Stanisław Lem wurde am 12. September 1921 im polnischen Lwów (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. März 2006 starb. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Übersetzer und freier Schriftsteller. Er wandte sich früh dem Genre Science-fiction zu, verfaßte aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zur Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanisław Lem zählt zu den bekanntesten und meistübersetzten Autoren Polens. Viele seiner Werke wurden verfilmt.

Um verschiedene Formen von Beglückung, ja um nichts weniger als um die Konstruktion des Glücks geht es in diesen drei langen Erzählungen vornehmlich. König Genius, oft von Melancholie und Selbstabscheu geplagt, vermag nur noch in ungewöhnlichen Geschichten Trost zu finden. Darum bestellt er sich beim großen Konstrukteur Trurl gleich drei Erzählmaschinen, die ihm die Zeit vertreiben helfen sollen.

In »Altruizin« und »Experimenta Felicitologica« soll die Welt auf kybernetischem Wege erlöst werden. Für die Weltverbesserung gibt es im Prinzip zwei Richtungen, die schlagartige, revolutionäre und die stufenweise, evolutionäre. Was bei dem löblichen Unterfangen der Weltverbesserung alles schiefgehen kann, beschreibt Lem in einem Feuerwerk von brillanten Einfällen, und je edler die Absicht, desto miserabler ist das Ergebnis.

Wie die Welt noch einmal davonkam. Der Kyberiade erster Teil liegt als suhrkamp taschenbuch 1181 vor.

Stanisław Lem

Altruizin und andere kybernetische Beglückungen

Der Kyberiade zweiter Teil

Mit Zeichnungen
von Daniel Mróz

Phantastische Bibliothek
Band 163

Suhrkamp

Redaktion und Beratung: Franz Rottensteiner

Titel der Originalausgabe: Cyberiada, Kraków:

Wydanictwo Literackie 1965

Aus dem Polnischen von Jens Reuter

Die Übersetzung wurde vom Autor autorisiert

Umschlagzeichnung von Tom Breuer

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© der deutschsprachigen Übersetzung Insel Verlag

Frankfurt am Main 1983

Quellennachweise am Schluß des Bandes

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt

eISBN 978-3-518-74313-3

www.suhrkamp.de

Inhalt

Die Geschichte von den drei geschichtenerzählenden Maschinen des Königs Genius

Altruizin oder Der wahre Bericht darüber, wie der Eremit Bonhomius das universelle Glück im Kosmos schaffen wollte, und was dabei herauskam

Experimenta Felicitologica

Quellennachweise

Die Geschichte von den drei geschichtenerzählenden Maschinen des Königs Genius

Eines Tages erschien ein Fremder bei Trurl, und gleich als er aus seinem Photonen-Phaeton stieg, war klar, daß er kein gewöhnliches Wesen war, sondern aus den ganz entlegenen Regionen des Kosmos stammen mußte, denn wo alle von uns Arme haben, hatte er nur eine leichte Brise, und wo sich normalerweise Beine befinden, hatte er nichts als einen schimmernden Regenbogen, und anstelle eines Kopfes trug er einen kostbaren Federhut; seine Stimme kam aus der Mitte des Körpers, denn er war eine vollkommene Kugel, eine Kugel von äußerst gewinnendem Aussehen, ganz umschlungen von einem reich verzierten Plasmagurt. Nachdem er Trurl begrüßt hatte, erzählte er, er bestehe eigentlich aus zwei Wesen, nämlich der oberen und der unteren Halbkugel; die obere hieß Synchronicus, die untere Symphonicus. Trurl war begeistert von dieser genialen Problemlösung bei der Konstruktion intelligenter Wesen und gestand bereitwillig ein, daß er noch nie ein so präzise gearbeitetes Individuum gesehen hatte, geschweige denn eine derart abgerundete Persönlichkeit mit solch geschliffenen Manieren. Der Fremde lobte Trurls ausnehmend schönen Körperbau seinerseits in den höchsten Tönen und brachte das Gespräch nach diesem Austausch von Höflichkeiten auf den eigentlichen Zweck seines Besuchs. Als guter Freund und treuer Diener des berühmten Königs Genius sei er zu Trurl gekommen, um bei ihm drei geschichtenerzählende Maschinen zu bestellen.

»Mein allergnädigster Herr und König«, sagte er, »hat sich schon längst von allen Regierungsgeschäften und herrscherlichen Pflichten zurückgezogen, zu diesem Verzicht hat ihn die Weisheit gebracht, die er durch sorgfältiges Studium des Laufs der Welten erworben. Nachdem er sein Königreich verlassen hatte, zog er sich in eine trockene und luftige Höhle zurück, um sich ganz seinen Meditationen hinzugeben. Oftmals jedoch wird er von Melancholie und Widerwillen gegen sich selbst heimgesucht, und dann vermag ihn nichts anderes zu trösten als spannende und ungewöhnliche Geschichten. Jedoch die wenigen von uns, die treu an seiner Seite geblieben sind, haben ihm schon längst keine neuen Geschichten mehr zu erzählen. Und so wissen wir denn keinen anderen Rat, als uns an dich zu wenden, verehrter Konstrukteur, damit du uns mit den Maschinen, die du so trefflich zu bauen verstehst, dabei hilfst, dem König die Sorgen zu vertreiben.«

