das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen in dieses Versprechen ist entscheidend. Geht es verloren, wird Geld wertlos. Es stirbt.

Würde die europäische Gemeinschaftswährung in diesem Sinne »sterben«, wenn die Euro-Zone einige ihrer finanziell angeschlagenen Mitglieder verlieren würde? Keineswegs, jedenfalls nicht zwangsläufig. Der Rückbau des Währungsraums wäre ein folgenreiches und hässliches Ereignis, das die langfristige Glaubwürdigkeit des Euro infrage stellen würde. Von einer Existenzkrise der Währung könnte man indes nur dann sprechen, wenn das Vertrauen derjenigen, die den Euro benutzen, dauerhaft erschüttert wäre. Tatsächlich stellt sich zumindest die Frage, ob die Euro-Zone scheitern könnte, überhaupt nicht mehr: Sie ist längst gescheitert. Sämtliche Regeln, die das Funktionieren der europäischen Währungszone langfristig gewährleisten sollten und dies durchaus hätten können – insbesondere der Maastricht-Vertrag von 1992 und der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt einige Jahre später –, sind bei den ersten Schwierigkeiten aufgegeben und de facto (aber nicht de jure) für null und nichtig erklärt worden. Die Europäische Zentralbank, die in ihrem am Bundesbank-Modell ausgerichteten Entwurf unabhängig und ausschließlich der Preisstabilität in der Euro-Zone verpflichtet sein sollte, machte sich in der ersten Krise ihres Bestehens sogleich von Regierungen abhängig und gefährdet mit einer Politik, die in der Bundesbank-Ära unvorstellbar gewesen wäre, die innere Stabilität des Euro. Hunderte Millionen Menschen zahlen und wirtschaften dennoch weiter mit Euro und haben bislang keinen Grund gesehen, der Gemeinschaftswährung nicht mehr zu vertrauen.

Die strukturelle Zerbrechlichkeit des Währungsraums in Europa stellt ein beträchtliches Problem dar, wie insbesondere der zweite und dritte Teil dieses Buchs darzulegen versuchen. In seinen Auswirkungen viel schlimmer ist jedoch eine innere Aushöhlung des Euro, also die Gefahr, dass die Währung einen substanziellen Verlust ihrer Kaufkraft erleiden und von Inflation untergraben werden könnte. Dieses Risiko besteht infolge der Politik der großen Notenbanken keineswegs nur in den Mitgliedsländern der Euro-Zone, sondern auch in anderen Währungsräumen. Die Liste der in ihrer Substanz gefährdeten Währungen liest sich inzwischen wie ein Who’s who? der im 20. Jahrhundert dominierenden Wirtschaftsmächte und ihres jeweiligen Geldes. Neben den europäischen Staaten sind hier unter anderen die USA , Großbritannien und Japan zu nennen, deren Währungen heute Gefahr laufen, in absehbarer Zeit das Vertrauen der Nutzer und damit eine der im Alltag wichtigsten gesellschaftlichen Konventionen zu verlieren.

Zwischen dem Kollaps eines Währungsraums und der Aushöhlung der Währung selbst besteht oft ein Zusammenhang, aber keineswegs immer. In der jüngeren Geschichte gibt es eine Reihe von Beispielen für das Zerbrechen von Währungszonen, dem Währungsimplosionen folgten. So verzeichnete Jugoslawien im Zuge des Staatszerfalls zwei hyperinflationäre Phasen. Nach dem Ende der Sowjetunion erlebten zehn von 15 ehemaligen Sowjetrepubliken Hyperinflation. [5] Auf die Auflösung Österreich-Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg folgten Episoden massiver Geldentwertung in Österreich und Ungarn, die sich ungefähr zeitgleich mit der Hyperinflation in der Weimarer Republik abspielten. Zwangsläufig ist diese Korrelation allerdings nicht, wie die zum Jahreswechsel 1992/93 durchgeführte Teilung der Tschechoslowakei in die unabhängigen Staaten Tschechien und Slowakei beispielhaft zeigt. Die slowakische Krone wertete damals gegenüber der tschechischen Krone in vergleichsweise harmlosem Umfang ab. Mehr nicht.

