Inhalt
VORWORT
STARKER PATIENT – GUTE BEHANDLUNG
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt …
Moderne Medizin – Licht und Schatten
Fragen ist Gold
Drei Hürden auf dem Weg zum starken Patienten
VOR DEM ARZTBESUCH
Gute Vorbereitung – gute Informationen – gute Entscheidung
Grundwissen für starke Patienten
Therapeutische Erfahrung – aus eigener Anschauung
Nutzennachweis durch Anwendungsstudien
Verschiedene Studienarten
Der Studien-Tüv
Wann Erfahrung, wann Studien?
Therapieentscheidungen im ärztlichen Alltag
WÄHREND DES ARZTBESUCHS
Mit dem 5-Punkte-Plan zu einer guten Therapieentscheidung
Punkt 1: Erkrankung und Behandlungsziel
Punkt 2: Therapie besser als natürlicher Heilungsverlauf?
Punkt 3: Was bedeuten die Therapievorteile konkret für mich?
Punkt 4: Nachteile und Nebenwirkungen
Punkt 5: Behandlungsalternativen
Die wichtigste Frage zum Schluss
Der 5-Punkte-Plan auf einen Blick
PSYCHOLOGISCHE BARRIEREN ÜBERWINDEN
Die psychologische Situation des Patienten
Die vier Grundtypen unserer Persönlichkeit
Die Zuversichtliche
Der Warner
Die Vernünftige
Der Spontane
Bedeutung für den Patienten
Welcher Patiententyp sind Sie?
Gezielte Vorbereitung: Wenn-Dann-Pläne
Wenn-Dann-Pläne für die vier Grundtypen
NACH DEM ARZTBESUCH
Auswertung der ärztlichen Beratung
Entscheidungsphase – lassen Sie sich Zeit
Die Entscheidung – auch eine Abwägung nach Gefühl
Ich entscheide mich für folgendes Vorgehen:
Arztwahl und Behandlungsinformationen – die Suche im Internet
Schlussgedanken: Starker Patient, starkes Gesundheitssystem
ANHANG
Danke
Kontakt
Quellen
Literaturempfehlungen
Register
Impressum
VORWORT
Arzt zu sein ist ein wunderbarer Beruf. Die moderne Medizin bietet viele Möglichkeiten, Leid zu lindern und sogar Leben zu retten. Umso seltsamer erscheint es, dass ich, je länger ich Arzt bin, desto mehr versuche, Patienten vor der heutigen Medizin zu schützen. Genauer: vor den Nebenwirkungen einer verantwortungslosen Übertherapie und Überdiagnostik, die sich zu einer großen Bedrohung für unsere Gesundheit entwickelt haben. Dies ist keine Verschwörungstheorie, sondern schlichte Realität.
Das habe ich mir als Medizinstudent anders vorgestellt. In meiner Fantasie sah ich mich als Arzt, der schwere Krankheiten erkennt und erfolgreich therapiert oder lebensrettende Operationen durchführt. Situationen, die ich später als Notarzt und in der Chirurgie auch erleben durfte. Aber ich wollte nicht Notarzt bleiben, sondern mich als selbstständiger Arzt in eigener Praxis niederlassen. Deshalb durchlief ich in Krankenhäusern und Arztpraxen die dafür notwendigen Ausbildungszeiten in verschiedenen Abteilungen. Als Assistenzarzt wuchs dabei das Bewusstsein, dass etwas nicht stimmt mit unserer Medizin. Mir wurde langsam, aber stetig klarer, dass viele Probleme, aufgrund derer man Patienten ins Krankenhaus einweist, durch die Medizin selbst verursacht werden – und dass die Medizin, die wir lehrbuchgemäß praktizieren, oft nicht Teil der Lösung, sondern Teil dieses Problems ist. Später, als selbstständiger Arzt, erlebte ich immer häufiger, dass es Patienten besser ging, wenn man sie vor vielen Verordnungen und Verschreibungen, oft frisch aus dem Krankenhaus entlassen, schützte.