»Das kann ich tun«, sagte Trurl. »Aber weshalb wollt ihr gleich drei Maschinen?«

»Wir möchten«, antwortete Symchrophonicus und drehte sich dabei leicht bald in die eine, bald in die andere Richtung, »wir möchten, daß die erste lehrreiche, jedoch heitere, die zweite witzige und spritzige und die dritte tiefgründige und erschütternde Geschichten erzählt.«

»Mit anderen Worten, die erste soll der Schärfung des Geistes, die zweite der Zerstreuung und die dritte der moralischen Erbauung dienen«, sagte Trurl. »Ich verstehe. Wollen wir über die Bezahlung gleich oder erst später sprechen?«

»Sowie du die Maschinen gebaut hast, reibe diesen Ring«, war die Antwort, »und das Phaeton wird vor dir erscheinen. Steige mitsamt deinen Maschinen ein, und es wird dich sogleich zur Höhle von König Genius bringen. Dort trage deine Wünsche vor, er wird tun, was er kann, um sie zu erfüllen.«

Er verbeugte sich, gab Trurl einen Ring, erstrahlte in blendendem Glanz und rollte zum Phaeton zurück, das sich blitzschnell in eine Wolke gleißenden Lichts hüllte, und im nächsten Augenblick stand Trurl mit dem Ring in der Hand allein vor seinem Haus, nicht sehr zufrieden mit dem, was sich soeben zugetragen hatte.

»Tun, was er kann!« brummte er wütend. »Oh, wie ich das hasse, wenn sie das sagen! Ich weiß nur zu genau, was das bedeutet: Sobald es ans Bezahlen geht, ist es vorbei mit all den Höflichkeiten, Artigkeiten und sonstigen Fisimatenten, dann gibt es nichts als Scherereien, sogar mit Prügeln muß man rechnen ...«

Da begann der glänzende Ring in seiner Hand zu vibrieren und sagte:

»Die Redewendung ›tun was er kann‹ beruht nur darauf, daß König Genius in Anbetracht des Verlusts seines Königreichs nur noch begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Er wendet sich an dich, verehrter Konstrukteur, sozusagen als ein Weiser an den anderen; und offensichtlich hat er sich nicht geirrt, denn, wie ich sehe, versetzen dich Worte, ausgesprochen von einem Ring, absolut nicht in Erstaunen. Sei daher auch nicht erstaunt über die angespannten finanziellen Verhältnisse des Königs, denn du wirst eine reichliche Belohnung erhalten, wenn auch vielleicht nicht in Gold. Doch nicht jeder Hunger auf der Welt kann mit Gold gestillt werden.«

»Was willst du mir da erzählen, mein lieber Ring?« gab Trurl zurück. »Als Weiser an einen Weisen, schön und gut, doch die Elektrizität, die Ionen, Atome und andere Kostbarkeiten, die zum Bau von Maschinen verwendet werden, sind höllisch teuer geworden. Deswegen liebe ich klare Verträge, in denen alles durch Paragraphen geregelt ist, mit Unterschriften, Stempeln und Siegeln. Ich bin wirklich nicht hinter jedem Groschen her, aber ich liebe Gold, besonders in großen Mengen, und ich schäme mich nicht, das zuzugeben. Sein Funkeln, sein goldener Schimmer, seine süße Schwere in der Hand; das begeistert mich, wenn ich zwei Säcke blitzender Dukaten auf den Fußboden schütte, um mich darin zu wälzen. Dann wird mir warm ums Herz, und in meiner Seele wird es so hell, als hätte jemand die Sonne in ihr entzündet. Zum Teufel noch mal, ich liebe mein Gold!« schrie er, berauscht von seinen eigenen Worten.

»Aber weshalb muß es das Gold sein, das dir andere bringen? Kannst du dir nicht selbst davon soviel herstellen, wie du willst?« fragte der Ring und erstrahlte vor Staunen.

»Ich weiß zwar nicht, wie weise König Genius ist«, erwiderte Trurl, »du aber bist, wie ich sehe, ein völlig ungebildeter Ring. Meinst du im Ernst, ich sollte mir mein Gold selber machen? Hat man so etwas je gehört? Lebt ein Schuster davon, daß er sich selbst die Schuhe schustert, kocht ein Koch seine eigene Mahlzeit oder kämpft sein Soldat seine Kämpfe? Und dann die Selbstkosten, hast du noch nie davon gehört? Im übrigen, falls es dich interessiert, meine größte Liebe ist das Gold, meine zweitgrößte, mich zu beschweren. Doch halt mich nicht länger mit deinem Gerede auf, ich muß mich an die Arbeit machen!«

Und er legte den Ring in eine alte Blechbüchse, krempelte die Ärmel hoch und baute drei Maschinen in drei Tagen, ohne auch nur ein einziges Mal die Werkstatt zu verlassen. Dann dachte er darüber nach, welche äußere Form er ihnen geben sollte, damit sie seiner ausgeprägten Neigung zur Schlichtheit und Funktionalität entsprächen. Er probierte nacheinander die verschiedenartigsten Gehäuse aus, und jedesmal gab der Ring seinen Senf dazu, so daß er die Blechbüchse verschließen mußte, um nicht durch unqualifizierte Bemerkungen gestört zu werden.