Viele denken, dass Hyperinflation – der spektakulärste und in seiner Eigendynamik schreckliche Todeskampf einer Währung – ein deutsches oder gar ein typisch deutsches Phänomen sei. Das ist ein Irrtum. Die Bücher zur Weltgeschichte sind voll mit hyperinflationären Episoden. Wirtschaftswissenschaftler, die sich gezielt auf die Suche gemacht haben, kamen auf 56 dieser Währungskrisen. [6] Betroffen waren sowohl reiche (oder ehemals reiche) Staaten wie Deutschland, Frankreich, Österreich und Argentinien als auch Länder wie China und Brasilien, die heute als erfolgreiche Schwellenmärkte gelten. Simbabwes nationale Währung implodierte vor wenigen Jahren. Der Iran verzeichnete Ende 2012 eine (inoffizielle) Inflationsrate von mehr als 50 Prozent im Monat und damit Hyperinflation.

Die Rettungsroutine der Politik

Die Arbeit am Manuskript dieses Buchs endete Anfang 2013 – zu einem Zeitpunkt, zu dem sich nur wenige Menschen in Deutschland des Ausmaßes und der Dramatik der Situation bewusst waren. Vielen sind die jüngsten Entwicklungen in der südlichen Peripherie der Euro-Zone und die nunmehr qualitativ und quantitativ völlig unübersichtlich gewordenen Rettungsaktionen von Regierungen, Notenbanken und internationalen Organisationen, begleitet von einer Fülle von Thesen und Meinungen aus Politik, Wissenschaft und Medien, ungeheuer und über den Kopf gewachsen. Dass »Rettungsroutine« zum »Wort des Jahres« 2012 avancierte, spricht Bände. Viele verspüren ein diffuses Bauchgefühl, dass etwas schieflaufen könnte. Doch was genau? Das ist für die meisten aufgrund der Komplexität der Materie, der bei vielen übersichtlichen Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge im Allgemeinen und finanzsystemischer Fragen im Besonderen sowie angesichts der sich täglich wandelnden Gemengelage undurchdringlich.

Anders als vor zwei Jahren ist heute aber vielen klar, dass die Euro-Zone mit Schönheitsoperationen nicht gesunden kann, sondern in einer strukturellen und existenziellen Krise steckt. Dass die Bundesregierung und andere Politiker im In- und Ausland Durchhalteparolen verbreiten, hat das Unwohlsein der Bürger nicht lindern können. Die deutschen Regierungen haben im Zuge der Finanzkrise seit 2007 – dies ist eine der zentralen Thesen dieses Buchs – versagt, und es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass sich das in Zukunft ändern könnte. Ein großes Problem liegt darin, dass die Bundesregierung trotz des bisherigen Verpuffens aller Maßnahmen keinen Plan B hat. Dass sie zu keinem Zeitpunkt einen glaubhaften Plan A hatte, sondern sich von Woche zu Woche und von Krisengipfel zu Krisengipfel hangelte, macht die Angelegenheit nicht einfacher.

Die Europäische Zentralbank ( EZB ), strukturell als Ebenbild der Bundesbank konzipiert, hat mehrere Prinzipien ihres einstigen Vorbilds über Bord geworfen, darunter die wichtigsten Leitmotive: die größtmögliche Unabhängigkeit von der Politik und die Verpflichtung auf die Erhaltung der Geldwertstabilität. Die Unabhängigkeit wurde untergraben, als die EZB im Mai 2010 begann, Staatsanleihen quasi insolventer oder finanziell klammer Euro-Staaten aufzukaufen. [7] Sollte eines der genannten Länder jetzt die Zahlungsunfähigkeit erklären, würde die EZB dramatische Verluste auf die von ihr gehaltenen Anleihen verbuchen müssen. Insofern ist sie politisch nicht mehr unabhängig: Sie wäre einer der Hauptgeschädigten eines solchen Schritts und würde daher alles tun, um ihn zu verhindern – beispielsweise indem sie unter bestimmten Bedingungen noch weitere minderwertige Anleihen kauft, und dies »unbegrenzt«, wie EZB-Präsident Mario Draghi im Herbst 2012 ankündigte. Damit gefährdet die Europäische Zentralbank das Wichtigste, über das eine Notenbank in einem Papiergeldsystem, wie wir es nutzen, verfügen kann: Vertrauen. Sie druckt in grenzenlosem Umfang Geld. [8] Wann immer eine Notenbank in der Geschichte diesen Weg einschlug, führte dies zu Inflation. »Nahezu alle großen Inflationen haben so begonnen«, schreibt ein ehemaliger Bundesbankvorstand, Thilo Sarrazin. [9]

