Mathilda Grace

MONDLICHTMELODIE

 

 

Mondlichtmelodie

1. Auflage, August 2018

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

© 2018 Mathilda Grace

Am Chursbusch 12, 44879 Bochum

Text: Mathilda Grace 2011 & 2018

Fotos: werner22brigitte, Comfreak; Pixabay

Coverdesign: Mathilda Grace 

Korrektorat: Mathilda Grace

 

Web: www.mathilda-grace.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.

 

Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

- Liebesroman -

 

 

Finnley Coleman ist das komplette Gegenteil von all den schnelllebigen Affären und namenlosen One-Night-Stands, mit denen sich der Musiker Chris Parks in den letzten Jahren die Zeit vertrieben hat. Das macht den Veranstaltungstechniker für Chris genauso begehrenswert wie kompliziert, denn Finnley kämpft mit einer Vergangenheit, die man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünschen würde.

 

 

 

Vorwort

 

Diese Geschichte entstand ursprünglich im Sommer 2011 als romantische Fanfiction im Musikbereich auf Fanfiction.de.

 

Sie war dort mit dem Namen »Wer Wind sät, wird Sturm ernten« online und konnte von 2013 bis 2014 in einer ersten, überarbeiteten Fassung unter dem Titel »ThunderStorm« auch käuflich erworben werden.

 

Ich habe das Original im Frühjahr 2018 auf einer meiner alten Daten-CDs wiedergefunden, entstaubt und vollkommen neu überarbeitet, um die Story jetzt, mit einem frischen Cover und neuem Titel versehen, wieder aufzulegen. Meinen damals noch ziemlich unausgegorenen Schreibstil habe ich, so gut ich konnte, beibehalten, weil ich glaube, dass auch diese uralte Geschichte schon einen gewissen Charme hat.

 

Ich bin gespannt, ob ihr das ebenso seht, wünsche euch viel Spaß beim Lesen und hoffe, ihr verliert euer Herz genauso an Chris und Finnley, wie ich es getan habe.

 

Ganz liebe Grüße

eure Matty

 

 

 

Meine lieben Leser,

 

ohne eure Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.

 

Mit dem Kauf dieses E-Books schafft ihr die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die euch in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.

 

Dankeschön.

 

Viele Grüße

Mathilda Grace

 

 

 

Kapitel 1

 

 

 

 

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«

Chris blieb abrupt an der verdreckten Tür ihres heutigen Garderobenraums stehen, als Jonathans aufgebrachte Stimme von drinnen zu ihm schallte, was dafür sorgte, dass Brad mit einem »Hmpf« in ihn hineinlief.

Nicht noch mehr Chaos, war sein einziger Gedanke, denn davon hatten sie seit dem frühen Morgen bereits genug gehabt. Erst waren sie viel zu spät an der Halle eingetroffen, weil ihr Bus eine Panne gehabt hatte, weshalb auch das geplante Meet and Greet mit den Fans ausgefallen war, und vor einer Stunde hatte dann auch noch die Stromversorgung im Bus den Geist aufgegeben, was die ohnehin schon miese Laune seines kleinen Bruders endgültig in den Keller befördert hatte.

Und jetzt stand scheinbar bereits das nächste Drama in den Startlöchern. Irgendwie war heute der Wurm drin und manchmal war es einfach nur ein Gräuel, Musiker zu sein. Vor allem, während man auf Tournee war und es einem die Leute richtig übel nahmen, wenn sie Geld für ihre Tickets bezahlten und dann nicht die erwartete Leistung bekamen.

Fans konnten gnadenlos sein, besonders die jüngeren unter ihnen. Da half es auch nicht, dass ihre Rockband Moonlight vor einem Jahr einen Megahit gelandet hatte und seither durch das gesamte Land tourte, um bekannter zu werden und sich eine eigene Fanbase aufzubauen. Von kleinen Barkonzerten hin zu Konzertsälen mit mehreren tausend Besuchern, und das innerhalb weniger Monate – Chris fand ihren Erfolg großartig und erschreckend zugleich.

»Was ist los?«, wollte Brad wissen, der Gitarrist ihrer Band, und das hätte Chris jetzt auch langsam mal interessiert. Aber sein kleiner und beizeiten ziemlich cholerischer Bruder wäre nicht sein Bruder, hätte er ihnen nicht umgehend eine Antwort auf diese Frage gegeben.

Jonathan schnaubte. »Emma! Das verfluchte Konzert ist in drei Stunden. In drei verdammten Stunden! Wir haben weder aufgebaut noch Soundcheck gemacht, und jetzt sagst du mir auch noch, dass die Technik in dieser dämlichen Halle nicht funktioniert? Willst du mich verarschen?«

»Oha«, murmelte Brad und Chris nickte nur, denn besser hätte er es auch nicht ausdrücken können.

Gott sei Dank war Emma Mayer, die sich seit Tourbeginn als Managerin um sie kümmerte, mit einem recht dicken Fell gesegnet und kannte Jonathans Launen nach knapp einem Jahr auf Tournee gut genug, um so darauf zu reagieren, wie sie es immer tat. Mit einem lässigen Schulterzucken und der genau dazu passenden, trockenen Antwort, ehe sein Bruder sich noch weiter aufregen konnte.