Zum Schluß strich er die Maschinen an, die erste weiß, die zweite azurblau und die dritte schwarz; dann rieb er den Ring, belud das Phaeton, das sogleich erschienen war, mit sämtlichen Maschinen, stieg schließlich selbst ein und wartete, was geschehen würde. Ein Heulen und Zischen ertönte, eine Staubwolke erhob sich, und als sie sich verzogen hatte, schaute Trurl aus dem Fenster und sah, daß er sich in einer geräumigen Höhle befand, deren Boden mit weißem Sand bestreut war; zunächst bemerkte er einige hölzerne Regale, die sich unter der Last zahlreicher Bücher und Folianten bogen, sodann eine Reihe prächtig leuchtender Kugeln. In der einen erkannte er den Fremdling wieder, der die Maschinen bestellt hatte, in der mittleren Kugel, die größer als alle anderen war und bereits die Patina des Alters trug, vermutete er den König. Er stieg aus und verbeugte sich tief vor ihr. Der König begrüßte ihn freundlich und sagte:

»Es gibt zwei Arten von Weisheit: Die erste neigt zur Aktivität, die zweite zur Inaktivität. Bist du nicht auch der Meinung, ehrenwerter Trurl, daß die zweite die größere ist? Denn sicherlich vermag sogar ein sehr weit in die Zukunft schauender Geist nicht die letzten Konsequenzen seines gegenwärtigen Handelns vorherzusehen, somit sind die Konsequenzen derart ungewiß, daß sie das Handeln selbst problematisch machen. Und somit liegt die Vollkommenheit in der Abstinenz von jeglichem Handeln – und eben dadurch unterscheidet sich die Weisheit vom bloßen Intellekt, daß sie zu solchen Differenzierungen fähig ist.«

»Die Worte Eurer Majestät«, erwiderte Trurl, »kann man auf zweierlei Art deuten. Einerseits können sie eine subtile Anspielung enthalten, die darauf abzielt, den Wert meiner Arbeit herabzusetzen und damit meinen beharrlichen Fleiß, der es erst ermöglichte, daß dort im Phaeton die drei bestellten Maschinen bereitliegen. Eine solche Interpretation fände ich höchst unerfreulich, denn sie würde gewissermaßen auf eine mangelnde Bereitschaft hindeuten, was die Frage meines Honorars anbelangt. Oder aber es geht lediglich um die Doktrin der Inaktivität, von der wir sagen können, daß sie in sich widersprüchlich ist. Um dem Handeln entsagen zu können, muß man zunächst zum Handeln fähig sein. Derjenige, der darauf verzichtet, Berge zu versetzen, weil ihm die Mittel dazu fehlen, und diese Abstinenz damit erklärt, sie sei durch Weisheit diktiert, macht sich mit solch wohlfeiler Philosophie nur lächerlich. Inaktivität ist gewiß, aber das ist auch alles, was sich an Positivem über sie sagen läßt. Das Handeln ist ungewiß, und darin liegt sein Reiz. Was die weiteren Konsequenzen des Problems anbelangt, so kann ich – falls dies der Wille Eurer Königlichen Majestät sein sollte – eine entsprechende Maschine bauen, die es bis in die letzten Verästelungen verfolgt.«

»Die Frage des Honorars wollen wir ganz an den Schluß der erfreulichen Begleitumstände stellen, die dich zu uns geführt haben«, sagte der König und verbarg die Heiterkeit, in die ihn Trurls Worte versetzt hatten, hinter einer rollenden Bewegung seines Körpers. »Und jetzt, edler Konstrukteur, geruhe mein Gast zu sein! Nimm inmitten treuer Freunde an dieser bescheidenen Tafel Platz und erzähle uns von den Taten die du vollbracht, aber auch von denen, die du wohlweislich unterlassen hast.«

»Euer Majestät sind zu gütig«, antwortete Trurl. »Ich fürchte jedoch, daß es mir dazu an Eloquenz mangelt, doch diese drei Maschinen, die ich mitbrachte, werden mich ausgezeichnet vertreten, was mit dem Vorzug verbunden wäre, daß Majestät sie bei dieser Gelegenheit ausprobieren könnten.«

»Es soll sein, wie du sagst«, stimmte der König zu.

Jedermann nahm eine Haltung größter Aufmerksamkeit und Erwartung an. Trurl holte die erste – die weißlackierte – Maschine aus dem Phaeton, drückte auf einen Knopf und nahm zur Rechten von König Genius Platz. Und schon begann die Maschine zu sprechen:

»Dies ist die Geschichte von den Vielianern, ihrem König Mandrillion, seinem Perfekten Ratgeber sowie Trurl, dem Konstrukteur, der den Ratgeber zunächst schuf und ihn später vernichtete. Wenn ihr die Geschichte noch nicht kennt, hört mir zu!

Das Reich der Vielianer ist berühmt wegen seiner Bewohner, die sich dadurch auszeichnen, daß sie so viele sind. Eines Tages, als der Konstrukteur Trurl durch die safrangelben Regionen des Sternbilds Deliria streifte, kam er vom Wege ab und erblickte einen Planeten, der in unablässiger Bewegung zu sein schien. Als er näher heranflog, sah er, daß dieses Phänomen durch die ungeheuren Massen verursacht wurde, die seine Oberfläche bevölkerten. Er landete, nachdem er unter großen Mühen ein paar Quadratmeter relativ freien Feldes entdeckt hatte. Die Eingeborenen liefen herbei, drängten sich um ihn und riefen immer wieder: »Wir sind viele, wir sind schrecklich viele!« Da sie jedoch alle durcheinanderschrien, konnte Trurl lange Zeit nicht ausmachen, worum es ihnen eigentlich ging. Als er schließlich verstanden hatte, fragte er:

»Seid ihr wirklich so viele?«

»Ja, wirklich!« schrien sie und platzten fast vor Stolz. »Wir sind unzählige!«

Und andere riefen:

»Wir sind wie die Fische im Meer!«

»Wie die Sterne am Himmel!«

»Wie Sandkörner am Strand! Wie Atome!«

»Angenommen, das stimmt«, sagte Trurl. »Was habt ihr davon, daß ihr so viele seid? Zählt ihr euch denn unablässig, und macht euch das Vergnügen?«

»Oh, ungebildeter Fremdling!« war ihre Antwort. »Wenn wir mit den Füßen stampfen, dann erzittern die Berge, wenn wir husten oder prusten, so entsteht ein Wirbelsturm, der Bäume knickt, als wären es Streichhölzer, und wenn wir uns dicht zusammensetzen, dann bleibt kaum Raum zum Atmen.«

»Aber warum sollten Berge erbeben und Wirbelstürme Bäume knicken, und weshalb sollte kein Raum zum Atmen bleiben?« fragte Trurl. »Ist es nicht besser, wenn die Berge still an ihrem Platz stehen, wenn der Wind nicht weht, und jeder genug Raum zum Atmen hat?«

Die Vielianer waren äußerst empört über diesen Mangel an Respekt gegenüber ihrer mächtigen Zahl und zahlenmäßigen Macht, und daher stampften sie mit den Füßen, husteten und prusteten und setzten sich dicht zusammen, um Trurl zu beweisen, wie viele sie waren, und welche Konsequenzen das hatte. Ein furchtbares Erdbeben entwurzelte die Hälfte aller Bäume, die herabstürzend siebenhunderttausend Eingeborene unter sich begruben; Wirbelstürme knickten den Rest des Waldes wie Streichhölzer, was weitere siebenhunderttausend Opfer forderte, während den Überlebenden kaum Raum zum Atmen blieb.

»Gütiger Himmel!« schrie Trurl, der zwischen den sitzenden Vielianern eingepfercht war wie ein Ziegel in einer Backsteinmauer. »Was für eine Katastrophe!«

Wie sich sogleich erwies, hatte er sie mit diesen Worten nur noch mehr gegen sich aufgebracht.

»Unwissender und barbarischer Fremdling!« riefen sie. »Was kann schon der Verlust von einigen Hunderttausend für die Vielianer bedeuten, deren Myriaden nicht zu zählen sind?! Was unbemerkt verlorengeht, hat den Namen Verlust doch gar nicht verdient. Wir haben dir nur gezeigt, wie mächtig wir sind, wenn wir stampfen, husten oder prusten und eng zusammensitzen. Stell dir vor, was erst passieren würde, wenn wir größere Dinge in Angriff nähmen!«

»Tatsächlich«, sagte Trurl, »ihr dürft nicht denken, daß mir eure Denkweise völlig unbegreiflich ist. Es ist ja wohlbekannt, daß alles, was groß und zahlreich ist, die allgemeine Aufmerksamkeit erregt. So ruft z. B. abgestandenes Gas, das träge über dem Boden eines alten Fasses kreist, niemandes Bewunderung hervor, wenn aber genug davon vorhanden ist, um einen galaktischen Nebelfleck entstehen zu lassen, dann sind gleich alle völlig aus dem Häuschen. Und doch handelt es sich um ein und dasselbe abgestandene und absolut gewöhnlich Gas, nur daß es in großen Mengen auftritt.«

»Was du da sagst, gefällt uns nicht!« schrien sie. »Von abgestandenem Gas wollen wir nichts hören!«

Trurl sah sich verstohlen nach der Polizei um, aber die Menge stand viel zu dicht gedrängt, als daß auch nur ein einziger Ordnungshüter hätte durchkommen können.

»Liebe Vielianer«, sagte er, »erlaubt mir, euren Planeten zu verlassen, denn ich teile euren Glauben an den unsterblichen Ruhm großer Zahlen nicht, solange hinter einer Zahl nichts als eine Zahl steht.«

Sie aber nickten sich nur zu und schnippten mit den Fingern, was eine solch gewaltige Druckwelle auslöste, daß Trurl in die Atmosphäre geschleudert wurde, sich mehrfach überschlug, nach längerer Luftfahrt auf beide Beine fiel und sich im Garten des königlichen Palasts wiederfand. In diesem Augenblick näherte sich ihm Mandrillion der Größte, Herrscher aller Vielianer; er hatte Trurls Flug und Landung amüsiert beobachtet und sagte jetzt:

»Wie ich höre, Fremdling, hast du der zahlenmäßigen Stärke meines Volkes nicht die gebührende Reverenz erwiesen; Schuld daran dürfte dein umwölkter Verstand sein. Wenngleich du von höheren Dingen nichts verstehst, besitzt du offensichtlich eine gewisse Geschicklichkeit in den niederen Künsten, was sich gut trifft, denn ich brauche einen Perfekten Ratgeber, und du wirst ihn mir bauen.«

»Welche Fähigkeiten soll dieser Ratgeber haben, und was bekomme ich, wenn ich ihn baue?« fragte Trurl und klopfte sich den Staub aus den Kleidern.