Noch dramatischer – und im Volumen um ein Vielfaches höher als alle »Rettungspakete« – sind die Verluste Deutschlands, die sich aus dem Target-Verrechnungssystem der europäischen Notenbanken ergeben, über das in der Euro-Zone grenzüberschreitende Zahlungen ausgeglichen werden. [10] Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener ifo-Instituts, hat als Erster öffentlich auf diese Plünderung deutscher Vermögenswerte hingewiesen. Im August 2012 lagen Deutschlands Target-Forderungen bei 751 Milliarden Euro – Geld, das Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wiedersehen wird. Entweder die Euro-Zone zerbricht, und die Target-Salden verfallen, weil sie Forderungen an ein Finanzsystem darstellen, das es dann nicht mehr gibt. Oder sie werden im Laufe der Jahre aufgrund der deutlich negativen Realverzinsung per Inflation abgebaut. »700 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel«, schreibt Sinn. »Dafür hätte man über 230 Transrapidstrecken vom Münchner Flughafen bis zum Hauptbahnhof München zu je 3 Milliarden Euro bauen können, aber selbst eine dieser Strecken hätte ja bekanntlich die Finanzkraft des deutschen Staates überdehnt.« [11]

Deutschlands finanzielle Verpflichtungen

Wie hoch die Gesamtsumme der Verpflichtungen und Bürgschaften der Bundesrepublik, die sich allein aus dem Euro-Fiasko ergeben, heute liegt, ist kaum seriös zu sagen – bis auf die extrem schwammige Aussage, dass es um sehr viel Geld geht. »Sehr viel« bedeutet inzwischen, anders als noch vor fünf Jahren, dass nicht mehr Milliarden auf dem Spiel stehen, sondern Billionen. Die Leichtfüßigkeit, mit der unsere Regierung und unser Land in den Bereich der kaum noch vorstellbaren Dreizehnstelligkeit vorgedrungen sind, ist atemberaubend. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt ( BIP ), das die gesamte Wirtschaftleistung eines Jahres misst, liegt zurzeit unter drei Billionen Euro.

Die mittel- und langfristigen Folgen, die sich hieraus für Kaufkraft und Geldwertstabilität in Europa und in Deutschland ergeben, sind gravierend. Die Bundesbank, deren Glaubwürdigkeit den Euro erst möglich machte, ist auf dem Altar der Programmatik – »europäische Einigung um jeden Preis« – geopfert worden und spielt heute geldpolitisch praktisch keine Rolle mehr. Damit ist das Vertrauensfundament unserer Währung so schwach wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik. Die wenigsten innerhalb und außerhalb der Politik scheinen dies anerkennen zu wollen; die meisten üben sich in Gleichgültigkeit.

Die heute vorliegenden Bücher zur globalen Schuldenproblematik und zur Finanzkrise der Euro-Zone – es gibt eine Reihe höchst gelungener, lesenswerter – beschäftigen sich vor allem mit den volkswirtschaftlichen Dimensionen. Sie analysieren den Weg in die Krise, diagnostizieren, prognostizieren und formulieren Empfehlungen für Staaten und Regierungen, Noten- und Geschäftsbanken sowie internationale Organisationen und institutionelle Investoren. Bislang gibt es jedoch wenige Veröffentlichungen, die Verbrauchern erklären, welche konkreten Auswirkungen die Krise wahrscheinlich oder potenziell für sie haben wird – eine Lücke, die Wenn Geld stirbt zu schließen versucht.

Viele Bürger spüren intuitiv, dass die Krise in ihren wirtschaftlichen und politischen Dimensionen folgenreich sein könnte, möglicherweise sogar katastrophal und epochal. Praktisch bleibt das Zeitlupenfiasko, dessen Zeuge wir seit nunmehr sechs Jahren werden, meist jedoch bedeutungs- und folgenlos. Ich kenne nur wenige Menschen, die Konsequenzen aus dem Schlamassel ziehen, mögliche Verluste begrenzen und sich gedanklich mit einer Krise auseinandersetzen, die nicht nur die Finanzwelt betrifft, sondern auch die reale Wirtschaft und jeden Haushalt. Das im vierten Kapitel skizzierte Szenario, Ein Notfallplan, halten beispielsweise fast alle, mit denen ich die Krise diskutiere, für dramatisch und irgendwie interessant, zugleich aber, seien wir ehrlich, für völlig absurd. Ich glaube: noch. Die Zeit arbeitet gegen uns.

