Inhaltsübersicht

A. Vorwort

Mit dem Jahreswechsel 2021/2022 nimmt das eJustice-Gesetz aus dem Jahr 2013 seinen größten und letzten Meilenstein: Mit der Einführung der aktiven Nutzungspflicht vor allem für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Behörden werden die wichtigsten professionellen Verfahrensbeteiligten in den elektronischen Rechtsverkehr gezwungen. Die Mengengerüste dürften sich dadurch erheblich verschieben. Der elektronische Rechtsverkehr ist dann endgültig der Normalfall. Ein Zustand der insbesondere in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor 10 Jahren wie Science Fiction wirkte. Im Sog des elektronischen Rechtsverkehrs mit der Justiz kommt auch immer mehr die noch nicht verpflichtende digitale Kommunikation mit der Verwaltung in Fahrt. Sowohl im Prozessrecht als auch im öffentlichen Verfahrensrecht stellen sich zahlreiche neue Rechtsfragen. Neu ist, dass sich nunmehr auch eine immer größer werdende Personenzahl dafür interessiert, Rechtsprechung gestaltet und Publikationen erstellt. Die Meinungsvielfalt wird größer. In der Folge wird auch ein Praxishandbuch zur Digitalisierung immer umfangreicher. Für einen noch vertiefteren Blick mit der Systematik eines Kommentars lohnt sich der jurisPK-ERV.

Hinzu kommt in der Auflage für das Jahr 2022, dass auch der Gesetzgeber wieder aktiv geworden ist: Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufe und vor allem mit dem Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (ERV-AusbauG) hat der Gesetzgeber im großen Umfang das digitale Prozessrecht nachjustiert; neue sichere Übermittlungswege, eine neue Systematik im Zustellungsrecht mit § 173 ZPO als eigener Norm für den elektronischen Rechtsverkehr und eine überraschende Breitseite für die bisherige Rechtsprechung der Bundesgerichte zur Prüfung der Dateiformate. Zum Zeitpunkt der Drucklegung war das ERV-AusbauG noch nicht verkündet. Vermutlicher Inkrafttretenszeitpunkt seiner Normen dürfte aber der 1.1.2022 sein – hiervon geht auch dieses Handbuch aus.

Diese 6. Auflage bewegt sich in der Struktur der 5. Auflage, wurde aber um die neue Rechtslage zum 1.1.2022 ergänzt, enthält andererseits aber auch noch die Rechtslage bis zum 31.12.2021, um Altfälle bewerten zu können. Mehr noch als in der 5. Auflage wurden vorhandene Dopplungen entfernt. Dafür wurde das Schlagwortverzeichnis deutlich erweitert. In der eBook-Version helfen zahlreiche Hyperlinks in den Fußnoten, noch aktuellere Informationen zu erlangen. Insbesondere auch durch Verweise auf den Blog www.ervjustiz.de.

Mein herzlicher Dank gilt auch in dieser Auflage Herrn Uwe Möller für den Antrieb die Auflage trotz neuer - und eher IT-fremder dienstlicher Funktion - fertigzustellen. Dass dieses Handbuch ohne seinen technischen Sachverstand nicht machbar wäre, liegt auf der Hand. Aber auch sein prozessrechtlicher Rat ist nicht in Gold aufzuwiegen. Hervorzuheben ist ferner sein Verdienst um die Rechtsanwaltschaft: Ohne seinen xJustiz-Viewer, wären viele Sozialrechtlerinnen und Sozialrechtler schlicht nicht mehr in der Lage, ihren Job zu machen: Es gibt auch weiter kein anderes Werkzeug, um die xJustiz-Behördenakten insbesondere der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter sachgerecht zu lesen. Ferner ist auch auf sein OCR-Tool hinzuweisen, das – wie der xJustiz-Viewer – kostenfrei unter www.ervjustiz.de bezogen werden kann. Vielen Dank auch an die Bundesrechtsanwaltskammer für die Erlaubnis Screenshots aus den beA-Newslettern entnehmen zu dürfen, sowie das wunderbare IT-Team des Sozialgerichts Leipzig für die großartige Anleitung zum xJustiz-Viewer, aus der ich mich bedienen durfte.

Diese 6. Auflage widme ich nun dem Team „meines“ Sozialgerichts Darmstadt, die mich auf meiner neuen beruflichen Herausforderung begleiten und so tapfer gegen riesige (leider nicht immer) elektronische Aktenberge kämpfen, obwohl unser Fachverfahren EUREKA-Fach dies so gut - und viel besser als das was wohl kommt - könnte.

Wie schon in den Vorauflagen möchte ich nicht verpassen, auf den Blog www.ervjustiz.de hinzuweisen. Dort finden sich weitere Besprechungen aktueller Rechtsfragen, die auch zwischen den Auflagen dieses Handbuchs weiter aktualisiert werden.