»Er soll einfach alles können, das heißt: Auf jede Frage eine Antwort wissen, jedes Problem lösen, den absolut besten Rat geben, mit anderen Worten, die höchste Weisheit ganz in meinen Dienst stellen. Wenn du ihn konstruiert hast, schenke ich dir hundert- oder zweihunderttausend meiner Untertanen; falls du ein paar tausend mehr haben willst, so wollen wir darüber nicht streiten.«

»Mir scheint es eine gefährliche Sache, wenn denkende Wesen im Überfluß vorhanden sind, denn dann bedeuten sie nicht mehr als Sand; dieser König trennt sich ja leichter von einem ganzen Schwarm seiner Untertanen als ich mich von einem Paar alter Schuhe!« dachte Trurl.

Laut jedoch sagte er:

»Majestät, mein Haus ist klein, und ich wüßte nicht, was ich mit Hunderttausenden von Sklaven anfangen sollte.«

»Hab keine Sorge, einfältiger Fremder, ich habe Spezialisten, die dich über die endlosen Vorteile aufklären werden, die mit dem Besitz einer großen Horde von Sklaven verbunden sind. Man kann sie zum Beispiel in Trachten unterschiedlicher Farben kleiden, damit sie sich auf einem großen Platz zu einem Mosaik formieren oder lebende und höchst lehrreiche Inschriften bilden. Man kann sie zu Bündeln zusammenbinden und die Berge hinunterrollen, man kann auch einen großen Hammer bauen – fünftausend genügen für den Hammerkopf und dreitausend für den Stiel –, um damit einen Felsblock zu spalten oder einen Wald niederzureißen. Man kann sie zu einem Tau flechten und künstliche Schlingpflanzen oder Gehänge herstellen, wobei die zuunterst über dem Abgrund Schwebenden durch die possierlichen Verrenkungen ihrer Körper, durch ihr hilfloses Strampeln und Quietschen ein Spektakel bieten, das Auge wie Ohr schmeichelt und die Seele aufjauchzen läßt. Oder nimm zehntausend junge Sklavinnen, laß sie alle auf einem Bein stehen und befiehl ihnen, mit dem rechten Arm eine Acht und mit dem linken Kreise zu beschreiben – das ist ein Schauspiel, auf das du niemals mehr verzichten möchtest, ich weiß, was ich sage, ich spreche aus Erfahrung!«

»Majestät!« erwiderte Trurl. »Mit Wäldern und Felsblöcken werde ich mit Hilfe meiner Maschinen fertig, und was Mosaiken und Inschriften anbelangt, so ist es nicht meine Gewohnheit, sie aus Wesen zu formen, die eine andere Verwendung möglicherweise vorziehen würden ...«

»Was, dreister Fremdling«, sagte der König, »willst du dann für deinen Ratgeber haben?«

»Einhundert Sack Gold, Majestät.«

Mandrillion war absolut nicht geneigt, sich von soviel Gold zu trennen, doch dann kam ihm plötzlich eine äußerst raffinierte Idee; die aber behielt er wohlweislich für sich und sagte: »Es soll sein, wie du sagst.«

»Ich werde mich bemühen, Euer Majestät zufriedenzustellen«, versprach Trurl und ging zum Turm des Schlosses, den ihm Mandrillion zur Werkstatt bestimmt hatte. Und bald erscholl dort das Fauchen der Gebläse, der helle Klang der Hämmer und das Knirschen der Säge. Der König hatte Spione ausgesandt, die das Werk überwachen sollten; die aber kehrten fassungslos vor Staunen zurück, denn Trurl hatte überhaupt keinen Ratgeber, sondern ein ganzes Ensemble von Schmiede-, Schweiß- und Verkabelungsmaschinen gebaut. Als nächstes setzte er sich hin und stach mit einem Nagel solange winzige Löcher in einen endlosen Papierstreifen, bis er das exakte Programm des Ratgebers fertiggestellt hatte; dann ging er spazieren, während sich die Maschinen im Turm die ganze Nacht abrackerten, und am Morgen des folgenden Tages war die Arbeit getan. Am Vormittag betrat Trurl den Prunksaal des Schlosses mit einer riesigen Puppe, die zwei Beine, aber nur einen winzigen Arm hatte, und erklärte dem König, dies sei der Perfekte Ratgeber.

»Mal sehen, ob er etwas taugt ...«, sagte Mandrillion und befahl, den Marmorfußboden augenblicklich mit Zimt und Safran zu bestreuen, so stark war der Geruch von heißem Eisen, den der Ratgeber verströmte, denn er kam ja frisch aus dem Ofen und glühte noch an einigen Stellen. »Du kannst gehen«, sagte der König zu Trurl, »komm am Abend wieder, dann wollen wir sehen, wer wem wieviel schuldet.«

Trurl ging hinaus und dachte, daß die letzten Worte Mandrillions nicht gerade von übermäßiger Freigebigkeit zeugten, ja vielleicht lagen hinter ihnen sogar irgendwelche bösen Absichten verborgen. Deshalb war er doppelt froh, daß er die Universalität des Ratgebers mit einer winzigen, jedoch wesentlichen Einschränkung versehen hatte: Das Programm des künstlichen Weisen enthielt die strikte Instruktion, daß er bei allem, was er tun werde, niemals die Vernichtung seines Schöpfers zulassen dürfe.

Alleingeblieben mit dem Ratgeber sprach der König:

»Wer bist du und was kannst du?«

»Ich bin der Perfekte Ratgeber des Königs«, erwiderte dieser mit einer Stimme, so dumpf, als käme sie aus einem hohlen Faß, »und ich kann die besten aller möglichen Ratschläge geben.«

»Gut«, sagte der König. »Und wem schuldest du Gehorsam und Treue, mir oder deinem Konstrukteur?«

»Treue und Gehorsam schulde ich nur Eurer Königlichen Majestät«, dröhnte es aus dem Ratgeber.

