Unbekanntes Verlangen
– 1–

Der Liebe verfallen

Diverse Autoren

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-474-4

Weitere Titel im Angebot:

Unbekanntes Verlangen

Gibt Cornwall auch Belinda eine Chance?

Roman von Alessandra Alesca

Gibt Cornwall auch Belinda eine Chance?

Sie wollte nur weg. Weg aus Hamburg und vor Allem weg von ihm. Ihn, den sie nicht mehr lieben kann. Er erkannte nie ihre Wünsche und vermochte es nicht ihr Verlangen zu stillen. Ein beruflicher Wechsel nach Cornwall gibt ihr die Chance für einen Neuanfang. Kann sie die alten Bande kappen und sich auch neu verlieben?

Verträumt glitt ihr Blick über die Mount's Bay. Die Sonne schien bereits flach über das Meer. Man sah unter ihr, in wundervollem Kontrast, den Küstenstreifen von Penzance bis Moushole. Leicht säuselte der Wind um die Mauern von St. Michael's Mount. Es war kein Pfeifen oder Summen, wie man es sonst kannte. Nein, es war ein Klingen, ein Ton, welcher einem gedämpften Glockenschlag ähnelte.

"Sind es die Glocken vom Reich Lyonesse, der Heimat Tristans, welches hier versunken sein soll?" Belinda lächelte gedankenverloren.

Es ist schon toll, dieses Cornwall. Nicht nur die Landschaft, welche die Mythen real erscheinen ließ. Auch bekommt man das Gefühl, dass all die Romane, ob mehr oder weniger gut, jedoch meist um Liebe mit Happyend handelnd, hier wirklich ihren Ursprung haben.

Der warme Frühlingsabend ließ den Wind spielerisch um ihr luftiges Kleid fächeln. Ein zarter Kontrast zu der kühlen mittelalterlichen Wehrmauer, an welcher sie lehnte. Ein warmer Hauch strömte leicht ihren Nacken hinauf und verursachte ein leichtes Kribbeln. Belinda schloss die Augen. Sie genoss den stärker werdenden und trotzdem sanften Druck gegen ihre Schultern. Wie Finger, auf einer Klaviatur, glitt das Gefühl um ihren Oberkörper herum. Belinda durchzuckte ein wohliger Schauer. Die Hände begannen einen leichten Reigen um ihre Taille. Unter den Achseln hindurch strichen sie sanft um ihre Brüste, während ihr Hals streichend liebkost wurde. Ihr Körper spannte sich leicht, um diesen Avancen nachzugeben. Wie die Aufforderung ihr noch mehr zu gewähren, glitt die Berührung langsam an ihr hinab. Während ihre Brüste sich härteten, spürte Belinda ein leichtes Ziehen im tieferen Bereich ihres Leibes. Die Berührungen umschmeichelten ihren Po und bewegten sich sanft nach vorn. Wie um sich Kühlung zu verschaffen, drückte sie ihre Lenden leicht gegen die Mauer. Sie spürte eine Wallung aufsteigen, welche auch ihren Schoß schwellen ließ. Ein lüsternes Seufzen entfuhr ihren leicht geöffneten Lippen und begleitete den Willen, sich diesem Spiel hinzugeben. Sie begann, leichte Kontraktionen in ihrem Innersten zu spüren, als sich Schritte von hinten näherten.

"Ach wenn das mit der Liebe doch wirklich so einfach wäre", seufzte die junge blonde Frau vor sich hin und fühlte sich ein wenig wie Isolde, …der Liebe beraubt.

*

Belinda sah auf die Uhr auf ihrem Nachttisch. Es war bereits nach ein Uhr und leicht säuerlich dachte sie an den kommenden Morgen im Büro des Reiseveranstalters, bei dem sie arbeitete.

"Was ist nur mit dir nicht in Ordnung?", fragte Luis neben ihr. "Ich war eine Woche lang weg. Da wirst du doch etwas Lust verspüren. Hab dich nicht so."

Belinda spürte, wie ihr Freund im Bett näher an sie heranrückte. Seine Hände begannen wieder an ihr auf und ab zu gleiten.

"Ich muss morgen früh raus, während du ja ausschlafen kannst."

"Komm, ein wenig Sex kann trotzdem nicht schaden. Es wird deine Laune doch nur verbessern."