Henning Müller

B. Systematische Übersicht

Die Digitalisierung der Justiz („eJustice“) und der öffentlichen Verwaltung („eGovernment“) führt zahlreiche neue Begrifflichkeiten ein, die technisch überlagert sind (bspw. die qualifizierte elektronische Signatur – qeS). Andere Begriffe sind jahrhundertealt – bspw. der Aktenbegriff – müssen aber in einem digitalisierten Umfeld aus anderen Blickwinkeln betrachtet werden. An den Anfang dieses Kompendiums werden daher Begriffsbestimmungen gestellt.

I. eJustice

Der Begriff „eJustice“1 ist diffus und lediglich als Oberbegriff, manchmal vielleicht auch als Schlagwort, benutzbar. Letztlich beschreibt er die Bemühungen der Rechtsprechung als dritter Staatsgewalt um eine vollelektronische Kommunikation und Aktenführung.2 Letztlich handelt es sich also um einen Sammelbegriff von Einzelaspekten des Einsatzes von Informationstechnologie bei der Erledigung von Justizaufgaben. Neben den einzelnen Produkten von „eJustice“, wie der elektronischen Kommunikation oder der elektronischen Aktenführung müssen daher auch Querschnittsaufgaben (bspw. die Spracherkennung) und Grundlagenfragen wie die Arbeitsorganisation im digitalen „Workflow“, die IT-Sicherheit, Legal-Tech in der Justiz oder der Datenschutz zum „eJustice“ im weitesten Sinne gezählt werden.

1. Legal Tech

Das nicht minder schillernde Buzz-Word Legal Tech ist seinerseits mit großer begrifflicher Weite in Gebrauch: Er reicht in einem ersten Schrift von allgemeinen, wenig komplexen Softwarelösungen, wie etwa Office-Programmen, über teilweise sehr spezifische und leistungsfähige Fachanwendungen (bspw. EUREKA-Fach, forumStar, RA-Kanzleisoftware etc.) oder juristische Datenbanken (wie beck-online, juris und Jurion).

In einem zweiten Schritt gehören zum Oberbegriff Legal Tech auch automatisierte Systeme: Komplexere digitale Werkzeuge zur Automation bestimmter Arbeitsabläufe (je nach Komplexität können dazu etwa Online-Terminbuchungsportale gehören bis hin zu komplexeren Expertensystemen wie flightright.de oder wenigermiete.de).

Kaum in Gebrauch sind dagegen noch hochautomatisierte oder autonome Systeme: Hochkomplexe intelligente Systeme, die selbständige Entscheidungen treffen können (so etwa der Robot-Judge aus Estland).3

2. Arbeitsgruppe Modernisierung des Zivilprozess

Im Übrigen dürfen „eJustice“-Prozesse nicht nur aus gerichtlicher Sicht betrachtet werden oder nur aus anwaltlicher bzw. behördlicher Sicht, sondern auch stets übergreifend zur Realisierung eines größtmöglichen gemeinsamen Nutzens im Interesse des rechtsuchenden Bürgers. Hierher gehören beispielsweise sehr weitgehende Bestrebungen zur Formalisierung und Strukturierung der Justizkommunikation.4

Die Diskussion um die Digitalisierung der Justiz wird derzeit durch die Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“ im Auftrag der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs vorangetrieben. Deren bisherige Arbeitsergebnisse wurden von der 91. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 26./27.11.2020 aufgegriffen und begrüßt. Die Justizministerinnen und Justizminister bitten die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, zeitnah eine Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder, der Gerichte, der Anwaltschaft, der Verbraucherverbände, der Wirtschaft und der Wissenschaft einzusetzen, die die Vorschläge der Arbeitsgruppe der Gerichte und die Ergebnisse der Arbeitsgruppen „LegalTech“ und „eJustice II“ bewertet und Vorschläge für den Zivilprozess der Zukunft unterbreitet.5 Hierbei besteht allerdings die nicht unrealistische Gefahr, dass die Ziele teilweise zu hoch gesteckt sein könnten. Der strukturierte Parteiprozess bspw. mag wünschenswert sein, dürfte aber andererseits erhebliche Gegenwehr ernten. Andere – teilweise durchaus leicht umsetzbare – Reformbestrebungen, die eher dem Justizalltag zuzurechnen sind, sollten hierunter weder in der Sache noch zeitlich leiden müssen. Es droht, dass einzelne Projekte zu groß werden und die Umsetzung dann im Ganzen stockt. Idealerweise sollten dagegen kleinere innovative Projekte vorgezogen und in der Praxis etabliert werden.6

In diesem Sinne wurden im Rahmen der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs am 08.06.2021 durch die Ober- und Bundesgerichte die Vorschläge aus der Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“ individualisiert, die vorrangig weiterverfolgt werden sollen.7 Dies sind:

Hinsichtlich der weiteren Vorschläge soll nach dem Votum der Präsidentinnen und Präsidenten die „Diskussion weiter fortgesetzt werden“.8

3. Praktische Umsetzung in der Justiz

Begrifflich sind die einzelnen Ausprägungen von „eJustice“ im Sinne einer elektronisch arbeitenden Justiz, voneinander abzugrenzen, zumal die Hürden für deren praktische Umsetzung völlig unterschiedlich sind.