»Gut«, brummte der König, »für den Anfang, das heißt ... nun ja ... ich möchte natürlich nicht, daß mein erster Wunsch an dich den Eindruck erweckt, daß ich geizig oder knauserig wäre ... bis zu einem gewissen Grade jedoch geht es mir einfach ums Prinzip, verstehst du?«

»Eure Königliche Hoheit haben noch nicht geruht zu sagen, was eigentlich dero Wille ist«, erwiderte der Ratgeber und stützte sich auf ein drittes Bein, das er mit einer geschickten Bewegung aus seinem Rumpf herausklappte, denn er hatte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht.

»Ein Perfekter Ratgeber sollte in der Lage sein, die Gedanken seines Herrn und Meisters zu lesen!« knurrte Mandrillion wütend.

»Natürlich, aber doch nur auf ausdrücklichen Befehl, sonst würde er ja eine Indiskretion begehen«, gab der Ratgeber zurück, öffnete eine kleine Klappe in seinem Bauch und drehte an einem kleinen Knopf mit der Aufschrift »Telepathograph«. Dann lächelte er verständnisvoll und sagte:

»Eure Königliche Hoheit möchten Trurl keinen roten Heller geben, nicht wahr?«

»Wenn du irgendjemandem auch nur ein Wort davon erzählst, dann lasse ich dich in die große Mühle werfen, deren Steine dreißigtausend meiner Untertanen auf einmal zermahlen können«, drohte der König.

»Keiner Seele werde ich etwas erzählen!« versicherte der Ratgeber. »Eure Majestät haben nicht den Wunsch, für mich zu bezahlen, nichts leichter als das. Wenn Trurl wiederkommt, so sagt Ihr ihm einfach, von Euch werde er kein Gramm Gold sehen, und er solle gefälligst seiner Wege gehen.«

»Du bist ein Idiot, aber kein Ratgeber!« sagte der König wutschnaubend. »Ich will nicht bezahlen, aber es muß so aussehen, als sei das einzig und allein Trurls Schuld. Als stünde ihm absolut nichts zu, verstehst du?«

Der Ratgeber schaltete den Apparat zum Lesen der königlichen Gedanken ein, schwankte leicht hin und her und sagte: »Eure Majestät möchte den Eindruck erwecken, daß Sie gerecht und in völliger Übereinstimmung mit Ihrem einmal gegebenen Wort handeln, während Trurl als schändlicher Schuft und Scharlatan dastehen soll ... Ausgezeichnet. Mit Erlaubnis Eurer Majestät werde ich mich jetzt auf Höchstderoselbst stürzen, Euch bei der Kehle packen und würgen, wenn Hoheit dann bitte die Liebenswürdigkeit hätten, entsprechend laut zu schreien und um Hilfe zu rufen ...«

»Bist du verrückt geworden?« sagte Mandrillion. »Weshalb solltest du mich würgen, und weshalb sollte ich um Hilfe rufen?«

»Damit Ihr Trurl anklagen könnt, weil er mit meiner Hilfe versucht hat, das Verbrechen des Königmords zu begehen!« erklärte der Ratgeber strahlend. »Wenn Eure Hoheit ihn dann auspeitschen und von den Zinnen des Schlosses in den Burggraben werfen lassen, so wird jedermann sagen, daß dies ein Akt höchster Gnade war, denn gewöhnlich wird solch ein Verbrechen durch Rädern und Vierteilen gesühnt, nach voraufgegangener Folter, versteht sich. Mich hingegen, als das unwissende Werkzeug in Trurls Händen, werden Eure Majestät von aller Schuld freisprechen und begnadigen, und jedermann wird die Großherzigkeit und Güte des Königs rühmen, und alles wird ganz so sein, wie Eure Majestät es wünschen.«

»Na schön, dann würg mich, aber vorsichtig, du Schuft!« sagte der König.

Und alles geschah genau so, wie es der Perfekte Ratgeber vorausgesagt hatte. Der König wollte eigentlich, daß man Trurl die Beine ausriß, bevor man ihn in den Burggraben warf, aus irgendeinem Grunde aber kam es dazu nicht. Schuld daran waren meine unklaren und etwas verworrenen Befehle, dachte der König voller Bedauern, in Wirklichkeit war es jedoch der Ratgeber, der diesen barbarischen Akt durch eine diskrete Intervention verhindert hatte. Der König begnadigte den Ratgeber wie geplant und setzte ihn wieder in all seine Rechte bei Hofe ein. Trurl hingegen, den man ausgepeitscht und jämmerlich verprügelt hatte, humpelte inzwischen von Schmerzen geplagt nach Hause. Gleich nach seiner Rückkehr begab er sich zu Klapauzius, erzählte ihm die ganze Geschichte und sagte:

»Dieser Mandrillion ist ein viel größerer Schurke, als ich gedacht habe. Er hat mich nicht nur schändlich betrogen, sondern er hat sogar den von mir gebauten Ratgeber dazu benutzt, um einen niederträchtigen Anschlag gegen mich auszuhecken und mich um meinen Lohn zu prellen! Er täuscht sich jedoch, wenn er meint, daß ich das Spiel verloren gebe. Der Rost soll mich total zerfressen, wenn ich jemals die Rache vergesse, die ich diesem Tyrannen schuldig bin!«

»Was also willst du tun?« fragte Klapauzius.

