David Marten

[3]Feuerwehr in Polizeilagen

Einsatz bei Gewaltereignissen

1. Auflage

Verlag W. Kohlhammer

[9]Vorwort

Feuerwehr und Polizei scheinen wie Brüder – gleich und doch ungleich.

Gleich ist das Bestreben, Menschen in Notsituationen zu helfen. Die Polizei kann mit ihrem Gewaltmonopol Gerechtigkeit schaffen und Leben und Eigentum schützen. Die Feuerwehr kann mit dem Einsatz von Technik und Medizin gefährdetes Leben erhalten und Schäden vermindern. Beide haben auch die gleiche Grenze in ihrem Handeln. Viele Einsätze können nur bedingt vorgeplant werden und immer wieder ist es notwendig, trotz unklarer Faktenlage schnelle Entscheidungen zu treffen und umzusetzen.

Ungleich ist jedoch ihre organisatorische Zuordnung – die Feuerwehr zu den Kommunen und die Polizei zu den Landesverwaltungen. Dementsprechend sind auch Ausbildung, Ausrüstung, Dienstrecht und Organisation sehr verschieden.

Die in den letzten Jahren erfolgte Veränderung der Bedrohungen macht eine enge und effektive Zusammenarbeit immer notwendiger. Für die Feuerwehr kann eine Brandbekämpfung durch eine unzureichende Absperrung sehr behindert werden und die Personensuche nach einem Hauseinsturz kann an einer unzureichenden Zeugenbefragung scheitern. Für die Polizei wiederum kann eine Geiselbefreiung scheitern, wenn Feuerwehr und Rettungsdienst nicht bestmöglich im Einsatzgeschehen mitwirken.

Dieses Buch ist eine Hilfe für alle Feuerwehrangehörigen, die Arbeitsweise der Polizei zu verstehen und die Zusammenarbeit bei verschiedenen Einsatzszenarien bestmöglich zu gestalten. Es macht aber auch deutlich, dass der gegenseitige Respekt und das gegenseitige Vertrauen, gestärkt durch persönliche Bekanntschaft, genauso bedeutsam sind.

 

Stephan Neuhoff

Direktor der Feuerwehr Köln i. R.

[11]1    Einleitung

Es liegt in der Natur der Sache, dass durch die technische (und gesellschaftliche) Weiterentwicklung das Einsatzspektrum der Feuerwehr immer breiter wird und Risiken zunehmen (Schläfer, 1998). Aufgrund verschiedener Faktoren gewinnen Einsätze der Feuerwehr oder des Rettungsdienstes mit Beteiligung der Polizei, sogenannte Polizeilagen, an Bedeutung. In einigen Ländern Europas herrscht aufgrund einer zeitweise fast allgegenwärtigen Gefahr durch internationalen Terrorismus eine dauerhaft angespannte Sicherheitslage. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung gegenüber Einsatzkräften der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr zumindest gefühlt immer öfter Ignoranz oder gar offen ablehnende Verhaltensweisen entgegenbringt, die von Respektlosigkeit bis zur körperlichen Gewalt reichen. In den Medien lesen wir allzu oft von Gewalt durch Hooligans, Clangewalt durch arabische Großfamilien, Auseinandersetzungen zwischen Rockergruppen oder gewalttätigen Demonstrationen. Außerdem entstehen neue Kriminalitätsphänomene, wie beispielsweise das Sprengen von Geldautomaten, vermutlich durch organisierte Banden durchgeführt, wovon die Feuerwehren zwangsläufig mitbetroffen sind.

Keine anderen Organisationen sehen sich täglich mehr mit gesellschaftlichen und politischen Problemen konfrontiert wie Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr. Keine anderen Behörden stehen gegenwärtig stärker im Fokus des öffentlichen Interesses. Ihre Einsatzkräfte stellen die demokratische Ordnung sicher, indem sie den Staat und seine Bürger schützen und versorgen (Döding, 1998).

Ziel dieses Buches ist es, zu einer effektiven Aufgabenerledigung von Feuerwehr und Rettungsdienst in Polizeilagen beizutragen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die reibungslose Zusammenarbeit mit der Polizei. Viel zu lange wurde sie als selbstverständlich angesehen und erst nach besonderen Einsätzen in diese Zusammenarbeit investiert.

Polizeilagen, die durch Gewalttäter hervorgerufen werden, unterliegen im Vergleich zu den physikalischen Gesetzmäßigkeiten eines Wohnungsbrandes einer ganz individuellen Schadensentwicklung, die nicht vorhergesagt werden kann. Deshalb kann es auch hierfür keine Patentlösungen oder Standardeinsatzregeln geben. Vielmehr werden Grundlagen, Entscheidungskriterien und Erfahrungen aus konkreten Einsätzen dargestellt. Dadurch lassen sich Schwerpunkte identifizieren, die bei der Einsatzplanung und im Führungsvorgang Berücksichtigung finden können. Das Buch stellt Handreichungen und Überlegungen zur Erarbeitung eigener Konzepte zur Verfügung und unterstützt bei der Entwicklung eigener Lösungen.

[12]Einsatz- und Führungskräfte der Feuerwehr, von der Einsatzkraft über den Fahrzeugführer bis zum Verbandsführer, sollen mit dem notwendigen Verständnis für und Wissen über Gefahren und die Möglichkeiten, sich vor ihnen zu schützen, mit Informationen über die Organisation und die Arbeit der Polizei, für den sicheren und erfolgreichen Einsatz in Polizeilagen ausgestattet werden.

Neben Wissen und Training ist für solche Einsätze auch Routine wichtig. Letztere ist jedoch aufgrund der Seltenheit von polizeilichen Großlagen kaum zu erlangen. Daher müssen wir Wissen aus den Erfahrungen anderer schöpfen (trial and error). Mit anderen Worten: Ein kluger Mann kann nicht alle Erfahrungen selbst machen, sondern er muss auch anderen eine Chance geben.1

Dieses Buch setzt sich mit einigen Einsätzen auseinander, stellt getroffene Entscheidungen dar und spiegelt die gewonnenen Erkenntnisse wieder. Außerdem werden taktische Muster erläutert, die bei solchen Lagen wiederkehren. Dieses Buch beinhaltet einige Hinweise, die auf die lokalen Gegebenheiten der Feuerwehr (mit oder ohne Trägerschaft des Rettungsdienstes) übertragen werden müssen.

Auch wenn nicht jede Kommune von einer Polizeilage betroffen sein wird, besteht die Möglichkeit, im Rahmen der überörtlichen Hilfe zu Großeinsätzen in fremden Kommunen oder Kreisen hinzugezogen zu werden. Auch hier ist das Verständnis für das Wesen von Polizeilagen hilfreich, um optimal in die Abläufe eingebunden zu werden.

1

»Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance.« (Winston Churchill)