„eJustice“ bedeutet – im Idealfall – ein vollständiges organisatorisches Umdenken an den juristischen Arbeitsplätzen und hinsichtlich von dem eJustice-Prozess betroffener Rechtsfragen. Der (verbreitete) Grundfehler besteht darin, rechtliche oder tatsächliche Probleme des elektronischen Rechtsverkehrs oder der eAkte anhand rechtlicher Maßstäbe oder organisatorischer Muster des vergangenen Jahrhunderts prüfen. Wünschenswert ist deshalb, dass zukünftige Bewerber um das Richteramt ein grundlegendes technisches Verständnis aufweisen können. Entsprechend neue Studieninhalte sind daher verpflichtend, nicht nur in Schwerpunktbereichen des Studiums erforderlich. Nicht notwendig sind aber sicher der Erwerb einer technischen Qualifikation oder gar, dass Informatikbasiswissen Pflichtstoff im Jurastudium wird. Jedenfalls im Sinne neuer, ausgebauter Schwerpunktbereiche ist aber selbst dies nicht abwegig, dürfte hier doch nicht nur ein Zukunftsmarkts liegen, sondern in einigen juristischen Betätigungsfelder bereits die Gegenwart.

Nüchtern betrachtet, lassen sich aber die wenigen technischen Grundlagen des elektronischen Rechtsverkehrs und auch der (zugegeben schon komplexeren) eAkte schnell vermitteln und leicht erlernen. Für jeden Juristen sollte es selbstverständlich sein, sich auch diesen Aspekt seiner Tätigkeit zu erschließen, um nicht planlos Umwege zu suchen, die es erlauben, eine Beschäftigung mit den neuen Formvorschriften entbehrlich zu machen. Es ist ja gerade eine Fähigkeit des Juristen, sich auch mit tatsächlichen Begebenheiten zu beschäftigen, deren vertieftes Verständnis anderen Wissenschaften vorbehalten ist.9

1 Vgl. im Einzelnen zum Begriff „eJustice“ Berlit, JurPC Web-Dok 117/2014 Abs. 7 ff.

2 Köbler, NJW 2006, 2089, 2090.

3 Oehmer, Robot-Judge: Verurteilt im Namen des Algorithmus, Digital Society Blog vom 6.8.2019 https://www.hiig.de/robot-judge-verurteilt-im-namen-des-algorithmus/

4 Gaier, ZRP 2015, 101 ff.

5http://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2020/Herbstkonferenz_2020/Top-I-6-Zivilprozess-der-Zukunft.pdf; Liero, in: Anwaltsblatt (https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/digitalisierung-des-zivilprozesses-zuspruch-fuer-dasdiskussionspapier-der-oberlandesgerichte)

6 Vgl. auch D. Müller/Gomm, jM 2021, 222 und 266.

7 Der Beschluss der Präsidentinnen und Präsidenten ist hier

veröffentlicht: https://olgko.justiz.rlp.de/fileadmin/justiz/Gerichte/Ordentliche_Gerichte/Oberlandesgerichte/Koblenz/Dokumente/Presse/Beschluss_8_6_2021.pdf .

8 Windau (www.zpoblog.de/beschluesse-der-92-jumiko-vorabentscheidungsverfahrengrenzueberschreitende-videoverhandlungen/) fasst die Ergebnisse der 92. Justizministerkonferenz zusammen, die sich u.a. auch mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe „Modernisierung im Zivilprozess“ beschäftigt hat.