»Ich habe das Gewitter letzte Nacht nicht bestellt, ebenso wenig wie den Blitz, der ins Hallendach eingeschlagen ist und die Technik lahmgelegt hat. Beschwer dich beim Wetter, nicht bei mir. Übrigens sind bereits gute Leute hier, die sich darum kümmern, sprich, die Haustechnik wird in diesem Augenblick repariert, und das wüsstest du auch längst, wenn du mir nicht ständig ins Wort fallen würdest.«

»Äh ...«, machte Jonathan, was Chris glucksen ließ. Das war wieder typisch sein Bruder.

»Höre ich da ein Tut mir leid, Emma

Jonathan lächelte betont unschuldig. »Tut mir leid, Emma.«

Die war sichtlich amüsiert. »Brav. Lasst uns nachsehen, wie weit die Techniker sind. Laut dem Chef des Hauses besteht die Truppe aus den besten Leuten, die man aktuell für Geld kaufen kann, und nachdem, was er mir sonst noch für Loblieder auf sie gesungen hat, müssen es Götter sein.«

Emma drängte sich mit einem Augenzwinkern an ihnen vorbei durch die Tür, während Brad und er laut lachten, bevor Jonathan sie mit einem erbosten Knurren in den Flur schob, um ihrer Managerin Schrägstrich Assistentin Schrägstrich Frau für alle Fälle, Unfälle und sonstige Fälle zu folgen. Emma hatte schon genügend aufsteigende Bands begleitet, um mit jedem Nervenzusammenbruch und jedem unerwarteten Chaos fertig zu werden, und darum war sie auch genau die Richtige, um es mit Jonathan aufzunehmen, der zwar ein guter Gitarrist und vor allem ein erstklassiger Leadsänger war, aber leider ein Temperament hatte, mit dem nicht viele umgehen konnten. Emma hatte damit kein Problem und Chris hoffte, dass das so blieb. Besonders jetzt, wo sie jeden Tag ein bisschen berühmter wurden und die CD-Verkäufe und Downloadzahlen ihrer Songs immer weiter in die Höhe schnellten.

Chris sah verdutzt zu Brad, als der ihn wenig später in die Seite stupste und ihm auf seinen fragenden Blick hin betont verschwörerisch zuflüsterte: »Bist du dir sicher, dass die zwei nicht heimlich geheiratet haben? Sie streiten sich schon wie ein altes Ehepaar.«

»Das habe ich gehört«, empörten sich Jonathan und Emma synchron, was Chris losprusten ließ, während Brad grinste und dabei Samanthas Hand ergriff, die sich ihnen gerade anschloss und heute kaum ein Wort gesagt hatte. Auch jetzt lächelte sie nur vor sich hin, während Brad sie an sich zog und küsste.

Brad war in den vergangenen Monaten, seit er als Gitarrist für die Liveauftritte bei ihnen angestellt worden war, zu einem sehr guten Freund geworden, und er war auch der einzige von ihnen, der schon seit einer Ewigkeit in einer Beziehung lebte. Und seine Ehefrau, die ihn auf Tour begleitete, war bereits seit ein paar Tagen verdächtig ruhig, fiel Chris plötzlich auf, aber im Moment war absolut nicht der richtige Zeitpunkt, um diesbezüglich nachzuhaken. Vielleicht freute sie sich ja nur auf das bevorstehende Ende der Tour. Er könnte es ihr nach all der Zeit in viel zu schmalen Kojen in einem engen Tourbus nicht verdenken, denn er selbst tat es auf jeden Fall.

Noch ein Monat, dann war Weihnachten.

Sprich: es war Feierabend.

Unzählige Staaten, Städte und noch mehr Konzerte lagen schon bald hinter ihnen, und was das betraf, freuten sie sich mittlerweile alle darauf, wieder nach Hause zu kommen.

Endlich wieder im eigenen Bett schlafen zu können.

Endlich eine Auszeit, ehe die Arbeit an ihrem Debütalbum losging, und die hatten sie sich redlich verdient.

»Er trägt quietschgrüne Socken.«

Chris sah fragend zu Brad, als dessen erstaunte Worte ihn aus seinen Gedanken rissen, folgte dann Brads Blick durch die leere Halle und blinzelte verdattert, nachdem er entdeckt hatte, was ihren Gitarristen verblüffte. Mit so einem Anblick hatte er definitiv nicht gerechnet. Nicht heute und auch nicht bei einem Technikteam. Chris fing an zu grinsen. Möglicherweise würde der restliche Tag doch nicht so schlecht werden, wie es bislang den Anschein gehabt hatte.

»Passt gut zu den grauweiß karierten Turnschuhen«, sagte Samantha im nächsten Moment und zuckte die Schultern, als sie daraufhin von allen Seiten verwundert angesehen wurde.

Sogar von Jonathan, und der hatte mit seinem eigenen, eher unkonventionellen Kleidungsstil, nun wirklich kein Recht, sich über den Modestil eines anderen zu ereifern, der offenbar der Boss der Truppe war, so wie er die übrigen Jungs in der Halle herum scheuchte, um ihr Konzert zu retten, beziehungsweise die Technik zu reparieren, damit sie überhaupt die Gelegenheit bekamen, ein Konzert zu geben.