"Das glaube ich kaum", dachte Belinda, drehte sich jedoch zu ihm um.

Luis verstand das als Aufforderung. Jetzt eindringlich, schob er ihr Negligé nach oben. Während eine seiner Hände an ihren Brüsten verblieb, schob sich die andere in ihren Schambereich.

Luis begann sie zu küssen. Immer schneller glitt sein Mund um ihren Hals herum. Belinda spürte, wie sein erigiertes Glied gegen ihren Schenkel drückte.

"Nicht so schnell", flüsterte sie. Belinda spürte, dass sie etwas mehr Zeit brauchen würde. Sie versuchte sein Glied zur Seite zu drücken, um ihm den ansteigenden Druck zu nehmen. Luis schien es eher falsch herum zu verstehen.

"Oh ja, nimm ihn", stöhnte er laut. Nun war es um Belinda geschehen. Ihre leicht aufgekommene Lust war jetzt gänzlich verschwunden. Sie spürte wie Luis versuchte seitlich in sie einzu dringen. Belinda schob sich unter ihn und griff gleichzeitig fester um sein Glied. Das erneute Aufstöhnen von Luis zeigte ihr, dass es wohl die richtige Wahl war. Einige mal glitt sie mit der Hand an seinem Schaft herauf und herunter. Der beginnende keuchende Atem von Luis ließ sie ihre Schenkel öffnen. Um nicht von Luis hektischen Bewegungen überfahren zu werden, hielt sie weiterhin die Hand um sein Glied geschlossen. Sie wollte es lieber selbst einführen. Luis würde den Unterschied wahrscheinlich auch gar nicht bemerken. Ein leichter Schmerz zeigte ihr, dass sie wirklich noch nicht bereit gewesen war. Jedoch, so schnell wie es begann, war es auch vorbei. Schwer atmend, wälzte sich Luis von ihrem zarten Körper herunter.

Belinda blieb einen Moment lang regungslos liegen. "Fehlt nur noch, dass er mich jetzt fragt wie er war", dachte sie bei sich, doch da hörte sie schon ein gleichmäßig raschelndes Geräusch neben sich. Luis war eingeschlafen.

Missmutig und weit weg von besserer Laune, erhob sie sich. Sie wollte jetzt nicht neben dem Mann liegen, den sie einmal liebte, der seit geraumer Zeit jedoch nur noch ein Lebensabschnittsgefährte war.

Belinda ging ins Bad. Unter den feinen Strahlen ihrer Regenbrause verflüchtigte sich ihr Unbehagen. Hier ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf. Sie wusste jetzt, dass ihre Zukunft nicht auf einem Pfad mit Luis liegen konnte.

*

Der nächste Morgen brachte für Luis die notwendige Ernüchterung. Belinda fiel es recht leicht, ihm zu erklären, dass sie sich von ihm trennen würde.

"Du lässt mich sitzen?", fragte er.

"Ich habe keine Gefühle mehr für dich. Ich möchte auch nicht als Objekt deiner sexuellen Gelüste dienen, wenn du gerade einmal in Hamburg bist."

"Ich bin nun mal viel unterwegs. Das wusstest du jedoch von Anfang an. Das kann keine Ausrede sein."

"Unsere Intimität von früher, die Zärtlichkeit, das Überraschende, all dies ist verloren gegangen. Da ist keine Liebe mehr."

"Wieso? Ich bring dir Blumen mit, ich lade dich zu Essen ein, was willst du denn noch?"

"Das Gefühl, dass wir einmal hatten. Und außerdem, Blumen, Essen und Sex können doch wohl nicht alles sein?"

"Hab dich nicht so…!“

"Da war es wieder", dachte Belinda.

„Bei anderen Frauen funktioniert es doch auch", fuhr Luis fort.

"Wie jetzt? … bei anderen Frauen?!"

Luis spürte indessen, dass hier etwas gehörig nicht nach seinen eigentlichen Abläufen ging.

"Naja, du bist ja nicht die einzige Frau. Ich meine bei anderen Frauen habe ich…", Luis schluckte, "...hatte ich noch keine Probleme." Luis war sich sofort darüber im Klaren, dass jetzt seine Messen gesungen waren. Hier hatte er wohl über das Ziel hinausgeschossen.