Die erstaunlichste Erfahrung war jedoch, dass diese Erkenntnis kaum einen Kollegen interessierte. Vom Internisten bis zum Universitätsmediziner verschließen fast alle die Augen vor dieser immensen Fehlentwicklung der modernen Medizin. Dieses Desinteresse war für mich rätselhaft, und so fing ich an, in diesem von außen undurchdringlich erscheinenden Dschungel unseres Gesundheitssystems zu recherchieren und Zusammenhänge zu erkennen. Daraus wurden Bücher. In Schlechte Medizin wird erklärt, wie die medizinische Wissenschaft funktioniert und warum es so einfach ist, sie zu manipulieren. Im Folgebuch Gebrauchsanweisung für Ihren Arzt geht es vor allem darum, warum Ärzte ihre Patienten so wenig vor den negativen Folgen schützen und man deshalb als Patient selbst aktiv werden muss.
Unzählige Zuschriften von Patienten, Krankenschwestern und -pflegern, Mitarbeitern medizinischer Fachzeitschriften oder Arztpraxen, Kollegen und – meist im Ruhestand befindlicher – Professoren bestätigten aus eigener Erfahrung die bedenkliche Situation. Viele Leser regten dabei an, eine einfachere Buchversion nachzulegen. Ohne ausführliche Hintergrundinformationen und Quellen, dafür mit einer klaren und praktikablen Ausrichtung: Was kann ich als Patient denn nun genau tun, um mich vor einer schlechten Medizin zu schützen? Deshalb folgt nun mit diesem Buch der kompakte Ratgeber.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und viel Erfolg beim Umsetzen der Ratschläge.
Dr. med. Gunter Frank
STARKER PATIENT – GUTE BEHANDLUNG
Unsicherheit, offene Fragen, Zweifel an der gewählten Behandlungsmethode – das ist nach einem Arztbesuch leider vielerorts immer noch gängige Praxis. Der Patient hat wenig von dem, was ihm der Arzt gesagt hat, verstanden und stimmt der Behandlung in der vagen Hoffnung zu, sie werde ihm schon irgendwie helfen. Doch das kann trügerisch sein. Die Zahl unnötiger Therapien und damit verbundener Nebenwirkungen steigt stark an. Patienten, die mit ihrem Arzt vor einer Behandlung die Vor- und Nachteile ausreichend und verständlich besprechen, können sich davor schützen.
Werden Sie zu einem selbstbewussten Patienten, der die dazu notwendigen Informationen aktiv einfordert – indem Sie die richtigen Fragen stellen.
ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN FRAGEN SIE IHREN ARZT …
Sicherlich kennen Sie diese Aufforderung, die jeder Medikamentenwerbung folgt. Aber eigentlich wäre sie gar nicht notwendig, denn folgende Regeln sind längst geltendes Recht:
Ihr Arzt muss Sie über Ihre Behandlung ausführlich und verständlich aufklären und beraten, und zwar vor, während und nach der Behandlung. Von dieser Regelung gibt es nur wenige Ausnahmen, beispielsweise dann, wenn der Patient bewusstlos ist oder wenn es um Leben und Tod geht, der Patient also eilig behandelt oder operiert werden muss.
Ihr Arzt muss sicherstellen, dass Sie die Informationen gut verstanden haben. Nach der Aufklärung und Beratung muss er Ihnen genügend Zeit geben, damit Sie sich in Ruhe für oder gegen eine Behandlung entscheiden können.
Leider machen viele Patienten im ärztlichen Beratungsgespräch ganz andere Erfahrungen. Aufklärung gibt es kaum, und wenn, dann nur mit schwer verständlichen Zahlen und auf Fachchinesisch. Viele Ärzte sind gehetzt und nehmen sich keine Zeit, um auf die Fragen ihrer Patienten ausführlich einzugehen. Somit erleben Patienten ärztliche Aufklärungsgespräche oft als unvollständig und willigen dann mit einem schlechten Gefühl in Therapien ein, deren tatsächliche Auswirkungen ihnen unbekannt sind. Ihnen bleibt meist gar nichts anderes übrig, als der Medizin blind zu vertrauen.