Er selbst fand den Unbekannten jedenfalls umwerfend. Wer quietschgrüne Socken zu karierten Sneakers, weißen, über den Knien abgeschnittenen Jeans und einem grünen Tanktop trug, und noch dazu vom rechten Handgelenk, den Arm entlang, über die Schulter hinweg und die gesamte Seite runter bis zum Knöchel, mit einem aus der Ferne nicht näher zu erkennenden Muster tätowiert war, der konnte einfach nur umwerfend sein, dachte Chris belustigt und lehnte sich gegen das Absperrgitter, das heute Abend als Wellenbrecher fungieren würde.

»Tolle Socken«, rief er dem Kerl zu und der, eben dabei mit in den Nacken gelegtem Kopf einige Männer zu beobachten, die knapp unter der Hallendecke hingen und arbeiteten, drehte sich zu ihm um. Chris grinste selbstgefällig, weil der Mann für die anderen um ihn herum nicht mehr als einen schnellen Blick übrig hatte, ihn hingegen ziemlich ausführlich musterte, bis er mit amüsierten Blick an seinen Turnschuhen hängenblieb, die seine Fans neckend Regenbogenschuhe nannten. Gleich kam es, Chris wusste es einfach.

»Geile Schuhe. Verrätst du mir freiwillig, wo du sie gekauft hast, oder muss ich sie dir später aus der Garderobe klauen?«

Genau so eine Antwort hatte er sich erhofft. Chris lachte, was sein Gegenüber grinsen ließ, dann sprang er leichtfüßig von der Bühne und kam zu ihnen hinüber. »Hi, Chris Parks. Nett, dich und den Rest von Moonlight ...« Er nickte höflich in die Runde. »... persönlich kennenzulernen.«

»Hi, schöner Unbekannter. Gleichfalls.«

Der Mann gluckste leise und streckte die Hand aus. Chris ergriff sie. »Ich bin Finnley Coleman. Euer heutiger Retter in der Not.« Er deutete hinter sich. »Wollt ihr zum Rumpel... ähm, zum Boss? Der kreischt irgendwo im ersten Stock schon eine Weile Zeter und Mordio.«

Der große Boss war für ihn Rumpelstilzchen? Finnley war ihm soeben noch um einiges sympathischer geworden, denn Emma hatte den Verwalter der Halle heute früh ebenfalls als super nervig bezeichnet und das wollte bei Emma was heißen.

»Was wolltest du eben sagen?«, hakte Chris daher amüsiert nach und zwinkerte Finnley zu, als der sich wortlos mit dem Finger gegen die Stirn tippte. »Böser Junge.«

»Oh ja, wem sagst du das«, murmelte Finnley, grinste betont unschuldig und räusperte sich anschließend. »Wir sind in einer halben Stunde fertig. Reicht das für euch noch aus, was einen kurzen Soundcheck angeht?« Finnley zog seine Hand zurück und warf einen prüfenden Blick über die Schulter. »Anfangen könntet ihr zwar schon, aber dann wird es ganz schön voll auf der Bühne.«

Chris schaute zu Jonathan, der allerdings nur die Schultern zuckte, was für seinen Bruder ungewöhnlich war, aber der Tag war zeitlich gesehen ohnehin schon völlig im Eimer, da kam es auf eine halbe Stunde auch nicht mehr an.

Er sah zurück zu Finnley. »Wir gehen erst mal etwas essen. Dann könnt ihr in Ruhe den Kram hier fertigmachen.«

Finnley nickte. »Danke. Ach ja, falls ihr Interesse habt, fünf Minuten die Straße runter, danach rechts um die Ecke gibt’s ein kleines chinesisches Restaurant mit ...« Auf einmal schepperte es auf der Bühne und Finnley drehte sich hastig um. »Ach Shit! Tyler, was soll denn das?«

Finnley machte kehrt und rannte hinüber zur Bühne, bevor Chris reagieren konnte, und so blieb ihm nichts weiter übrig, als dem Mann, und ganz besonders seinem knackigen Hintern, fasziniert nachzusehen, bis der hinter der Bühne verschwand. Erst als er Finnley nicht mehr erkennen konnte, wandte er sich wieder Jonathan und den anderen zu, die ihn allesamt sichtlich belustigt beäugten.

Chris verkniff sich jedes Wort, weil die freche Bande ihn eh nur aufgezogen hätte, entschied sich aber gleichzeitig, später erneut nach Finnley Ausschau zu halten.

Diesen Mann musste er unbedingt näher kennenlernen.

 

 

 

Kapitel 2

 

 

 

 

Jonathan lachte schallend, als Chris nach dem gelungenen Konzert am späten Abend aus der Dusche wieder zurück in den Garderobenraum kam, und auch Brad saß albern kichernd auf der Couch und rubbelte sich gerade die Haare trocken. Er sah verdutzt zwischen beiden hin und her, bis Jonathan nach Luft ringend auf ihre Ansammlung von Koffern und Taschen zeigte. Chris folgte seinem Blick und schüttelte dann ratlos den Kopf, weil ihm nichts auffiel.

»Was denn?«

Jonathan ließ das Handtuch fallen und stieg in eine frische Shorts. »Er hat deine Schuhe geklaut.«

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Chris verstand, was sein Bruder ihm soeben belustigt verkündet hatte, und als er sich vor seinen Koffer hockte und anstatt seiner bunten Turnschuhe nur einen gefalteten Zettel vorfand, wurde ihm abrupt klar, dass Jonathan und Brad ihn nicht verarschten. Das konnte doch nur ein sehr schlechter Scherz sein, denn wenn nicht, würde er sich diesen frechen Techniker greifen und ihn … Chris verbot sich, diesen Gedanken zu beenden, griff stattdessen nach dem Zettel und faltete ihn auseinander.