"Ich meine…", versuchte er stammelnd zu kitten, was nicht mehr zu reparieren war, "…ich meine natürlich früher; nicht die zwei Jahre in denen wir zusammen sind."

"Verschwinde einfach, nimm deine paar Sachen mit, die du hier immer zum Übernachten gebraucht hast und geh. Geh zu deinen anderen Frauen, bei denen du nicht solche Probleme hast."

Belinda war bewusst, dass sie jetzt durchaus kränkend war. Sie konnte ihm jedoch seine Einstellung nicht verzeihen. Sie war ein Grund mehr, Luis den Laufpass zu geben.

Als Luis nach einer Weile gegangen war, sackte Belinda auf ihrem Küchenstuhl zusammen. Es hatte wirklich nicht lange gedauert, bis Luis seine Besitztümer zusammengerafft hatte. Es zeigte Belinda nochmals, dass es in den wenigen Jahren zwischen ihnen nicht wirklich zu einer Beziehung gekommen war. Wann würde es denn endlich einmal klappen mit Mr. Right. Sie war jedoch froh, diesen Schlussstrich gezogen zu haben. Bald würde vielleicht ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Darauf hoffte sie nun schon seit längerem. Wie Schuppen fiel es ihr von den Augen, dass sie dafür noch einiges tun müsste. Zumindest erst einmal an die Arbeit gehen. Heute würde sie zu spät kommen und das vor den Tagen der Entscheidungen.

*

Nachmittags wieder zu Hause angekommen, war sie froh diesen Tag fast hinter sich gebracht zu haben.

"Hörst du mir überhaupt zu?", fragte eine Stimme wie aus der Ferne. Belinda sann über ihre Beziehung nach.

"Tut mir leid. Eigentlich habe ich im Moment die Nase voll, von Männern. Und du erzählst mir hier gleich von Zweien, die mein Leben beeinflussen werden", erwiderte Belinda etwas barsch. "Sorry, so sollte das jetzt nicht klingen", ergänzte sie noch.

Belinda saß auf ihrem Sofa im Wohnzimmer und suchte eigentlich nach Antworten auf eine bestimmte Frage. Die, die sie beantworten sollte, hockte ihr gegenüber. Gesa, eine langjährige Freundin, hatte einige Karten in der Hand und vor sich auf dem Couchtisch sortiert.

"Ich weiß ja, dass du immer skeptisch auf mein Tarot schaust. Denke jedoch daran, wie oft ich bereits Recht behalten habe. Und außerdem, du hast mich gefragt."

"Ich möchte doch nur wissen, ob das mit meinem Job, als Reiseleiterin, in Cornwall klappt. Es ist wichtig. Mit einunddreißig eine neue Zukunft aufbauen, da möchte man schon wissen, ob das klappt."

Wieder schwang etwas Unmut in der Stimme. Dann murmelte sie etwas kleinlauter.

"Naja, dafür nutzt man halt auch mal Alternativen. Männer interessieren mich dabei überhaupt nicht. Schließlich werde ich hier in Hamburg Vieles hinter mir lassen müssen. So auch meine verloren gegangene Liebe. Es war doch schon länger nur noch eine Sexgeschichte, während seiner Aufenthalte hier; und selbst die machte keinen wirklichen Spaß mehr. Ich musste mich davon lösen."

"Ja wenn ich es dir doch sage Belinda, du wirst dich bald zwischen einem blonden und einem dunkelhaarigen Mann entscheiden müssen."

"Also ehrlich Gesa, immer noch?! Und außerdem, dass entscheide doch wohl immer noch ich und nicht deine Karten. Vielleicht werfe ich mich auch einem rothaarigen Iren oder einem grünrothaarig gefärbten Engländer an den Hals", widersprach Belinda ihrer Freundin vehement, aber nicht ganz ernst gemeint.

Gesa verdrehte die Augen spöttisch, zog eine Augenbraue nach oben und kommentierte Belindas Bemerkung mit einem scheinbaren Achselzucken.

"Was, wenn dich Luis doch liebt, und es immer noch tut?! …Die Karten sagen immer die Wahrheit, auch wenn du sie nicht hören magst. Kannst du damit leben, gegangen zu sein, ohne ihn wissen zu lassen, wohin und wie du erreichbar bist? Hat er deine neue Handynummer?", entgegnete ihr die Freundin, nicht wie gewohnt herzlich, sondern eher ein wenig trotzig. Gesa wusste, dass hier der wunde Punkt lag und sie die eigentliche Frage nicht beantwortet hatte.