9 Müller, Betriff Justiz, 2017, 22, 26.

II. eGovernment

Was „eJustice“ für die Justiz ist, ist „eGovernment“ für die öffentliche Verwaltung. Das hierzu ergangene Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz – EGovG) 10 und entsprechende Landesgesetze sollen die Erwartungen der Allgemeinheit befriedigen, die Dienste der öffentlichen Verwaltung auch elektronisch in Anspruch zu nehmen. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen finden sich in den Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG, den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen und dem SGB I bzw. dem SGB X), sowie dem Onlinezugangsgesetz (OZG). Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung aus dem Jahr 2012, sei es ein Gebot der Bürgernähe, dass staatliche Verwaltungen Bürgerinnen und Bürgern im privaten, ehrenamtlichen und wirtschaftlichen Alltag die Möglichkeiten zur Nutzung elektronischer Dienste erleichtern. Es handele sich dabei um ein Angebot. Angesichts der nach wie vor unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeit und Nutzungsfähigkeiten elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten in der Bevölkerung dürften elektronische Medien nicht die einzige Zugangsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger zur öffentlichen Verwaltung sein. Elektronische Verwaltungsdienste könnten aber einen bedeutenden Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung und zum Bürokratieabbau sowie zur Schonung der natürlichen Ressourcen leisten. Ziel des Gesetzes sei es, durch den Abbau bundesrechtlicher Hindernisse die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu erleichtern. Das Gesetz solle dadurch über die föderalen Ebenen hinweg Wirkung entfalten und Bund, Ländern und Kommunen ermöglichen, einfachere, nutzerfreundlichere und effizientere elektronische Verwaltungsdienste anzubieten. Die Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnik (IT) in öffentlichen Verwaltungen innerhalb staatlicher Institutionen und zwischen ihnen sowie zwischen diesen Institutionen und Bürgerinnen und Bürgern bzw. Unternehmen solle verbessert und erleichtert werden. Dies müsse mit Veränderungen in den Geschäftsprozessen der öffentlichen Verwaltung einhergehen. Medienbruchfreie Prozesse vom Antrag bis zur Archivierung sollten möglich werden. Dabei sollten Anreize geschaffen werden, Prozesse nach den Lebenslagen von Bürgerinnen und Bürgern sowie nach den Bedarfslagen von Unternehmen zu strukturieren und nutzerfreundliche, ebenenübergreifende Verwaltungsdienstleistungen „aus einer Hand“ anzubieten. Ebenso sollten Rechtsunsicherheiten beseitigt werden.

1. elektronische Identifizierung

Hierzu solle die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung erleichtert werden, indem die Schriftform neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch durch zwei andere sichere Verfahren ersetzt werden kann: Das erste dieser zugelassenen Verfahren betrifft von der Verwaltung zur Verfügung gestellte Formulare, welche in Verbindung mit sicherer elektronischer Identifizierung der oder des Erklärenden übermittelt werden; eine sichere elektronische Identifizierung wird insbesondere durch die Online-Ausweisfunktion (eID-Funktion) des neuen Personalausweises gewährleistet (vgl. § 18 des Personalausweisgesetzes, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder nach § 78 Absatz 5 des AufenthG). Das zweite zugelassene Verfahren ist die De-Mail in der Versandoption nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes, welche eine „sichere Anmeldung“ (§ 4 Absatz 1 Satz 2 des De-MailG) des Erklärenden voraussetzt. Ferner wird aktuell für den sozialrechtlichen Bereich die elektronische Identität mit der elektronischen Gesundheitskarte nach § 291 Absatz 2a SGB V etabliert.

2. Freiwilligkeitsprinzip des ERV in der Exekutive

§ 2 Abs. 1 EGovG schafft das Freiwilligkeitsprinzip für die Eröffnung der elektronischen Kommunikation von Seiten der Behörden ab.11 Die EGovG der Länder sind teilweise noch deutlich strenger. Behörden sind nun grundsätzlich „verpflichtet, auch einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente, auch soweit sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, zu eröffnen“. 12 Besteht eine Verpflichtung für die Behörde zur Eröffnung eines elektronischen Zugangs ist eine förmliche Zugangseröffnung durch Widmung im Gegensatz zur früheren Rechtslage unter dem Freiwilligkeitsprinzip nicht mehr erforderlich.13 Der Zugang ist daher bereits eröffnet, wenn er für den Bürger faktisch verfügbar ist. Hierüber besteht – unbeschadet strengerer Regelungen in einzelnen Landes-EGovGen – aber jedenfalls noch ein Auswahlermessen hinsichtlich der zu eröffnenden elektronischen Kommunikationskanäle. In Bereichen, in denen auch für die Behörde noch keine Verpflichtung zur elektronischen Zugangseröffnung besteht, verbleibt es dabei, dass ein für die rechtsverbindliche Kommunikation gewidmeter Zugang dem Bürger faktisch angeboten werden muss – bspw. auf dem Briefkopf offizieller Schreiben, auf der Homepage oder in der Rechtsmittelbelehrung.