 

Hi, Chris Parks,

hoffentlich erwürgst du mich nicht falls wir uns wiedersehen, aber ich konnte einfach nicht anders. Den ganzen Nachmittag habe ich versucht, dich noch mal zu erwischen, leider ohne Erfolg.

Aber da ich dich unbedingt besser kennenlernen will, dachte ich mir, dass ich auch härtere Geschütze auffahren darf.

Also, sofern du Zeit und vor allem Lust hast, komm vorbei und hol dir deine Schuhe zurück. Und falls du weder Lust noch Zeit hast, schick mir einfach eine Nachricht mit einer Adresse, wohin ich sie dir nachschicken soll.

Ja, ich weiß, ich bin bekloppt.

Du bist nicht der Erste, der das denkt oder ausspricht, aber das ist mir scheißegal.

Was sagst du? Interessiert?

Du bist am Zug.

Bye

Finnley

 

Nein, definitiv kein Scherz.

Chris wusste nicht, ob er loslachen oder Finnley verfluchen sollte. Sein Blick fiel auf die Adresse, die unter der Nachricht geschrieben stand. Finnley Coleman war aus Pasadena, einem Vorort von Los Angeles, nur eine knappe halbe Stunde von den Hügeln der Hollywood Hills entfernt. Quasi ein Katzensprung von Jonathans und seinem Haus. Chris fing an zu grinsen.

»Auweia, er denkt nach«, fing Brad an zu sticheln und sah zu Jonathan, der sie amüsiert beobachtete. »Ob das gutgeht?«

»Brad? Ich weiß zwar nicht, was bei deiner Ehefrau und dir heute Nacht noch so alles geht, aber ich weiß, dass mein lieber Bruder einem gewissen Techniker und frechen Schuhdieb sehr bald einen Besuch abstatten wird.«

»Ich setze fünfzig Mücken, dass Finnley ihn niederschlägt und direkt an sein Bett fesselt, so wie er ihn heute Nachmittag angesehen hat«, konterte Brad belustigt und Jonathan schlug sofort ein.

»Hundert, dass die beiden in den ersten vierundzwanzig Stunden nicht aus Finnleys Wohnung rauskommen. Oder auch aus seinem Haus, je nachdem, was es ist.«

»Ich frage mich, wie ihr das überprüfen wollt«, warf Chris mit einem dreckigen Grinsen in den Raum. »Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich euch mitnehme und zusehen lasse.«

Jonathan winkte gelassen ab. »Ich weiß, wie du aussiehst, wenn du Sex hattest. Schließlich hast du deine Eroberungen in den letzten Jahren oft genug in die Garderobe geschleppt. Ein Blick in dein Gesicht genügt mir daher vollkommen.« Er sah feixend zu Brad. »Gilt unsere Wette?«

»Sie gilt.«

Die zwei schlugen ein und Chris faltete kopfschüttelnd den Zettel wieder zusammen, um ihn danach in seine Geldbörse zu schieben. Heute und morgen würde er zwar nicht zu Finnley fahren und seine Schuhe zurückfordern können, aber nächste Woche waren sie für ganze vier Tage in Las Vegas, da ließ sich bestimmt etwas arrangieren. »Wenn unsere Fans euch so sehen könnten. Ihr seid schlimmer als eine Horde Kleinkinder.«

»Sagt der Mann, der rosa Socken trägt«, konterte Jonathan und stieg in seine Jeans. »Kommt ihr mit raus? Autogramme verteilen, wo schon das Meet and Greet ausgefallen ist?«

»Wenn du nicht vorhast draußen zu übernachten, bin ich dabei.« Chris nahm sich frische Kleidung aus dem Koffer. »Die Socken sind übrigens genauso wenig rosa, wie deine dämliche Haarfarbe letztes Frühjahr in Baltimore.«

»Pfft«, grollte Jonathan gespielt beleidigt. »Was hast du nur immer gegen rosa? Ich sah jedenfalls weitaus besser mit rosa Haaren aus, als du mit deinen blondierten Strähnchen vor ein paar Jahren.«

»Och nö, jetzt geht das wieder los«, stöhnte Brad und fing an zu lachen, als er im nächsten Moment zwei Handtücher ins Gesicht geworfen bekam.

 

Chris sah sich um, nachdem er geparkt hatte.

Es war ein großer und schöner Apartmentkomplex, in dem Finnley wohnte. Gepflegt, mit hellen Farben und viel Grün um die Anlage herum. Irgendwie passte das auf den ersten Blick gar nicht zu ihm, fand er, aber um sich darüber ein wirkliches Urteil bilden zu können, musste er den Mann ja erst einmal kennenlernen, und genau deswegen war er heute hier. Chris stieg aus, schloss den Mietwagen ab, den er sich am Flughafen genommen hatte, und schaute sicherheitshalber noch einmal auf Finnleys Nachricht. Die Straße stimmte. Die Hausnummer ebenfalls. Ja, hier war er eindeutig richtig. Er schulterte seinen Rucksack, überquerte mit schnellen Schritten die Straße und musste, als er vor der Haustür angekommen war, erst mal die einzelnen Klingelschilder absuchen, denn Finnley war nicht so leicht zu finden.