»Vor Gericht werde ich ihn bringen, er wird mein Honorar auf Heller und Pfennig zahlen! Und das ist erst der Anfang, denn er schuldet mir weit mehr als Gold für all die Schmerzen und Mißhandlungen.«

»Das ist eine schwierige juristische Frage«, sagte Klapauzius, »ich schlage vor, du suchst dir einen guten Anwalt, bevor du irgendetwas unternimmst.«

»Weshalb sollte ich zu einem Anwalt gehen?« gab Trurl zurück. »Ich werde mir selbst einen machen.«

Und Trurl ging nach Hause, schüttete sechs gehäufte Löffel Transistoren in einen Topf, gab die gleiche Menge an Kondensatoren und Widerständen dazu, goß noch etwas Elektrolyt hinein, rührte gut um und deckte das Ganze mit einem Deckel zu, dann legte er sich schlafen, und innerhalb von drei Tagen hatte sich die Mischung selbst organisiert und war ein erstklassiger Anwalt geworden. Trurl war zu faul, ihn aus dem Topf herauszunehmen, denn er brauchte ihn ja nur für diesen einen Fall, also stellte er den Topf auf den Tisch und fragte:

»Wer bist du?«

»Ich bin niedergelassener Anwalt und Notar«, sagte der Topf in glucksendem Ton, denn durch ein Versehen war etwas zuviel Elektrolyt hineingeraten. Trurl trug die ganze Sache vor, woraufhin der Topf sagte:

»Du hast das Programm des Ratgebers mit der Einschränkung versehen, daß er deine Vernichtung in keinem Fall zulassen darf?«

»Ja, damit er mich nicht vernichten konnte, mehr habe ich wirklich nicht hineinprogrammiert.«

»Damit hast du den Vertrag nicht hundertprozentig erfüllt, denn der Ratgeber sollte ja alles können, ohne Ausnahme. Da er dich aber nicht zerstören konnte, war er auch nicht perfekt.«

»Und wenn er mich vernichtet hätte, wer hätte dann das Honorar in Empfang nehmen sollen?«

»Das ist ein gesondertes Problem und eine andere Sache, die im Lichte der Paragraphen betrachtet werden muß, die im Hinblick auf eine strafrechtliche Verantwortlichkeit Mandrillions heranzuziehen wären, deine Forderung hingegen hat eindeutig zivilrechtlichen Charakter.«

»Das wird ja immer schöner. Nun will mich schon ein Topf Zivilrecht lehren!« schrie Trurl zornig. »Wessen Anwalt bist du eigentlich, meiner oder der von diesem Strolch, dem König?«

»Deiner, aber der König war im Recht, als er dir die Bezahlung verweigerte.«

»War er etwa auch im Recht, als er mich von den Zinnen in den Burggraben werfen ließ?«

»Das ist ein anderer, ein strafrechtlicher Fall und ein gesondertes Problem«, gab der Topf zurück.

Trurl bebte vor Zorn.

»Da macht man aus einem Bündel alter Drähte, Spulen und Widerstände ein intelligentes Wesen und bekommt statt eines vernünftigen Rats nichts als Ausflüchte zu hören! Du schäbiger elektronischer Winkeladvokat, ich werde dir zeigen, daß mit mir nicht zu spaßen ist!«

Und er stülpte den Topf um, schüttete den ganzen Inhalt auf den Tisch und demontierte ihn so rasch, daß dem Anwalt keine Zeit blieb, gegen diesen Schritt Berufung einzulegen.

Trurl machte sich erneut an die Arbeit und baute einen zweistöckigen Juris Consilarius, vierfach verstärkt im Hinblick auf das Bürgerliche und das Strafgesetzbuch, um aber ganz sicher zu gehen, schloß er ihn zusätzlich an das Verwaltungs- und Völkerrecht an. Dann schaltete er den Strom ein, trug seinen Fall vor und fragte:

»Wie kann ich zu meinem Recht kommen?«

»Der Fall ist kompliziert«, sagte die Maschine, »du mußt mir in beschleunigtem Verfahren oben noch fünfhundert und an der Seite zweihundert Transistoren einbauen.«

Trurl kam diesem Wunsch sogleich nach, woraufhin die Maschine sagte:

»Zu wenig! Ich bitte um einen Zusatzverstärker und zwei extrastarke Spulen.«

Danach sprach sie wie folgt:

»Der Casus als solcher ist interessant; jedoch sind hier zwei Dinge zu berücksichtigen: zum einen die Gründe für die Klage – und da wäre sehr viel zu machen –, zum anderen das Verfahren selbst und die Frage nach der zuständigen Instanz. Es kommt überhaupt nicht in Betracht, den König in einem Zivilprozeß vor irgendein Gericht zu zitieren, denn das stünde im Widerspruch zum internationalen wie auch zum interplanetarischen Recht. Meine endgültige Meinung zu dem Fall werde ich dir mitteilen, wenn du mir versprichst, daß du mich hernach nicht gleich in sämtliche Einzelteile zerlegst.«

Trurl gab sein Wort und sagte:

»Aber wie bist du nur auf den Gedanken gekommen, daß dir die Demontage droht, falls du mich nicht zufriedenstellst?«

»Ich weiß auch nicht, ich hatte einfach so ein dumpfes Gefühl.«

Trurl erriet, daß diese Ängste wohl auf die Tatsache zurückzuführen waren, daß er zum Bau seines Gegenübers Teile des Kochtopfadvokaten verwendet hatte. Spuren der Erinnerung an diesen Vorfall mußten in den neuen Schaltkreisen zurückgeblieben sein und dort eine Art unterbewußten Komplex verursacht haben.