Für den Bürger verbleibt es bei der freiwilligen Zugangseröffnung im Sinne des § 3a Abs. 1 VwVfG und § 36a Abs. 1 SGB I. Die Eröffnung eines Zugangs setzt zum einen als objektive Komponente die technische Kommunikationseinrichtung, also z.B. die Verfügbarkeit eines elektronischen Postfachs bzw. Internet-Anschlusses, zum anderen als subjektive Komponente zusätzlich die Eröffnung dieses Zugangs voraus. Letzteres geschieht durch entsprechende „Widmung“ des Empfängers, die ausdrücklich oder konkludent erfolgen kann. Erforderlich ist, dass der Empfänger seine Bereitschaft, elektronische Mitteilungen entgegenzunehmen, hinreichend zum Ausdruck bringt. Aus dem Wortlaut der Vorschrift („soweit“) ergibt sich, dass die Eröffnung auch mit Einschränkungen, z.B. nur für ein bestimmtes Dokument, in einer bestimmten Angelegenheit oder nur hinsichtlich einer von mehreren E-Mail-Adressen erklärt werden kann.14

3. Elektronische Behördenakten

Ein weiterer Schwerpunkt des EGovG liegt bei der elektronischen Aktenführung und dem hierfür zu errichtenden IT-Umfeld. Nach § 6 S. 1 EGovG sollen die Bundesbehörden ihre Akten elektronisch führen. Damit Papierdokumente sukzessive entbehrlich werden, regelt § 7 EGovG das so genannte ersetzende Scannen. § 13 EGovG widmet sich der Verwendung elektronischer Formulare, beschränkt sich dabei aber auf Fragen der Schriftform. 15 § 6 Satz 1 EGovG – also die Soll-Verpflichtung zur elektronischen Aktenführung trat am 1. Januar 2020 in Kraft, steht aber gem. § 6 Satz 2 EGovG ohnehin unter dem Wirtschaftlichkeitsvorbehalt.

10 BGBl I 2013, 2749.

11 Müller, ZFSH-SGB 2019, 73.

12 Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42, 43.

13 LSG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - L 6 AS 202/18 B ER.

14 Müller in: jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 3a VwVfG Rn. 34.

15 Heckmann/Albrecht, ZRP 2013, 42, 43.

III. Der elektronische Rechtsverkehr mit der Justiz im Überblick

Die elektronische Kommunikation mit den Gerichten (elektronischer Posteingang des Gerichts) und von Seiten der Gerichte (elektronischer Postausgang) ist der sog. „elektronische Rechtsverkehr“. Seit dem 1.1.201816 sind mit Ausnahme des Bundesverfassungsgerichts und einger Landesverfassungsgerichte alle Gerichte faktisch und auch rechtsverbindlich elektronisch erreichbar. Nicht wenige Gericht drucken aber – ähnlich einem Telefaxeingang – das elektronische Dokument aus und senden auch ausschließlich Telefaxe oder Briefpost an die Verfahrensbeteiligten zurück. Die Vorgaben des sog. „eJustice-Gesetzes“17 werden durch diese „elektronische Sackgasse“ aber bereits erfüllt; die Gerichte sind im Postausgang nicht zur Verwendung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet. Von einem echten elektronischen Rechtsverkehr dürfte hingegen nur dann geredet werden, wenn dieser auch bidirektional erfolgt, also nicht nur elektronische Posteingänge vom Gericht entgegengenommen werden, sondern das Gericht auch selbst elektronisch versendet.

§ 173 Abs. 1 ZPO18 (= § 174 Abs. 3 ZPO a.F.) erlaubt unmittelbar die förmliche elektronische Zustellung gegen (elektronisches) Empfangsbekenntnis und mittelbar (als logisches Minus) die einfache elektronische Übersendung an Personen, an die gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden darf (§ 173 Abs. 2 ZPO – die sog. professionelle Verfahrensbeteiligten) oder an Personen, die einer elektronischen Zustellung ausdrücklich zugestimmt haben (§ 173 Abs. 4 ZPO).

Der elektronische Postausgang der Gerichte ist auch zulässig und wirksam, wenn ein professioneller Verfahrensbeteiligte zwar über ein den Anforderungen entsprechendes elektronisches Postfach verfügt, gegenüber dem Gericht aber tatsächlich gar keine elektronische Kommunikation betreibt – und eigentlich auch nicht betreiben will.19 Dieses Vorgehen nennt man den „initiativen elektronischen Rechtsverkehr“ oder die sog. „passive Nutzungspflicht“ eines eröffneten elektronischen Kommunikationskanals. Hinsichtlich des Posteingangs über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) war die Zulässigkeit dieses initiativen elektronischen Rechtsverkehrs bzw. die passive Nutzungspflicht des EGVP nach nahezu unumstrittener Meinung zulässig. Es war Konsens, dass im elektronischen Rechtsverkehr kein Anspruch auf eine postalisch übersandte gerichtliche Entscheidung mehr besteht. Die einzige Option – jedenfalls bis zur Einführung der Nutzungspflicht durch das eJustice-Gesetz – sich elektronischen Übermittlungen durch die Gerichte zu entziehen, war es daher, ein eingerichtetes EGVP-Postfach wieder abzumelden. Erst durch die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) differenzierten sich zur passiven Nutzungspflicht des beA die Rechtsmeinungen. Spätestens seit 1.1.2018 ist aber der „initiative elektronische Rechtsverkehr“ (wieder) unbeschränkt zulässig, für förmliche Zustellungen jedenfalls in die sog. „sicheren Übermittlungswege“. Für das beA ist dies explizit in § 31a Abs. 6 BRAO geregelt.