"Gesa bitte! Ich schätze dich wirklich sehr, aber was soll das hier jetzt", doch etwas betroffen, wischte sich Belinda eine Träne aus den Augen. "Ich wünschte schon, dass du in dieser Sache recht behältst, doch er liebte mich nicht wirklich. Er hat es wahrscheinlich nie getan. Außerdem muss der dunkelhaarige Mann ja nicht Luis sein."

"Also gut, die Karten verraten mir auch: …ja; du wirst nach Cornwall gehen, schon bald", flüsterte Gesa jetzt traurig und mitgenommen. Tränen rannen über ihr Gesicht.

Belinda erkannte Gesas Kummer und umarmte ihre Freundin zärtlich.

"Danke Gesa...", sagte sie mitfühlend, "...ich weiß, dass du darunter leidest, wenn ich gehe. Ich doch irgendwie auch, weil du mir sehr wichtig bist. Du bist meine beste Freundin und so soll es auch bleiben. Ich will mich nicht mit dir streiten aber bitte, erzähl mir nichts mehr über Männer."

"Gut, abgemacht aber glaube deshalb nicht, dass es nicht doch so kommt, wie ich es dir nicht verraten darf. Und Cornwall ist ja nur einen Katzensprung weit weg", antwortete Gesa spitzbübisch und auch etwas hoffnungsvoller.

*

Gesa sollte recht behalten. Man hatte Ihr die zukünftige Außenstelle des Reiseveranstalters angeboten. Sie kündigte die Wohnung und drei Monate später fand sich Belinda auf dem Flughafen von Newquay im südenglischen Cornwall wieder. Sie sollte sich jetzt einen Überblick verschaffen und die Vorarbeiten leisten. Zu Beginn der Saison, würde sie das Büro dauerhaft eröffnen.

Belinda begutachtete ihre Gepäckstücke. Draußen regnete es in Strömen und das, bei acht Grad im April.

"Bei diesem Wetter lässt man doch keinen Hund vor die Tür. Typisch Insel. Wenn das so weitergeht, flieg ich gleich wieder nach Hause, Martha", hörte sie einen Mann auf Deutsch sagen. Ein Touristenpaar, welches wohl aus Deutschland kam.

Belinda musste lächeln, über dieses typisch deutsche Genörgel. "Naja, ein Teil der Klientel, mit der ich mir zukünftig die Brötchen verdiene", dachte sie.

Auch Belinda hoffte jedoch inständig, das auf dieses nasskalte Wetter, ein wenig Sonnenschein folgen würde. Einige junge Leute schien dieses Wetter kaum zu stören. Sicherlich Surfer, welche auch bei solchem Wetter Spaß hatten. Newqay, mit Buchten wie Fistral Beach oder Watergate Bay. Sie gelten als Hotspot für die Wind- und Kitesurfer. Belindas Ziel war jedoch St. Ives, ein malerischer Künstlerort, im Süden Cornwalls, indem auch ihre zukünftige Wirkungsstätte lag. Dort an der Küste befanden sich mehrere angemietete Cottages. Eines dieser typischen Wohngebäude, welche jetzt als Ferienwohnungen genutzt wurden, war für sie bestimmt, die anderen für die Urlauber.

Sie sah auf ihre Armbanduhr und wieder nach draußen. Der Wind peitschte gerade einen Regenguss nach dem anderen gegen die Glaswand des Foyers. Der Vorplatz war durch die Schleier gar nicht zu erkennen. Belinda hatte vor ein paar Minuten die Schlüssel und Papiere für den Mietwagen abgeholt. Nun wartete sie auf eine passende Gelegenheit, um zu ihrem Fahrzeug zu gelangen. Sie begutachtete nochmals ihre Gepäckstücke, nur um wiederholt festzustellen, dass sie in Ordnung waren. Einige Zeit später ließ der Regen endlich nach. Diesen Moment nutzte Belinda. Auf dem Parkplatz fand sie schnell den Mietwagen, den ihr Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hatte. Ein kleiner, roter Van.

"Schick, wie passend", dachte sie sich.