Willows, Harper & Coleman

Entweder hatte Finnley eine Dreiecksbeziehung am Laufen und ihn verarscht, oder er wohnte in einer Wohngemeinschaft. Chris vermutete Letzteres, denn so eine Nachricht schrieb man im Allgemeinen nicht, wenn man jemanden verarschen wollte. Verrückte und Spinner gab es zwar genug auf der Welt, aber irgendwie traute er Finnley so ein Verhalten nicht zu und Chris täuschte sich nur sehr selten, was seine erste Einschätzung von Menschen betraf. Er drückte auf die Klingel und musste auch nicht lange auf Antwort warten.

»Ja?«

»Ist Finnley da?«

»Wer will das wissen?«, fragte eine männliche Stimme, die er zwar nicht kannte, die ihn aber trotzdem umgehend zum Grinsen brachten, denn wer immer das war, er klang genauso wie Jonathan, wenn der neugierig war.

»Der Mann, dem er vor einer Woche vollkommen schamlos die Lieblingsschuhe geklaut hat«, antwortete Chris und wurde sofort mit schallendem Gelächter belohnt, bevor der Türöffner ertönte und der Mann ihm belustigt erklärte: »Hi, Chris Parks. Komm rauf. Das letzte Apartment ganz oben.«

Ein blonder Typ der Marke Unschuldsengel stand in der offenen Tür und grinste ihn breit an, als Chris wenig später aus dem Fahrstuhl stieg. »Du bist echt schnell, das muss man dir lassen.« Chris erwiderte das Grinsen und ergriff die Hand, die ihm bereits entgegengestreckt wurde. »Ich bin Trent Harper, Mitbewohner Nummer eins. Komm rein. Finnley belegt noch das Badezimmer. Du kannst ihm natürlich Gesellschaft leisten, wenn du willst.«

»Trent! Hör auf, mich verkuppeln zu wollen, das schaffe ich gut alleine«, schallte im nächsten Augenblick Finnleys empörte Stimme zu ihnen in den Flur, was Chris zum Lachen brachte. Trent zwinkerte ihm zu und meinte dann unschuldig: »Ich will ihm doch nur schnell deine Vorzüge aufzählen, bevor er merkt, dass du nicht ganz dicht bist und wieder flüchtet.«

»Welche Vorzüge bitteschön?«, fragte Finnley verwundert, was nun Trent zum Lachen brachte, während er gleichzeitig die Wohnungstür hinter Chris schloss. »Willst du Kaffee? Ich hab gerade frischen fertig.«

»Gern.«

Chris folgte Finnleys Mitbewohner in eine große und recht gemütlich aussehende Küche, wo er sich auf den freien Stuhl vor einer Sitzecke sinken ließ, die mit Kabeln, Werkzeug, Ärztezeitschriften und anderem Kram völlig zugepackt war, was ihn schmunzeln ließ und Trent erneut zum Lachen brachte, als er es merkte, bevor er zwei saubere Tassen aus dem Schrank kramte und ihnen den versprochenen Kaffee eingoss.

»Guck dich lieber nicht genauer um. Ich bin erst vor einer Stunde nach Hause gekommen, genau wie Finnley. Wir waren die letzten Wochen mehr unterwegs als Zuhause. Hier sieht es nicht immer so aus.«

Chris winkte ab und nahm gleichzeitig die Tasse entgegen, die Trent ihm hinhielt. »Danke, und ich bin schmerzfrei. Wer sich mit dem eigenen Bruder ein kleines Haus teilt, ist Kummer gewohnt.«

»Ist Jonathan wirklich so schlimm?«, fragte Trent amüsiert und neugierig zugleich, und lief im nächsten Moment rot an. »Sorry, es gibt natürlich jede Menge Gerüchte über die neuen Superstars am Rockhimmel. Aber das geht mich ja im Grunde gar nichts an. Vergiss die Frage.«

Chris schmunzelte. »Kein Thema. Mit den albernen Fragen der Klatschreporter hatten wir schon zuhauf das Vergnügen, und Jonathan macht sich einen Spaß daraus, ihnen Blödsinn zu erzählen. Eigentlich sind wir zu Hause sogar recht ordentlich.«

»Ah ...«, machte Trent, nahm den zweiten Stuhl in Beschlag und zog ein Bein an. »Das berühmt berüchtigte Wort eigentlich. Verstehe.«

»Hallo.«

Chris warf einen Blick über die rechte Schulter und musste sich arg beherrschen, damit ihm nicht der Mund offenstehen blieb, denn Finnley hatte es scheinbar nicht für nötig befunden, sich etwas überzuziehen. Stattdessen stand er mit noch nassen Haaren und einem Handtuch um die schmalen Hüften, das mehr preisgab, als es verbarg, in der Tür und grinste ihn an.

»Selber hallo, du Dieb.«

Finnley lachte und kam in die Küche, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. »Wer ist heute mit einkaufen dran? Ich sterbe vor Hunger.«

Chris riss sich vom Anblick seiner äußerst muskulösen und knackigen Kehrseite los und räusperte sich vernehmlich. »Als anständiger Gast habe ich natürlich auch an ein Gastgeschenk gedacht.«

»Was zu essen?«, fragten Finnley und Trent wie aus einem Mund und äußerst begehrlich, was Chris wieder einmal lachen ließ, während er den Reißverschluss seines Rucksacks aufzog und eine Schachtel Donuts zutage förderte, die ihm prompt ein zweifaches, zufriedenes Seufzen einbrachte.