Seit dem 1.1.2018 sieht das Gesetz die förmliche Zustellung gegen (elektronisches) Empfangsbekenntnis nur noch über einen sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO vor, vgl. § 173 Abs. 1 ZPO (= § 174 Abs. 3 Satz 3 ZPO a.F.). Die in § 173 Abs. 2 ZPO genannten Personen und Personengruppen sind sogar verpflichtet, einen „sicheren Übermittlungsweg“ einzurichten. Da das elektronische Empfangsbekenntnis (eEB) nur in der Form des § 173 Abs. 3 ZPO auf elektronischem Wege erteilt werden kann, besteht insoweit sogar eine „aktive Nutzungspflicht“ der elektronischen Kommunikation bei der Mitwirkung an Zustellungen – jedenfalls sofern das Gericht ein eEB anfordert; dies steht gem. § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO (= § 174 Abs. 4 ZPO a.F.) im Ermessen des Gerichts. Zur Mitwirkung an Zustellungen sind Behörden aufgrund des Rechtsstaatsprinzips und die Rechtsanwaltschaft gem. § 14 BORA berufsrechtlich verpflichtet.

1. Sichere Übermittlungswege, § 130a Abs. 4 ZPO

§ 130a Abs. 4 ZPO führte zum 1.1.2018 den Rechtsbegriff des „sicheren Übermittlungswegs“ ein. Das Adjektiv „sicher“ bezieht sich insoweit nicht auf Fragen der IT-Sicherheit oder des Ausfallschutzes, sondern darauf, dass aufgrund entsprechender technischer Sicherungsmaßnahmen bei Nutzung eines solchen Übermittlungswegs ein sicherer Rückschluss auf die Identität des Absenders möglich ist. Der besondere Kommunikationskanal ersetzt also die Identifikationsfunktion der Unterschrift. Daher kann bei Nutzung sicherer Übermittlungswege auch auf die qualifizierte elektronische Signatur gem. Art. 3 Nr. 12 eIDAS-Verordnung verzichtet werden, die sonst die eigenhändige Unterschrift im elektronischen Rechtsverkehr ersetzt.

Stammt die Nachricht aus einem sicheren Übermittlungsweg, ist eine qualifizierte elektronische Signatur zur Formwahrung nicht erforderlich. In allen anderen Fällen – insbesondere bei Nutzung von EGVP nach dem bisherigen Muster oder bspw. bei Verwendung eines beA durch jemand anderen als den Postfachinhaber (bspw. das Sekretariat des Rechtsanwalts) – kann dagegen auch weiterhin nicht auf die qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden.

An der gesetzgeberischen Konstruktion ist zu kritisieren, dass durch den sicheren Übermittlungsweg nur die Authentifizierungsfunktion der qualifizierten elektronischen Signatur ersetzt wird (vgl. § 130a Abs. 3 ZPO). Deren übrige Vorteile – insbesondere der Schutz vor nachträglicher Manipulation, aber auch die Verschlüsselung der Datei – werden durch den besonderen Übermittlungsweg dagegen nicht ersetzt. Ratsam ist deshalb im Zweifel auch bei Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs, nicht auf einen wirksamen Schutz des Dokuments durch die qualifizierte elektronische Signatur zu verzichten.

Selbst der Gesetzgeber hatte dieses Dilemma schon erkannt und in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass die Nutzung sicherer Übermittlungswege den Absender nicht von der Beachtung besonderer Vertraulichkeitsregeln entbindet. Die Regelung betreffe ausschließlich die prozessuale Form. Vielfach wird daher aufgrund der anwaltlichen Sorgfalt angeraten, Schriftsätze trotz Übermittlung aus einem sicheren Übermittlungsweg qualifiziert elektronisch zu signiert. Im Ergebnis ist dies wohl jedenfalls dann anheim zu stellen, wenn entsprechende Rechtsnachteile konkret befürchtet werden könnten.

2. Die sicheren Übermittlungswege nach dem eJustice-Gesetz

§ 130a Abs. 4 ZPO nennt vier gesetzlich definierte sichere Übermittlungswege:

Diese vier bereits vom Gesetz definierten sicheren Übermittlungswege sind seit 1. Januar 2018 ohne weiteres zur rechtssicheren Kommunikation nutzbar, sofern sie faktisch zur Verfügung stehen. Sie sind kraft Gesetzes zulässig. Einer zusätzlichen Zulassung dieser Übermittlungswege durch Rechtsverordnung bedarf es nicht, wie der Umkehrschluss aus § 130a Abs. 4 Nr. 6 ZPO zeigt.