Ihr gelang es auch, auf Anhieb auf der richtigen Seite einzusteigen.

"Ich bin schon ein Profi", grinste sie und merkte, dass Ihre Laune besser wurde. Im Handschuhfach fand sie eine Landkarte und einige Hinweise. Der Wagen war jedoch auch mit einem Navigationsgerät ausgestattet. Ohne diese Dinge wäre sie wohl nicht nur bei diesem Wetter verloren gewesen. Schließlich musste sie noch knapp 50 Meilen weit fahren.

Der Regen ließ weiter nach, als sie die Ortschaft Redruth hinter sich gelassen hatte. Ein Bündel heller Lichtstrahlen durchbrach das Grau der Wolken. Belinda sah automatisch an ihnen entlang. Zu ihrer Rechten blickte sie auf einen großen Hügel und ein, von der Sonne angestrahltes Monument.

"Wie ein Zeichen", dachte sie sich, obwohl sie keineswegs abergläubisch war. Zumindest dachte sie immer, über solchen Dingen zu stehen. Andererseits viel ihr sofort ihre esoterisch veranlagte Freundin ein. Belinda hatte noch Zeit und so nahm sie sich die Freiheit diesen Hügel anzufahren.

Etwas abseits des Monumentes, bei einem kleinen, zu einem Cafe‘ hergerichteten mittelalterlichen Turm, stellte sie ihr Fahrzeug ab. Sie ging den Rest des Weges zu Fuß. Es war nicht mehr weit und der Aufstieg, auch für Hamburger Verhältnisse nicht anspruchsvoll.

Das Monument, stellte sich als `Keltisches Kreuz‘ dar. Es war noch nicht so alt, dass es aus keltischen Tagen stammte. Man hatte es zu Ehren eines Lords, in den Dreißigern des neunzehnten Jahrhunderts, errichtet. Das war an der Inschrift zu lesen. Belindas Blick fiel auf eine Reihe großer Felsen neben dem Bauwerk. Sie waren jedoch nicht wie Menhire aufgestellt, sondern übereinander geschichtet. Wie durch einen kleinen Durchgang strahlte die Sonne hindurch und warf ihren Strahl auf einen weiteren Block. Belinda strich mit der Hand über die angewärmte, helle Fläche. Ein leichtes Kribbeln schien sich ihren Arm nach oben zu arbeiten. Belinda lächelte.

"Da fließen wohl Jahrtausende alte Energien", stellte sie amüsiert fest. Gesa würde ihr wohl recht geben.

Langsam machte sie sich wieder auf den Weg. Das Zwischenspiel der Sonne war wohl nur von kurzer Dauer. Als sie von der A30 in Richtung St. Ives abbog, um das letzte Zehntel ihrer Strecke zurückzulegen, hatte es zumindest nicht mehr geregnet.

*

Es war bereits dunkel, als der Vermieter ihr den Schlüssel, für eines der typisch eingeschossigen, kleinen Häuser übergab. Mister Richard Mc Orwyn war ein sympathischer Corne. Ein junger gepflegter Mann, etwa Ende zwanzig. Sein blondes Haar war kurz geschnitten und er war frisch rasiert. Offensichtlich hatte er sich extra für ihren Empfang zurecht gemacht.