»Finn, wenn du diesen heißen Mann nicht haben willst, ich nehme ihn«, erklärte Trent und bekam dafür von Finnley umgehend einen tadelnden Schlag auf den Hinterkopf, bevor sich beide auf die Donuts stürzten und Chris sie dabei kopfschüttelnd und gleichzeitig breit grinsend beobachtete.

Es dauerte keine zehn Minuten und die Schachtel war fast leer. Unglaublich. Fütterte diese Männer denn niemand? Falls nicht, war er, zumindest in Bezug auf Finnley, der seinem Freund und Mitbewohner gerade auf die Hand schlug, gerne bereit, den Job zu übernehmen.

»Finger weg, der letzte gehört dem Gast.«

»Ich lade ihn dafür nachher zum Essen ein, das gleicht es wieder aus«, konterte Trent umgehend und starrte begehrlich auf den letzten Donut. »Was sagst du dazu, Chris?«

Chris sagte erst mal gar nichts, weil ihm vor lauter Grinsen schon das Gesicht wehtat. Sie saßen noch keine halbe Stunde hier und dennoch – so viel Spaß in so kurzer Zeit hatte er ewig nicht mehr gehabt.

»Sagt mal, geht es bei euch immer so zu?«

Finnley winkte ab und griff nach dem letzten Donut, wofür er von Trent prompt eins auf die Finger bekam. »Aua. Idiot.«

Trent schnaubte. »Wenn ich ihn nicht kriege, kriegst du ihn auch nicht.«

»Ihr könntet teilen«, schlug Chris vor und prustete los, als die beiden ihn daraufhin entrüstet ansahen. »Okay, ich merke schon, wenn es um Essen geht, seid ihr keine Freunde.«

»Du hast es erfasst.« Finnley quetschte sich an Trent vorbei auf die voll gekramte Sitzbank, wobei sein Handtuch ein Stück nach oben rutschte. Chris schaute hastig woanders hin. »Aber heute sind wir noch lieb.« Trent verdrehte seufzend die Augen zur Decke, was Finnley schnauben ließ. »Jetzt verdirb mir doch nicht die Vorstellung, du Banause. Sonst flüchtet er noch, bevor ich ihm die Überraschung zeigen konnte.«

»Welche meinst du? Die, die du unter diesem sehr kleinen Handtuch versteckst und ihm gerade fast ins Gesicht gedrückt hast? Oder reden wir von deinem Bett?«

Finnley stöhnte. »Trent, du bist echt versaut.«

»Wieso? Ich weiß schließlich schon, wie du nackt aussiehst und Chris will mit Sicherheit nicht die berühmte Katze im Sack kaufen. Oh, schmutziges Wortspiel.«

»Trent!«

Trent lachte und zwinkerte ihm zu, während Chris sich auf die Lippen beißen musste, um nicht schon wieder zu lachen. »Finns Bett ist übrigens großartig, das solltest du dir ansehen. Erstklassig, sage ich dir.«

Hätte Chris es nicht besser gewusst, hätte er Trent das glatt als direkte Einladung in Finnleys Bett auslegen können, aber so begeistert wie der Mann dreinschaute, ging es Trent tatsächlich nur um das Bett und nicht um jene Dinge, die man in so einem Möbelstück bei Gelegenheit treiben konnte. Allerdings würde Finnley bald in seinem Bett landen, wenn er nicht in nächster Zeit das Handtuch gegen etwas Züchtigeres austauschte, denn sein Anblick war ziemlich ablenkend, besonders jetzt, wo seine Haare trockneten und Chris immer mehr in Versuchung geriet, mit den Fingern durch die dunklen, schulterlangen Locken zu fahren und seine Lippen dabei auf diese wirklich verlockenden Knubbel zu legen und an ihnen zu saugen, während er mit der freien Hand durch das krause Haar strich, das Finnleys Brust bedeckte.

»Finde ich auch, sonst hätte ich es mir kaum gekauft, aber ich meinte eigentlich die bunte Überraschung«, lenkte Finnleys Stimme ihn von dessen nackter Brust ab und Chris war ihm insgeheim dankbar dafür.

»Ah, diese Überraschung.« Trent lachte leise und zwinkerte ihm zu. »Die wird dir gefallen. Aber jetzt muss ich leider schon wieder los, der Job ruft.« Er sah zu Finnley. »Baxter kommt so gegen Mitternacht, er musste die Schicht tauschen.«

Finnley nickte nur und kurz darauf war Chris mit seinem verrückten Schuhdieb allein, der so verzückt den letzten Donut ansah, dass Chris einfach nicht anders konnte, als ihn Finnley zuzuschieben, woraufhin der total übertrieben seufzte und sich nach einem Luftkuss in seine Richtung gierig über das Gebäck hermachte.

»Baxter?«, fragte Chris, als Finnley sich die Finger ableckte und er sich mit irgendetwas ablenken musste, weil er sonst mit Sicherheit auf dumme Ideen gekommen wäre.

»Mitbewohner Nummer zwei«, gab Finnley Auskunft und lächelte ihn an. »Baxter Willows. Er ist Arzt mit Leib und Seele und arbeitet in der Notaufnahme. Trent ist Rausschmeißer in einem Club und was ich mache, weißt du ja schon. Also, Mister Chris Parks, wollen Sie Ihre Überraschung jetzt an sich reißen oder nicht?«

Oh ja, und ob er wollte, aber Chris war sehr wohl klar, dass Finnley von etwas anderem sprach, als das, was er selbst sich gerade in seiner schmutzigen Fantasie vorstellte, und bevor er wirklich noch eine Dummheit beging, entschied sich Chris, ein anständiger Gast zu sein und erhob sich.