3. Die sicheren Übermittlungswege nach dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts vom 7. Juli 2021

§ 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO lässt auch dem beA „entsprechende, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfächer“ zu. Hiervon war bislang nur in Form des beN Gebrauch gemacht worden.

a. besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach

In dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 202120 hat der Gesetzgeber nun ein weiteres Postfach eingeführt: Das „beSt“ – das besondere elektronische Steuerberaterpostfach – wird durch eine Änderung des Steuerberatungsgesetzes geschaffen.

Wie beim beA der Rechtsanwaltschaft richtet die Bundessteuerberaterkammer gem. § 86d StBerG für jeden Steuerberater, jeden Steuerbevollmächtigen und gem. § 86e StBerG für jede ins Steuerberaterverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft ein beSt ein. Wie die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auch, haben die Steuerberaterinnen und Steuerberater das beSt empfangsbereit vorzuhalten und gem. § 86d Abs. 6 StBerG Mitteilungen und Zustellungen zur Kenntnis zu nehmen.

Die Identitätsprüfung erfolgt gem. § 86c StBerG durch die Bundessteuerberaterkammer. Für den Zugriff auf das Postfach wird die Steuerberaterplattform genutzt. Steuerberaterinnen und Steuerberater sind verpflichtet sich hierfür mit einem Nutzerkonto zu registrieren.

Das beSt ist sicherer Übermittlungsweg für den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz gem. § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO (bzw. § 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO usw.).

Inkrafttretenszeitpunkt des Gesetzes ist der 1.8.2022. Gem. § 157e StBerG sind die neuen Regelungen zur Steuerberaterplattform allerdings erst ab 31. Dezember 2022 anwendbar.

b. Kanzleipostfach für Rechtsanwaltsgesellschaften

Gem. § 59 l BRAO sind Rechtsanwaltsgesellschaften selbst prozess- und postulationsfähig. Ein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) hatten Rechtsanwaltsgesellschaften aber bisher nicht. Mit den sich hieraus ergebenden Ungereimtheiten musste sich sogar der BGH beschäftigen.21

Die wesentliche Neuregelung zur Einführung des Kanzleipostfachs für Rechtsanwaltsgesellschaften (insbesondere die RA-GmbH, aber auch andere RA-Kapitalgesellschaften) enthält der neue § 31b BRAO.

Gem. § 31b Abs. 1 BRAO richtet die BRAK für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft ein beA empfangsbereit ein. Entgegen früherer Entwürfe wird für Rechtsanwaltsgesellschaften daher – genauso wie bei anderen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verpflichtend. Gem. § 21 Absatz 1 Satz 2 RAVPV wird das Gesellschaftspostfach unverzüglich nach der Eintragung der Berufsausübungsgesellschaft eingerichtet.

Gem. § 31b Abs. 2 BRAO übermitteln die Rechtsanwaltskammern der BRAK zum Zweck der Einrichtung des Kanzlei-beA den Namen oder die Firma, die Rechtsform und eine zustellfähige Anschrift der Berufsausübungsgesellschaft sowie die Familiennamen und den oder die Vornamen der vertretungsberechtigten Rechtsanwälte, die befugt sind, für die Berufsausübungsgesellschaft Dokumente mit einer nichtqualifizierten elektronischen Signatur (gemeint ist die einfache Signatur wie bei allen anderen sicheren Übermittlungswegen) auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden.

Dass das Gesellschaftspostfachs als sicherer Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO anerkannt wird, setzt voraus, dass sowohl die Postulationsfähigkeit als auch die Vertretungsbefugnis der für die Berufsausübungsgesellschaft handelnden Person für den Empfänger feststellbar sind. Berufsausübungsgesellschaften werden als juristische Person oder rechtsfähige Vereinigung notwendigerweise durch natürliche Personen vertreten. Nach § 21 Absatz 4 RAVPV müssen diese vertretungsberechtigten Rechtsanwälte gegenüber der BRAK benannt werden. Dies ist erforderlich, um sicherzustellen, dass die Versendung tatsächlich durch entsprechend befugte und postulationsfähige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfolgt. Eine Übertragung auf andere Personen als die Benannten ist daher ausgeschlossen. Erst hierdurch wird die Voraussetzung des sicheren Übermittlungswegs geschaffen, denn ein solcher setzt voraus, dass durch das Postfach sicher auf den Absender geschlossen werden kann. Außerdem muss bei der Übermittlung von Schriftstücken und Erklärungen an das Gericht sichergestellt werden, dass eine vertretungsberechtigte, postulationsbefugte Person handelt. Nicht vertretungsberechtigte Personen müssen daher – wie beim beA auch sonst – das formbedürftige elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.