Sein blütenweißes Hemd hatte er mit einer gutsitzenden Bluejeans kombiniert. Um seinen Hals trug er eine hauchdünne Silberkette. Belinda sah ihn an und fand ihn auf Anhieb sehr sympathisch. Während er das Gepäck auslud und sich ihre Hände wie zufällig berührten, durchzuckte es Belinda leicht. Seine Hände waren gepflegt, angenehm warm und weich, fast einladend für mehr. Sie sahen sich einen Augenblick lang tief in die Augen und hielten sich einen Wimpernschlag zu lang an den Händen. Diesen Moment standen sie, in völliger Stille, dann zwangen sich beide die Verschränkung ihrer Hände zu lösen. Belindas Herz klopfte und sie hatte Angst, es wäre ihr anzusehen. Auch Richard schien erschrocken und verwirrt zu sein, über diese erste Begegnung. Nach kurzer Zeit erlangte er seine Fassung wieder und erzählte locker über die Eigenheiten der Cornovie, den Ureinwohnern Cornwalls. Er machte dazu Witze über sich selbst und seinen, doch eher schottisch klingenden Namen, ohne jedoch aufdringlich zu sein. Belinda empfand diesen recht sportlichen, sehr freundlichen, warmherzigen und charmanten Mann durchaus interessant. Auf jeden Fall konnte sie ungehemmt mit ihm lachen. Einfach so, aus reinster Seele heraus. Dabei war Richard auch ganz Gentleman. Er ging voraus, hielt ihr die Tür auf und lies sie eintreten. Als Belinda in das kleine romantische Landhaus eintrat, sah sie sich um. Die hellen Zimmer waren sauber und liebevoll eingerichtet. Überall standen Möbel im Landhausstil, mit idyllisch, romantischen Verzierungen. Einige Gemälde schmückten die Wand. Grüne Landschaften, durchzogen von kleinen, klaren Flüsschen oder Seen. An den Ufern hatten sich zum Teil ein paar Nymphen eingefunden. Mit weißen, wallenden Gewändern wurde das lustige Treiben, der feengleichen Wesen, von einigen Rehen beobachtet. Die Fantasiebilder, fügten sich harmonisch, in das romantische Interieur ein. Einige duftende Arrangements aus frischen Rosen, standen wohl platziert im Wohnzimmer. Belinda fühlte sich angenehm in einen dieser Cornwallfilme versetzt. Ein massiver offener Kamin glänzte zu ihrer Rechten. Auf dem polierten Granit spiegelten sich zwei Kerzenhalter aus Kristallglas. Die Verzierungen rankten sich, wie ineinander verschlungene Arme in die Höhe, sie trugen jeweils eine weiße Kerze. Belinda lief an die Fenster und bewunderte die vorgezogenen, royalblauen, seidenen Vorhänge; welche sich mit malvefarbenen Samtvorhängen abwechselten. Sie kam sich immer mehr wie bei einem Filmdreh vor.

So, genau so, hatte sie sich Cornwall auch immer vorgestellt. Sie warf einen flüchtigen Blick auf Richard und sah kurz darauf wieder weg. Ihr war nicht klar, ob das heftige Herzklopfen durch ihn oder das Cottage hervorgerufen wurde. Wohl eher durch Beides.

"So etwas ist perfekt für meine Touristen aus Deutschland", konnte sie gerade noch, halbwegs deutlich sagen.

"Das glaube ich auch. Ich lasse sie jetzt allein. Ich komme morgen früh, dann können wir alles Weitere besprechen", verabschiedete sich Richard von Belinda.

Sie stand noch einen Moment zwischen ihren Sachen und dachte nach.

"Ob Luis das auch gefallen würde?"

Leicht erschrocken zuckte sie zusammen, so plötzlich war er wieder präsent. Sie verwarf den Gedanken an ihn sofort. Nach einer kurzen Dusche, fiel sie völlig übermüdet in das flauschige Daunenbett. Sie fühlte sich bereits jetzt schon angekommen und wohl wie schon lange nicht mehr.

*

Erschrocken fuhr Sie aus dem Bett. Sie hatte bis acht Uhr durchgeschlafen. Ein starker Regenschauer peitschte an die geschlossenen Fenster. An diesem Morgen schien das Wetter noch unfreundlicher zu werden, als am Vortag.

"Das kann ja heiter werden, unseren Kunden wird das Mistwetter wohl gar nicht gefallen", murmelte Belinda leise und sah in Gedanken die Touristen von gestern abfliegen. Unter der Dusche verscheuchte sie schnell diese Gedanken.

Belinda wollte gerade im Kühlschrank nach einem möglichen Frühstück schauen, als es klingelte.

"Mister Mc Orwyn!"

Sofort fiel ihr ein, dass sie mit ihm verabredet war. Belinda hatte es schon am Vorabend mit ihrem Vermieter abgemacht. Er hatte ihr einige Rundfahrten versprochen, so konnte sie das Land besser kennenlernen. Sie war neugierig auf die vielen Sehenswürdigkeiten Cornwalls, ihrer neuen Heimat.

"Sorry, ich habe so gut geschlafen, dass es gleich etwas länger wurde. Leider ist das Frühstück noch nicht fertig und kein Kaffee gekocht", entschuldigte sich Belinda, als sie die Tür öffnete.