Um es in einem Bild zu sagen: Vor fast genau 100 Jahren sank die Titanic , auf dem Weg von Southampton nach New York, im Nordatlantik – ein entsetzliches, in unserer Gesellschaft in allen Details berühmt-berüchtigtes Unglück, bei dem 1500 Menschen ihr Leben verloren. Die Ursachenforschung der noch kurz zuvor unvorstellbaren Katastrophe – das Schiff war erst zwei Wochen vorher in Dienst gestellt worden – lieferte viele relevante Facetten: die statistische Häufigkeit von Eisbergen im Nordatlantik; Größenwahn und übersteigerten Ehrgeiz der Verantwortlichen; die vermeintliche Unsinkbarkeit des Schiffs; die viel zu geringe Zahl der Rettungsboote; die hohe Reisegeschwindigkeit. All dies ist wichtig und von Bedeutung. Für Passagiere an Bord eines Schiffs wie der Titanic ist indes ein anderer Ansatz noch wichtiger: Was tun, wenn der Luxusliner, auf dem ich reise, einen Eisberg rammt und unterzugehen droht? Man kann sich in einer solchen Unglückssituation natürlich in stoischem Gleichmut üben, dem Unvermeidlichen ins Auge sehen und versuchen, das Leben bis zum letzten Moment zu genießen, vielleicht mit einem Erfrischungsgetränk. Früher oder später könnte und sollte man sich aber Gedanken über die Möglichkeiten der eigenen Rettung machen. Wie viele Boote gibt es? Wo sind sie? Wie bekommt man einen Platz? Welche anderen Rettungsmaßnahmen sind möglich und praktikabel?

Um solche Rettungsmaßnahmen geht es, bildlich ausgedrückt, in diesem Buch: um eine Art Überlebenstraining. Es versucht, das Grundrauschen von Politik und Medien zu unterdrücken und die für den einzelnen Verbraucher entscheidenden Punkte und Muster herauszufiltern, die neuen Spielregeln der Finanzwelt zu identifizieren und daraus vernünftige Schlüsse zu ziehen. Wenn Geld stirbt soll also eine Art Krisenhandbuch sein und zum Umdenken und Handeln anregen – in einem Umfeld, in dem ein großer Teil der Bevölkerung aufgrund der Komplexität der Finanzkrise quasi kapituliert hat und sich kaum noch mit diesem Thema beschäftigen mag. Dabei stellt es viele Regeln auf den Kopf, die in den vergangenen Jahrzehnten überzeugend und richtig waren. Die vermutlich wichtigste: Die Anlageinstrumente, die noch vor fünf Jahren als »absolut sichere« Renditebringer galten – etwa Spareinlagen, Termingeld, deutsche oder US -amerikanische Staatsanleihen –, sind längst zu hochriskanten Sparformen mit minimaler oder negativer Realrendite mutiert. Wer heute mit diesen Anlagen »absolut sicher« investieren will, macht absolut sicher etwas falsch und wird garantiert verlieren.

Alle Verbraucher müssen sich klarmachen, dass die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union seit nunmehr sechs Jahren eine einzigartige Krisenphase durchlaufen. Die Auswirkungen werden für uns alle dramatisch und verlustreich sein. Die Möglichkeit besteht, dass der Euro und andere Weltwährungen, die in ihrer Konstruktion allein auf die Glaubwürdigkeit von Notenbanken und das Vertrauen der Bürger setzen, einen fatalen Vertrauensverlust erleiden – dass Geld also stirbt. Für dieses katastrophale Szenario gibt es leider keinen verlässlichen Übungsplan; zeitiges Nachdenken und Planen erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit, nicht mit einem Totalverlust abzuschließen, sondern, was die eigenen Ersparnisse betrifft, mit einem halbwegs erträglichen Minus.

Sicher erscheint, dass der seit Langem absehbare Bruch der Euro-Zone in ihrer jetzigen Form und der Vertrauensverlust in die Gemeinschaftswährung weiterhin politische, wirtschaftliche und finanzielle Schockwellen aussenden werden. Jeder Haushalt in Europa und in weiten Teilen der Welt wird sich über die Sicherheit seiner Ersparnisse und Anlagen Gedanken machen müssen. Für sie ist dieses Buch gedacht. Wer sich in den nächsten Jahren nicht um sein Geld und seine finanzielle Absicherung kümmert, läuft Gefahr, in nicht allzu ferner Zukunft nichts mehr zum Kümmern zu haben.