Auf die Gerichte kommt daher im gerichtlichen Posteingang wohl kein neuer Prüfungsaufwand zu. Bei der Nutzung des Gesellschaftspostfachs dürfte es ausreichen, wenn der sichere Übermittlungsweg durch den Vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (VHN) nachgewiesen ist und der Schriftsatz die einfache Signatur eines/einer vertretungsberechtigten, postulationsfähigen Rechtsanwalts/Rechtsanwältin trägt.

4 Die sicheren Übermittlungswege nach dem ERV-AusbauG

Wesentlicher Inhalt des ERV-AusbauG 22 ist die Zurverfügungstellung sicherer Übermittlungswege für zusätzliche Personengruppen:

Die Länder werden in § 11 Abs. 1 ERVV-E verpflichtet, öffentlichrechtliche Stellen zu benennen, um nach der Prüfung der Identität des Postfachinhabers die Freischaltung des Postfachs vorzunehmen. Hierzu können die Länder neue Prüfstellen errichten oder bestehenden beBPo-Prüfstellen personell und technisch erweitern.

Zwar verlagert § 11 Abs. 2 ERVV-E den eigentlichen Identifikationsprozess weitgehend auf andere Stellen, bspw. Notare. Dies ist letztlich zu begrüßen, auch wenn der hierdurch eintretende Aufwand insbesondere den nur selten klagenden Bürger abschrecken dürfte. Allerdings zeigen bereits die theoretischen Ausführungen auf S. 35 des Referentenentwurfs23 zum Nachweis der geschäftlichen Anschrift, dass im Einzelfall nach der Identitätsprüfung ein weiteres, durchaus aufwendiges Verwaltungsverfahren bei der Prüfstelle zu erwarten ist:

Der Postfachinhaber legt anschließend das Dokument, das die gespeicherten Postfachdaten enthält, einem Notar vor. Dieser beglaubigt sodann die Unterschrift des Postfachinhabers auf diesem Dokument. Das Verfahren der Unterschriftsbeglaubigung ermöglicht eine verlässliche Zuordnung der Erklärung zu der erklärenden Person, die durch den Notar zum Zwecke der Beglaubigung der Unterschrift amtlich identifiziert wird (§ 40 Absatz 4 in Verbindung mit § 10 BeurkG). Der Postfachinhaber wird in diesem Rahmen von dem Notar typischerweise anhand eines amtlichen Lichtbildausweises - identifiziert. Handelt die natürliche Person nicht für sich selbst, sondern als gesetzliche Vertreterin einer in einem Register eingetragenen Gesellschaft, muss der Erklärung eine beglaubigte Abschrift aus dem betreffenden Register oder eine notarielle Vermerkurkunde über den Inhalt des Registers beigefügt werden, in der die Vertretungsberechtigung der erklärenden Person eingetragen ist.

Alternativ kann der Notar in den Beglaubigungsvermerk auch eine Vertretungsbescheinigung nach § 21 Bundesnotarordnung (BNotO) aufnehmen, mit der er nach Einsicht in das betreffende Register die Vertretungsbefugnis bescheinigt. Ist der Postfachinhaber in einem öffentlichen Register eingetragen, kann zum Nachweis der geschäftlichen Anschrift auf die im Register eingetragene inländische Geschäftsanschrift zurückgegriffen werden. Wie bei der Ermittlung der Vertretungsbefugnis kann dies durch Beifügung einer beglaubigten Abschrift aus dem Handelsregister, einer notariellen Vermerkurkunde über den Inhalt des Handelsregisters oder einer entsprechenden notariellen Registerbescheinigung nach § 21 BNotO erfolgen.

Nach Beglaubigung der Unterschrift unter der die angegebenen Postfachdaten enthaltenden Erklärung wird das Dokument nebst etwaig beigefügten Nachweisen an die nach Absatz 1 bestimmte Stelle übermittelt, die die Freischaltung des eBO veranlasst.

Kann zum Nachweis der geschäftlichen Anschrift nicht auf ein öffentliches Register zurückgegriffen werden, muss die nach Absatz 1 für die Prüfung der Identität bestimmte Stelle durch zusätzliche Maßnahmen prüfen, ob es sich um die zutreffend angegebenen Daten handelt. Eine solche Prüfung kann etwa dadurch erfolgen, dass ein Brief an die in der Erklärung angegebene Postanschrift gesendet wird. Mithilfe eines in dem Brief enthaltenen Nachweishilfsmittels (etwa eines Buchstaben- und/oder Zahlencodes) können Postfachinhaber die Richtigkeit der angegebenen Anschrift bestätigen. Diese Art der Überprüfung kann auch durch andere, ein gleiches Maß an Sicherheit bietende Verfahren erfolgen.

5. Zusammenfassung: Übersicht über die sicheren Übermittlungswege