»Nun, und deine endgültige Meinung?«

»Die lautet so: Da es keine zuständigen Tribunale gibt, kann es auch kein Verfahren geben. Der Prozeß kann weder gewonnen noch verloren werden.«

Trurl sprang auf und drohte dem maschinellen Anwalt mit der Faust, sein gegebenes Wort aber mußte er halten und so tat er ihm nichts Böses. Er ging zu Klapauzius und erzählte ihm alles.

»Ich habe gleich gewußt, daß die Sache hoffnungslos ist, aber du wolltest mir ja nicht glauben«, sagte Klapauzius.

»Der Schurke wird nicht ungestraft davonkommen«, gab Trurl zurück, »wenn ich auf gerichtlichem Wege keine Genugtuung bekommen kann, so werde ich mich auf andere Weise an diesem königlichen Halunken rächen!«

»Ich bin neugierig, wie du das machen willst. Du gabst dem König den Ratgeber, und welche Not und Plagen oder welches Unglück du immer über den König und sein Reich heraufbeschwören magst, er wird sie alle abwehren. Ja, Trurl, davon bin ich fest überzeugt, denn ich habe volles Vertrauen zu deinen Fähigkeiten als Konstrukteur!«

»Du hast recht. Es sieht ganz so aus, als hätte ich mich selbst durch den Bau des Perfekten Ratgebers jeder Möglichkeit beraubt, mit diesem Scheusal von König abzurechnen. Aber auch in dieser Festung muß irgendwo ein schwacher Punkt stecken, und ich werde weder ruhen noch rasten, bis ich ihn gefunden habe!«

»Was willst du tun?« fragte Klapauzius, aber Trurl zuckte nur mit den Achseln und machte sich auf den Heimweg. Lange Zeit ging er nicht aus dem Haus, sondern saß da und meditierte; bald durchblätterte er in der Bibliothek Hunderte von Bänden, bald führte er im Laboratorium geheimnisvolle Experimente durch. Klapauzius besuchte ihn von Zeit zu Zeit und staunte über die Verbissenheit, mit der Trurl versuchte, sich selbst zu besiegen, denn der Ratgeber war ja in gewissem Sinne ein Teil von ihm, er hatte ihm schließlich all seine Weisheit verliehen. Eines Nachmittags kam Klapauzius zur gewohnten Zeit, traf Trurl jedoch nicht zu Hause an. Die Tür war verschlossen, die Fensterläden verriegelt, vom Hausherrn keine Spur. Klapauzius gelangte zu dem Schluß, Trurl habe mit seinen Operationen gegen den Herrscher der Vielianer begonnen, und er sollte sich nicht getäuscht haben.

Mandrillion genoß indessen seine Macht wie nie zuvor, denn wenn es ihm an guten Ideen fehlte, dann brauchte er nur den Ratgeber zu fragen, der davon einen unerschöpflichen Vorrat zu besitzen schien. Der König hatte weder Hofintrigen und Palastrevolutionen noch einen äußeren Feind zu fürchten, er regierte mit eiserner Hand, und im Süden des Landes reiften nicht soviele Weinreben heran wie Gehenkte an den Galgen des Reiches schaukelten.

Der Ratgeber besaß inzwischen vier Kisten voll mit Orden, die ihm der König für seine erfolgreiche Tätigkeit verliehen hatte. Ein Mikrospion, den Trurl ins Land der Vielianer entsandt hatte, kehrte mit der Neuigkeit zurück, der König habe den Ratgeber in aller Öffentlichkeit als seinen »Herzbruder« bezeichnet. Soviel Wohlwollen hatte sich der Ratgeber mit der Idee verdient, eine große Parade zu veranstalten, bei der die Untertanen als Konfetti benutzt wurden.

Trurl ging jetzt ohne Zaudern und Zögern vor, denn sein Aktionsplan war fertig ausgearbeitet; er setzte sich also hin und schrieb auf cremefarbenem Papier, geschmückt mit der Freihandzeichnung einer Erdbeerpflanze einen Brief an den Ratgeber. Der Inhalt des Briefs war simpel:

Lieber Ratgeber! Ich hoffe, daß es Dir ebenso gut geht wie mir, vielleicht sogar noch besser. Ich habe gehört, daß Dir Dein Monarch sein ganzes Vertrauen schenkt, und daher bitte ich Dich im Hinblick auf diese große Verantwortung vor der Geschichte und der Staatsraison, Deine Pflichten gewissenhaft und unter Anspannung aller Kräfte zu erfüllen. Solltest Du einmal Schwierigkeiten haben, einen Wunsch des Königs zu erfüllen, so wende die Extra-Spezial-Methode an, die ich Dir seinerzeit bis ins letzte Detail erklärt habe. Falls Du Lust hast, schreib mir bitte ein paar Zeilen, doch nimm es mir nicht übel, wenn ich nicht gleich antworte, ich bin zur Zeit sehr beschäftigt, weil ich gerade einen Ratgeber für König D. baue. Mit einem Gruß an Dich und den untertänigsten Empfehlungen an Deinen Herrn bin ich

Dein Konstrukteur

Trurl

Dieser Brief erregte natürlich das Mißtrauen der vielianischen Geheimpolizei und wurde peinlich genau untersucht.