In Politik und Medizin wird zwar stets die Einbindung des Patienten bei medizinischen Entscheidungen gefordert, doch dazu benötigen Sie vor allem eines: gute, verlässliche und leicht verständliche Informationen darüber, was die vorgeschlagene Behandlung tatsächlich bewirken wird, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. Denn wie sollten Sie sonst wissen, was gut oder schlecht für Sie ist? Doch dieses Ideal einer sogenannten informierten Patientenentscheidung liegt in den Sprechzimmern und Krankenhäusern auch im 21. Jahrhundert noch in weiter Ferne. Das ist nicht nur unzeitgemäß, sondern kann auch gefährlich für Sie sein.
MODERNE MEDIZIN – LICHT UND SCHATTEN
Um von Anfang an keine Zweifel aufkommen zu lassen: Wir haben in Deutschland eine hervorragende Medizin. Sie ist in der Lage, verkalkte Herzklappen durch hochwertige künstliche Herzklappen zu ersetzen, Schlaganfällen vorzubeugen, seltene Tumoren durch komplizierte Operationen zu heilen und so vieles mehr gut zu behandeln. Und die Chancen stehen gut, dabei auf hochmotivierte und kompetente Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger zu treffen, die ihre Patienten durch diese schweren Erkrankungen hindurch begleiten, ohne ständig auf die Uhr zu sehen. Man kann dafür nur dankbar sein.
Es gibt aber auch eine Schattenseite der Medizin. Viele – sehr viele – Patienten werden täglich mit einer Medizin behandelt, deren Nutzen nicht belegt ist und deren Nebenwirkungen dafür umso deutlicher zu spüren sind. Leider stehen auch hier die Chancen gut, dabei einer überflüssigen Diagnostik und Therapie ausgesetzt zu werden, die dem Patienten mehr schadet als hilft. Und dieser Teil der Medizin wächst. Vor allem deshalb, weil der ökonomische Einfluss in der Medizin immer größer wird. Pharmafirmen, private Träger von Krankenhäusern und inzwischen auch Arztpraxen stehen unter dem wachsenden Druck, immer höhere Umsätze erwirtschaften zu müssen. Diese erwirtschaftet man in erster Linie dadurch, dass man an möglichst vielen Patienten möglichst viel Medizin betreibt.
ES WIRD IMMER MEHR THERAPIERT
MIT ZAHLREICHEN RISIKEN VERBUNDEN
Während der medizinische Sinn der massiv ansteigenden Behandlungen sehr fragwürdig ist, treten die damit verbundenen gefährlichen Nebenwirkungen umso deutlicher zutage: Die Anzahl der von Ärzten gemeldeten Arzneimittelzwischenfälle im Jahr 1996 betrug 5547. Im Jahr 2012 waren es 24421. Die Anzahl der dabei gemeldeten Todesfälle stieg von 451 auf 2425. Dies entspricht einer Steigerung von über 500 Prozent. Man muss dabei von einer deutlich größeren Dunkelziffer ausgehen, denn die meisten Fälle werden gar nicht offiziell gemeldet.
Nach seriösen Schätzungen der Johns-Hopkins-Universität kam es in den USA im Jahr 2000 durch unnötige Behandlungen in Arztpraxen zu Nebenwirkungen, die eine Reihe schwerwiegender Konsequenzen nach sich zogen:
Insgesamt gehen die Forscher von mindestens 225000 vermeidbaren Toten in den USA pro Jahr aus. Dabei gehen die meisten auf das Konto der Übertherapien. Somit wäre die ärztliche Behandlung Todesursache Nummer 3 nach Herzkrankheiten und Krebs, aber vor Schlaganfällen, Diabetes und Unfällen.