Wenn Geld stirbt umfasst fünf Kapitel. Das zweite schildert die Kurze Geschichte der Krise – wobei die Betonung auf »kurz« liegt – aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel, mit dem viele Leser bislang nicht vertraut sein dürften. Das dritte untersucht zwei in dieser Zeit entscheidende und mitunter verwirrende Phänomene, Deflation und Inflation.

Die Überlebensregeln, das vierte und mit Abstand längste Kapitel, greift zwölf Aspekte auf, über die sich meines Erachtens jeder hier und jetzt Gedanken machen und aus denen er für sich persönlich Konsequenzen ziehen sollte. Wer dies tut, wird sich keineswegs beruhigt zurücklehnen und gelassen den Dingen, die kommen mögen, entgegensehen können. Aber er wird, trotz aller Unabwägbarkeiten der Krise, schon eine ganze Menge richtig machen und mit großer Wahrscheinlichkeit einen Teil seiner Ersparnisse – damit meine ich: seiner Kaufkraft – bewahren. Selbstverständlich wird niemand alle Anregungen dieses Buchs gutheißen, und an manchen Stellen werde ich sicher falschliegen. Das ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, denn es geht hier um Zukünftiges, nicht um Vergangenes. Des ungeachtet glaube ich, dass wir alle in Anbetracht der Umwälzungen im globalen Finanz- und Währungssystem umdenken und aktiv werden müssen. Wenn ich den einen oder anderen mit diesem Buch dazu bewegen könnte, hätte ich viel erreicht.

Der fünfte Teil, Wenn Geld aufersteht, wagt schließlich einen Blick in die Zukunft und stellt Thesen auf, die als Orientierungshilfe nützlich sein könnten.

Vergessen sollte man bei der Lektüre dieses Buchs eines nicht: Es liegt in der Natur aller Krisen, dass sich ihre Umstände kurzfristig und drastisch ändern können. Zwischen Fertigstellung des Manuskripts und Veröffentlichung dieses Textes liegen, wie im Verlagsgeschäft üblich, mehrere Monate. Vieles kann in einem derart langen Zeitraum passieren, das einiges des hier Geschriebenen obsolet macht (oder natürlich bestätigt). Sollte zum Beispiel Griechenland, aktuell Epizentrum der Schuldenkrise in Europa, sich für zahlungsunfähig erklären und aus der Euro-Zone austreten – was ich persönlich aus heutiger Sicht für kurzfristig eher unwahrscheinlich, langfristig dagegen für unvermeidbar halte –, würde eine neue, akute Phase der Krise beginnen, in der sich die Ereignisse überschlagen könnten. Ich werde an einigen Stellen vermutlich richtigliegen und an anderen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch – oder erst zu einem Zeitpunkt recht haben, wenn niemand mehr dieses Buch liest. Umso wichtiger ist, dass Sie als Leserin und Leser sich den Themen und Thesen kritisch nähern, sie prüfen, hinterfragen, verbessern, verwerfen und, wenn Sie Aspekte finden, die Sie überzeugen, entsprechend handeln.

Alle Empfehlungen, die in diesem Buch vertreten und diskutiert werden, erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen und nach umfangreichen Recherchen. Sie spiegeln die persönliche, in vielen Facetten gewiss nicht mehrheitsfähige Meinung eines einzelnen Autors wider, der sich selbstverständlich irren kann. Eine Haftung oder Garantie für die Zuverlässigkeit der Angaben können Autor und Verlag nicht übernehmen. Insbesondere sind die getroffenen Aussagen und Empfehlungen nicht als Aufforderung für oder gegen einzelne Finanzentscheidungen zu verstehen. Privatanleger sollten sich in Gelddingen stets gründlich informieren und bei Bedarf ausführlich und unabhängig beraten lassen, bevor sie Einzelentscheidungen treffen.

