WELTLITERATUR FÜR KINDER

Romeo und Julia

nach William Shakespeare

Neu er zählt von Barbara Kindermann
Mit Bildern von Christa Unzner

In Verona, einer Stadt in Italien, lebten einst zwei mächtige adlige Familien, die seit vielen Jahren miteinander im Streit lagen. Ein uralter, tiefer Hass trennte sie. Die eine Familie hieß Montague, sie hatte einen stattlichen Sohn namens Romeo, die andere hieß Capulet, ihr ganzer Stolz war eine wunderschöne Tochter, Julia.

Der Zwist zwischen den beiden Häusern ging so weit, dass sich selbst Diener und Freunde der Familien bekämpften, wenn sie einander begegneten. Nicht selten stürzten sie sich sogar mit ihren Degen aufeinander.

Der Prinz von Verona war sehr verärgert über diese törichte Feindschaft, denn immer wieder brachte sie große Unruhe in seine Stadt. Als er eines Tages erneut dazustieß, wie zwei Diener der gegnerischen Häuser miteinander kämpften, trieb er die Streithähne auseinander und rief zornig: »Ihr Friedensfeinde! Hört auf mit diesem sinnlosen Hass! Wer je wieder die Ruhe unserer Stadt stört, wird mit dem Tode bestraft! Lebt endlich in Frieden und Freundschaft!«

Nun begab es sich eines Tages, dass ein junger Edelmann namens Paris beim Grafen Capulet vorsprach und ihn um die Hand seiner schönen Tochter Julia bat. Der Vater schüttelte bedenklich den Kopf und sprach: »Julia ist eigentlich noch zu jung zum Heiraten. Doch soll sie selbst entscheiden. Wenn auch sie es will, werde ich einer Hochzeit gerne zustimmen. Ich gebe heute ein Fest. Kommt dazu, und ich werde Euch mit Julia bekannt machen.«

Am Abend wurden im Hause Capulet die Vorbereitungen für das Fest getroffen. Unter den Dienern und Köchen herrschte emsiges Treiben. Julia hatte sich unterdessen mit ihrer Mutter und ihrer Amme in die oberen Gemächer zurückgezogen. Gräfin Capulet nahm die Tochter bei der Hand und fragte ernst: »Julia, was hältst du eigentlich vom Heiraten?«

Julia antwortete ganz erschrocken: »Liebe Mutter, um Himmels Willen, ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht!«

»Dann beginne jetzt damit«, entgegnete die Mutter. »Graf Paris war heute zu Besuch und hat um deine Hand angehalten. Er ist schön, tugendhaft und ein Verwandter des Prinzen von Verona. Julia, einen besseren Mann kannst du nicht finden! Er wird heute Abend zum Fest kommen, sieh ihn dir an, er wird dir bestimmt gefallen.«