»Ich liebe Überraschungen, also her damit!«

Finnley begann zu lachen.

 

»Wow«, murmelte er wenig später und drehte sich dabei langsam um die eigene Achse, während Finnley die Zimmertür hinter ihnen schloss und ihm amüsiert zusah. »Als stünde man in einem Dschungel. Hier liebt jemand Pflanzen.«

Finnley grinste schief, als wäre es ihm peinlich, dass überall in seinem Zimmer Pflanzen standen, und zuckte dann mit den Schultern, bevor er den Raum durchquerte und sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken ließ. Chris trat ans Fenster, warf einen Blick hinaus und ließ seine Augen anschließend erneut über die Pflanzen schweifen, die im ganzen Raum verteilt standen. Mehrere große Palmen dienten dabei als eine Art Raumteiler zwischen Finnleys Schreibtisch und seinem Bett.

Und das war definitiv mehr als einen Blick wert, da musste er Trent Recht geben, denn das hohe, schwarze Metallgestell passte ziemlich gut zu der hellgrauen Wand am Kopfende und einer weiß gestrichenen an der Seite.

»Hast du einen Zweitjob als Designer?«, fragte Chris und sah zu Finnley, als der leise lachte. »Was?«

»Ich mag Farben und ich mag Pflanzen.«

»Und?«, konterte Chris, weil ihm der leichte Unterton nicht entgangen war.

»Und das macht mich nicht zur Frau.«

Wow, dachte Chris überrascht. Finnley hatte offensichtlich ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht, was das anging, aber er hatte nicht vor, eine weitere hinzuzufügen. Stattdessen warf er einen sehr langen Blick auf Finnleys Körper, bevor er ihm in die Augen sah und den Kopf etwas schräg legte.

»Nein, das bist du eindeutig nicht, und um mal eines gleich klarzustellen, ich stehe auf Männer. Auf richtige Kerle. Und ob die Blumen züchten oder heimlich gerne Stöckelschuhe tragen, ist mir völlig egal, solange sie mir nicht meine Lieblingsschuhe klauen.«

Finnleys Augen weiteten sich und im nächsten Augenblick gluckste er heiter und deutete zum Kleiderschrank. »Mach ihn auf. Die linke Seite. Ganz unten.«

Chris tat es, blinzelte verdutzt und lachte schallend los, als er seine Turnschuhe fand und danach das Sechserpack Socken in seiner Größe und den grellsten Farben entdeckte, die man sich nur vorstellen konnte, das direkt daneben lag. Trent hatte wieder Recht behalten, denn Finnley war definitiv nicht ganz dicht, aber genau das gefiel ihm an diesem Mann.

»Womit habe ich die denn verdient?«

»Ich dachte, wenn ich dir schon deine Schuhe klaue, muss ich dich wenigstens dafür entschädigen.«

»Entschädigung angenommen.« Chris grinste Finnley über die Schulter hinweg zu. »Die sind erstklassig. Ich werde blind, wenn ich die anziehe, aber ich werde sie trotzdem tragen.«

Finnley grinste sichtlich zufrieden und streckte genüsslich die Beine aus. »Was hältst du eigentlich von Essen gehen?«

»Hast du immer noch Hunger?«, fragte er und schüttelte amüsiert mit dem Kopf, als Finnley das mit einem beleidigten »Pfft.« kommentierte. »Wenn du dir etwas überziehst, können wir essen gehen. So nehme ich dich nicht mit auf die Straße.«

»Warum nicht?« Finnley sah an sich hinunter. »Sehe ich dir etwa nicht gut genug aus?«

Ob er nicht gut genug aussah? Chris ließ die Socken fallen und stand auf, um zu Finnley hinüberzugehen und sich mit den Händen auf den Stuhllehnen abzustützen. »Wenn ich nicht so nett wäre und wüsste, dass man zuerst Dates hat, ehe man intimer wird, würde ich dir hier und jetzt zeigen, wie gut du in meinen Augen aussiehst. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie sehr ich mittlerweile herausfinden will, was du unter diesem Handtuch vor mir versteckst?« Finnley schaute ihn von unten herauf an und leckte sich über die Lippen. Chris begriff. Und wie er begriff. »Du Mistkerl.«

Finnley begann zu lachen und zog ihn am Nacken zu sich herunter, um ihn zu küssen, bevor Chris die Gelegenheit hatte, sich zu überlegen, wie er dem Kerl diese Frechheit heimzahlen konnte, eine gefühlte Ewigkeit mit einem Handtuch bekleidet vor ihm herumzuscharwenzeln und ihn damit zu quälen. Doch als sich Finnleys kräftige Finger wenig später schamlos Zugang zu dem vor Erregung schmerzhaft harten Inhalt seiner Jeans verschafften, um den Wahrheitsgehalt seiner vorherigen Worte zu prüfen, vergaß Chris seine Rachegedanken genauso schnell, wie sie zuvor aufgekommen waren.

 

»Wow«, murmelte es neben ihm schläfrig und Chris öffnete probehalber ein Auge. Im Zimmer war es dunkel, also musste es mittlerweile abends oder tiefste Nacht sein.