Eine solch umfassende Schätzung gibt es für Deutschland nicht. Die Problematik ist jedoch ähnlich. Das würde für Deutschland rund 50000 Todesfälle im Jahr bedeuten, die durch unnötig verordnete medizinische Behandlungen verursacht werden und damit grundsätzlich vermeidbar sind.
Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle, dass die oben genannten Zahlen durch die offizielle Lehrmedizin verursacht werden, die sich selbst gern als wissenschaftlich, objektiv und seriös von Außenseitermethoden abgrenzt. Diese Feststellung ist kein Plädoyer gegen die Schulmedizin, ganz im Gegenteil: Wir brauchen sie dringend. Denken wir nur an die Schmerzspritze beim Zahnarzt. Doch ihre Schattenseite wird größer. Die gute Nachricht jedoch lautet: Diese bedenkliche Entwicklung könnte relativ einfach gestoppt werden.
FRAGEN IST GOLD
Der Hauptgrund dafür, dass sich Übertherapien immer mehr ausbreiten, liegt darin, dass in der Medizin zu wenig nachgefragt wird. Zum einen müssten die Forscher an den Universitäten die von der Industrie bezahlten Studien viel nachdrücklicher hinterfragen. Dann würden die Veröffentlichungen in der medizinischen Wissenschaft deutlich realistischer und weniger industriefreundlich ausfallen. Zum anderen müssten die praktischen Ärzte die Qualität der wissenschaftlichen Behandlungsleitlinien viel genauer überprüfen. Dann würde ihnen klar werden, dass viele offizielle Empfehlungen von der Blutdruckeinstellung bis zur Chemotherapie in Wirklichkeit auf reiner Spekulation beruhen und Nebenwirkungen nur unzureichend erfassen.
Es gibt durchaus Bewegungen innerhalb der Ärzteschaft, die dies fordern und sich dafür engagieren. Leider nur mit mäßigem Erfolg, und dies wird sich realistisch gesehen in nächster Zukunft auch nicht ändern. Denn man muss es offen sagen: Ärzte und ihre Vertretungen wie die Ärztekammern, die Kassenärztlichen Vereinigungen und vor allem die wissenschaftlichen Fachgesellschaften sind heute in diese wirtschaftlichen Zwänge mehr eingebunden, als es für unser Gesundheitssystem gut ist.
Wenn sich Patienten dennoch vor einer unnötigen und nebenwirkungsreichen Medizin schützen möchten, kommt es deshalb vor allem auf eines an: Patienten müssen viel mehr, als es heute üblich ist, nachfragen. Sie sollten ihre Ärzte selbstbewusst und zielgerichtet um klare und verständliche Belege für die Behandlungsempfehlungen bitten. Das würde alles ändern – zum Guten.
DEN EIGENEN EINFLUSS NICHT UNTERSCHÄTZEN
Es mag ungewohnt klingen, aber es stimmt: Die mächtigste Position im Gesundheitssystem nimmt der Patient ein. Denn einzig der Patient entscheidet, ob eine Behandlung durchgeführt werden darf oder nicht. Ein Arzt darf keinen Patienten gegen seinen Willen behandeln. Tut er es dennoch, macht er sich strafbar. Sie allein also entscheiden, ob Sie sich behandeln lassen möchten oder nicht. Und wer will schon mit Medikamenten oder Eingriffen behandelt werden, die unnütz oder gar gefährlich sind?