"Das macht nichts, wir trinken gelegentlich auch Tee", sagte er grinsend. "Außerdem habe ich uns ein kleines Frühstück mitgebracht", fügte er augenzwinkernd hinzu.

Er zeigte auf den Korb den er im Arm trug. Dieser war gefüllt mit Orangensaft, Cornflakes, einem Dutzend Eier, frischen Champignons, Schinken, einem Packen Toast, Butter, drei Sorten Marmelade, Kaffee und Tee.

"Ich dachte, ich lasse ihnen gleich mal ein english Breakfast zukommen."

Sogleich machte er sich daran die Rühreier zusammen mit den Champignons zu braten und auch den Rest vorzubereiten.

Während sie aßen, blies der Wind die Wolken davon. Als Belinda wohlig satt aus dem Fenster schaute, strahlte die Sonne und der Blick über die kleine Stadt, die idyllische St. Ives-Bucht und den Atlantik war frei.

"Wie sieht ihr Plan, den sie gestern angekündigt haben, denn aus Mr. Mc Orwyn?"

"Ich bin Richard. Einigen wir uns doch auf das 'Du', wie man im Deutschen sagt."

Belinda war mehr als erleichtert, über die Zugänglichkeit des Cornen.

"Also ich schlage vor, ich zeige dir heute die Gegend um St. Ives. In den nächsten Tagen siehst du dann das Land. Zum Beispiel einige der herrlichsten Gärten Cornwalls, ach was ganz Großbritanniens. Bei einer kleinen Rundreise besuchst du mythische Orte in Nord- und Südcornwall. Du reist entlang der Geschichte unseres ersten britannischen Königs, dessen Legenden hier ihren Ursprung haben. Du begleitest ihn von seiner Geburt auf Tintagel Castle bis Camelford, dem Ort der Schlacht gegen Mordred…."

Belinda musste lachen, "du klingst ja wie ein mysteriöser Druide, der sagt, uns stehe eine lange Wanderschaft bevor."

"Naja, man darf Cornwall auch ein wenig verkaufen. Unser Landstrich ist so groß und doch so klein, dass auch Arthus hier keine vielen Tagesritte brauchte, um ihn zu durchqueren und wir haben Autos", grinste er zurück. "Heute zeige ich dir unser kleines Städtchen. Du wirst es lieben. Übermorgen kommen dann noch die Möbel für dein zukünftiges Büro. Da muss ich noch etwas endgültig klären. Auch wenn du, wie ich weiß, eigentlich noch frei hast, sollten wir sie entgegen nehmen."

"Also, da sind die ersten beiden Tage ja bereits geplant."

Im Normalfall mochte Belinda genau das nicht, doch hier war sie regelrecht froh über Richards Hilfe.

"Ja und für die folgenden Tage, sorge ich dafür, dass du, wie versprochen, Cornwall kennen lernst."

*

Wie verzaubert stand sie später an der Carbis Bay, einem von St. Ives Traumstränden. Kam es ihr nur so vor oder glitzerte das Wasser hier besonders klar. Sie streckte ihre Arme hinein und ließ verträumt die Tropfen wechselnd durch die Hände laufen. Die Wellen kamen und gingen in gleichmäßigem Rhythmus. Wundervoll und bezaubernd war dieser Moment. Sie wäre gern mit Luis entlang der malerischen kleinen Gassen geschlendert. Durch die ruhigen Winkel, denen man die Vergangenheit und Gegenwart als Künstleroase anmerkte.

Richard bemerkte Belindas plötzliche, melancholische Stimmung und das sie in Gedanken festgefahren war. Er versuchte sie aufzumuntern und hakte die junge Frau einfach unter.

"Es ist hier, wie an der französischen Riviera, nur noch viel schöner. Du siehst ja, Traumstrände, sogar Palmen, man möchte nicht glauben, dass wir uns hier im südlichsten Teil Großbritanniens befinden. Cornwall ist berühmt dafür. Das Klima lässt hier Pflanzen gedeihen, wie sie es sonst nur in südländischen Gefilden tun. Wenn erst die Fauna vollends erblüht, die Farbenbracht, der überwältigende Duft, glaube mir, es ist wie Magie", schwelgte Richard, während er seine Augen genüsslich schloss und tief einatmete. Man merkte Richard an, dass er seine Heimat liebte, -eben nicht verkaufte.