Er schmunzelte. »Wow, das war gut, oder wow, ist der Kerl scheiße?«

Finnley lachte leise. »Weder noch … Das war ein, Wow, so schnell bin ich normalerweise nicht

»Ich auch nicht.« Chris runzelte die Stirn, als Finnley nur schnaubte. »Jedenfalls nicht mehr. Ich schätze, mein schlechter Ruf, mir in jeder Stadt ein Groupie zu angeln und dreckigen, schwulen Sex zu haben, hat vor dir nicht Halt gemacht.«

»Hätte er das tun sollen?«, hielt Finnley dagegen und Chris schürzte die Lippen, unsicher, wie er reagieren sollte. »Keine Erklärungen«, bat Finnley gleich darauf überraschenderweise und legte ihm einen Finger auf die Lippen, bevor Chris etwas dazu sagen konnte. »Ich hatte ein Leben vor dir. Du hattest ein Leben vor mir. Und du wirst auch nach mir eines haben.«

»Das klingt falsch«, sprach Chris das Erste aus, was ihm in den Sinn kam, und runzelte im nächsten Moment die Stirn, weil er nicht wusste, wo der Gedanke hergekommen war.

»Falsch?«, fragte Finnley verständnislos und Chris nickte in die Dunkelheit des Zimmers.

»Das klingt, als hättest du vor, mich jetzt aus deinem Bett und deinem Zimmer zu werfen und mich zu bitten, nicht mehr wiederzukommen.«

»So schlecht war der Sex nun auch wieder nicht«, konterte Finnley daraufhin trocken und Chris prustete los.

»Du bist wirklich ein Mistkerl.«

»Ich weiß.«

Finnley drehte sich auf die Seite, um besitzergreifend eine Hand auf seine Brust und ein Bein über seine Oberschenkel zu legen. Beides gefiel Chris. Sehr sogar, aber er hütete sich, das in Worte zu fassen, weil er instinktiv spürte, dass Finnley davor zurückgeschreckt wäre.

»Ich will dich kennenlernen, Chris Parks, wie ich es in der Nachricht geschrieben habe. Nichts gegen den Sex, der war im Übrigen umwerfend, aber es gibt mehr als das. Oder hast du andere Pläne?«

Nein, hatte er nicht. Im Gegenteil. »Heißt das, du gehst mit mir essen, wenn ich dich nach einem Date frage, oder muss ich dich vorher wieder mit Donuts bestechen?«

Finnley kicherte albern an seiner Brust. »Donuts nehme ich immer. Und solange es nicht gerade Sushi ist, gehe ich gern mit dir essen. Ich mag keinen Fisch. Gib mir ein Steak und ich bin glücklich und zufrieden.«

Also kein Vegetarier. Gott sei Dank. Chris grinste belustigt in sich hinein. »Was ist mit italienisch?«

»Kann man essen«, meinte Finnley lässig und Chris fühlte ihn an seiner Haut grinsen. Aha, die erste Wahl war italienisch definitiv nicht. Na mal sehen.

»Griechisch?«, fragte er weiter.

»Habe ich probiert, war okay.«

Auch nicht die erste Wahl. Im nächsten Moment fiel Chris wieder ein, wie Finnley ihnen letzte Woche in der Konzerthalle das chinesische Restaurant empfohlen hatte. »Asiatisch?«

»Könnte ich mich reinlegen.«

Chris lachte. »Gut, dann weiß ich, wo ich mit dir hingehe.«

Ein Schlüssel wurde unüberhörbar im Schloss gedreht und kurz darauf ging im Flur das Licht an, das konnte Chris durch den Türspalt sehen. Ehe er nachfragen konnte, gab Finnley ihm bereits die Antwort.

»Das wird Baxter sein.«

Finnley setzte sich auf, um nach der Bettdecke zu suchen, die sie vorhin im Eifer des Gefechts auf den Boden befördert hatten, und selbige danach über sie beide auszubreiten.

»Müde?«, fragte Chris und legte einen Arm um Finnley, als der sich wieder zu ihm legte. Dessen gemurmelte Zustimmung ging beinahe in einem Gähnen unter.

Es klopfte an der Tür. »Finn? Bist du noch wach?«

»Ja, bin ich. Die Sachen im Flur gehören Chris.«

»Alles klar.«

Baxter klang genauso müde wie der sexy Kerl neben ihm. Chris streichelte Finnley übers Haar, was mit einem weiteren Murmeln belohnt wurde. Sein frecher Schuhdieb war kurz davor einzuschlafen.

»Wenn ihr nachher Hunger bekommt, ich habe asiatisch mitgebracht.«

»Du bist ein Gott und ich werde dich morgen heiraten.«

Finnley gähnte hörbar in die Dunkelheit und drängte sich dabei dichter an ihn, während Chris über Baxters heiteres Lachen, das aus dem Flur zu ihnen drang, grinsen musste. Offensichtlich machte Finnley seinem Mitbewohner nicht zum ersten Mal einen Heiratsantrag. Sehr interessant. Das würde er sich auf jeden Fall merken.

»Gute Nacht, ihr zwei.«

»Gute Nacht, Baxter«, sagte er zusammen mit Finnley, was Baxter wieder lachen ließ, bevor sich seine Schritte entfernten und das Licht ausging.

Es kehrte Ruhe ein.