Würden die Patienten anfangen, ihr Recht auf verlässliche Informationen einzufordern, wäre es ungleich schwerer, Therapien ohne eindeutige Belege zu verordnen. Als Gegenargument wird häufig angeführt, Patienten seien doch unzufrieden, wenn sie die Sprechstunde nicht mit einem Rezept in der Hand verließen. Somit seien die Patienten selbst schuld an der immens wachsenden Zahl von Verordnungen. Ich weiß nicht, wer diese Gerüchte in die Welt setzt. Meine Erfahrungen sind anders. Patienten wissen oder zumindest ahnen sehr wohl, dass Medikamente immer auch Nebenwirkungen haben können. Sie sind eher froh, wenn sie keine Tabletten einnehmen müssen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Leser dieses Buchs ähnlich denken.
DREI HÜRDEN AUF DEM WEG ZUM STARKEN PATIENTEN
Auch wenn Sie meine Argumente teilen und selbst der Meinung sind, dass man als Patient nach verlässlichen, hilfreichen Informationen aktiv fragen und auf Antworten bestehen sollte – der Weg dorthin ist nicht einfach. Drei Hürden gilt es zu überwinden.
HÜRDE NUMMER 1 – DIE SPRACHE
Unverständliches Fachchinesisch, mit lateinischen und englischen Ausdrücken gespickt, sorgt dafür, dass selbst einfache Zusammenhänge kaum verstanden werden. Wenn es beispielsweise heißt, supraventrikuläre Extrasystolen sind meist die Folge einer vegetativen Dysregulation und einer schlechten Heart-Rate-Variability, könnte man auch sagen, dass es unter Dauerstress zu einem harmlosen Herzstolpern kommen kann, und alles wäre klar. Auch eine idiopathische Hypertonie klingt für den Patienten so eindrucksvoll wie rätselhaft. Das Wort »idiopathisch« bedeutet aber lediglich, dass man die Ursachen nicht kennt. Bluthochdruck mit unbekannter Ursache versteht man hingegen sofort.
Medizinische Informationen werden auf diese Weise immer noch wie eine Art Herrschaftswissen gehandhabt, und das schreckt ab. Infolgedessen trauen sich viele Patienten nicht, einfache Fragen zu stellen, weil sie ihnen zu banal erscheinen. Doch seien Sie versichert: Die deutsche Übersetzung vieler medizinischer Begriffe ist auch nicht gerade beeindruckend, aber viel realitätsnäher. Verwenden Sie ruhig eine einfache, verständliche Sprache und bitten Sie auch Ihre Ärzte, dies zu tun. Dazu ist der Arzt im Übrigen auch verpflichtet.
HÜRDE NUMMER 2 – WONACH GENAU SOLL ICH FRAGEN?
Wie erfragt man den Nutzen einer Therapie? Welche Fragen muss man stellen und wie geht man mit den ärztlichen Antworten um? Was bedeuten Prozentzahlen zu Risiken und Nebenwirkungen genau und wie relevant sind sie für den Patienten? Wie kann man einschätzen, welche Qualität die Empfehlung des Arztes wirklich hat? Um dies beurteilen zu können, gibt es zwei unterschiedliche Bewertungsarten.
Mit der ersten kennen Sie sich selbst gut aus. Es geht darum einzuschätzen, ob ein Arzt eine ausreichende therapeutische Erfahrung besitzt – und zwar genau für Ihren Behandlungsfall. Kann er wirklich einschätzen, ob die vorgeschlagene Therapie gut für Sie ist und das auch langfristig? Eine solche Abwägung haben Sie selbst schon oft getroffen: wenn Sie beispielsweise einen Schreiner suchen, der Ihnen eine Küche einbaut, oder einen Installateur, der ein Waschbecken montieren soll. Dann machen Sie sich vorher auch ein Bild bezüglich seiner Fähigkeiten. Sie lassen sich Vorarbeiten zeigen, sehen bei Bekannten das Ergebnis seiner bisherigen Arbeit und schätzen seine Fähigkeiten ein. Außerdem schauen Sie sich noch seine Persönlichkeit an: Wirkt er zuverlässig oder konfus, geht er auf Ihre Vorstellungen ein oder verhält er sich komisch? Kurz, Sie machen sich ein Gesamtbild und entscheiden dann, ob Sie seinen Fähigkeiten vertrauen können oder nicht.