Belinda fühlte sich zusehends besser, sie blühte jetzt ebenfalls auf, so wie die ganze Flora der Gegend. Sie schaute ihm in die blauen Augen und sagte, "Danke Richard! Danke dafür, dass du mich so herzlich in meinem neuen Zuhause aufgenommen hast."

Er sah auf den Boden. "Das tue ich gern, aber ehe du mich noch verlegener machst, schlage ich vor, wir machen es uns im schönsten Tearoom der Stadt, bei traditionellem Cornish Cream Tea gemütlich. Die Scones mit Clotted Creme und selbstgemachter Erdbeermarmelade sind hier, nach eigener Erfahrung, eine Wucht."

Belinda konnte nun nichts mehr den Tag verderben. Diesmal hielt sie ihm den Arm zum einhaken hin und beide schlenderten gemütlich los.

Nach dem versprochenen Tee, den Scones und der wirklich leckeren Marmelade, entschuldigte sich Richard kurz.

"Warte hier, ich habe noch eine Überraschung für dich."

Nach kurzer Zeit kam er wieder und führte Belinda nochmals zu einem der Strände. Einige Männer waren gerade dabei eines der vielen Fischerboote, die hier auf Land lagen, zum Meer zu ziehen. Richard steuerte gerade darauf zu. Belinda wurde flau im Magen.

"Wir wollen doch nicht mit dieser Nussschale auf den Atlantik hinaus", wagte sie unsicher zu fragen.

"Doch, aber keine Angst, du siehst ja, das Wetter ist fantastisch. Glaube mir, du wirst noch staunen."

Wie ein Kaninchen aus dem Hut, zog Richard ein paar Gummistiefel und stellte sie ihr hin.

"Ich weiß nicht, ob ich noch soooo viel Staunen vertrage."

Belinda klang immer noch etwas zurückhaltend, als sie die Gummistiefel anzog und mit ihnen in Richtung Boot marschierte.

Sie bewegten sich immer weiter vom festen Land weg. Langsam konnte man die gesamte Küstenkulisse der St. Ives Bay, vom Boot aus sehen. Dieses erschien Belinda nun noch um vieles kleiner, als es vorher schon war. Plötzlich bewegte sich etwas neben ihr. Eine Rückenflosse kam langsam zum Vorschein. Belinda wähnte sich plötzlich zu erinnern, dass es hier auch Haie gab, sogar die großen Weißen. Dass diese nur selten hier auftauchten, spielte jetzt keine Rolle. Noch mehr Rückenflossen erschienen.

"Wahnsinn…", ihre Angst war blitzartig verschwunden, "…eine Delphinschule", rief Belinda überrascht aus.

Sie hatte sich schnell die Tasche geschnappt, um ihre Kamera auf die Tümmler, an ihrer rechten Seite, zu richten. Das Boot schwankte kurz und lies ihr das Gerät fast aus den Händen gleiten. Sie fing es jedoch noch geistesgegenwärtig auf, nur funktionierte es nicht mehr.

"So ein Sch… gerade jetzt. Kennst du dich mit dieser Technik aus?", fragte sie ihren charmanten Begleiter ein wenig frustriert.

Richard, der ihr die digitale Kamera lächelnd aus der Hand nahm, schloss das Batteriefach, welches sich geöffnet hatte. Als er die Kamera wieder einschaltete, fiel ihm beim letzten Check der Funktionstüchtigkeit, ein Foto auf.

"Bitte verzeih, ich bin sonst nicht so neugierig, aber die junge attraktive Frau auf dem Foto hier, wer ist das?"

Belinda nahm ihm schnell die Kamera ab und knipste die lustigen Delphine.

"Eine Freundin?! Scheint irische Wurzeln zu haben", stellte Richard nachhakend fest, da Belinda nicht antwortete.

"Das ist meine beste Freundin Gesa aus Hamburg. Und nein, sie ist keine Irin, auch wenn sie lockiges, rotes Haar hat. Aber gut, das du mich an sie erinnerst. Ich wollte ihr schon gestern eine Mail zu meiner Ankunft schreiben. Sie war sehr traurig, dass ich nach Cornwall gezogen bin. Ich habe ihr versprochen, in engem Kontakt zu bleiben", fuhr Belinda schuldbewusst fort und zog eine undefinierbare Grimasse.