Zum Schluss dieses Abschnitts möchte ich kurz auf den Umschlag des Buchs eingehen, auf dem ein roter panic button, ein Panikknopf, abgebildet ist. Panik in Verbindung mit Kontrollverlust ist in den meisten Lebenssituationen selbstverständlich kein guter Ratgeber, erst recht nicht in Fragen des Geldes. Ich bin allerdings überzeugt, dass sie in der aktuellen Finanzkrise eine bessere Ausgangssituation darstellt als die Alternative, Naivität. Der Ratschlag an das vor der Schlange sitzende Kaninchen, erst einmal schön ruhig am Platz zu bleiben und gründlich nachzudenken, ist gut gemeint, wahrscheinlich aber ungesund.

Sicher: Panik kann zu unüberlegten Handlungen verführen, zu Schnellschüssen und kostspieligen, folgenreichen Fehlentscheidungen. Insofern ist der Panikknopf, der die Titelseite dieses Buchs schmückt, mit gesundem Misstrauen zu sehen. In dem Maß, in dem uns ein Gefühl der Panik jedoch aufrüttelt und aktiv werden lässt, kann es hilfreich sein. Darum geht es hier.

Ich schreibe dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass Politiker und Journalisten denjenigen, die vor drohenden Missständen oder gar Katastrophen warnen – gewissermaßen den Kassandras unserer Zeit –, gern Unseriosität und Populismus vorwerfen. Warnungen werden als Spinnereien abgetan: Es könne nicht sein, was nicht sein dürfe; die aufgezeigten Szenarien seien unvorstellbar, fern der Realität; »Milchmädchen stellen Milchmädchenrechnungen auf« [12] und so weiter. Diese Reaktionen sind selbstverständlich legitim, zugleich aber fahrlässig. Der gefährlichste Populismus liegt in der aktuellen Krise darin, so zu tun, als sei alles halb so schlimm, als würde sich für alle Probleme irgendwie eine Lösung finden, die wenig oder nichts koste.

Das ist falsch und unseriös. Die Finanzkrise und ihre Folgen sind ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt und den wir alle überstehen müssen, so gut es eben geht. Vergessen sollte man dabei nie, dass die Krise zwar in die Katastrophe münden kann und meines Erachtens wird – dass dies aber keineswegs der Weltuntergang sein wird. Ein schwacher Trost, aber doch ein Trost.

[1] Aldous Huxley: »Case of Voluntary Ignorance«, in: Collected Essays, Harper, 1958.

[2] Simone de Beauvoir: Tous les hommes sont mortels, Éditions Gallimard, 1946.

[3] Vgl. Deutscher Sparkassen- und Giroverband: Vermögensbarometer 2012, Oktober 2012, Seite 5. Der guten Form halber weise ich darauf hin, dass ich, obgleich namentlich nicht genannt, Autor des Vermögensbarometers bin.

[4] Grundstoff der Euro-Banknoten ist beispielsweise Baumwolle, nicht aus Holz gewonnener Zellstoff. Andere Banknoten wie die des australischen Dollar werden aus Kunststoff hergestellt.

[5] Vgl. www.voxeu.org/article/why-collapse-eurozone-must-be-avoided-almost-any-cost, aufgerufen am 7. Februar 2013.

[6] Vgl. Steve H. Hanke und Nicholas Krus: World Hyperinflations, Cato Working Paper, 15. August 2012.

[7] Siehe unter anderem www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/geldpolitik-notenbanken-beginnen-mit-dem-kauf-von-anleihen-1978146.html, aufgerufen am 17. November 2012.

[8] »Drucken« ist hier an und für sich der falsche Ausdruck, aber jeder wird ihn verstehen. Notenbanken bringen heute in erster Linie Geld in Umlauf, indem sie Wertpapiere wie Anleihen kaufen und den Verkäufern dieser Papiere aus dem Nichts geschaffene, elektronisch verbuchte Währungseinheiten gutschreiben.

[9] Thilo Sarrazin: Europa braucht den Euro nicht: Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat, Deutsche Verlags-Anstalt, 2012, Seite 155.

[10] So die Schätzung von Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, München. Vgl. Die Target-Falle, Hanser Verlag, 2012, Seite 166.

[11] Sinn: Die Target-Falle, Hanser Verlag, 2012, Seite 206.

[12] »Ich finde, Milchmädchen dürfen Milchmädchenrechnungen vorlegen. Bei Professoren sieht das schon anders aus.« Eine Äußerung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts, die viel über Schäuble und nichts über Sinn sagt. Welt am Sonntag, 29. Juli 2012.