Auch viele medizinische Behandlungen sind genau betrachtet gutes Handwerk. Dies gilt für die Ausführung einer Operation wie den Einbau eines künstlichen Hüftgelenks oder die Entfernung eines entzündeten Blinddarms, für die Behandlung akuter Notfälle, etwa eines offenen Schienbeinbruchs oder einer Blutvergiftung, oder auch für die Abklärung eines Verdachtsfalles wie ein ungewöhnliches Muttermal oder eine grundlose, lang anhaltende Heiserkeit. Für eine gute Behandlung bedarf es in solchen Fällen nicht aktueller Studien, sondern vor allem Erfahrung und Übung. Ich werde Ihnen deshalb genau erklären, in welchen Behandlungsfällen die therapeutische Erfahrung Ihres Arztes ausschlaggebend für eine gute Behandlung ist und wie Sie diese gezielt erfragen und einschätzen können.
EINBEZIEHEN WISSENSCHAFTLICHER STUDIEN
Die zweite Bewertungsart ist schwieriger. Viele Patienten müssen dabei Neuland betreten. Es geht um die Einschätzung, ob Ihr Arzt die Ergebnisse der aktuellen wissenschaftlichen Studien zu Ihrem Behandlungsfall kennt oder nicht. Ein Handwerker braucht keine wissenschaftlichen Studien, um einen stabilen Tisch zu bauen oder Wasserleitungen fachgerecht anzuschließen. In der Medizin gibt es jedoch viele Situationen, in denen ein Arzt dringend Studien benötigt, um beurteilen zu können, ob eine Behandlung für den Patienten gut oder vielleicht sogar eher schädlich ist. In solchen Fällen kann der Sinn einer Behandlung nicht allein durch eigene Erfahrung eingeschätzt werden, beispielsweise dann nicht, wenn ein Erfolg zu selten vorkommt – etwa bei einer Vorsorgeuntersuchung – oder wenn das Behandlungsziel in zu weiter Zukunft liegt – etwa beim Verhindern von Spätfolgen durch eine Blutzuckereinstellung. Hier braucht er Studienwissen. Kennt sich Ihr Arzt damit nicht aus, weiß er auch nicht, was er tut.
Während es Ihnen sicher leichtfällt, Fragen bezüglich der therapeutischen Erfahrung zu stellen und sich dabei sicher zu fühlen, geht es Ihnen bei Fragen nach dem aktuellen Studienwissen wahrscheinlich anders. Auf diesem Gebiet werden sich die meisten Patienten alles andere als heimisch fühlen. Es erscheint kaum vorstellbar, wie man seinem Arzt solche Fragen stellen soll, geschweige denn, dass man die Antworten einschätzen kann. Schließlich ist nicht jeder Fachmann für statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Doch genau hier verläuft eine der wichtigsten Trennlinien zwischen guter und schlechter Medizin. Ist eine Behandlung tatsächlich durch aktuelle Studien abgesichert, und sind diese Ergebnisse überhaupt auf Ihren Behandlungsfall anwendbar? Ist es sinnvoll, sich auf die Behandlung einzulassen, oder sollten Sie sie eher ablehnen und Alternativen suchen?
UMGANG MIT WISSENSLÜCKEN
Aber Sie werden sehen: Wenn Sie sich darauf einlassen, ist es erstaunlich einfach, ein gutes Gefühl dafür zu entwickeln, auf welcher Grundlage sich Ihr Arzt bewegt. Ich erläutere Ihnen dazu die wenigen notwendigen Fragen, mit denen Sie die Spreu vom Weizen trennen. Dabei ist mir eines bewusst: Patienten werden mit solchen Fragen nicht selten erleben, dass ihr Arzt sie nicht befriedigend beantworten kann. Aber auch das ist eine wichtige Information für Sie. Wie geht Ihr Arzt mit einem Nichtwissen um? Blockt er in einer überheblichen Weise ab, nach dem Motto: »Wer ist hier der Experte – Sie oder ich?«, oder gibt er Wissenslücken offen zu und bemüht sich im Nachhinein, gute Antworten auf berechtigte Fragen zu finden? Das alles zeigt Ihnen, in welche Hände Sie sich begeben können oder vielleicht besser nicht.
Wenn Sie unterscheiden können, wann therapeutische Erfahrung und wann Studienwissen die ausschlaggebende Grundlage für Ihre Behandlung ist, und wenn Sie wissen, mit welchen Fragen Sie Ihren Arzt auf diesen beiden Gebieten einschätzen können, haben Sie genau das Wissen, das ein starker Patient im 21. Jahrhundert benötigt, um eine informierte Entscheidung treffen zu können. Doch es gibt auf diesem Weg noch eine dritte Hürde. Und sie ist vielleicht die höchste.
HÜRDE NUMMER 3 – DIE PSYCHOLOGISCHE SITUATION DES PATIENTEN
Im Krankenhaus wird diese besonders deutlich. Man liegt oder sitzt im Bett und wartet im Nachthemd oder Schlafanzug auf die Visite. Man hat dringende Fragen vorbereitet, die man an den Chefarzt richten möchte. Trifft er mit seinem Gefolge ein, muss man zu ihm hochblicken, und allein diese körperliche Voraussetzung erschwert die sprichwörtliche Kommunikation auf Augenhöhe. Wer bringt es in dieser Situation fertig, den Herrn Professor an eine verständliche Sprache zu erinnern oder darauf zu bestehen, eine Frage ausreichend beantwortet zu bekommen. Sogar ansonsten recht selbstsichere Personen haben damit Schwierigkeiten. Eher zieht man sein Vorhaben zurück, schließlich möchte man den Arzt, von dem man ja Hilfe erwartet, auch nicht gegen sich aufbringen.
Kommen dann noch die Sorge vor einer schweren Erkrankung und Schmerzen hinzu, scheint es fast unmöglich, eine selbstsichere und starke Patientenhaltung einzunehmen. Doch auch hier gibt es realistische und gut funktionierende Techniken, die es Ihnen selbst unter Angst und Druck ermöglichen, Ihre Patientenrechte freundlich, aber bestimmt einzufordern. Dazu müssen Sie nur die Fallstricke Ihrer eigenen Persönlichkeit kennen und sich gezielt auf solche Situationen vorbereiten. Und weil diese Hürde hoch ist, widmen wir ihrer Überwindung ein ganzes Kapitel inklusive Test zur Bestimmung verschiedener Patiententypen.
Fast jeder wird einmal zum Patienten. Wer dann gezielt und selbstbewusst die richtigen Fragen stellt, kann gemeinsam mit seinem Arzt besser entscheiden, was gut für ihn ist. Übrigens gilt das auch, wenn Sie Ihre Angehörigen oder Freunde dabei unterstützen möchten. Denn grundsätzlich darf jeder Patient, wenn er sich dadurch sicherer fühlt, eine vertraute Person zum Arzt mitnehmen. Starke Patienten führen zu guten Behandlungen. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie es geht: Fragen Sie Ihren Arzt – aber richtig!
VOR DEM ARZTBESUCH
Der Behandlungserfolg hängt nicht nur von Ihrem Arzt und den von ihm vorgeschlagenen Therapien ab; auch Sie selbst können wesentlich dazu beitragen, indem Sie sich auf das Gespräch mit dem Arzt so gut wie möglich vorbereiten.
Wenn Sie Ihren Arzt strukturiert über Ihre medizinische Vorgeschichte informieren und das notwendige Grundwissen besitzen, um für Ihre Erkrankungssituation die richtigen Fragen herauszufinden, erhöhen Sie die Chance auf eine optimale Behandlung deutlich.